Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
1B 37/2008

Urteil vom 31. März 2008
I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Féraud, Präsident,
Bundesrichter Aeschlimann, Eusebio,
Gerichtsschreiber Kessler Coendet.

Parteien
X.________, Beschwerdeführer,

gegen

Staatsanwaltschaft Basel-Landschaft, Bahnhofplatz 3a, 4410 Liestal.

Gegenstand
Verteidigerwechsel,

Beschwerde gegen die Verfügung vom 29. Januar 2008 des Kantonsgerichts Basel-Landschaft, Abteilung Zivil- und Strafrecht.

Sachverhalt:

A.
X.________ hat bereits wiederholt ohne Erfolg um Wechsel seines Offizialverteidigers ersucht (vgl. die Urteile des Bundesgerichts 1B 193/2007 vom 19. September 2007 und 1B 237/2007 vom 8. Januar 2008). Am 23. Januar 2008 stellte X.________ erneut ein Gesuch um Verteidigerwechsel. Das Kantonsgericht Basel-Landschaft, Abteilung Zivil- und Strafrecht, trat auf dieses Gesuch mit Verfügung vom 29. Januar 2008 nicht ein.

B.
Gegen die Verfügung vom 29. Januar 2008 reicht X.________ beim Bundesgericht Beschwerde ein. Er beantragt im Wesentlichen, das Kantonsgericht sei zu verpflichten, auf sein Gesuch einzutreten. Ausserdem stellt er ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege im bundesgerichtlichen Verfahren.

Das Kantonsgericht und die Staatsanwaltschaft Basel-Landschaft schliessen auf Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei. X.________ hat zu diesen Eingaben Stellung genommen.

Erwägungen:

1.
Der angefochtene Nichteintretensentscheid stützt sich auf kantonales Strafprozessrecht. In Betracht fällt einzig die Beschwerde in Strafsachen (BGE 133 IV 335 E. 2 S. 337 f.). Die angefochtene Verfügung schliesst das Strafverfahren gegen den Beschwerdeführer nicht ab und bildet somit einen Zwischenentscheid. Es stellt sich die Frage, ob ein solcher Entscheid im Lichte von Art. 93 Abs. 1 lit. a
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 93 Andere Vor- und Zwischenentscheide - 1 Gegen andere selbständig eröffnete Vor- und Zwischenentscheide ist die Beschwerde zulässig:
1    Gegen andere selbständig eröffnete Vor- und Zwischenentscheide ist die Beschwerde zulässig:
a  wenn sie einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken können; oder
b  wenn die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde.
2    Auf dem Gebiet der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen und dem Gebiet des Asyls sind Vor- und Zwischenentscheide nicht anfechtbar.85 Vorbehalten bleiben Beschwerden gegen Entscheide über die Auslieferungshaft sowie über die Beschlagnahme von Vermögenswerten und Wertgegenständen, sofern die Voraussetzungen von Absatz 1 erfüllt sind.
3    Ist die Beschwerde nach den Absätzen 1 und 2 nicht zulässig oder wurde von ihr kein Gebrauch gemacht, so sind die betreffenden Vor- und Zwischenentscheide durch Beschwerde gegen den Endentscheid anfechtbar, soweit sie sich auf dessen Inhalt auswirken.
BGG anfechtbar ist. Diese Frage kann offen bleiben, weil die vom Beschwerdeführer erhobenen Verfassungsrügen im Ergebnis ohnehin nicht durchzudringen vermögen. Dies ist im Folgenden kurz aufzuzeigen.

2.
Zur Hauptsache macht der Beschwerdeführer eine Missachtung seines Gehörsanspruchs im Sinne einer formellen Rechtsverweigerung (Art. 29 Abs. 1
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 29 Allgemeine Verfahrensgarantien - 1 Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung sowie auf Beurteilung innert angemessener Frist.
1    Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung sowie auf Beurteilung innert angemessener Frist.
2    Die Parteien haben Anspruch auf rechtliches Gehör.
3    Jede Person, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, hat Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege, wenn ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint. Soweit es zur Wahrung ihrer Rechte notwendig ist, hat sie ausserdem Anspruch auf unentgeltlichen Rechtsbeistand.
und 2
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 29 Allgemeine Verfahrensgarantien - 1 Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung sowie auf Beurteilung innert angemessener Frist.
1    Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung sowie auf Beurteilung innert angemessener Frist.
2    Die Parteien haben Anspruch auf rechtliches Gehör.
3    Jede Person, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, hat Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege, wenn ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint. Soweit es zur Wahrung ihrer Rechte notwendig ist, hat sie ausserdem Anspruch auf unentgeltlichen Rechtsbeistand.
BV) geltend.

2.1 Der Beschwerdeführer legt dar, er habe in seinem Gesuch vom 23. Januar 2008 drei neue Gründe für einen Verteidigerwechsel vorgebracht. Daher hätte die Vorinstanz auf sein Begehren eintreten müssen.

Im angefochtenen Entscheid wird nicht verkannt, dass die Tatsachenbehauptungen neu sind. Die Vorinstanz hat ihnen jedoch - nach summarischer Prüfung - die Erheblichkeit im Hinblick auf eine Neubeurteilung des Anliegens um Anwaltswechsel abgesprochen.

2.2 Nach Art. 112 Abs. 1 lit. b
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 112 Eröffnung der Entscheide - 1 Entscheide, die der Beschwerde an das Bundesgericht unterliegen, sind den Parteien schriftlich zu eröffnen. Sie müssen enthalten:
1    Entscheide, die der Beschwerde an das Bundesgericht unterliegen, sind den Parteien schriftlich zu eröffnen. Sie müssen enthalten:
a  die Begehren, die Begründung, die Beweisvorbringen und Prozesserklärungen der Parteien, soweit sie nicht aus den Akten hervorgehen;
b  die massgebenden Gründe tatsächlicher und rechtlicher Art, insbesondere die Angabe der angewendeten Gesetzesbestimmungen;
c  das Dispositiv;
d  eine Rechtsmittelbelehrung einschliesslich Angabe des Streitwerts, soweit dieses Gesetz eine Streitwertgrenze vorsieht.
2    Wenn es das kantonale Recht vorsieht, kann die Behörde ihren Entscheid ohne Begründung eröffnen. Die Parteien können in diesem Fall innert 30 Tagen eine vollständige Ausfertigung verlangen. Der Entscheid ist nicht vollstreckbar, solange nicht entweder diese Frist unbenützt abgelaufen oder die vollständige Ausfertigung eröffnet worden ist.
3    Das Bundesgericht kann einen Entscheid, der den Anforderungen von Absatz 1 nicht genügt, an die kantonale Behörde zur Verbesserung zurückweisen oder aufheben.
4    Für die Gebiete, in denen Bundesbehörden zur Beschwerde berechtigt sind, bestimmt der Bundesrat, welche Entscheide ihnen die kantonalen Behörden zu eröffnen haben.
BGG müssen kantonale Entscheide, die der Beschwerde an das Bundesgericht unterliegen, die Angabe der angewendeten Gesetzesbestimmungen enthalten. Die Vorinstanz hat im angefochtenen Entscheid derartige Angaben auch sinngemäss nicht gemacht. Folglich lässt sich nicht beurteilen, ob die mangelnde Erheblichkeit neuer Tatsachen nach dem anwendbaren Recht im vorliegenden Sachzusammenhang einen Grund für einen Nichteintretensentscheid bildet. Immerhin hat die Vorinstanz im Ergebnis eine materielle Prüfung vorgenommen und dabei haltbare Erwägungen angestellt (vgl. E. 2.3 hiernach). Selbst wenn ihre Beurteilung der Eintretensfrage unzutreffend wäre, würde dem Beschwerdeführer daraus kein Nachteil erwachsen. Dieser wendet sich formal zwar nur gegen den Nichteintretensentscheid. Seine Äusserungen im bundesgerichtlichen Verfahren lassen sich aber nicht anders verstehen, als dass er gestützt auf seine Tatsachenbehauptungen einen Verteidigerwechsel für nötig hält. Es besteht deshalb kein Anlass, die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen.

2.3 Im Gesuch vom 23. Januar 2008 hatte der Beschwerdeführer Folgendes ausgeführt: Der Offizialverteidiger habe eine Eingabe an die Vorinstanz im laufenden Appellationsverfahren verspätet eingereicht. Sodann habe er am 10. Januar 2008 bei einer Unterredung eine Tätlichkeit gegen den Beschwerdeführer begangen. Schliesslich habe der Verteidiger ihn in einer Eingabe vom 11. Januar 2008 an die Vorinstanz bezichtigt, er verbreite massive Verleumdungen über den Verteidiger.

Demgegenüber erwog die Vorinstanz, der Verteidiger habe die umstrittene Eingabe fristgerecht eingereicht. Dieser bestreite die Tätlichkeit und habe im Schreiben vom 11. Januar 2008 nicht erklärt, dass der Beschwerdeführer tatsächlich Verleumdungen geäussert habe.

Der Beschwerdeführer tut nicht dar, wegen der angeblich verspäteten Einreichung der Eingabe einen Rechtsnachteil erlitten zu haben. Ebenso wenig vermag er konkret aufzuzeigen, inwiefern eine wirksame Verteidigung wegen der behaupteten Tätlichkeit (Festhalten des Unterarms) und des Inhalts des anwaltlichen Schreibens vom 11. Januar 2008 nicht mehr gewährleistet wäre. Unter diesen Umständen ist es nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanz einen Verteidigerwechsel nicht als geboten erachtet hat. Sie war auch nicht gehalten, die vom Beschwerdeführer verlangten Abklärungen zu seinen Tatsachenbehauptungen vorzunehmen.

3.
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Bei diesem Ausgang wird der Beschwerdeführer an sich kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 66 Erhebung und Verteilung der Gerichtskosten - 1 Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben.
1    Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben.
2    Wird ein Fall durch Abstandserklärung oder Vergleich erledigt, so kann auf die Erhebung von Gerichtskosten ganz oder teilweise verzichtet werden.
3    Unnötige Kosten hat zu bezahlen, wer sie verursacht.
4    Dem Bund, den Kantonen und den Gemeinden sowie mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen dürfen in der Regel keine Gerichtskosten auferlegt werden, wenn sie in ihrem amtlichen Wirkungskreis, ohne dass es sich um ihr Vermögensinteresse handelt, das Bundesgericht in Anspruch nehmen oder wenn gegen ihre Entscheide in solchen Angelegenheiten Beschwerde geführt worden ist.
5    Mehrere Personen haben die ihnen gemeinsam auferlegten Gerichtskosten, wenn nichts anderes bestimmt ist, zu gleichen Teilen und unter solidarischer Haftung zu tragen.
BGG). Er hat jedoch ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege gemäss Art. 64 Abs. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 64 Unentgeltliche Rechtspflege - 1 Das Bundesgericht befreit eine Partei, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, auf Antrag von der Bezahlung der Gerichtskosten und von der Sicherstellung der Parteientschädigung, sofern ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint.
1    Das Bundesgericht befreit eine Partei, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, auf Antrag von der Bezahlung der Gerichtskosten und von der Sicherstellung der Parteientschädigung, sofern ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint.
2    Wenn es zur Wahrung ihrer Rechte notwendig ist, bestellt das Bundesgericht der Partei einen Anwalt oder eine Anwältin. Der Anwalt oder die Anwältin hat Anspruch auf eine angemessene Entschädigung aus der Gerichtskasse, soweit der Aufwand für die Vertretung nicht aus einer zugesprochenen Parteientschädigung gedeckt werden kann.
3    Über das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege entscheidet die Abteilung in der Besetzung mit drei Richtern oder Richterinnen. Vorbehalten bleiben Fälle, die im vereinfachten Verfahren nach Artikel 108 behandelt werden. Der Instruktionsrichter oder die Instruktionsrichterin kann die unentgeltliche Rechtspflege selbst gewähren, wenn keine Zweifel bestehen, dass die Voraussetzungen erfüllt sind.
4    Die Partei hat der Gerichtskasse Ersatz zu leisten, wenn sie später dazu in der Lage ist.
BGG gestellt. Das Gesuch ist gutzuheissen, weil davon ausgegangen werden kann, dass der Beschwerdeführer bedürftig ist, und weil die Rechtsbegehren nicht von vornherein aussichtslos waren.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird gutgeheissen.

3.
Es werden keine Kosten erhoben.

4.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft und dem Kantonsgericht Basel-Landschaft, Abteilung Zivil- und Strafrecht, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 31. März 2008
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Féraud Kessler Coendet
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 1B_37/2008
Date : 31. März 2008
Published : 18. April 2008
Source : Bundesgericht
Status : Unpubliziert
Subject area : Strafprozess
Subject : Verteidigerwechsel


Legislation register
BGG: 64  66  93  112
BV: 29
BGE-register
133-IV-335
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