Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
9C 193/2010

Urteil vom 31. März 2010
II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Borella, präsidierendes Mitglied,
Bundesrichter Seiler, Bundesrichterin Pfiffner Rauber,
Gerichtsschreiber Traub.

Verfahrensbeteiligte
B.________, vertreten durch H.________,
Beschwerdeführerin,

gegen

INTRAS Krankenkasse, rue Blavignac 10, 1227 Carouge GE,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Krankenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 8. Februar 2010.

Sachverhalt:
Mit Verfügung vom 23. Juni 2009 hob die Intras Krankenkasse den von B.________ im Betreibungsverfahren betreffend ausstehender Prämien aus obligatorischer Krankenpflegeversicherung für Dezember 2008 bis Februar 2009 erhobenen Rechtsvorschlag auf und verpflichtete die Versicherte zur Bezahlung eines Betrages von Fr. 1014.80. Auf deren Eingabe vom 26. August 2009 hin lehnte es die Krankenkasse ab, einen Einspracheentscheid zu erlassen, da die Einsprachefrist verpasst worden sei (Schreiben vom 16. September 2009).
B.________ erhob beim Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich Rechtsverweigerungsbeschwerde. Weil sie den in Betreibung gesetzten Betrag inzwischen vollständig an das Betreibungsamt überwiesen hatte, schrieb das kantonale Gericht das Verfahren zufolge Gegenstandslosigkeit ab (Verfügung vom 8. Februar 2010).
B.________ führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem sinngemässen Antrag auf Aufhebung des angefochtenen Entscheids.

Erwägungen:

1.
Nach der Rechtsprechung sind die Versicherer befugt, den gegen eine Prämienforderung im Bereich der obligatorischen Krankenpflegeversicherung erhobenen Rechtsvorschlag im Rahmen des Verwaltungsverfahrens mittels Verfügung oder Einspracheentscheid aufzuheben (vgl. Art. 79
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 79 - Ein Gläubiger, gegen dessen Betreibung Rechtsvorschlag erhoben worden ist, hat seinen Anspruch im Zivilprozess oder im Verwaltungsverfahren geltend zu machen. Er kann die Fortsetzung der Betreibung nur aufgrund eines vollstreckbaren Entscheids erwirken, der den Rechtsvorschlag ausdrücklich beseitigt.
SchKG). Dabei muss ausdrücklich auf die Betreibung Bezug genommen und der Rechtsvorschlag als aufgehoben erklärt werden. Die Verwaltungsbehörde fällt in dieser Konstellation nicht nur einen Sachentscheid, sondern handelt gleichzeitig auch als Rechtsöffnungsinstanz. Gleiches gilt im Beschwerdefall für die Gerichte (BGE 119 V 329 E. 2b S. 331; RKUV 2004 Nr. KV 274 S. 129 E. 4.2.1, K 107/02; Urteil 9C 903/2009 vom 11. Dezember 2009 E. 2.1). Die Versicherte hat die in Betreibung gesetzte Prämienforderung vollständig beglichen, für welche sich die Krankenkasse mit Verfügung vom 23. Juni 2009 Rechtsöffnung erteilt hatte (Abrechnung des Betreibungsamtes Hombrechtikon vom 22. Oktober 2009).

2.
2.1 Das kantonale Gericht ist davon ausgegangen, nach der Bezahlung der Prämienschuld an das Betreibungsamt sei kein aktuelles Rechtsschutzinteresse im Hinblick auf den anbegehrten Einspracheentscheid mehr gegeben, so dass die Angelegenheit gegenstandslos geworden sei. Die Frage, ob die Krankenkasse einen formellen Einspracheentscheid zu erlassen habe (vgl. Art. 56 Abs. 2
SR 830.1 Bundesgesetz vom 6. Oktober 2000 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG)
ATSG Art. 56 Beschwerderecht - 1 Gegen Einspracheentscheide oder Verfügungen, gegen welche eine Einsprache ausgeschlossen ist, kann Beschwerde erhoben werden.
1    Gegen Einspracheentscheide oder Verfügungen, gegen welche eine Einsprache ausgeschlossen ist, kann Beschwerde erhoben werden.
2    Beschwerde kann auch erhoben werden, wenn der Versicherungsträger entgegen dem Begehren der betroffenen Person keine Verfügung oder keinen Einspracheentscheid erlässt.
ATSG), sei mithin obsolet geworden. Die Beschwerdeführerin ficht den Abschreibungsbeschluss an mit der Begründung, die Zahlung an das Betreibungsamt sei "zwecks Schadensminimierung", aber ohne Anerkennung einer Rechtspflicht erfolgt.

2.2 In der Tat hat die Beschwerdeführerin die Rechtmässigkeit der Forderung mit Schreiben vom 13. Oktober 2009 an das Betreibungsamt zuhanden der Krankenkasse bestritten; die Überweisung diene "lediglich der Schadensminimierung, da der Schaden durch die angedrohte unrechtmässige Pfändung höher ausfallen würde". Doch auch unabhängig von dieser ausdrücklichen Willensbekundung konnte nach den Umständen an sich nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden, die Bezahlung der Forderung sei als Anerkennung zu werten. Denn die im Rahmen von Art. 79
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 79 - Ein Gläubiger, gegen dessen Betreibung Rechtsvorschlag erhoben worden ist, hat seinen Anspruch im Zivilprozess oder im Verwaltungsverfahren geltend zu machen. Er kann die Fortsetzung der Betreibung nur aufgrund eines vollstreckbaren Entscheids erwirken, der den Rechtsvorschlag ausdrücklich beseitigt.
SchKG ergangene Verfügung ist nicht nur betreibungsrechtlich bedeutsam, sondern auch ein Sachentscheid (vgl. oben E. 1), der mit dem Wegfall der Betreibung nicht ohne Weiteres gegenstandslos wird. Insofern hätte die Beschwerdeführerin weiterhin ein schützenswertes Interesse am Erhalt eines Einspracheentscheids.

2.3 Indessen steht fest, dass die Verfügung vom 23. Juni 2009 rechtskräftig geworden ist, weil dagegen keine formgültige Einsprache erhoben worden ist; bei der Einspracheschrift vom 26. August 2009 fehlten sowohl die Unterschrift als auch die Vollmacht. Die Kasse hat der Beschwerdeführerin Nachfrist bis zum 30. September 2009 gesetzt, um diese Mängel zu beheben (Schreiben vom 16. September 2009). Die Beschwerdeführerin unterliess dies und gelangte stattdessen an das Sozialversicherungsgericht. Da die strittige Verfügung aus diesem Grund rechtskräftig geworden ist, kann die Frage der Fristeinhaltung offen bleiben. Das kantonale Gericht hätte unter diesen Umständen auf die Beschwerde nicht eintreten sollen, anstatt den Prozess als gegenstandslos abzuschreiben. Diese Modalität der Verfahrenserledigung berührt jedoch die Rechtsstellung der Beschwerdeführerin nicht. Das vorinstanzliche Erkenntnis ist daher mit der vorstehenden substituierten Begründung zu bestätigen. Die Gewährung des rechtlichen Gehörs hierzu (vgl. SVR 2010 IV Nr. 19 S. 58 E. 4.1, 9C 272/2009) erübrigt sich mit Blick auf die ausgewiesene Formungültigkeit der Einsprache vom 26. August 2009 sowie auf das mutwillige prozessuale Verhalten der Beschwerdeführerin.

3.
Das Verfahren ist kostenpflichtig. Die unterliegende Beschwerdeführerin trägt die Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 66 Erhebung und Verteilung der Gerichtskosten - 1 Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben.
1    Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben.
2    Wird ein Fall durch Abstandserklärung oder Vergleich erledigt, so kann auf die Erhebung von Gerichtskosten ganz oder teilweise verzichtet werden.
3    Unnötige Kosten hat zu bezahlen, wer sie verursacht.
4    Dem Bund, den Kantonen und den Gemeinden sowie mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen dürfen in der Regel keine Gerichtskosten auferlegt werden, wenn sie in ihrem amtlichen Wirkungskreis, ohne dass es sich um ihr Vermögensinteresse handelt, das Bundesgericht in Anspruch nehmen oder wenn gegen ihre Entscheide in solchen Angelegenheiten Beschwerde geführt worden ist.
5    Mehrere Personen haben die ihnen gemeinsam auferlegten Gerichtskosten, wenn nichts anderes bestimmt ist, zu gleichen Teilen und unter solidarischer Haftung zu tragen.
BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 31. März 2010
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Das präsidierende Mitglied: Der Gerichtsschreiber:

Borella Traub
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 9C_193/2010
Datum : 31. März 2010
Publiziert : 18. April 2010
Quelle : Bundesgericht
Status : Unpubliziert
Sachgebiet : Krankenversicherung
Gegenstand : Krankenversicherung


Gesetzesregister
ATSG: 56
SR 830.1 Bundesgesetz vom 6. Oktober 2000 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG)
ATSG Art. 56 Beschwerderecht - 1 Gegen Einspracheentscheide oder Verfügungen, gegen welche eine Einsprache ausgeschlossen ist, kann Beschwerde erhoben werden.
1    Gegen Einspracheentscheide oder Verfügungen, gegen welche eine Einsprache ausgeschlossen ist, kann Beschwerde erhoben werden.
2    Beschwerde kann auch erhoben werden, wenn der Versicherungsträger entgegen dem Begehren der betroffenen Person keine Verfügung oder keinen Einspracheentscheid erlässt.
BGG: 66
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 66 Erhebung und Verteilung der Gerichtskosten - 1 Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben.
1    Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben.
2    Wird ein Fall durch Abstandserklärung oder Vergleich erledigt, so kann auf die Erhebung von Gerichtskosten ganz oder teilweise verzichtet werden.
3    Unnötige Kosten hat zu bezahlen, wer sie verursacht.
4    Dem Bund, den Kantonen und den Gemeinden sowie mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen dürfen in der Regel keine Gerichtskosten auferlegt werden, wenn sie in ihrem amtlichen Wirkungskreis, ohne dass es sich um ihr Vermögensinteresse handelt, das Bundesgericht in Anspruch nehmen oder wenn gegen ihre Entscheide in solchen Angelegenheiten Beschwerde geführt worden ist.
5    Mehrere Personen haben die ihnen gemeinsam auferlegten Gerichtskosten, wenn nichts anderes bestimmt ist, zu gleichen Teilen und unter solidarischer Haftung zu tragen.
SchKG: 79
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 79 - Ein Gläubiger, gegen dessen Betreibung Rechtsvorschlag erhoben worden ist, hat seinen Anspruch im Zivilprozess oder im Verwaltungsverfahren geltend zu machen. Er kann die Fortsetzung der Betreibung nur aufgrund eines vollstreckbaren Entscheids erwirken, der den Rechtsvorschlag ausdrücklich beseitigt.
BGE Register
119-V-329
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9C_193/2010 • 9C_272/2009 • 9C_903/2009 • K_107/02
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
einspracheentscheid • betreibungsamt • rechtsvorschlag • bundesgericht • gerichtskosten • frage • gerichtsschreiber • krankenpflegeversicherung • weiler • entscheid • sachverhalt • kv • schuldbetreibung • widerrechtlichkeit • begründung des entscheids • beschwerde in öffentlich-rechtlichen angelegenheiten • raub • rechtspflicht • substituierte begründung • wert
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