B 45/99 Hm
IV. Kammer
Bundesrichter Borella, Bundesrichterin Leuzinger und nebenamtlicher
Richter Maeschi; Gerichtsschreiber Krähenbühl
Urteil vom 30. Juni 2000
in Sachen
X.________ und weitere Beschwerdeführer, alle vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Hans Peter Walker, Hofwiesenstrasse 135, Zürich,
gegen
Schweizerische Eidgenossenschaft, Beschwerdegegnerin, vertreten durch die Eidgenössische Finanzverwaltung, Bern,
und
Obergericht des Kantons Uri, Altdorf
A.- Wegen eines starken Rückgangs der Rüstungsaufträge begann das Eidgenössische Militärdepartement (EMD, heute: Eidgenössisches Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport [VBS]) im Juli 1992, den Verkauf der Mittelkaliber-Munitionsproduktion in der Eidgenössischen Munitionsfabrik Altdorf (M+FA) an die Oerlikon Contraves AG in die Wege zu leiten. Durch eine Zusammenlegung der Mittelkaliber-Munitionsproduktion beider Betriebe in einer neu zu gründenden Gesellschaft Oerlikon Contraves Pyrotec AG (OCP) und den damit verbundenen Synergieeffekten sollte eine gesicherte Auslastung des auf dem Areal der M+FA zu konzentrierenden Betriebes und eine langfristige Erhaltung der gefährdeten Arbeitsplätze im Kanton Uri erreicht werden. Beide Parteien waren daran interessiert, dass ein Grossteil der in der Mittelkaliber-Munitionsproduktion der M+FA tätigen Personen zur OCP übertreten würde. Die Oerlikon Contraves AG verpflichtete sich, dieses Personal in die zu gründende Gesellschaft zu übernehmen.
Zur Frage der beruflichen Vorsorge des übertretenden Personals fand am 28. August 1992 eine Besprechung zwischen Vertretern des EMD, der OCP, der Eidgenössischen Versicherungskasse (EVK, nunmehr Pensionskasse des Bundes [PKB]) und der Pensionskasse der Oerlikon Contraves AG (PKOC) statt, wobei die Anwendbarkeit des Freizügigkeitsabkommens 90 beschlossen wurde. Im November/Dezember 1992 fanden Verhandlungen mit den Dachverbänden und Gewerkschaften über die Anstellungsbedingungen und den berufsvorsorgerechtlichen Versicherungsschutz des Personals statt. Am 11. Dezember 1992 erfolgte die Bekanntgabe des Verhandlungsergebnisses an die betroffenen Mitarbeiter, welchen auch die neuen Anstellungsverträge der OCP übergeben wurden. In einem Schreiben gleichen Datums informierte die M+FA die Betroffenen bezüglich der Übertrittsmodalitäten und der Abfindungsleistungen des Bundes, welche u.a. eine einmalige Pauschalabgeltung zum Ausgleich weiterer, teilweise nicht quantifizierbarer Vorteile des bisherigen Dienstverhältnisses umfassten. Des Weiteren wurde darauf hingewiesen, dass bei Nichtannahme des Anstellungsvertrages bei der OCP die Auflösung des Dienstverhältnisses bei der M+FA eingeleitet werde. Nach der Unterzeichnung der Hauptverträge
zwischen der Oerlikon Contraves AG und der M+FA traten die personalrechtlichen Vereinbarungen vom Dezember 1992 und die Anstellungsverträge der Betroffenen mit der OCP auf den 1. April 1993 in Kraft.
B.- Am 23. Februar 1998 reichten X.________ und weitere Angestellte der OCP, welche bis zum 31. März 1993 Bedienstete der M+FA gewesen waren, beim Obergericht des Kantons Uri Klage ein mit dem Begehren, die PKB sei zu verpflichten, ihnen zusätzlich zu den Freizügigkeitsleistungen Leistungen aus administrativer Auflösung des Dienstverhältnisses gemäss Art. 32 Abs. 1

Das kantonale Gericht wies die Klage mit Entscheid vom 27. Mai 1999 im Wesentlichen mit der Begründung ab, dass den Klägern grundsätzlich ein Anspruch auf Leistungen nach Art. 32

C.- Die Kläger lassen Verwaltungsgerichtsbeschwerde erheben mit dem Rechtsbegehren, in Aufhebung des angefochtenen
Entscheids sei die Sache zur Neubeurteilung an die
Vorinstanz zurückzuweisen; eventuell sei die PKB in Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids zu verpflichten, die eingeklagten Beträge, zuzüglich Zins von 5% seit Klageeinleitung, zu bezahlen.
Vertreten durch die Eidgenössische Finanzverwaltung lässt sich die PKB mit dem Antrag auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde und Beiladung der PKOC vernehmen.
Das Bundesamt für Sozialversicherung und die zur Vernehmlassung beigeladene PKOC verzichten auf eine Stellungnahme.
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.- a) Nach Art. 32 der bis Ende 1994 gültig gewesenen und auf den vorliegenden Fall anwendbaren Verordnung vom 2. März 1987 über die Eidgenössische Versicherungskasse (EVK-Statuten; AS 1987 1228) erhielt ein Kassenmitglied, dessen Dienstverhältnis ohne sein Verschulden vom Bund nach den Art. 54



seine Betriebe mit eigener Rechnung erstatteten der Pensionskasse das fehlende Deckungskapital zurück (Abs. 5).
b) Gemäss Art. 57 Abs. 1


Abgangsentschädigung nach Art. 32

2.- a) Im vorliegenden Fall waren die Voraussetzungen für den Anspruch auf Abgangsentschädigungen nach dem Wortlaut von Art. 32


Richtlinien) und den Personalpolitischen Grundsätzen zum Stellenabbau im EMD vom 26. Mai 1992 lassen sich diesbezüglich keine Bestimmungen entnehmen. Es ist daher auf dem Wege der Auslegung zu beurteilen, ob in solchen Fällen allein auf den Umstand der Auflösung des Dienstverhältnisses zufolge Aufhebung des Amtes abgestellt werden kann oder ob nicht das Angebot eines weitgehend gleichwertigen privatrechtlichen Anstellungsverhältnisses der Übertragung eines entsprechenden neuen Amtes gleichzustellen ist. Weil es sich bei der EVK um eine öffentlichrechtliche Vorsorgeeinrichtung handelt, sind die für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln anwendbar (SVR 1997 BVG Nr. 79 S. 243; SZS 1997 S. 563).
b) Die Abgangsentschädigung nach Art. 32

Auch wenn der Anspruch auf Abgangsentschädigung nicht an einen konkreten Erwerbsausfall gebunden ist und grundsätzlich unabhängig davon besteht, ob der Nichtwiedergewählte oder Entlassene im Anschluss an die Auflösung des Dienstverhältnisses eine neue Anstellung findet und in eine andere Vorsorgeeinrichtung übertreten kann, besteht das versicherte Risiko doch vorab darin, dass dem Betroffenen wegen anschliessender Arbeitslosigkeit ein Erwerbsausfall droht und er im Rahmen einer neuen Tätigkeit möglicherweise einen Minderverdienst sowie ungünstigere berufsvorsorgerechtliche Bedingungen hinzunehmen hat. Ein solches Risiko besteht nicht, wenn dem zufolge Aufhebung des Amtes Entlassenen ein entsprechendes anderes Amt übertragen werden kann, weshalb ihm nach Art. 32


allfälligen Minderverdienstes sowie einer Verschlechterung des berufsvorsorgerechtlichen Versicherungsschutzes nicht zu tragen, wenn er im Zuge der Privatisierung eines Bundesbetriebes zu gleichwertigen Bedingungen in eine privatrechtliche Gesellschaft übertreten kann. Eine voraussetzungslose Bejahung des Entschädigungsanspruchs nach Art. 32


c) Im vorliegenden Fall bildeten die anstellungs- und berufsvorsorgerechtlichen Vor- und Nachteile in Zusammenhang mit der vorgesehenen Teilprivatisierung der M+FA Gegenstand von Abklärungen, wobei sich u.a. zeigte, dass sich die vorsorgerechtlichen Vor- und Nachteile nicht genau beziffern liessen und insbesondere von der individuellen Lohnentwicklung abhängig sind. In der Folge wurde von den Vertragsparteien ein Sozialpaket ausgehandelt, welches am 20. November 1992 mit Vertretern der interessierten Dachverbände und Gewerkschaften diskutiert wurde. Während die übrigen Verbände mit dem Verhandlungsergebnis einverstanden waren, wurden die Verhandlungen mit einer Delegation des Föderativverbandes des Personals öffentlicher Verwaltungen und Dienste (FöV) im Dezember 1992 weitergeführt. Seitens dieses Verbandes wurde insbesondere geltend gemacht, dass die fehlende Absicherung bei unverschuldeter Entlassung im Rahmen der neuen Arbeitsverhältnisse eine zusätzliche Abfindung an die Mitarbeiter der M+FA rechtfertige. Nach weiteren Verhandlungen konnte auch in diesem Punkt eine Einigung erzielt werden, wobei sich der Bund zur Ausrichtung einer einmaligen Pauschalabgeltung zum Ausgleich weiterer, teilweise nicht quantifizierbarer Vorteile
des bisherigen Dienstverhältnisses verpflichtete. Damit wurde zwar nicht über den Anspruch auf Abgangsentschädigung gemäss Art. 32


3.- Die Vorbringen in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde vermögen zu keinem andern Ergebnis zu führen. Richtig ist, dass es sich bei den EVK-Statuten um eine bundesrätliche Verordnung handelt, welche der Dispositionsfreiheit sowohl der Vorsorgeeinrichtung als auch der Destinatäre entzogen ist. Dies schliesst indessen nicht aus, dass die Destinatäre rechtsgültig auf Ansprüche verzichten können. An die Annahme eines Leistungsverzichts sind zwar strenge Anforderungen zu stellen; insbesondere ist ein stillschweigender Verzicht nur anzunehmen, wenn nach den konkreten Umständen besondere Gründe dafür vorhanden sind (BGE 116 V 279 Erw. 4). Solche Gründe waren im vorliegenden Fall aber durchaus gegeben, indem die anstellungs- und vorsorgerechtlichen Fragen in Zusammenhang mit dem vorgesehenen Übertritt der Mitarbeiter von der M+FA zur OCP in Form eines Sozialpaketes geregelt wurden. Es liegt in der Natur solcher Vereinbarungen, dass im Hinblick auf die Erhaltung der Arbeitsplätze damit oft auch der Verzicht auf gewisse Ansprüche verbunden ist. Hievon ist nach dem Gesagten auch in Bezug auf die streitige Abgangsentschädigung nach Art. 32

Sachverhalt als fraglich erscheinen musste, legt die Annahme nahe, dass diesbezüglich ein Verzicht erfolgt ist. Hiefür spricht auch die Tatsache, dass den übertretenden Bediensteten eine zusätzliche Leistung in Form einer einmaligen Pauschalabgeltung zum Ausgleich weiterer, teilweise nicht quantifizierbarer Vorteile des bisherigen Dienstverhältnisses zugestanden wurde.
Fehl geht sodann der Einwand, die Verbände seien nicht befugt gewesen, im Namen der Kläger zu handeln und auf statutarisch festgelegte Leistungen zu verzichten. Wie die Beschwerdegegnerin zu Recht feststellt, war es gerade die Aufgabe der an den Verhandlungen beteiligten Verbände und Gewerkschaften, die Interessen der Mitglieder kollektiv wahrzunehmen. Auch waren die beteiligten Personalorganisationen auf Grund ihrer Statuten befugt, mit dem Arbeitgeber in Verhandlungen zu treten und ihre Mitglieder in diesen Verhandlungen rechtswirksam zu vertreten. Für die Mitglieder der Personalorganisationen war das Verhandlungsergebnis schon auf Grund der jeweiligen statutarischen Bestimmungen verbindlich. Für die übrigen Betroffenen wurde es verbindlich, nachdem sie dem Verhandlungsergebnis mit der Unterzeichnung der Übertrittserklärungen ausdrücklich zugestimmt haben. Sämtliche übertretenden Mitarbeiter der M+FA haben dem unterbreiteten Sozialpaket, welches keine Leistungen nach Art. 32

finanziellen Leistungen des Bundes in Zusammenhang mit dem Übertritt der Betroffenen zur OCP enthielt und insbesondere keine Leistungen nach Art. 32


Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
I. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
II. Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
III. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Obergericht des Kantons Uri, dem Bundesamt für Sozialversicherung und der Pensionskasse der Oerlikon Contraves AG, Zürich, zugestellt.
Luzern, 30. Juni 2000
Im Namen des
Eidgenössischen Versicherungsgerichts
Der Präsident der IV. Kammer:
Der Gerichtsschreiber: