Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
5C.186/2002 /dxc

Urteil vom 29. Oktober 2002
II. Zivilabteilung

Bundesrichter Bianchi, Präsident,
Bundesrichter Raselli, Bundesrichterin Hohl,
Gerichtsschreiber Möckli.

X.________,
Kläger und Berufungskläger, vertreten durch Rechtsanwalt
Dr. iur. René Bussien, Neustadtgasse 1a, Postfach 579,
8402 Winterthur,

gegen

Y.________,
Beklagter und Berufungsbeklagter.

Nichtigkeit einer Adoption

(Berufung gegen das Urteil des Appellationshofs des
Kantons Bern, I. Zivilkammer, vom 9. Juli 2002)

Sachverhalt:
A.
X.________ wurde am 29. November 1969 als ausserehelicher Sohn der Z.________ geboren. Mit Beschluss vom 10. August 1978 erklärte die Justizdirektion des Kantons Bern X.________ zum Adoptivsohn von Y.________, den Z.________ am 4. Juli 1973 geheiratet hatte.

Gemäss den kantonalen Sachverhaltsfeststellungen sah das federführende Jugendamt anlässlich der Adoption von der Einholung der Zustimmung des leiblichen Vaters ab, weil es X.________ auf Grund des Personenstandregisters, in dessen Rubrik "Familienname und Vorname des Vaters" kein Eintrag figurierte, als rechtlich vaterlos betrachtete. Zwar hatte die Kindsmutter bereits 1970 Namen und Adresse des leiblichen Vaters an den Vormund weitergeleitet und ihrem Brief eine monegassische Urkunde beigelegt, nach welcher die Vaterschaft anerkannt worden war. Diese Dokumente lagen dem Jugendamt nicht vor; allerdings befand sich ein Blatt mit der Angabe des Namens und einer Adresse des leiblichen Vaters bei den Akten.
B.
Mit Klage vom 8. Februar 2002 verlangte X.________ die Nichtigerklärung der Adoption. Er machte im Wesentlichen geltend, die Adoption sei ohne Einholung der Zustimmung seines leiblichen Vaters erklärt worden, obwohl sich dessen Name und Adresse bei den Adoptionsakten befunden hätten. Mit Urteil vom 9. Juli 2002 wies der Appellationshof des Kantons Bern, I. Zivilkammer, die Klage ab.
C.
Dagegen hat der Kläger am 30. August 2002 Berufung erhoben mit den Begehren um Aufhebung des angefochtenen Urteils und um Gutheissung der Klage, eventualiter um Rückweisung der Sache an die Vorinstanz. Es ist keine Berufungsantwort eingeholt worden.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Die Adoption bedarf der Zustimmung des Vaters und der Mutter des Kindes (Art. 265a Abs. 1
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 265a - 1 Die Adoption bedarf der Zustimmung des Vaters und der Mutter des Kindes.
1    Die Adoption bedarf der Zustimmung des Vaters und der Mutter des Kindes.
2    Die Zustimmung ist bei der Kindesschutzbehörde am Wohnsitz oder Aufenthaltsort der Eltern oder des Kindes mündlich oder schriftlich zu erklären und im Protokoll vorzumerken.
3    Sie ist gültig, selbst wenn die adoptionswilligen Personen nicht genannt oder noch nicht bestimmt sind.293
ZGB). Von der Zustimmung eines Elternteils kann abgesehen werden, wenn er unbekannt, mit unbekanntem Aufenthalt länger abwesend oder dauernd urteilsunfähig ist (Art. 265c Ziff. 1
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 265c - Von der Zustimmung eines Elternteils kann abgesehen werden, wenn er unbekannt, mit unbekanntem Aufenthalt länger abwesend oder dauernd urteilsunfähig ist.
ZGB) oder wenn er sich um das Kind nicht ernstlich gekümmert hat (Art. 265c Ziff. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 265c - Von der Zustimmung eines Elternteils kann abgesehen werden, wenn er unbekannt, mit unbekanntem Aufenthalt länger abwesend oder dauernd urteilsunfähig ist.
ZGB).

Gemäss Art. 44 lit. c
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 265c - Von der Zustimmung eines Elternteils kann abgesehen werden, wenn er unbekannt, mit unbekanntem Aufenthalt länger abwesend oder dauernd urteilsunfähig ist.
OG ist einzig die Verweigerung der Adoption (Art. 268 Abs. 1
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 268 - 1 Die Adoption wird von der zuständigen kantonalen Behörde am Wohnsitz der Adoptiveltern ausgesprochen.
1    Die Adoption wird von der zuständigen kantonalen Behörde am Wohnsitz der Adoptiveltern ausgesprochen.
2    Die Adoptionsvoraussetzungen müssen bereits bei der Einreichung des Gesuchs erfüllt sein.304
3    Ist das Gesuch eingereicht, so hindert Tod oder Eintritt der Urteilsunfähigkeit der adoptierenden Person die Adoption nicht, sofern die anderen Voraussetzungen weiterhin erfüllt sind.305
4    Wird das Kind nach Einreichung des Gesuchs volljährig, so bleiben die Bestimmungen über die Adoption Minderjähriger anwendbar, wenn deren Voraussetzungen vorher erfüllt waren.306
5    Der Adoptionsentscheid enthält alle für die Eintragung in das Personenstandsregister erforderlichen Angaben betreffend den Vornamen, den Namen und das Bürgerrecht der adoptierten Person.307
ZGB) sowie das Absehen von der Zustimmung eines Elternteils im Fall von Art. 265c Ziff. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 265c - Von der Zustimmung eines Elternteils kann abgesehen werden, wenn er unbekannt, mit unbekanntem Aufenthalt länger abwesend oder dauernd urteilsunfähig ist.
ZGB berufungsfähig. Demgegenüber ist die Berufung ausgeschlossen, wenn die Adoption ausgesprochen worden oder - wie vorliegend - im Fall von Art. 265c Ziff. 1
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 265c - Von der Zustimmung eines Elternteils kann abgesehen werden, wenn er unbekannt, mit unbekanntem Aufenthalt länger abwesend oder dauernd urteilsunfähig ist.
ZGB von der Zustimmung eines Elternteils abgesehen worden ist (BGE 108 II 523 E. 1 S. 524; 113 Ia 271 E. 1 S. 273).
2.
Die Eingabe vom 30. August 2002 kann ebenso wenig als Nichtigkeitsbeschwerde gemäss Art. 68 ff
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 265c - Von der Zustimmung eines Elternteils kann abgesehen werden, wenn er unbekannt, mit unbekanntem Aufenthalt länger abwesend oder dauernd urteilsunfähig ist.
. OG entgegengenommen werden, da der Kläger keine entsprechenden Rechtsverletzungen (Art. 68 Abs. 1 lit. a
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 265c - Von der Zustimmung eines Elternteils kann abgesehen werden, wenn er unbekannt, mit unbekanntem Aufenthalt länger abwesend oder dauernd urteilsunfähig ist.
-e OG) geltend macht. Es bleibt die Prüfung unter dem Aspekt der staatsrechtlichen Beschwerde.
3.
Abgesehen von der Frage der genügend substanziierten Rüge der Verfassungsverletzung (Art. 84 Abs. 1 lit. a
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 265c - Von der Zustimmung eines Elternteils kann abgesehen werden, wenn er unbekannt, mit unbekanntem Aufenthalt länger abwesend oder dauernd urteilsunfähig ist.
i.V.m. Art. 90 Abs. 1 lit. b
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 265c - Von der Zustimmung eines Elternteils kann abgesehen werden, wenn er unbekannt, mit unbekanntem Aufenthalt länger abwesend oder dauernd urteilsunfähig ist.
OG) stellt sich bei der staatsrechtlichen Beschwerde diejenige der Legitimation: Diese setzt nämlich kumulativ voraus, dass der Beschwerdeführer persönlich einen Nachteil erlitten hat, der erlittene Nachteil Rechte oder rechtlich geschützte Interessen des Beschwerdeführers beeinträchtigt und dieser an der Beschwerde ein aktuelles und praktisches Interesse hat (Kälin, Das Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde, 1994, S. 228).

Das rechtlich geschützte Interesse, auf das sich der Beschwerdeführer berufen muss, kann entweder durch kantonales oder eidgenössisches Gesetzesrecht oder aber unmittelbar durch ein angerufenes spezielles Grundrecht geschützt sein, sofern es auf dem Gebiet liegt, das die betreffende Verfassungsbestimmung beschlägt. Das in Art. 9
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 9 Schutz vor Willkür und Wahrung von Treu und Glauben - Jede Person hat Anspruch darauf, von den staatlichen Organen ohne Willkür und nach Treu und Glauben behandelt zu werden.
BV enthaltene allgemeine Willkürverbot verschafft, soweit Mängel in der Rechtsanwendung geltend gemacht werden, für sich allein noch keine geschützte Rechtsstellung im Sinne von Art. 88
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 9 Schutz vor Willkür und Wahrung von Treu und Glauben - Jede Person hat Anspruch darauf, von den staatlichen Organen ohne Willkür und nach Treu und Glauben behandelt zu werden.
OG; die Legitimation zur Willkürrüge ist nur gegeben, wenn das Gesetzesrecht, dessen willkürliche Anwendung gerügt wird, dem Beschwerdeführer einen Rechtsanspruch einräumt oder den Schutz seiner Interessen bezweckt (BGE 121 I 267 E. 2 S. 269; 126 I 81 E. 4-6 S. 87 ff.; 126 II 377 E. 4 S. 388).

Der Kläger äussert sich zur Frage des rechtlich geschützten Interesses nicht ausdrücklich. Zwar sieht er im angefochtenen Urteil seine Persönlichkeit und Art. 28
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 28 - 1 Wer in seiner Persönlichkeit widerrechtlich verletzt wird, kann zu seinem Schutz gegen jeden, der an der Verletzung mitwirkt, das Gericht anrufen.
1    Wer in seiner Persönlichkeit widerrechtlich verletzt wird, kann zu seinem Schutz gegen jeden, der an der Verletzung mitwirkt, das Gericht anrufen.
2    Eine Verletzung ist widerrechtlich, wenn sie nicht durch Einwilligung des Verletzten, durch ein überwiegendes privates oder öffentliches Interesse oder durch Gesetz gerechtfertigt ist.
ZGB verletzt, begründet jedoch die (angebliche) Persönlichkeitsverletzung zu Recht nicht mit dem Umstand, dass von der Zustimmung des leiblichen Vaters zur Adoption abgesehen worden ist. Die Verletzung von Art. 265a Abs. 1
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 265a - 1 Die Adoption bedarf der Zustimmung des Vaters und der Mutter des Kindes.
1    Die Adoption bedarf der Zustimmung des Vaters und der Mutter des Kindes.
2    Die Zustimmung ist bei der Kindesschutzbehörde am Wohnsitz oder Aufenthaltsort der Eltern oder des Kindes mündlich oder schriftlich zu erklären und im Protokoll vorzumerken.
3    Sie ist gültig, selbst wenn die adoptionswilligen Personen nicht genannt oder noch nicht bestimmt sind.293
bzw. Art. 265c Ziff. 1
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 265c - Von der Zustimmung eines Elternteils kann abgesehen werden, wenn er unbekannt, mit unbekanntem Aufenthalt länger abwesend oder dauernd urteilsunfähig ist.
ZGB würde nicht das Persönlichkeitsrecht des adoptierten Kindes, sondern dasjenige des zustimmungsberechtigten Elternteils tangieren (vgl. Hegnauer, Berner Kommentar, N. 3 zu Art. 265c
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 265c - Von der Zustimmung eines Elternteils kann abgesehen werden, wenn er unbekannt, mit unbekanntem Aufenthalt länger abwesend oder dauernd urteilsunfähig ist.
ZGB; Breitschmid, Basler Kommentar, N. 1 zu Art. 265c
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 265c - Von der Zustimmung eines Elternteils kann abgesehen werden, wenn er unbekannt, mit unbekanntem Aufenthalt länger abwesend oder dauernd urteilsunfähig ist.
ZGB).

Soweit der Kläger die Verletzung seiner Persönlichkeit damit begründen will, dass die beiden Vaterschaften - eine natürliche und eine kraft Adoption - bei ihm zu Identitätsproblemen führten und dass sein Adoptivvater auf ihn sexuelle Übergriffe verübt habe, führt er neue Sachverhaltselemente ein, was im Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde grundsätzlich unzulässig ist (BGE 114 Ia 204 E. 1a S. 205; 118 Ia 20 E. 5a S. 26; 124 I 208 E. 4b S. 212). Ohnehin stünden allfällige sexuelle Übergriffe des Adoptivvaters und die fehlende Zustimmung des leiblichen Vaters zur Adoption in keinem adäquaten, sondern allenfalls in einem natürlichen Kausalzusammenhang, nämlich dann, wenn jener, darum angegangen, die Zustimmung verweigert hätte. Dass dem so sei, behauptet der Kläger nicht einmal.

Scheitert eine Konversion der als Berufung erhobenen Eingabe in eine staatsrechtliche Beschwerde schon an der Legitimation hierzu, ist darauf nicht einzutreten.
4.
Zufolge Nichteintretens auf die Eingabe vom 30. August 2002 wird der Kläger kostenpflichtig (Art. 156 Abs. 1
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 265c - Von der Zustimmung eines Elternteils kann abgesehen werden, wenn er unbekannt, mit unbekanntem Aufenthalt länger abwesend oder dauernd urteilsunfähig ist.
OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Auf die Eingabe des Klägers vom 30. August 2002 wird nicht eingetreten.
2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 1'000.-- wird dem Kläger auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Appellationshof des Kantons Bern, I. Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 29. Oktober 2002
Im Namen der II. Zivilabteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 5C.186/2002
Date : 29. Oktober 2002
Published : 18. November 2002
Source : Bundesgericht
Status : Unpubliziert
Subject area : Familienrecht
Subject : Tribunale federale Tribunal federal {T 0/2} 5C.186/2002 /dxc Urteil vom 29. Oktober


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BV: 9
OG: 44  68  84  88  90  156
ZGB: 28  265a  265c  268
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