Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

6B 1431/2017

Urteil vom 31. Juli 2018

Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Denys, Präsident,
Bundesrichter Oberholzer,
Bundesrichterin Jametti,
Gerichtsschreiberin Schär.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Peter Nideröst,
Beschwerdeführer,

gegen

Staatsanwaltschaft des Kantons Graubünden, Erster Staatsanwalt, Sennhofstrasse 17, 7000 Chur,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Fahrlässige Erwerbstätigkeit ohne Bewilligung; Anklageergänzung,

Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts von Graubünden, I. Strafkammer, vom 31. Oktober 2017 (SK1 16 24) und den Beschluss des Kantonsgerichts von Graubünden, I. Strafkammer, vom 12. September 2016 (SK1 16 24).

Sachverhalt:

A.
Im Strafbefehl vom 13. August 2014 wurde X.________ vorgeworfen, in der Zeit vom 1. April 2014 bis am 9. Mai 2014 ohne Arbeitsbewilligung bei einer Firma als Hilfsmaler gearbeitet zu haben, obwohl er gewusst habe, dass er das Gesuch um Arbeitsbewilligung erst am 28. bzw. 29. April 2014 gestellt hatte und die Erwerbstätigkeit erst auf den 9. Mai 2014 bewilligt worden sei. Am 4. April 2014 habe sich der Beschwerdeführer zudem in Chur aufgehalten, obwohl gegen ihn eine gültige Ausgrenzung für das Stadtgebiet Chur bestanden habe. Damit habe er sich der vorsätzlichen Erwerbstätigkeit ohne Bewilligung sowie der Missachtung der Ausgrenzung schuldig gemacht. X.________ wurde mit einer unbedingten Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu Fr. 30.-- bestraft. Er erhob Einsprache gegen den Strafbefehl.

Das Bezirksgericht Plessur sprach X.________ am 9. April 2015 der fahrlässigen Erwerbstätigkeit ohne Bewilligung sowie der vorsätzlichen Missachtung der Ausgrenzung schuldig und verurteilte ihn zu einer Busse von Fr. 600.--. Dieses Urteil wurde am 9. April 2015 mündlich und am 13. April 2015 schriftlich im Dispositiv eröffnet.

Am 14. April 2015 erliess das Bezirksgericht Plessur gestützt auf Art. 83 Abs. 1
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 83 Erläuterung und Berichtigung von Entscheiden - 1 Ist das Dispositiv eines Entscheides unklar, widersprüchlich oder unvollständig oder steht es mit der Begründung im Widerspruch, so nimmt die Strafbehörde, die den Entscheid gefällt hat, auf Gesuch einer Partei oder von Amtes wegen eine Erläuterung oder Berichtigung des Entscheids vor.
1    Ist das Dispositiv eines Entscheides unklar, widersprüchlich oder unvollständig oder steht es mit der Begründung im Widerspruch, so nimmt die Strafbehörde, die den Entscheid gefällt hat, auf Gesuch einer Partei oder von Amtes wegen eine Erläuterung oder Berichtigung des Entscheids vor.
2    Das Gesuch ist schriftlich einzureichen; die beanstandeten Stellen beziehungsweise die gewünschten Änderungen sind anzugeben.
3    Die Strafbehörde gibt den anderen Parteien Gelegenheit, sich zum Gesuch zu äussern.
4    Der erläuterte oder berichtigte Entscheid wird den Parteien eröffnet.
StPO einen Berichtigungsbeschluss. Die das Strafmass betreffende Ziffer 2 des Urteils ohne schriftliche Begründung vom 9. April 2015 wurde aufgehoben und dahingehend geändert, dass X.________ für die fahrlässige Erwerbstätigkeit ohne Bewilligung mit einer Busse von Fr. 600.-- und für die vorsätzliche Missachtung der Ausgrenzung mit einer unbedingten Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je Fr. 30.-- bestraft wurde.

B.
X.________ erhob Berufung gegen das Urteil des Bezirksgerichts Plessur. Das Kantonsgericht Graubünden bestätigte am 3. November 2015 die erstinstanzlichen Schuldsprüche. Es bestrafte X.________ mit einer Geldstrafe von 30 Tagessätze zu Fr. 10.-- und einer Busse von Fr. 600.--.

C.
Das Bundesgericht hiess am 25. Mai 2016 die Beschwerde von X.________ gegen dieses Urteil gut. Es hob das Urteil des Kantonsgerichts vom 3. November 2015 auf und wies die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurück (Verfahren 6B 115/2016).

D.
Das Kantonsgericht räumte in der Folge den Parteien Gelegenheit ein, zum weiteren Vorgehen Stellung zu nehmen und Anträge in der Sache zu stellen. Die Staatsanwaltschaft beantragte, ihr sei nach Art. 333 Abs. 1
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 333 Änderung und Erweiterung der Anklage - 1 Das Gericht gibt der Staatsanwaltschaft Gelegenheit, die Anklage zu ändern, wenn nach seiner Auffassung der in der Anklageschrift umschriebene Sachverhalt einen andern Straftatbestand erfüllen könnte, die Anklageschrift aber den gesetzlichen Anforderungen nicht entspricht.
1    Das Gericht gibt der Staatsanwaltschaft Gelegenheit, die Anklage zu ändern, wenn nach seiner Auffassung der in der Anklageschrift umschriebene Sachverhalt einen andern Straftatbestand erfüllen könnte, die Anklageschrift aber den gesetzlichen Anforderungen nicht entspricht.
2    Werden während des Hauptverfahrens neue Straftaten der beschuldigten Person bekannt, so kann das Gericht der Staatsanwaltschaft gestatten, die Anklage zu erweitern.
3    Eine Erweiterung ist ausgeschlossen, wenn dadurch das Verfahren über Gebühr erschwert oder die Zuständigkeit des Gerichts ändern würde oder wenn ein Fall von Mittäterschaft oder Teilnahme vorliegt. In diesen Fällen leitet die Staatsanwaltschaft ein Vorverfahren ein.
4    Das Gericht darf eine geänderte oder erweiterte Anklage seinem Urteil nur zu Grunde legen, wenn die Parteirechte der beschuldigten Person und der Privatklägerschaft gewahrt worden sind. Es unterbricht dafür nötigenfalls die Hauptverhandlung.
StPO die Möglichkeit zur Änderung der Anklage auf fahrlässige Erwerbstätigkeit ohne Bewilligung einzuräumen.

Mit Beschluss vom 12. September 2016 wurde der Antrag der Staatsanwaltschaft auf Änderung der Anklage gutgeheissen. Der Staatsanwaltschaft wurde Gelegenheit eingeräumt, die Anklageschrift gemäss ihrem Antrag zu ändern. In der Folge übermittelte die Staatsanwaltschaft dem Kantonsgericht eine neue Anklageschrift. Diese wurde im Hinblick auf eine Verurteilung wegen eines Fahrlässigkeitsdelikts abgeändert und um das Tatbestandsmerkmal der Sorgfaltspflichtverletzung ergänzt.

Mit Urteil vom 31. Oktober 2017 stellte das Kantonsgericht fest, dass der Schuldspruch wegen vorsätzlicher Missachtung der Ausgrenzung in Rechtskraft erwachsen sei. Es hiess die Berufung teilweise gut und sprach X.________ der fahrlässigen Erwerbstätigkeit ohne Bewilligung schuldig. Es bestrafte ihn mit einer Busse von Fr. 600.--.

E.
X.________ führt Beschwerde in Strafsachen. Er beantragt, die Ziffern 3 (Schuldspruch wegen fahrlässiger Erwerbstätigkeit ohne Bewilligung) sowie Ziffern 5.1, 5.3 und 6.1 (Auferlegung der kantonalen Verfahrenskosten) des Urteils des Kantonsgerichts Graubünden vom 31. Oktober 2017 sowie der Beschluss vom 12. September 2016 seien aufzuheben. Er sei vom Vorwurf der fahrlässigen Erwerbstätigkeit ohne Bewilligung freizusprechen. Eventualiter sei die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Schliesslich ersucht X.________ für das bundesgerichtliche Verfahren um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung.

Das Kantonsgericht sowie die Staatsanwaltschaft Graubünden beantragen unter Verweis auf die Erwägungen im angefochtenen Entscheid die Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei.

Erwägungen:

1.

1.1. Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Anklageänderung. Er macht geltend, die neue bzw. geänderte Anklage stelle nicht lediglich eine Präzisierung der ursprünglichen Anklage dar. Vielmehr handle es sich dabei um eine vollständig neue Anklage. Von einer Sorgfaltspflichtverletzung, noch dazu begangen durch Unterlassen, sei zuvor nie die Rede gewesen. In dieser Konstellation könne nicht gesagt werden, der Vorwurf der fahrlässigen Tatbegehung fusse auf dem gleichen Sachverhalt wie die vorsätzliche Tatbegehung. Zudem sei die Anklage auch in zeitlicher Hinsicht abgeändert worden. Denn die neue Anklage beziehe sich in erster Linie auf angebliche Unterlassungen vor dem 1. April 2014, während ihm in der ursprünglichen Anklage Handlungen nach dem 1. April 2014 zur Last gelegt worden seien. Die mit Beschluss vom 12. September 2016 zugelassene Anklageänderung sei nicht mit Art. 333 Abs. 1
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 333 Änderung und Erweiterung der Anklage - 1 Das Gericht gibt der Staatsanwaltschaft Gelegenheit, die Anklage zu ändern, wenn nach seiner Auffassung der in der Anklageschrift umschriebene Sachverhalt einen andern Straftatbestand erfüllen könnte, die Anklageschrift aber den gesetzlichen Anforderungen nicht entspricht.
1    Das Gericht gibt der Staatsanwaltschaft Gelegenheit, die Anklage zu ändern, wenn nach seiner Auffassung der in der Anklageschrift umschriebene Sachverhalt einen andern Straftatbestand erfüllen könnte, die Anklageschrift aber den gesetzlichen Anforderungen nicht entspricht.
2    Werden während des Hauptverfahrens neue Straftaten der beschuldigten Person bekannt, so kann das Gericht der Staatsanwaltschaft gestatten, die Anklage zu erweitern.
3    Eine Erweiterung ist ausgeschlossen, wenn dadurch das Verfahren über Gebühr erschwert oder die Zuständigkeit des Gerichts ändern würde oder wenn ein Fall von Mittäterschaft oder Teilnahme vorliegt. In diesen Fällen leitet die Staatsanwaltschaft ein Vorverfahren ein.
4    Das Gericht darf eine geänderte oder erweiterte Anklage seinem Urteil nur zu Grunde legen, wenn die Parteirechte der beschuldigten Person und der Privatklägerschaft gewahrt worden sind. Es unterbricht dafür nötigenfalls die Hauptverhandlung.
StPO vereinbar und daher bundesrechtswidrig.

1.2. Die Vorinstanz befasste sich im Beschluss vom 12. September 2016 mit der Frage der Zulässigkeit der Anklageänderung. Sie führte aus, mit der Rückweisung durch das Bundesgericht sei der Prozess hinsichtlich des davon betroffenen Streitpunktes wieder in das Stadium vor der Berufungsverhandlung zurückversetzt worden. Gemäss der bundesgerichtlichen Rechtsprechung sei eine Anklageänderung in Anwendung von Art. 379
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 379 Anwendbare Vorschriften - Das Rechtsmittelverfahren richtet sich sinngemäss nach den allgemeinen Bestimmungen dieses Gesetzes, soweit dieser Titel keine besonderen Bestimmungen enthält.
StPO auch noch an der Berufungsverhandlung möglich. Voraussetzung dafür sei, dass es sich um den gleichen Prozessstoff und Lebensvorgang handle, der bereits im Untersuchungsverfahren und vor der ersten Instanz Thema gewesen sei. Vorliegend handle es sich um denselben Lebenssachverhalt, da es sowohl beim Vorwurf der vorsätzlichen als auch der fahrlässigen Tatbegehung um die Beurteilung der Erwerbstätigkeit ohne Arbeitsbewilligung gehe. Zur Beantwortung der Frage, ob der Beschwerdeführer mit Wissen und Willen ohne Arbeitsbewilligung gearbeitet habe oder ob er es pflichtwidrig unterlassen habe, bei der zuständigen Behörde nachzufragen, könne im Grundsatz auf denselben ermittelten Sachverhalt abgestellt werden. Es gehe einzig um eine Präzisierung innerhalb des gleichen Lebensvorgangs und um die subjektive Einordnung der
fehlenden Arbeitsbewilligung bzw. um die diesbezügliche innere Motivation des Beschwerdeführers. Somit spreche nichts gegen eine Anklageänderung. Zudem würden auch die Parteirechte des Beschwerdeführers gewahrt. Denn der Beschwerdeführer habe mehrfach während des Verfahrens zum Vorwurf der fahrlässigen Deliktsbegehung Stellung nehmen können. Mit dem Beschluss des Kantonsgerichts, der Staatsanwaltschaft die Möglichkeit zur Anklageänderung einzuräumen, sei noch kein verfahrensabschliessender Entscheid verbunden und es sei auch nicht erkennbar, inwiefern durch das Vorgehen irreversible Nachteile entstehen könnten. Daher sei eine Änklageänderung im Sinne von Art. 333 Abs. 1
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 333 Änderung und Erweiterung der Anklage - 1 Das Gericht gibt der Staatsanwaltschaft Gelegenheit, die Anklage zu ändern, wenn nach seiner Auffassung der in der Anklageschrift umschriebene Sachverhalt einen andern Straftatbestand erfüllen könnte, die Anklageschrift aber den gesetzlichen Anforderungen nicht entspricht.
1    Das Gericht gibt der Staatsanwaltschaft Gelegenheit, die Anklage zu ändern, wenn nach seiner Auffassung der in der Anklageschrift umschriebene Sachverhalt einen andern Straftatbestand erfüllen könnte, die Anklageschrift aber den gesetzlichen Anforderungen nicht entspricht.
2    Werden während des Hauptverfahrens neue Straftaten der beschuldigten Person bekannt, so kann das Gericht der Staatsanwaltschaft gestatten, die Anklage zu erweitern.
3    Eine Erweiterung ist ausgeschlossen, wenn dadurch das Verfahren über Gebühr erschwert oder die Zuständigkeit des Gerichts ändern würde oder wenn ein Fall von Mittäterschaft oder Teilnahme vorliegt. In diesen Fällen leitet die Staatsanwaltschaft ein Vorverfahren ein.
4    Das Gericht darf eine geänderte oder erweiterte Anklage seinem Urteil nur zu Grunde legen, wenn die Parteirechte der beschuldigten Person und der Privatklägerschaft gewahrt worden sind. Es unterbricht dafür nötigenfalls die Hauptverhandlung.
StPO durch die Staatsanwaltschaft zuzulassen.

1.3. Heisst das Bundesgericht eine Beschwerde gut und weist es die Angelegenheit zur neuen Beurteilung an das Berufungsgericht zurück, darf sich dieses von Bundesrechts wegen nur noch mit jenen Punkten befassen, die das Bundesgericht kassierte. Die anderen Teile des Urteils haben Bestand und sind in das neue Urteil zu übernehmen. Entscheidend ist dabei die materielle Tragweite des bundesgerichtlichen Entscheids. Die neue Entscheidung der kantonalen Instanz ist somit auf diejenige Thematik beschränkt, die sich aus den bundesgerichtlichen Erwägungen als Gegenstand der neuen Beurteilung ergibt. Das Verfahren wird nur insoweit neu in Gang gesetzt, als dies notwendig ist, um den verbindlichen Erwägungen des Bundesgerichts Rechnung zu tragen (BGE 143 IV 214 E. 5.2.1 S. 220 mit Hinweisen).

Aufgrund der Bindungswirkung bundesgerichtlicher Rückweisungsentscheide ist es dem Berufungsgericht, abgesehen von allenfalls zulässigen Noven, verwehrt, der Beurteilung des Rechtsstreits einen anderen als den bisherigen Sachverhalt zu unterstellen oder die Sache unter rechtlichen Gesichtspunkten zu prüfen, die im Rückweisungsentscheid ausdrücklich abgelehnt oder überhaupt nicht in Erwägung gezogen worden sind (BGE 143 IV 214 E. 5.3.3 S. 222 mit Hinweisen). Diese Rechtsprechung beruht auf dem Gedanken, dass das Strafverfahren prinzipiell mit dem Urteil der (oberen) kantonalen Instanz abgeschlossen ist (BGE 117 IV 97 E. 4a S. 104 mit Hinweisen).

1.4. Die Vorinstanz hält zwar zutreffend fest, der Prozess werde mit der Rückweisung durch das Bundesgericht hinsichtlich des davon betroffenen Streitpunktes in die Lage zurückversetzt, in der er sich vor Fällung des kantonalen Urteils befunden habe (vgl. BGE 116 II 220 E. 4a S. 222). Weiter weist die Vorinstanz darauf hin, dass das Bundesgericht verschiedentlich entschieden hat, eine Anklageänderung im Sinne von Art. 333 Abs. 1
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 333 Änderung und Erweiterung der Anklage - 1 Das Gericht gibt der Staatsanwaltschaft Gelegenheit, die Anklage zu ändern, wenn nach seiner Auffassung der in der Anklageschrift umschriebene Sachverhalt einen andern Straftatbestand erfüllen könnte, die Anklageschrift aber den gesetzlichen Anforderungen nicht entspricht.
1    Das Gericht gibt der Staatsanwaltschaft Gelegenheit, die Anklage zu ändern, wenn nach seiner Auffassung der in der Anklageschrift umschriebene Sachverhalt einen andern Straftatbestand erfüllen könnte, die Anklageschrift aber den gesetzlichen Anforderungen nicht entspricht.
2    Werden während des Hauptverfahrens neue Straftaten der beschuldigten Person bekannt, so kann das Gericht der Staatsanwaltschaft gestatten, die Anklage zu erweitern.
3    Eine Erweiterung ist ausgeschlossen, wenn dadurch das Verfahren über Gebühr erschwert oder die Zuständigkeit des Gerichts ändern würde oder wenn ein Fall von Mittäterschaft oder Teilnahme vorliegt. In diesen Fällen leitet die Staatsanwaltschaft ein Vorverfahren ein.
4    Das Gericht darf eine geänderte oder erweiterte Anklage seinem Urteil nur zu Grunde legen, wenn die Parteirechte der beschuldigten Person und der Privatklägerschaft gewahrt worden sind. Es unterbricht dafür nötigenfalls die Hauptverhandlung.
StPO sei in Anwendung von Art. 379
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 379 Anwendbare Vorschriften - Das Rechtsmittelverfahren richtet sich sinngemäss nach den allgemeinen Bestimmungen dieses Gesetzes, soweit dieser Titel keine besonderen Bestimmungen enthält.
StPO auch noch an der Berufungsverhandlung möglich (Urteil 6B 904/2015 vom 27. Mai 2016 E. 1.4.1 mit Hinweisen). Dies bedeutet jedoch nicht, dass eine Anklageänderung im vorliegenden Fall zulässig war. Denn nachdem die Sache bereits einmal vom Bundesgericht beurteilt worden ist, muss auch die Rechtsprechung zur Bindungswirkung bundesgerichtlicher Rückweisungsentscheide berücksichtigt werden. Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung hätte die Vorinstanz nur dann einen Schuldspruch ausfällen dürfen, wenn sich dieser auf die ursprüngliche Anklage stützen liesse. Hingegen geht die Anklageänderung über das hinaus, was notwendig war, um den verbindlichen Erwägungen des Bundesgerichts Rechnung zu tragen. Das vorinstanzliche Vorgehen widerspricht dem Grundsatz, wonach das
Strafverfahren mit dem Urteil der oberen kantonalen Instanz prinzipiell abgeschlossen ist. Die Anklageänderung war vorliegend nicht zulässig. Der vorinstanzliche Schuldspruch verletzt Bundesrecht.

2.
Die Beschwerde ist gutzuheissen. Das Urteil des Kantonsgerichts Graubünden vom 31. Oktober 2017 sowie der Beschluss vom 12. September 2016 sind aufzuheben und die Sache ist zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Damit erübrigt sich eine Auseinandersetzung mit den übrigen Rügen des Beschwerdeführers. Für das bundesgerichtliche Verfahren sind keine Kosten zu erheben (Art. 66 Abs. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 66 Erhebung und Verteilung der Gerichtskosten - 1 Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben.
1    Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben.
2    Wird ein Fall durch Abstandserklärung oder Vergleich erledigt, so kann auf die Erhebung von Gerichtskosten ganz oder teilweise verzichtet werden.
3    Unnötige Kosten hat zu bezahlen, wer sie verursacht.
4    Dem Bund, den Kantonen und den Gemeinden sowie mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen dürfen in der Regel keine Gerichtskosten auferlegt werden, wenn sie in ihrem amtlichen Wirkungskreis, ohne dass es sich um ihr Vermögensinteresse handelt, das Bundesgericht in Anspruch nehmen oder wenn gegen ihre Entscheide in solchen Angelegenheiten Beschwerde geführt worden ist.
5    Mehrere Personen haben die ihnen gemeinsam auferlegten Gerichtskosten, wenn nichts anderes bestimmt ist, zu gleichen Teilen und unter solidarischer Haftung zu tragen.
und 4
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 66 Erhebung und Verteilung der Gerichtskosten - 1 Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben.
1    Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben.
2    Wird ein Fall durch Abstandserklärung oder Vergleich erledigt, so kann auf die Erhebung von Gerichtskosten ganz oder teilweise verzichtet werden.
3    Unnötige Kosten hat zu bezahlen, wer sie verursacht.
4    Dem Bund, den Kantonen und den Gemeinden sowie mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen dürfen in der Regel keine Gerichtskosten auferlegt werden, wenn sie in ihrem amtlichen Wirkungskreis, ohne dass es sich um ihr Vermögensinteresse handelt, das Bundesgericht in Anspruch nehmen oder wenn gegen ihre Entscheide in solchen Angelegenheiten Beschwerde geführt worden ist.
5    Mehrere Personen haben die ihnen gemeinsam auferlegten Gerichtskosten, wenn nichts anderes bestimmt ist, zu gleichen Teilen und unter solidarischer Haftung zu tragen.
BGG). Der Kanton Graubünden hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren angemessen zu entschädigen (Art. 68 Abs. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 68 Parteientschädigung - 1 Das Bundesgericht bestimmt im Urteil, ob und in welchem Mass die Kosten der obsiegenden Partei von der unterliegenden zu ersetzen sind.
1    Das Bundesgericht bestimmt im Urteil, ob und in welchem Mass die Kosten der obsiegenden Partei von der unterliegenden zu ersetzen sind.
2    Die unterliegende Partei wird in der Regel verpflichtet, der obsiegenden Partei nach Massgabe des Tarifs des Bundesgerichts alle durch den Rechtsstreit verursachten notwendigen Kosten zu ersetzen.
3    Bund, Kantonen und Gemeinden sowie mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen wird in der Regel keine Parteientschädigung zugesprochen, wenn sie in ihrem amtlichen Wirkungskreis obsiegen.
4    Artikel 66 Absätze 3 und 5 ist sinngemäss anwendbar.
5    Der Entscheid der Vorinstanz über die Parteientschädigung wird vom Bundesgericht je nach Ausgang des Verfahrens bestätigt, aufgehoben oder geändert. Dabei kann das Gericht die Entschädigung nach Massgabe des anwendbaren eidgenössischen oder kantonalen Tarifs selbst festsetzen oder die Festsetzung der Vorinstanz übertragen.
und 2
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 68 Parteientschädigung - 1 Das Bundesgericht bestimmt im Urteil, ob und in welchem Mass die Kosten der obsiegenden Partei von der unterliegenden zu ersetzen sind.
1    Das Bundesgericht bestimmt im Urteil, ob und in welchem Mass die Kosten der obsiegenden Partei von der unterliegenden zu ersetzen sind.
2    Die unterliegende Partei wird in der Regel verpflichtet, der obsiegenden Partei nach Massgabe des Tarifs des Bundesgerichts alle durch den Rechtsstreit verursachten notwendigen Kosten zu ersetzen.
3    Bund, Kantonen und Gemeinden sowie mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen wird in der Regel keine Parteientschädigung zugesprochen, wenn sie in ihrem amtlichen Wirkungskreis obsiegen.
4    Artikel 66 Absätze 3 und 5 ist sinngemäss anwendbar.
5    Der Entscheid der Vorinstanz über die Parteientschädigung wird vom Bundesgericht je nach Ausgang des Verfahrens bestätigt, aufgehoben oder geändert. Dabei kann das Gericht die Entschädigung nach Massgabe des anwendbaren eidgenössischen oder kantonalen Tarifs selbst festsetzen oder die Festsetzung der Vorinstanz übertragen.
BGG). Die Entschädigung ist praxisgemäss seinem Rechtsvertreter auszurichten. Damit wird das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung gegenstandslos.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Das Urteil des Kantonsgerichts Graubünden vom 31. Oktober 2017 sowie der Beschluss vom 12. September 2016 werden aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen.

2.
Es werden keine Kosten erhoben.

3.
Der Kanton Graubünden hat dem Vertreter des Beschwerdeführers eine Entschädigung von Fr. 3'000.-- auszurichten.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht von Graubünden, I. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 31. Juli 2018

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Denys

Die Gerichtsschreiberin: Schär
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 6B_1431/2017
Datum : 31. Juli 2018
Publiziert : 14. August 2018
Quelle : Bundesgericht
Status : Unpubliziert
Sachgebiet : Straftaten
Gegenstand : Fahrlässige Erwerbstätigkeit ohne Bewilligung; Anklageergänzung


Gesetzesregister
BGG: 66 
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 66 Erhebung und Verteilung der Gerichtskosten - 1 Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben.
1    Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben.
2    Wird ein Fall durch Abstandserklärung oder Vergleich erledigt, so kann auf die Erhebung von Gerichtskosten ganz oder teilweise verzichtet werden.
3    Unnötige Kosten hat zu bezahlen, wer sie verursacht.
4    Dem Bund, den Kantonen und den Gemeinden sowie mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen dürfen in der Regel keine Gerichtskosten auferlegt werden, wenn sie in ihrem amtlichen Wirkungskreis, ohne dass es sich um ihr Vermögensinteresse handelt, das Bundesgericht in Anspruch nehmen oder wenn gegen ihre Entscheide in solchen Angelegenheiten Beschwerde geführt worden ist.
5    Mehrere Personen haben die ihnen gemeinsam auferlegten Gerichtskosten, wenn nichts anderes bestimmt ist, zu gleichen Teilen und unter solidarischer Haftung zu tragen.
68
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 68 Parteientschädigung - 1 Das Bundesgericht bestimmt im Urteil, ob und in welchem Mass die Kosten der obsiegenden Partei von der unterliegenden zu ersetzen sind.
1    Das Bundesgericht bestimmt im Urteil, ob und in welchem Mass die Kosten der obsiegenden Partei von der unterliegenden zu ersetzen sind.
2    Die unterliegende Partei wird in der Regel verpflichtet, der obsiegenden Partei nach Massgabe des Tarifs des Bundesgerichts alle durch den Rechtsstreit verursachten notwendigen Kosten zu ersetzen.
3    Bund, Kantonen und Gemeinden sowie mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen wird in der Regel keine Parteientschädigung zugesprochen, wenn sie in ihrem amtlichen Wirkungskreis obsiegen.
4    Artikel 66 Absätze 3 und 5 ist sinngemäss anwendbar.
5    Der Entscheid der Vorinstanz über die Parteientschädigung wird vom Bundesgericht je nach Ausgang des Verfahrens bestätigt, aufgehoben oder geändert. Dabei kann das Gericht die Entschädigung nach Massgabe des anwendbaren eidgenössischen oder kantonalen Tarifs selbst festsetzen oder die Festsetzung der Vorinstanz übertragen.
StPO: 83 
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 83 Erläuterung und Berichtigung von Entscheiden - 1 Ist das Dispositiv eines Entscheides unklar, widersprüchlich oder unvollständig oder steht es mit der Begründung im Widerspruch, so nimmt die Strafbehörde, die den Entscheid gefällt hat, auf Gesuch einer Partei oder von Amtes wegen eine Erläuterung oder Berichtigung des Entscheids vor.
1    Ist das Dispositiv eines Entscheides unklar, widersprüchlich oder unvollständig oder steht es mit der Begründung im Widerspruch, so nimmt die Strafbehörde, die den Entscheid gefällt hat, auf Gesuch einer Partei oder von Amtes wegen eine Erläuterung oder Berichtigung des Entscheids vor.
2    Das Gesuch ist schriftlich einzureichen; die beanstandeten Stellen beziehungsweise die gewünschten Änderungen sind anzugeben.
3    Die Strafbehörde gibt den anderen Parteien Gelegenheit, sich zum Gesuch zu äussern.
4    Der erläuterte oder berichtigte Entscheid wird den Parteien eröffnet.
333 
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 333 Änderung und Erweiterung der Anklage - 1 Das Gericht gibt der Staatsanwaltschaft Gelegenheit, die Anklage zu ändern, wenn nach seiner Auffassung der in der Anklageschrift umschriebene Sachverhalt einen andern Straftatbestand erfüllen könnte, die Anklageschrift aber den gesetzlichen Anforderungen nicht entspricht.
1    Das Gericht gibt der Staatsanwaltschaft Gelegenheit, die Anklage zu ändern, wenn nach seiner Auffassung der in der Anklageschrift umschriebene Sachverhalt einen andern Straftatbestand erfüllen könnte, die Anklageschrift aber den gesetzlichen Anforderungen nicht entspricht.
2    Werden während des Hauptverfahrens neue Straftaten der beschuldigten Person bekannt, so kann das Gericht der Staatsanwaltschaft gestatten, die Anklage zu erweitern.
3    Eine Erweiterung ist ausgeschlossen, wenn dadurch das Verfahren über Gebühr erschwert oder die Zuständigkeit des Gerichts ändern würde oder wenn ein Fall von Mittäterschaft oder Teilnahme vorliegt. In diesen Fällen leitet die Staatsanwaltschaft ein Vorverfahren ein.
4    Das Gericht darf eine geänderte oder erweiterte Anklage seinem Urteil nur zu Grunde legen, wenn die Parteirechte der beschuldigten Person und der Privatklägerschaft gewahrt worden sind. Es unterbricht dafür nötigenfalls die Hauptverhandlung.
379
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 379 Anwendbare Vorschriften - Das Rechtsmittelverfahren richtet sich sinngemäss nach den allgemeinen Bestimmungen dieses Gesetzes, soweit dieser Titel keine besonderen Bestimmungen enthält.
BGE Register
116-II-220 • 117-IV-97 • 143-IV-214
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