Bundesverwaltungsgericht
Tribunal administratif fédéral
Tribunale amministrativo federale
Tribunal administrativ federal


Abteilung V

E-1642/2013

Urteil vom 30. Mai 2013

Richterin Regula Schenker Senn (Vorsitz),

Besetzung Richter Bendicht Tellenbach, Richter Markus König,

Gerichtsschreiber Urs David.

A._______,

China,
Parteien
vertreten durch Hansjörg Trüb, Asylbrücke Zug,

Beschwerdeführer,

gegen

Bundesamt für Migration (BFM), Quellenweg 6, 3003 Bern,

Vorinstanz.

Gegenstand Nichteintreten auf Asylgesuch und Wegweisung (Dublin-Verfahren);
Verfügung des BFM vom 4. März 2013 / N (...).

Das Bundesverwaltungsgericht stellt fest,

dass der Beschwerdeführer am 21. Januar 2013 im Zug von Italien herkommend durch die schweizerischen Grenzwachtbehörden kontrolliert wurde, wobei er einen gefälschten Reisepass mit (...), von den rubrizierten Personalien abweichenden Identitätsangaben und einem Sichtvermerk des (...) vorzeigte,

dass er im späteren Verlaufe der Überprüfung den Wunsch äusserte, in der Schweiz ein Asylgesuch zu stellen,

dass er dem Empfangs- und Verfahrenszentrum (EVZ) B._______ zugewiesen wurde und dort am 22. Januar 2013 ein Asylgesuch stellte, welches er anlässlich der durchgeführten Befragung vom 28. Januar 2013 mit seiner tibetischen Ethnie und Herkunft sowie der Schleppertätigkeit seines Bruders und in diesem Zusammenhang stehenden Benachteiligungen und Befürchtungen begründete, welche ihn Ende November 2011 zur Ausreise nach Nepal und - angesichts seiner dortigen Papierlosigkeit - am (...) 2013 zur Weiterreise auf dem Luftweg via C._______ nach Rom und sodann illegal weiter in sein Zielland Schweiz bewogen hätten,

dass er im Rahmen des ihm ebenfalls anlässlich der Befragung vom 28. Januar 2013 gewährten rechtlichen Gehörs zu einem allfälligen Nichteintretensentscheid aufgrund der mutmasslichen Verfahrenszuständigkeit Italiens in Anwendung der Schengen/Dublin-Vertragsgrundlagen mit Wegweisung dorthin geltend machte, er bevorzuge die Durchführung des Asylverfahrens in der Schweiz, habe aber eigentlich keine Einwendungen gegen eine Wegweisung nach Italien,

dass das BFM am 5. Februar 2013 ein auf Art. 10 Abs. 1 Dublin-II-Verordnung (Verordnung [EG] Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung von Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines Asylantrags zuständig ist, den ein Staatsangehöriger eines Drittlandes in einem Mitgliedstaat gestellt hat) gestütztes Übernahmeersuchen an Italien richtete,

dass die italienischen Behörden am 4. März 2013 dem Ersuchen des BFM um Übernahme des Beschwerdeführers zwecks Durchführung des Asylverfahrens ausdrücklich zustimmten,

dass das BFM mit Verfügung ebenfalls vom 4. März 2013 (eröffnet am 21. März 2013) in Anwendung von Art. 34 Abs. 2 Bst. d des Asylgesetzes vom 26. Juni 1998 (AsylG, SR 142.31) auf das Asylgesuch nicht eintrat, die Wegweisung des Beschwerdeführers aus der Schweiz sowie den Wegweisungsvollzug nach Italien anordnete, ihn aufforderte, die Schweiz spätestens am Tag nach Ablauf der Beschwerdefrist zu verlassen, und dabei festhielt, einer Beschwerde gegen diese Verfügung komme keine aufschiebende Wirkung zu,

dass es ihm gleichzeitig Einsicht in die editionspflichtigen Verfahrensakten gewährte,

dass es zur Begründung seiner Verfügung ausführte, gestützt auf die einschlägigen staatsvertraglichen Bestimmungen (unter anderem: Abkommen vom 26. Oktober 2004 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Gemeinschaft über die Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Staates für die Prüfung eines in einem Mitgliedstaat oder in der Schweiz gestellten Asylantrags [Dublin-Assoziierungsabkommen, DAA, SR 0.142.392.68]; Dublin-II-Verordnung; Verordnung [EG] Nr. 1560/2003 der Kommission vom 2. September 2003 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung [EG] Nr. 343/2003 des Rates [DVO Dublin]) sei Italien für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig, zumal die italienischen Behörden das auf Art. 10 Abs. 1 Dublin-II-Verordnung gestützte Rückübernahmeersuchen gutgeheissen hätten,

dass die Überstellung nach Italien - vorbehältlich einer allfälligen Unterbrechung oder Verlängerung - bis spätestens am 4. September 2013 zu erfolgen habe,

dass die Wegweisung die Regelfolge des Nichteintretensentscheides darstelle und der Vollzug der Wegweisung nach Italien mangels zureichender gegenteiliger Anhaltspunkte zulässig, zumutbar und möglich sei und insbesondere weder dem Non-Refoulement-Gebot gemäss Art. 5 AsylG noch Art. 3 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK, SR 0.101) widerspreche,

dass die Aussagen des Beschwerdeführers anlässlich des ihm gewährten rechtlichen Gehörs zu einer Rückführung nach Italien diese Erkenntnisse nicht umzustossen vermöchten, da die blosse Präferenz der Schweiz zur Durchführung des Asylverfahrens gegenüber den in der Dublin-II-Verordnung festgelegten Zuständigkeitsprinzipien keine Beachtung finden könne,

dass gemäss Art. 107a AsylG einer allfälligen Beschwerde gegen diese Verfügung keine aufschiebende Wirkung zukomme,

dass der Beschwerdeführer mit Eingabe vom 28. März 2013 gegen diesen Entscheid beim Bundesverwaltungsgericht Beschwerde erhob und darin die Aufhebung der angefochtenen Verfügung, die Anweisung des BFM zum Selbsteintritt sowie in prozessualer Hinsicht die Gewährung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde und den Verzicht auf die Erhebung sowohl von Verfahrenskosten nach Art. 65 Abs. 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes vom 20. Dezember 1968 (VwVG, SR 172.021) als auch eines Kostenvorschusses beantragt,

dass er in der Begründung die an sich bestehende Zuständigkeit Italiens zur Durchführung des Asylverfahrens nicht bestreitet, jedoch den Vorzug der Schweiz gegenüber Italien bekräftigt und hierzu die Anwendung der Selbsteintrittsklausel von Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-Verordnung fordert, wobei er auf das kritisch zu beurteilende Asylsystem Italiens mit seiner ungenügenden sozialen und medizinischen Versorgung aufmerksam macht,

dass ihn diese Mängel besonders treffen würden, weil er sich gemäss beiliegendem Arztzeugnis vom (...) März 2013 seit diesem Datum infolge (...) in stationärer psychiatrischer Behandlung befinde und (...) sei, womit er als besonders vulnerabel zu qualifizieren sei,

dass ein weiterer Arztbericht in Aussicht stehe,

dass die Instruktionsrichterin mit vorsorglicher Massnahme vom 28. März 2013 den Vollzug der Wegweisung einstweilen aussetzte und ein Rückkommen auf die Beschwerde nach Eingang und Prüfung der vorinstanzlichen Akten in Aussicht stellte,

dass die vorinstanzlichen Akten am 3. April 2013 beim Bundesverwaltungsgericht eintrafen,

dass mit Zwischenverfügung des Bundesverwaltungsgerichts vom 4. April 2013 die Gesuche um Gewährung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde und um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung nach Art. 65 Abs. 1 VwVG inklusive Verzicht auf die Erhebung eines Kostenvorschusses gutgeheissen wurden,

dass der Beschwerdeführer unter Hinweis auf die ihm obliegende Mitwirkungspflicht zur Einreichung des in Aussicht gestellten Arztberichts bis zum 15. April 2013 aufgefordert wurde, welcher sich insbesondere zur Diagnose, zur allenfalls notwendigen Therapie, zum bisherigen und voraussichtlichen Krankheitsverlauf sowie zur Frage der aktuellen Entlassungs- und Reisefähigkeit des Patienten auszusprechen habe,

dass überdies eine Erklärung des Beschwerdeführers über die Entbindung der behandelnden Ärzte von der Schweigepflicht gegenüber den Asylbehörden beizubringen sei,

dass im Unterlassungsfall auf die bestehenden Akten abzustellen wäre und im Falle verspäteter Einreichung Art. 32 Abs. 2 VwVG zur Anwendung gelange, wonach verspätete, aber ausschlaggebend erscheinende - und innert nützlicher Frist vorgelegte - Eingaben trotz Verspätung berücksichtigt werden könnten,

dass der Beschwerdeführer am 16. April 2013 den in Aussicht gestellten Arztbericht der Psychiatrischen (...) vom (...) April 2013 mitsamt einer Entbindungserklärung gleichen Datums nachreichte,

dass der Beschwerdeführer gemäss dem berichtenden Assistenzarzt nach Kenntnisnahme vom Ausschaffungsentscheid und in Anbetracht seiner Verfolgungssituation zwei Suizide versucht habe, deshalb am 26. März 2013 hospitalisiert worden sei und sich seither (...) in stationärer Behandlung befinde und weitere Suizidversuche unternommen habe, ganztägig und aktuell sogar mit Fixierung überwacht werden müsse und Nahrung zumeist verweigere, die empfohlenen Medikamente und Flüssigkeit aber einnehme,

dass (...) eine Verlegung in das zuständige Kantonsspital "(...) nicht möglich" sei, der Patient sehr geschwächt sei und er (...) benötige,

dass das BFM mit innert Frist eingereichter Vernehmlassung vom 26. April 2013 die Abweisung der Beschwerde beantragt,

dass es in der umfangreichen Begründung auf seine bisherigen Standpunkte und Erwägungen verweist und unter spezifischer Bezugnahme auf den Beschwerdeinhalt festhält, dass der Beschwerdeführer bis zum Zeitpunkt der Beschwerdeeinreichung weder Einwände gegenüber einem Nichteintreten und einer Wegweisung nach Italien, noch irgendwelche gesundheitlichen Probleme geltend gemacht habe, sondern die psychischen Probleme mit Eigengefährdung erst im Zusammenhang mit dem angefochtenen Entscheid eingetreten seien, wie der - nur von einem Assistenzarzt unterzeichnete - Arztbericht vom (...) April 2013 nahelege,

dass daraus aber keine grundsätzliche Undurchführbarkeit der Überstellung abgeleitet werden könne, zumal die italienischen Behörden vorgängig über die Situation und besonderen Bedürfnisse des Beschwerdeführers informiert würden und demgemäss entsprechende Vorbereitungen träfen,

dass es zudem stossend erschiene, wenn eine von einem abschlägigen Asylentscheid betroffene Person durch Berufung auf eine tatsächliche oder vermeintliche Selbstmordgefahr die Behörden zum Einlenken zwingen könnte,

dass ferner die Möglichkeit des Selbsteintritts nach Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-Verordnung restriktiv auszulegen sei, solange damit keine Verletzung der EMRK verbunden sei, was vorliegend nicht der Fall sei,

dass die im Vergleich zur Schweiz erschwerten Aufnahmebedingungen und die schwierigen sozialen Verhältnisse in Italien noch keinen Selbsteintritt oder die Annahme einer generellen Unzumutbarkeit der Wegweisung aufdrängten und Italien Signatarstaat der EMRK und der des Übereinkommens vom 10. Dezember 1984 gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe (FoK, SR 0.105) sei und sich an seine internationalen Verpflichtungen grundsätzlich halte,

dass im Übrigen die Transportfähigkeit insbesondere auch in medizinischer Hinsicht von der kantonalen Migrationsbehörde jeweils zum gegebenen Zeitpunkt sorgfältig abgeklärt werde und dannzumal auch die Möglichkeit der Begleitung durch medizinisches Fachpersonal und der Abgabe dringend benötigter Medikamente bestehe,

und zieht in Erwägung,

dass das Bundesverwaltungsgericht auf dem Gebiet des Asyls endgültig über Beschwerden gegen Verfügungen (Art. 5 VwVG) des BFM entscheidet, ausser bei Vorliegen eines Auslieferungsersuchens des Staates, vor welchem die beschwerdeführende Person Schutz sucht (Art. 105 AsylG i.V.m. Art. 31 - 33 des Verwaltungsgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005 [VGG, SR 173.32]; Art. 83 Bst. d Ziff. 1 des Bundesgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005 [BGG, SR 173.110]),

dass eine solche Ausnahme im Sinne von Art. 83 Bst. d Ziff. 1 BGG nicht vorliegt, weshalb das Bundesverwaltungsgericht endgültig entscheidet,

dass der Beschwerdeführer am Verfahren vor der Vorinstanz teilgenommen hat, durch die angefochtene Verfügung besonders berührt ist, ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung beziehungsweise Änderung hat und daher zur Einreichung der Beschwerde legitimiert ist (Art. 105 AsylG und Art. 48 Abs. 1 VwVG),

dass somit auf die frist- und formgerecht eingereichte Beschwerde einzutreten ist (Art. 108 Abs. 2 AsylG und Art. 52 VwVG),

dass der Beschwerdeführer den mit Zwischenverfügung vom 4. April 2013 eingeforderten Arztbericht der Psychiatrischen (...) am 16. April 2013 und somit einen Tag nach Ablauf der angesetzten Frist eingereicht hat, was erstaunt, da der Bericht bereits am (...) April 2013 angefertigt wurde,

dass dem Bericht aber gemäss nachfolgenden Erwägungen eine für den Verfahrensausgang ausschlaggebende Kraft nicht abzusprechen ist, weshalb er trotz Verspätung zu berücksichtigen ist (vgl. Art. 32 Abs. 2 VwVG),

dass - vorab aus Gründen der Prozessökonomie und in Anbetracht des sich aufdrängenden Ausgangs des Beschwerdeverfahrens - vorliegend auf eine Kenntnisgabe der Vernehmlassung an den Beschwerdeführer und die Einholung einer Replik verzichtet wurde (vgl. Art. 111a Abs. 1 AsylG), dem Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör aber nachgekommen wird, indem die Vernehmlassung als Beilage zum vorliegenden Urteil zugestellt wird,

dass auf Asylgesuche in der Regel nicht eingetreten wird, wenn Asylsuchende in einen Drittstaat ausreisen können, der für die Durchführung des Asyl- und Wegweisungsverfahrens staatsvertraglich zuständig ist (Art. 34 Abs. 2 Bst. d AsylG),

dass diesbezüglich das DAA zur Anwendung gelangt und das BFM die Zuständigkeitsfrage gestützt auf die Dublin-II-Verordnung prüfte,

dass gemäss Art. 3 Abs. 1 Satz 2 Dublin-II-Verordnung jeder Asylantrag von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft wird, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird,

dass derjenige Mitgliedstaat zuständig ist, welcher einem Familienangehörigen das Recht auf Aufenthalt in seiner Eigenschaft als Flüchtling gewährt hat, welcher dem Asylbewerber einen gültigen Aufenthaltstitel oder ein gültiges Visum ausgestellt hat, dessen Land-, See- oder Luftgrenze der Asylbewerber aus einem Drittstaat kommend legal oder illegal überschritten hat, oder in welchem der erste Asylantrag gestellt wurde (Art. 5 i.V.m. Art. 6 bis 13 Dublin-II-Verordnung),

dass sodann jedem Mitgliedstaat, in Abweichung von den vorgenannten Zuständigkeitskriterien, die Möglichkeit zur Prüfung eines Asylgesuches eingeräumt wird (vgl. zur Souveränitätsklausel Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-Verordnung und zur humanitären Klausel Art. 15 Dublin-II-Verordnung; vgl. auch Art. 29a Abs. 3 der Asylverordnung 1 vom 11. August 1999 über Verfahrensfragen [AsylV 1, SR 142.311]),

dass das BFM die italienischen Behörden um Übernahme des Beschwerdeführers gestützt auf Art. 10 Abs. 1 Dublin-II-Verordnung (Zuständigkeit des erstbetretenen Mitgliedstaates) ersuchte, Italien dem Gesuch ausdrücklich zustimmte und der Beschwerdeführer die grundsätzliche Zuständigkeit Italiens nicht bestreitet,

dass vorliegend jedoch strittig ist, ob der Beschwerdeführer einen Selbsteintritt durch die Schweiz im Sinne der Souveränitätsklausel geltend machen kann und die Rückführung nach Italien allenfalls die EMRK oder andere völkerrechtliche Verpflichtungen der Schweiz verletzt,

dass es angesichts der Vermutung, der für die Durchführung des Asyl- und Wegweisungsverfahrens zuständige Staat respektiere seine aus dem internationalen Recht fliessenden Verpflichtungen, dem Beschwerdeführer obliegt darzutun, gestützt auf welche ernsthaften Hinweise die Annahme naheliegt, dass die italienischen Behörden in seinem Fall die staatsvertraglichen Verpflichtungen nicht respektieren und ihm den notwendigen Schutz nicht gewähren werden (vgl. Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte [EGMR], M.S.S. gegen Belgien und Griechenland [Appl. No. 30696/09], Urteil vom 21. Januar 2011, § 84-85 und 250; Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Union [EuGH] vom 21. Dezember 2011 in der Rechtssache C-411/10 und C-493/10),

dass der Beschwerdeführer im vorliegenden Fall keine konkreten Vorbringen macht, wonach Italien, bei welchem es sich um einen Signatarstaat insbesondere der EMRK, des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (FK, SR 0.142.30) und des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 31. Januar 1967 (SR 0.142.301) handelt, seine staatsvertraglichen Verpflichtungen missachten und ihn in seinen Heimatstaat zurückschaffen würde, dies unter Missachtung des Non-Refoulement Gebotes oder von Art. 3 EMRK,

dass der bloss vage Hinweis auf das kritisch zu beurteilende Asylsystem Italiens mit der angeblich ungenügenden sozialen und medizinischen Versorgung klarerweise nicht gegen eine Überstellung spricht und - wie vom BFM offensichtlich zutreffend erkannt - schlichten Präferenzwünschen im Hinblick auf die Durchführung eines Asylverfahrens selbstredend nicht nachzukommen ist,

dass für das Bundesverwaltungsgericht in der vorinstanzlichen Verfügung bezogen auf den Erlasszeitpunkt keine augenfälligen Beanstandungspunkte zu erkennen sind,

dass indessen rechtserhebliche Sachverhaltsveränderungen, die sich erst nach Ergehen des angefochtenen Entscheides zugetragen haben, im Beschwerdeverfahren zu berücksichtigen sind, was somit auf die behauptete und in direkten Zusammenhang mit dem Erlass des angefochtenen Entscheides gebrachte akute Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Beschwerdeführers zutrifft, welcher im Hinblick auf die Selbsteintrittsfrage, die Frage einer allfälligen Verletzung der EMRK (vorab deren Art. 3) oder anderer Vollzugs- und damit gleichzeitig Nichteintretenshindernisse durchaus Relevanz beizumessen ist,

dass es bis auf Weiteres gar nicht zu einer Überstellungshandlung kommen kann, da der Beschwerdeführer laut Arztbericht vom (...) April 2013 nicht einmal jenen Gesundheitszustand aufweise, der ihn in absehbarer Zeit zur Entlassung aus der psychiatrischen Klinik - und sei dies nur zwecks Überführung in das zuständige Kantonsspital - befähigen würde,

dass damit zwar die grundsätzliche dereinstige Realisierbarkeit einer Rückübergabe des Beschwerdeführers nach Italien innert der gesetzten Überstellungsfrist nicht von vornherein ausgeschlossen ist,

dass diese Realisierbarkeit aber in einem beschleunigten Verfahren, als welches ein Dublin-Verfahren zweifellos zu bezeichnen ist, zumindest in nützlicher, kurzer Frist absehbar sein müsste,

dass gemäss dem vorliegenden Arztbericht bei (...) eine Verlegung in das zuständige Kantonsspital "(...) nicht möglich" sei, der Patient sehr geschwächt sei und er (...) benötige,

dass die bereits nach wenigen Behandlungstagen durch den berichtenden Assistenzarzt ausgesprochene Entlassungsunfähigkeit auf unabsehbare Zeit zwar nicht in letzter Schlüssigkeit nachvollziehbar ist, aufgrund der vorliegenden Akten aber eine auf absehbare Zeit bestehende Entlassungsfähigkeit und Reisefähigkeit offensichtlich nicht besteht und damit die in Ziffer 3 des Dispositivs der angefochtenen Verfügung gesetzte Ausreisefrist als nicht realistisch erscheint,

dass somit die Prüfung der Zulässigkeit und Zumutbarkeit des Wegweisungsvollzuges nicht abschliessend möglich ist,

dass die Fragen der Zulässigkeit, Zumutbarkeit und Möglichkeit des Wegweisungsvollzugs in Verfahren nach Art. 34 Abs. 2 Bst. d AsylG Voraussetzung (und nicht erst Regelfolge) eines Nichteintretensentscheides sind (vgl. BVGE 2010/45 E. 10.2),

dass daher vorliegend angesichts der mittels Zeugnis bestätigten Besonderheit des vorliegenden Falles in Ausübung des bestehenden Ermessensspielraums ausnahmsweise von einer Selbsteintrittskonstellation aus humanitären Gründen (Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-Verordnung i.V.m. Art 29a Abs. 3 AsylV1) auszugehen ist und das BFM somit das Asylverfahren in der Schweiz durchzuführen hat,

dass im Rahmen eines ordentlichen Asylverfahrens in der Schweiz der dannzumalige Gesundheitszustand des Beschwerdeführers im Hinblick auf den Vollzug der Wegweisung zu prüfen ist beziehungsweise wäre, sofern sich die Wegweisungs- und Vollzugsfrage im Entscheidzeitpunkt überhaupt noch stellen sollte,

dass das plötzliche Auftreten der im Arztbericht beschriebenen akuten Symptomatik und insbesondere der erheblichen Suizidalität im unmittelbaren Nachgang zur erlassenen Verfügung zwar, wie vom BFM in seiner Vernehmlassung zutreffend erkannt, berechtigte Fragen aufwirft, nicht zuletzt weil der Beschwerdeführer bis zu diesem Zeitpunkt keine psychischen Probleme hat erkennen lassen,

dass sich aber das Bundesverwaltungsgericht nicht veranlasst sieht, den Aussagegehalt des Arztberichtes vom (...) April 2013 und die dort festgestellte erhebliche, sich in absehbarer Zeit nicht verbessernde gesundheitliche Gefährdungssituation des Beschwerdeführers in Zweifel zu ziehen,

dass die angefochtene Verfügung deshalb in Gutheissung der Beschwerde aufzuheben und die Vorinstanz anzuweisen ist, vom Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-Verordnung Gebrauch zu machen, wobei dem BFM die vorliegenden Beschwerdeakten im Bedarfsfall weiterhin zur Verfügung stehen,

dass bei diesem Ausgang des Verfahrens keine Kosten aufzuerlegen sind (Art. 63 Abs. 1 - 3 VwVG),

dass obsiegende Parteien grundsätzlich Anspruch auf eine Parteientschädigung für die ihnen erwachsenen notwendigen und verhältnismässig hohen Kosten haben (Art. 64 Abs. 1 VwVG i.V.m. Art. 7 des Reglements vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht [VGKE, SR 173.320.2]),

dass dem obsiegenden und vertretenen, aber weder eine Kostennote vorlegenden noch eine Parteientschädigung beantragenden Beschwerdeführer eine Parteientschädigung im Umfang des geschätzten Aufwandes von insgesamt Fr. 500.- (inkl. Auslagen) zuzusprechen ist (Art. 9 - 14 VGKE), welche von der Vorinstanz zu entrichten ist.

(Dispositiv nächste Seite)

Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:

1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen.

2.

Die Verfügung vom 4. März 2013 wird aufgehoben und die Sache zur Neubeurteilung im Sinne der Erwägungen an das BFM zurückgewiesen.

3.
Es werden keine Verfahrenskosten auferlegt.

4.
Das BFM wird angewiesen, dem Beschwerdeführer eine Parteientschädigung von Fr. 500.- zu entrichten.

5.
Dieses Urteil geht an den Beschwerdeführer, das BFM und die zuständige kantonale Behörde.

Die vorsitzende Richterin: Der Gerichtsschreiber:

Regula Schenker Senn Urs David

Versand:
Informazioni decisione   •   DEFRITEN
Documento : E-1642/2013
Data : 30. maggio 2013
Pubblicato : 06. giugno 2013
Sorgente : Tribunale amministrativo federale
Stato : Inedito
Ramo giuridico : Allontanamento Dublino (Art. 107a LAsi)
Oggetto : Nichteintreten auf Asylgesuch und Wegweisung (Dublin); Verfügung des BFM vom 4. März 2013


Registro di legislazione
CEDU: 3
LAsi: 5  34  105  107a  108  111a
LTAF: 31  33
LTF: 83
OAsi 1: 29a
PA: 5  32  48  52  63  64  65
TS-TAF: 7  9  14
Parole chiave
Elenca secondo la frequenza o in ordine alfabetico
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BVGE
2010/45
BVGer
E-1642/2013
CJCE
C-411/10