Bundesverwaltungsgericht
Tribunal administratif fédéral
Tribunale amministrativo federale
Tribunal administrativ federal


Abteilung IV

D-683/2012/wif

Urteil vom 30. Oktober 2012

Richter Bendicht Tellenbach (Vorsitz),

Richterin Muriel Beck Kadima,
Besetzung
Richterin Nina Spälti Giannakitsas;

Gerichtsschreiber Martin Scheyli

A._______ B._______,geboren [...], Syrien,

vertreten durch Ozan Polatli, Advokat,

Parteien Advokatur Gysin und Roth,

[...],

Beschwerdeführer,

gegen

Bundesamt für Migration (BFM),

Quellenweg 6, 3003 Bern,

Vorinstanz

Gegenstand Asyl; Verfügung des BFM vom 4. Januar 2012

Sachverhalt:

A.
Der Beschwerdeführer ist syrischer Staatsangehöriger kurdischer Ethnie und stammt aus Qamishli (Provinz Al Hasakah). Gemäss seinen Angaben verliess er Syrien am 17. Juni 2007 in Richtung Libanon. Am 23. Juli 2007 reiste er illegal in die Schweiz ein und stellte gleichentags beim Empfangs- und Verfahrenszentrum Basel ein Asylgesuch. Am 26. Juli 2007 wurde er dort summarisch zu seinen Asylgründen befragt und anschliessend für die Dauer des Asylverfahrens dem Kanton C._______ zugewiesen. Am 30. August 2007 hörte ihn die zuständige kantonale Behörde zu den Gründen seines Asylgesuchs an.

B.
Der Beschwerdeführer machte anlässlich dieser Befragungen im Wesentlichen geltend, im Zusammenhang mit den politischen Unruhen in Qamishli vom 12. März 2004 sei er verhaftet und während vierzehn Tagen festgehalten worden. Später habe er Gedichte in kurdischer Sprache verfasst, die sich gegen die Ereignisse von Qamishli und gegen die Araber gerichtet hätten. Eines dieser Gedichte habe er im Jahr 2005 im Libanon - wo er sich zwischen 2004 und 2006 zu Arbeitszwecken aufgehalten habe - auf einem Poetenfestival vorgetragen. Ausserdem habe er im Libanon wie auch - nach seiner Rückkehr nach Syrien - in Qamishli Kinder im Gebrauch der kurdischen Schrift unterrichtet. Sowohl von seinen Gedichten als auch von seiner Unterrichtstätigkeit hätten die syrischen Behörden erfahren. Als er anfangs des Jahres 2006 in Qamishli eine eigene Schreinerei habe eröffnen wollen, habe ihm deshalb die zuständige Behörde die erforderliche Bewilligung nicht erteilt. Am 15. Juni 2007 sei er an seinem Arbeitsplatz als Angestellter einer Schreinerei gewesen, als er von seinem Bruder die Nachricht erhalten habe, Angehörige des Staatssicherheitsdienstes hätten nach ihm gesucht. Aus Furcht, verhaftet zu werden, sei er noch am gleichen Tag aus Qamishli geflüchtet.

C.
Mit Schreiben vom 10. Oktober 2008 ersuchte das BFM die schweizerische Botschaft in Syrien um Abklärung der Fragen, ob der Beschwerdeführer einen syrischen Pass besitze, ob er Syrien legal verlassen habe und ob er durch die syrischen Behörden gesucht werde.

D.
Mit Schreiben vom 14. Dezember 2008 teilte die schweizerische Botschaft in Syrien dem BFM mit, Abklärungen ihres Vertrauensanwalts hätten ergeben, dass der Beschwerdeführer Inhaber eines syrischen Passes sei, Syrien am 15. Juli 2007 vom Flughafen Damaskus auf dem Luftweg in Richtung Litauen verlassen habe und durch die syrischen Behörden nicht gesucht werde.

E.
Mit Zwischenverfügung vom 9. Januar 2009 erteilte das BFM dem Beschwerdeführer in Bezug auf die genannten Abklärungsergebnisse das rechtliche Gehör.

F.
Mit Eingabe seines damaligen Rechtsvertreters an das BFM vom 19. Januar 2009 äusserte sich der Beschwerdeführer zu den Abklärungen der Botschaft. Ausserdem beantragte der Beschwerdeführer Einsicht in seine Verfahrensakten.

G.
Mit Schreiben vom 5. März 2009 gewährte das BFM dem damaligen Rechtsvertreter des Beschwerdeführers Einsicht in die Akten.

H.
Mit Verfügung vom 20. März 2009 lehnte das BFM das Asylgesuch des Beschwerdeführers ab und ordnete dessen Wegweisung aus der Schweiz sowie den Vollzug an. Zur Begründung der Ablehnung des Asylgesuchs führte das Bundesamt im Wesentlichen aus, die Vorbringen des Beschwerdeführers hielten den Anforderungen an die Glaubhaftigkeit gemäss Art. 7 des Asylgesetzes vom 26. Juni 1998 (AsylG, SR 142.31) nicht stand.

I.
Diese Verfügung focht der Beschwerdeführer mit Eingabe seines damaligen Rechtsvertreters vom 22. April 2009 beim Bundesverwaltungsgericht an.

J.
Mit Urteil vom 28. Oktober 2010 hob das Bundesverwaltungsgericht die Verfügung des BFM vom 20. März 2009 auf und wies die Sache zur erneuten Beurteilung an das Bundesamt zurück. Dies wurde im Wesentlichen damit begründet, die Verfügung vom 20. März 2009 sei unter Verletzung des Grundsatzes des rechtlichen Gehörs zustande gekommen und stütze sich zudem auf einen unvollständig festgestellten Sachverhalt.

K.
Am 4. Juli 2011 hörte das BFM den Beschwerdeführer ein weiteres Mal zu den Asylgründen an. Dabei führte er in Ergänzung zu den anlässlich der vorhergehenden Anhörungen gemachten Aussagen im Wesentlichen Folgendes aus: Als er im Libanon gewesen sei, habe er einen kurdischen Sprachkurs besucht mit dem Ziel, später selbst Unterricht zu erteilen. Anfangs des Jahres 2006 habe er diesen Kurs mit einem Diplom abgeschlossen. Der Sprachunterricht im Libanon sei gefilmt worden, und darüber sei durch einen kurdischen Fernsehsender ein Bericht ausgestrahlt worden. Nach seiner Rückkehr aus dem Libanon nach Syrien habe er lediglich zweimal einen Unterricht in kurdischer Sprache abgehalten. Ein dritter Unterricht sei geplant gewesen; es sei jedoch nicht mehr dazu gekommen, weil er am betreffenden Tag - dem 15. Juni 2007 - von Angehörigen des syrischen Staatssicherheitsdienstes gesucht worden sei und deshalb die Flucht ergriffen habe. Er habe den Unterricht im Auftrag eines kurdischen Sprachlern-Komitees erteilt, wobei er bei sich zuhause während jeweils ungefähr einer Stunde elf Kindern im Alter zwischen sechs und sechzehn Jahren das kurdische Alphabet beigebracht habe. Die Tatsache, dass er im Libanon ein Diplom in kurdischer Sprache erlangt und anschliessend in Syrien Kinder unterrichtet habe, bilde den Hauptgrund für seine Gefährdung in Syrien. Wegen der Gedichte, die er geschrieben und vorgetragen habe, habe er in Syrien hingegen keine Probleme gehabt. Des Weiteren gab er zu Protokoll, er habe nach seiner Rückkehr aus dem Libanon eine Prüfung als Schreiner ablegen und ein entsprechendes Patent erwerben wollen. Der zuständige Beamte habe vom ihm etwas Geld verlangt, um seinen Antrag zu bearbeiten, was ihn gestört habe. Er habe sich benachteiligt gefühlt und auf die Araber geschimpft. Er sei dann nach Hause geschickt worden. Später habe er von der Handelskammer von Al Hasakah ein Schreiben erhalten, wonach er sich wieder melden solle. Er habe dies in der Folge aber nicht getan, weil ihm sein Vater mit der Befürchtung davon abgeraten habe, er könnte mit den Behörden Schwierigkeiten bekommen. Anlässlich der Befragung gab der Beschwerdeführer als Beweismittel eine Compact Disc (CD) ab, die gemäss seinen Aussagen Bilder von der Abschlussfeier eines Sprachkurses im Libanon enthalte, bei welcher er als Mitglied des Sicherheitsdienstes anwesend gewesen sei.

L.
Mit Eingabe seines damaligen Rechtsvertreters an das BFM vom 5. Dezember 2011 ersuchte der Beschwerdeführer um ergänzende Akteneinsicht.

M.
Mit Schreiben vom 7. Dezember 2011 übermittelte das BFM dem damaligen Rechtsvertreter eine Kopie des Anhörungsprotokolls vom 4. Juli 2011.

N.
Mit Eingabe seines damaligen Rechtsvertreters an das BFM vom 19. Dezember 2011 äusserte sich der Beschwerdeführer ergänzend zu seinen Asylgründen.

O.
Mit Verfügung vom 4. Januar 2012 lehnte das BFM das Asylgesuch erneut ab und ordnete die Wegweisung des Beschwerdeführers an. Indessen stellte das Bundesamt die Unzumutbarkeit des Vollzugs fest und ordnete deshalb die vorläufige Aufnahme des Beschwerdeführers an. Zur Begründung der Ablehnung des Asylgesuchs führte das Bundesamt im Wesentlichen aus, die Vorbringen des Beschwerdeführers hielten den Anforderungen an die Glaubhaftigkeit nicht stand. Auf die diesbezüglichen konkreten Ausführungen wird, soweit für den Entscheid wesentlich, in den Erwägungen eingegangen.

P.
Diese Verfügung focht der Beschwerdeführer mit Eingabe seines Rechtsvertreters vom 6. Februar 2012 beim Bundesverwaltungsgericht an. Dabei beantragte er die Aufhebung der angefochtenen Verfügung und die Gutheissung seines Asylgesuchs, eventualiter die Feststellung seiner Flüchtlingseigenschaft und der Unzulässigkeit des Wegweisungsvollzugs. In prozessualer Hinsicht beantragte der Beschwerdeführer, es seien ihm die unentgeltliche Prozessführung im Sinne von Art. 65 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (VwVG, SR 172.021) sowie die unentgeltliche Rechtsverbeiständung im Sinne von Art. 65 Abs. 2 VwVG zu gewähren. Als Beweismittel übermittelte der Beschwerdeführer einen Länderbericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (SFH) zu Syrien, eine Stellungnahme der SFH zur Zuverlässigkeit von Botschaftsabklärungen bezüglich Syriens, eine Medienmitteilung des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten zur politischen Situation in Syrien sowie eine CD, auf welcher sich Photographien von Demonstrationen und ein Video befinden. Auf die Begründung der Beschwerde wird, soweit für den Entscheid wesentlich, in den Erwägungen eingegangen.

Q.
Mit Zwischenverfügung vom 13. Februar 2012 hiess der zuständige Instruktionsrichter das Gesuch um unentgeltliche Prozessführung im Sinne von Art. 65 Abs. 1 VwVG vorbehältlich des Nachreichens einer Fürsorgebestätigung gut. Für den Fall, dass keine Fürsorgebestätigung nachgereicht würde, wurde der Beschwerdeführer unter Androhung des Nichteintretens auf die Beschwerde zur Leistung eines Kostenvorschusses von Fr. 600.- bis zum 28. Februar 2012 aufgefordert. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtsverbeiständung im Sinne von Art. 65 Abs. 2 VwVG wurde abgelehnt.

R.
Mit Einzahlung vom 17. Februar 2012 wurde fristgerecht der Kostenvorschuss geleistet.

S.
Mit Vernehmlassung vom 19. März 2012 hielt das BFM vollumfänglich an seinen Erwägungen fest und beantragte die Abweisung der Beschwerde.

T.
Mit Zwischenverfügung vom 21. März 2012 wurde dem Beschwerdeführer bezüglich der Vernehmlassung des BFM die Gelegenheit zur Replik erteilt.

U.
Mit Eingabe seines Rechtsvertreters vom 4. April 2012 nahm der Beschwerdeführer zur Vernehmlassung des Bundesamts Stellung. Auf die entsprechenden Ausführungen wird, soweit für den Entscheid wesentlich, in den Erwägungen eingegangen.

Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:

1.

1.1 Gemäss Art. 31 des Verwaltungsgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005 (VGG, SR 173.32) beurteilt das Bundesverwaltungsgericht Beschwerden gegen Verfügungen nach Art. 5 VwVG. Über Beschwerden gegen Verfügungen, die gestützt auf das AsylG durch das BFM erlassen worden sind, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht grundsätzlich (mit Ausnahme von Verfahren betreffend Personen, gegen die ein Auslieferungsersuchen des Staates vorliegt, vor welchem sie Schutz suchen) endgültig (Art. 105 AsylG i.V.m. Art. 31 -33 VGG; Art. 83 Bst. d Ziff. 1 des Bundesgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005 [BGG, SR 173.110]).

1.2 Mit Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht können die Verlet-zung von Bundesrecht, einschliesslich Missbrauch und Überschreitung des Ermessens, die unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts und die Unangemessenheit gerügt wer-den (Art. 106 Abs. 1 AsylG).

2.
Der Beschwerdeführer ist legitimiert; auf seine frist- und formgerecht eingereichte Beschwerde ist einzutreten (Art. 105 und 108 Abs. 1 AsylG; Art. 37 VGG i.V.m. Art. 48 Abs. 1 und Art. 52 VwVG).

3.

3.1 Gemäss Art. 2 Abs. 1 AsylG gewährt die Schweiz grundsätzlich Flüchtlingen Asyl. Als Flüchtling wird eine Person anerkannt, wenn sie in ihrem Heimatstaat oder im Land, wo sie zuletzt wohnte, wegen ihrer Ras-se, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Anschauungen ernsthaften Nachtei-len ausgesetzt ist oder begründete Furcht hat, solchen Nachteilen ausge-setzt zu werden. Als ernsthafte Nachteile gelten namentlich die Gefähr-dung von Leib, Leben oder Freiheit sowie Massnahmen, die einen uner-träglichen psychischen Druck bewirken (Art. 3 AsylG).

3.2 Wer um Asyl nachsucht, muss die Flüchtlingseigenschaft nachweisen oder zumindest glaubhaft machen. Glaubhaft gemacht ist die Flüchtlings-eigenschaft, wenn die Behörde ihr Vorhandensein mit überwiegender Wahrscheinlichkeit für gegeben hält. Unglaubhaft sind insbesondere Vorbringen, die in wesentlichen Punkten zu wenig begründet oder in sich wi-dersprüchlich sind, den Tatsachen nicht entsprechen oder massgeblich auf gefälschte oder verfälschte Beweismittel abgestützt werden (Art. 7 AsylG).

4.

4.1 Das BFM lehnte das Asylgesuch mit der Begründung ab, der Be-schwerdeführer habe keine asylrechtlich relevante Verfolgung glaubhaft machen können. Wie sich zeigt, ist das Bundesamt im Ergebnis zutreffenderweise zu diesem Schluss gelangt.

4.2 Zunächst ist vorauszuschicken, dass der Beschwerdeführer anlässlich seiner Anhörungen vom 26. Juli 2007 und vom 30. August 2007 von Problemen mit den syrischen Behörden wegen des Verfassens und Vortragens von Gedichten über die Unterdrückung der Kurden in Syrien berichtet hatte, wobei er diesen Aspekt besonders betonte. Das Bundesverwaltungsgericht hielt denn auch - unter anderem - in diesem Zusammenhang zur Begründung des Kassationsentscheids vom 28. Oktober 2010 fest, der entsprechende Sachverhalt sei nicht als ausreichend abgeklärt zu erachten, zumal im Bereich des Möglichen liege, dass die syrischen Behörden deswegen auf den Beschwerdeführer aufmerksam geworden sein könnten. Allerdings gab der Beschwerdeführer im Rahmen der nach dem Urteil vom 28. Oktober 2010 durch das BFM durchgeführten zusätzlichen Anhörung vom 4. Juli 2011 auf entsprechende Frage hin zur Antwort, er habe wegen der Gedichte, die er geschrieben und (während seines Aufenthalts im Libanon) öffentlich vorgetragen habe, in Syrien keine Schwierigkeiten gehabt (entsprechendes Protokoll, S. 9). Angesichts dieser Aussage des Beschwerdeführers ist festzustellen, dass die entsprechenden Angaben bei den ersten beiden Anhörungen zur angeblichen Gefährdung durch das Verfassen und Vortragen von Gedichten als widerrufen zu betrachten sind, und auf sie ist im vorliegenden Urteil nicht mehr weiter einzugehen.

4.3 Es bleibt somit zum einen zu beurteilen, ob der Beschwerdeführer, wie von ihm weiterhin geltend gemacht, wegen seines eigenen Sprachunterrichts im Libanon und der späteren Erteilung von Unterricht in kurdischer Sprache in Syrien einer asylrelevanten Verfolgung durch die syrischen Behörden ausgesetzt war. In diesem Zusammenhang ist zunächst festzustellen, dass aus den diesbezüglichen Aussagen des Beschwerdeführers nicht hervorgeht, dass dieser Sprachunterricht (und zwar weder in der Rolle des Beschwerdeführers als Lernender noch in jener des Unterrichtenden) in einem konkreten politischen Kontext erfolgte, der über das Anliegen der Förderung der kurdischen Sprache und Kultur hinausging. Insbesondere führte er auf entsprechende Frage hin aus, die Personen, welche ihn mit dem Unterricht von Kindern in Syrien beauftragt hätten, seien keiner politischen Gruppierung zugehörig gewesen, sondern hätten lediglich einem kurdischen Sprachlern-Komitee angehört (Protokoll der Anhörung vom 30. August 2007, S. 8; Protokoll der Anhörung vom 4. Juli 2011, S. 6). Weiter ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer selbst gemäss seinen Aussagen keinerlei Verbindung zu einer politischen Partei hatte und auch von keinen eigenen politischen Aktivitäten berichtete. Einzig sein Vater habe früher eine Partei unterstützt, die sich für die Rechte der Kurden eingesetzt habe. Allerdings machte der Beschwerdeführer keinerlei Vorbringen, aus welchen sich ergeben könnte, die frühere Parteizugehörigkeit seines Vaters habe sich auf ihn selbst negativ ausgewirkt. Zu berücksichtigen ist ausserdem, dass der Beschwerdeführer lediglich zweimal eine Gruppe von Kindern und Jugendlichen im Gebrauch der kurdischen (beziehungsweise lateinischen) Schrift unterrichtet haben will, bevor er am 15. Juni 2007 von Angehörigen des syrischen Staatssicherheitsdienstes gesucht worden sei. Angesichts dieses offensichtlich nur sehr niedrigschwelligen Engagements des Beschwerdeführers für kulturelle kurdische Belange und in Anbetracht jeglichen Fehlens konkreter politischer Aktivitäten oder Verbindungen ist es als äusserst unwahrscheinlich zu erachten, dass die syrischen Behörden in einer Art und Weise auf seine Person aufmerksam geworden sein könnten, dass er eine asylrelevante Verfolgung zu befürchten gehabt hätte. Insofern ist in keiner Weise nachvollziehbar, weshalb er einzig wegen der Mitteilung, Angehörige des Staatssicherheitsdiensts hätten am 15. Juni 2007 nach ihm gefragt, zum Schluss kam, er müsse Syrien unverzüglich verlassen. Diesbezüglich bilden auch weder das Vorbringen, er sei bereits einmal, im Zusammenhang mit den politischen Unruhen in Qamishli vom 12. März 2004, verhaftet und während vierzehn Tagen festgehalten worden, noch die
Behauptung, es sei über den Sprachunterricht im Libanon durch einen Fernsehsender berichtet worden, wobei seine Person erkennbar gewesen sei, eine valable Begründung.

4.4 Zum anderen ist festzuhalten, dass - entgegen den Ausführungen in der Beschwerdeschrift - sich auch aus dem behaupteten Umstand, der Beschwerdeführer sei im Zusammenhang mit seinem Antrag auf ein Patent als Schreiner benachteiligt worden, wobei er gegenüber dem zuständigen Beamten auf die Araber geschimpft habe, offensichtlich nichts ableiten lässt, was von asylrechtlichem Belang wäre. Aus seinen Aussagen anlässlich der Anhörung vom 4. Juli 2011 geht nämlich in keiner Weise hervor, dass er in der Folge konkrete Probleme gehabt hätte, die mit diesem Zwischenfall in Verbindung stehen könnten. Vielmehr gab er zu Protokoll, er sei nach Hause geschickt worden, und später habe er von der Handelskammer von Al Hasakah ein Schreiben erhalten, wonach er sich wieder melden solle. Somit ist davon auszugehen, dass er grundsätzlich sogar die Möglichkeit gehabt hätte, seinen Antrag auf ein Berufspatent zu erneuern.

4.5 Im Übrigen ist festzustellen, dass auch die sonstigen Vorbringen in der Beschwerdeschrift und den weiteren Eingaben im vorliegenden Verfahren nichts an der Einschätzung zu ändern vermögen, der Beschwerdeführer habe keine asylrechtlich relevante Verfolgung glaubhaft gemacht. Dies gilt insbesondere auch für seine Ausführungen im Zusammenhang mit der durchgeführten Botschaftsabklärung. Die Resultate dieser Abklärungen erweisen sich letztlich nicht als entscheidwesentlich, indem auch unter der Annahme, dass die Angaben des Beschwerdeführers zu den Umständen seiner Ausreise aus Syrien zutreffend sind, nicht von der Glaubhaftigkeit der zentralen Asylvorbringen auszugehen ist. Der mit der Beschwerdeschrift gestellte Antrag, es sei eine neue Botschaftsabklärung durchzuführen, ist somit abzuweisen.

4.6 Im vorliegenden Fall ist ausserdem festzuhalten, dass die Vorbringen des Beschwerdeführers auch unter Berücksichtigung der aktuellen politischen Entwicklungen in Syrien nicht zur Einschätzung führen, es liege aus heutiger Sicht aufgrund von im Herkunftsstaat vor der Ausreise Erlebtem (sog. Vorfluchtgründe; diese sind von den subjektiven Nachfluchtgründen zu unterscheiden, auf welche nachfolgend einzugehen ist [vgl. E. 5]) eine asylrechtlich relevante Gefährdungssituation vor.

4.7 Aus dem Gesagten ergibt sich zusammenfassend, dass das BFM zu Recht zur Beurteilung gelangt ist, der Beschwerdeführer habe keine asylrelevante Verfolgung glaubhaft gemacht und erfülle somit die Flüchtlingseigenschaft im Sinne des Art. 3 AsylG nicht.

5.
In einem nächsten Schritt ist auf die subjektiven Nachfluchtgründe einzugehen, welche der Beschwerdeführer mit dem Vorbringen geltend macht, er habe sich exilpolitisch betätigt, indem er in der Schweiz an Demonstrationen gegen das syrische Regime teilgenommen und dabei öffentlich regimekritische Gedichte vorgetragen habe.

5.1 Subjektive Nachfluchtgründe sind dann anzunehmen, wenn eine asylsuchende Person erst durch die Flucht aus dem Heimat- oder Herkunftsstaat oder wegen ihres Verhaltens nach der Ausreise eine Verfolgung im Sinne von Art. 3 AsylG zu befürchten hat. Personen mit subjektiven Nachfluchtgründen erhalten zwar kein Asyl, werden jedoch als Flüchtlinge vorläufig aufgenommen (Art. 54 AsylG; vgl. BVGE 2009/28 E. 7.1 S. 352 sowie EMARK 2000 Nr. 16 E. 5a, mit weiteren Hinweisen).

5.2 Vorliegend erweist sich, dass die geltend gemachte exilpolitische Betätigung keinen subjektiven Nachfluchtgrund setzt.

5.2.1 Aus den im vorliegenden Verfahren eingereichten Beweismitteln - Photographien und ein Videofilm, die auf einer CD-ROM gespeichert sind - geht hervor, dass der Beschwerdeführer einmal in Bern und einmal in Zürich an Demonstrationen nicht näher bezeichneten Datums sowie am 18. Mai 2010 in Bern an einer Demonstration gegen Zwangsausschaffungen von illegal sich in der Schweiz aufhaltenden Ausländerinnen und Ausländern teilnahm. Dabei ist der Beschwerdeführer anlässlich der erstgenannten Demonstration unter weiteren Teilnehmern zu sehen, die eine kurdische Flagge und Photographien von mutmasslichen Opfern des syrischen Regimes tragen. In Bezug auf die Kundgebung in Zürich ist lediglich zu erkennen, dass sie sich mutmasslich gegen die Türkei richtete. Anlässlich der Demonstration vom 18. Mai 2010 ist der Beschwerdeführer zu sehen, wie er eine Fahne der schweizerischen Gewerkschaft Unia trägt beziehungsweise hinter einem Transparent geht, das sich für die Rentenansprüche von Personen aus dem Kosovo ausspricht. Ansonsten wurden keine Beweismittel eingereicht.

5.2.2 Gemäss Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichts trifft es zwar zu, dass sich die syrischen Behörden für die exilpolitischen Aktivitäten ihrer Staatsangehörigen interessieren. Es ist jedoch davon auszugehen, dass sich die syrischen Geheimdienste auf die Erfassung von Personen konzentrieren, die über niedrigprofilierte Erscheinungsformen exilpolitischer Proteste hinaus Funktionen wahrgenommen und/oder Aktivitäten entwickelt haben, welche die betreffende Person aus der Masse der mit dem Regime Unzufriedenen herausheben und als ernsthaften und potentiell gefährlichen Regimegegner erscheinen lassen. Massgebend ist dabei nicht primär das Hervortreten im Sinne einer optischen Erkennbarkeit und Individualisierbarkeit, sondern eine öffentliche Exponierung, die aufgrund der Persönlichkeit des Asylsuchenden, der Form des Auftritts und aufgrund des Inhalts der in der Öffentlichkeit abgegebenen Erklärungen den Eindruck erweckt, dass der Asylsuchende aus Sicht des syrischen Regimes als potentielle Bedrohung wahrgenommen wird.

5.2.3 Eine Exponierung im erwähnten Sinn ist im Falle des Beschwerdeführers offensichtlich nicht gegeben. Aus den eingereichten Beweismitteln geht einzig hervor, dass der Beschwerdeführer an drei Demonstrationen teilnahm, wobei sich ein Teil der Kundgebungen nicht spezifisch gegen das syrische Regime richtete. Dabei lassen die erwähnten Bilder beziehungsweise die Videoaufnahme keinerlei schlüssige Beurteilung der massgeblichen Frage zu, in welcher Weise der Beschwerdeführer selbst individuell gegen das syrische Regime Stellung bezogen und in welchem Ausmass er sich folglich politisch exponiert hat, so dass effektiv davon auszugehen wäre, er habe als kurdischer Exil-Oppositioneller beziehungsweise als Regimekritiker die Aufmerksamkeit der syrischen Behörden derart auf sich gezogen, dass er nunmehr eine Verfolgung im Sinne von Art. 3 AsylG zu befürchten hat. Auch wenn davon ausgegangen werden muss, dass die syrischen Geheimdienste die exilpolitischen Aktivitäten im Ausland beobachten, so ist mangels einer erkennbaren spezifischen Rolle des Beschwerdeführers gleichwohl nicht anzunehmen, dass er zur Kategorie jener exponierten Aktivisten gehört, auf die sich tatsächlich die konkrete Aufmerksamkeit der syrischen Behörden richtet.

5.3 Nach dem Gesagten liegen somit keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür vor, dass der Beschwerdeführer aufgrund seiner Beteiligung an exilpolitischen Aktivitäten in seinem Heimatland Syrien einer spezifischen Gefährdung im Sinne von Art. 3 AsylG ausgesetzt sein könnte.

6.

6.1 Lehnt das Bundesamt das Asylgesuch ab oder tritt es darauf nicht ein, so verfügt es in der Regel die Wegweisung aus der Schweiz und ordnet den Vollzug an; es berücksichtigt dabei den Grundsatz der Einheit der Familie (Art. 44 Abs. 1 AsylG).

6.2 Der Beschwerdeführer verfügt weder über eine ausländerrechtliche Aufenthaltsbewilligung noch über einen Anspruch auf Erteilung einer solchen. Die Wegweisung wurde demnach zu Recht angeordnet (Art. 44 Abs. 1 AsylG; vgl. auch BVGE 2009/50 E. 9 S. 733 m.w.N. sowie EMARK 2001 Nr. 21).

6.3 Im Sinne einer Klarstellung ist im Übrigen festzuhalten, dass sich aus den zuvor angestellten Erwägungen nicht der Schluss ergibt, der Beschwerdeführer sei zum heutigen Zeitpunkt angesichts der jüngsten Entwicklungen der Situation in Syrien in seinem Heimatstaat nicht gefährdet. Indessen ist eine solche Gefährdungslage ausschliesslich unter dem Aspekt von Art. 83 Abs. 4 AuG einzuordnen, wonach der Vollzug für Ausländerinnen und Ausländer unzumutbar sein kann, wenn sie im Heimat- oder Herkunftsstaat auf Grund von Situationen wie Krieg, Bürgerkrieg, allgemeiner Gewalt und medizinischer Notlage konkret gefährdet sind. Der generellen Gefährdung aufgrund der aktuellen Situation in Syrien im Sinne von Art. 83 Abs. 4 AuG wurde durch das BFM mit der Anordnung der vorläufigen Aufnahme des Beschwerdeführers wegen Unzumutbarkeit des Wegweisungsvollzugs Rechnung getragen, und auf diesen Punkt ist folglich im vorliegenden Verfahren nicht weiter einzugehen.

7.
Aus den angestellten Erwägungen ergibt sich, dass die angefochtene Verfügung Bundesrecht nicht verletzt, den rechtserheblichen Sachverhalt richtig und vollständig feststellt und angemessen ist (Art. 106 AsylG). Die Beschwerde ist folglich abzuweisen.

8.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind dessen Kosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 63 Abs. 1 und 5 VwVG). Die Kosten sind auf Fr. 600.- festzusetzen (Art. 1 -3 des Reglements vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht [VGKE, SR 173.320.2] i.V.m. Art. 16 Abs. 1 Bst. a VGG). Diese sind mit dem in gleicher Höhe geleisteten Kostenvorschuss zu verrechnen.

(Dispositiv nächste Seite)

Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Kosten des Verfahrens in der Höhe von Fr. 600.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt und mit dem in gleicher Höhe geleisteten Kostenvorschuss verrechnet.

3.
Dieses Urteil geht an den Beschwerdeführer, das BFM und die zuständige kantonale Behörde.

Der vorsitzende Richter: Der Gerichtsschreiber:

Bendicht Tellenbach Martin Scheyli

Versand:
Informazioni decisione   •   DEFRITEN
Documento : D-683/2012
Data : 30. ottobre 2012
Pubblicato : 14. novembre 2012
Sorgente : Tribunale amministrativo federale
Stato : Inedito
Ramo giuridico : Asilo
Oggetto : Asyl (ohne Wegweisung); Verfügung des BFM vom 4. Januar 2012


Registro di legislazione
LAsi: 2  3  7  44  54  105  106  108
LStr: 83
LTAF: 16  31  33  37
LTF: 83
PA: 5  48  52  63  65
TS-TAF: 1  3
Parole chiave
Elenca secondo la frequenza o in ordine alfabetico
aeroporto • ammissione provvisoria • anticipo delle spese • attestato di capacità • atto di ricorso • autorità cantonale • autorità inferiore • autorizzazione o approvazione • avvocato • bandiera • berna • camera di commercio • cancelliere • caratteristica • casale • categoria • cd-rom • cittadinanza svizzera • comportamento • consultazione degli atti • copia • corso di lingua • costituzione • decisione • dichiarazione • dipartimento federale • diritto d'asilo • domanda indirizzata all'autorità • durata • esame • esattezza • espatrio • etnia • falegname • falegnameria • famiglia • fattispecie • forma e contenuto • fotografia • fuga • funzione • giorno • giorno determinante • kosovo • legge federale sul tribunale federale • legge federale sulla procedura amministrativa • legge sul tribunale amministrativo federale • legge sull'asilo • libano • lingua • lituania • manifestazione • mezzo di prova • minaccia • misura • moneta • motivazione della decisione • motivo insorto dopo la fuga • nazionalità • padre • partito • pericolo • permesso di dimora • pittore • potere d'apprezzamento • prato • pressione • prevedibilità • procedura d'asilo • punto essenziale • quesito • raccomandazione di voto dell'autorità • rappresentanza processuale • reiezione della domanda • replica • ricevimento • ricorso al tribunale amministrativo federale • risposta al ricorso • siria • stato d'origine • supporto di suoni e di immagini • termine • trattario • tribunale amministrativo federale • ufficio federale della migrazione • vita • vittima • volontà
BVGE
2009/50 • 2009/28
BVGer
D-683/2012
GICRA
2000/16 • 2001/21