Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 1/2}

1C 28/2015

Urteil vom 29. Mai 2015

I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident,
Bundesrichter Karlen, Kneubühler,
Gerichtsschreiber Störi.

Verfahrensbeteiligte
Peter Zwicky,
Beschwerdeführer,

gegen

Regierungsrat des Kantons Obwalden,
Rathaus, Postfach 1562, 6061 Sarnen.

Gegenstand
Kantonale Volksabstimmung vom 30. November 2014; Abstimmungserläuterungen,

Beschwerde gegen den Entscheid vom 9. Dezember 2014 des Regierungsrats des Kantons Obwalden.

Sachverhalt:

A.
Der Kantonsrat von Obwalden stimmte am 16. April 2014 dem Gesetz über die Neuregelung der Grundstückschätzungen zu. Mit der Medienmitteilung "Abstimmungsbroschüre zum Gesetz über die Neuregelung der Grundstückschätzungen" vom 22. Oktober 2014 informierte die Staatskanzlei die Bevölkerung über die auf den 30. November 2014 angesetzte Volksabstimmung.
Am 27. November 2014 erhob Peter Zwicky vorsorglich Abstimmungsbeschwerde mit dem Antrag, die Abstimmung vom 30. November 2014 für ungültig zu erklären oder sie zu wiederholen. Zur Begründung führte er im Wesentlichen an, die Abstimmungserläuterungen des Regierungsrats seien mangelhaft und unvollständig.
Am 30. November 2014 nahmen die Stimmberechtigten des Kantons Obwalden die Gesetzesvorlage im Verhältnis 65 % zu 35 % an.
Am 5. Dezember 2014 erhob Peter Zwicky Beschwerde gegen die Abstimmung vom 30. November 2014, worin er seine Anträge vom 27. November 2014 erneuerte und an der Begründung festhielt.
Am 9. Dezember 2014 trat der Regierungsrat des Kantons Obwalden auf die Beschwerde von Peter Zwicky nicht ein. Er erwog, sie sei verspätet erhoben worden und im Übrigen auch materiell unbegründet.

B.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt Peter Zwicky, es sei festzustellen, dass seine Beschwerden rechtzeitig eingereicht worden, die Erläuterungen des Regierungsrates mangelhaft und unvollständig gewesen und das Abstimmungsresultat vom 30. November 2014 ungültig seien.

C.
Der Regierungsrat beantragt in seiner Stellungnahme, die Beschwerde abzuweisen. Peter Zwicky hält an seiner Beschwerde fest.

Erwägungen:

1.
Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Entscheid über die Ungültigerklärung einer kantonalen Abstimmung. Dagegen steht die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten nach Art. 82 lit. c
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 82 Grundsatz - Das Bundesgericht beurteilt Beschwerden:
a  gegen Entscheide in Angelegenheiten des öffentlichen Rechts;
b  gegen kantonale Erlasse;
c  betreffend die politische Stimmberechtigung der Bürger und Bürgerinnen sowie betreffend Volkswahlen und -abstimmungen.
BGG offen. Als stimmberechtigter Einwohner des Kantons Obwalden ist der Beschwerdeführer befugt, sie zu erheben (Art. 89 Abs. 3
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 89 Beschwerderecht - 1 Zur Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist berechtigt, wer:
1    Zur Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist berechtigt, wer:
a  vor der Vorinstanz am Verfahren teilgenommen hat oder keine Möglichkeit zur Teilnahme erhalten hat;
b  durch den angefochtenen Entscheid oder Erlass besonders berührt ist; und
c  ein schutzwürdiges Interesse an dessen Aufhebung oder Änderung hat.
2    Zur Beschwerde sind ferner berechtigt:
a  die Bundeskanzlei, die Departemente des Bundes oder, soweit das Bundesrecht es vorsieht, die ihnen unterstellten Dienststellen, wenn der angefochtene Akt die Bundesgesetzgebung in ihrem Aufgabenbereich verletzen kann;
b  das zuständige Organ der Bundesversammlung auf dem Gebiet des Arbeitsverhältnisses des Bundespersonals;
c  Gemeinden und andere öffentlich-rechtliche Körperschaften, wenn sie die Verletzung von Garantien rügen, die ihnen die Kantons- oder Bundesverfassung gewährt;
d  Personen, Organisationen und Behörden, denen ein anderes Bundesgesetz dieses Recht einräumt.
3    In Stimmrechtssachen (Art. 82 Bst. c) steht das Beschwerderecht ausserdem jeder Person zu, die in der betreffenden Angelegenheit stimmberechtigt ist.
BGG). Die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen geben zu keinen Bemerkungen Anlass, weshalb auf die Beschwerde einzutreten ist.

2.
Wegen Unregelmässigkeiten bei der Vorbereitung oder Durchführung einer kantonalen Abstimmung kann ein Stimmberechtigter im Kanton Obwalden innert dreier Tage seit der Entdeckung des Beschwerdegrundes beim Regierungsrat Abstimmungsbeschwerde erheben (Art. 54 lit. b, Art. 54a und Art. 54b Abs. 1 des Obwaldner Gesetzes über die Ausübung der politischen Rechte vom 17. Februar 1974; Abstimmungsgesetz, AG). Fraglich ist einzig, ob der Regierungsrat Bundesrecht verletzte, indem er auf die Beschwerde wegen Verspätung nicht eintrat.

2.1. Der Beschwerdeführer hat die Abstimmungserläuterungen nach seiner eigenen, unbestrittenen Darstellung am 5. November 2014 erhalten. Mit Schreiben vom 8. November 2014 teilte er dem Regierungsrat mit, anhand der Erläuterungen könne er nicht berechnen, wie hoch die neue Steuerbelastung für die von ihm selbst bewohnte Liegenschaft ausfalle, und ersuchte ihn, ihm bei dieser Frage weiterzuhelfen. Auf diese Anfrage hin stellte der Präsident der vorberatenden Kommission des Kantonsrats dem Beschwerdeführer am 11. November 2014 per E-Mail eine ausführliche Antwort der Steuerverwaltung zu. Nach der Verdankung dieser Antwort durch den Beschwerdeführer wurde die Anfrage als erledigt abgeschrieben. Am 27. November 2014 erhob der Beschwerdeführer vorsorglich Beschwerde beim Regierungsrat mit dem Antrag, die Abstimmung für ungültig zu erklären und gegebenenfalls zu wiederholen. Am 5. Dezember 2014 reichte er dann beim Regierungsrat Beschwerde ein mit dem gleichen Antrag; zur Begründung führte er wiederum aus, die Abstimmungserläuterungen seien mangelhaft und unvollständig gewesen.

2.2. Für den Regierungsrat war die Beschwerde vom 27. November 2014 an sich unbeachtlich, weil sie, was unzulässig sei, bloss vorsorglich erhoben wurde. Zusammen mit der Eingabe vom 5. Dezember 2014 hat er sie dennoch als formgültige Beschwerde entgegengenommen und ist darauf nicht eingetreten, weil ihm beide Eingaben nach Ablauf der dreitägigen Anfechtungsfrist zugestellt worden seien.

2.3. Mängel bei der Vorbereitung von Abstimmungen sollen rasch behoben werden, um Wiederholungen von Urnengängen nach Möglichkeit zu vermeiden. Rechtsmittelfristen in Stimmrechts- und Abstimmungsangelegenheiten sind daher generell kurz, in eidgenössischen Wahl- und Abstimmungsangelegenheiten gelten zum Beispiel für Beschwerden ans Bundesgericht Rechtsmittelfristen von drei bzw. fünf Tagen (Art. 100 Abs. 3 lit. b
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 100 Beschwerde gegen Entscheide - 1 Die Beschwerde gegen einen Entscheid ist innert 30 Tagen nach der Eröffnung der vollständigen Ausfertigung beim Bundesgericht einzureichen.
1    Die Beschwerde gegen einen Entscheid ist innert 30 Tagen nach der Eröffnung der vollständigen Ausfertigung beim Bundesgericht einzureichen.
2    Die Beschwerdefrist beträgt zehn Tage:
a  bei Entscheiden der kantonalen Aufsichtsbehörden in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen;
b  bei Entscheiden auf den Gebieten der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen und der internationalen Amtshilfe in Steuersachen;
c  bei Entscheiden über die Rückgabe eines Kindes nach dem Europäischen Übereinkommen vom 20. Mai 198089 über die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen über das Sorgerecht für Kinder und die Wiederherstellung des Sorgerechts oder nach dem Übereinkommen vom 25. Oktober 198090 über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung;
d  bei Entscheiden des Bundespatentgerichts über die Erteilung einer Lizenz nach Artikel 40d des Patentgesetzes vom 25. Juni 195492.
3    Die Beschwerdefrist beträgt fünf Tage:
a  bei Entscheiden der kantonalen Aufsichtsbehörden in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen im Rahmen der Wechselbetreibung;
b  bei Entscheiden der Kantonsregierungen über Beschwerden gegen eidgenössische Abstimmungen.
4    Bei Entscheiden der Kantonsregierungen über Beschwerden gegen die Nationalratswahlen beträgt die Beschwerdefrist drei Tage.
5    Bei Beschwerden wegen interkantonaler Kompetenzkonflikte beginnt die Beschwerdefrist spätestens dann zu laufen, wenn in beiden Kantonen Entscheide getroffen worden sind, gegen welche beim Bundesgericht Beschwerde geführt werden kann.
6    ...93
7    Gegen das unrechtmässige Verweigern oder Verzögern eines Entscheids kann jederzeit Beschwerde geführt werden.
und Abs. 4 BGG). Die Dreitagesfrist von Art. 54a AG ist somit keineswegs aussergewöhnlich bzw. unangemessen kurz; ihre Dauer wird vom Beschwerdeführer daher zu Recht nicht generell in Frage gestellt. Er macht sinngemäss vielmehr geltend, er habe unmittelbar nach der Zustellung der Abstimmungserläuterungen noch keinen Anlass gehabt, diese anzufechten, sondern deren Mangelhaftigkeit erst nach einer weiteren Auseinandersetzung mit der Materie und nach der unbefriedigenden Beantwortung seiner Fragen durch den Kanton erkannt bzw. erkennen können.
Dem kann nicht gefolgt werden. Der Beschwerdeführer vertritt die Auffassung, die Abstimmungserläuterungen seien mangelhaft und unvollständig, weil aus ihnen nicht ersichtlich sei, welche Auswirkungen die Abstimmungsvorlage auf die Besteuerung der von ihm bewohnten Liegenschaft habe, ob und in welchem Umfang sie zu einer höheren oder allenfalls gar tieferen steuerlichen Belastung führen würde. Diesen Umstand hat der Beschwerdeführer indessen sofort festgestellt, wie sich aus seiner Anfrage an den Regierungsrat vom 8. November 2014 ergibt, mit welcher er in Erfahrung bringen wollte, wie sich die Vorlage auf die Besteuerung seiner Liegenschaft auswirke. Wer aber, wie der Beschwerdeführer, zur Auffassung gekommen ist, in den Abstimmungserläuterungen fehlten erhebliche, für die Meinungsbildung des Stimmbürgers entscheidende Informationen, hätte diesen Mangel innert der dreitägigen Frist von Art. 54a AG - d.h. konkret bis zum 8. November 2014 - mit einer Beschwerde gegen die Abstimmungserläuterungen an den Regierungsrat vorbringen müssen, und zwar nicht "vorsorglich", sondern bedingungslos. Die Beschwerdeeingaben vom 27. November und vom 5. Dezember 2014 waren damit verspätet. Der Regierungsrat ist darauf zu Recht nicht eingetreten, die
Beschwerde ist unbegründet.

3.
Die Beschwerde ist somit abzuweisen. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 66 Erhebung und Verteilung der Gerichtskosten - 1 Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben.
1    Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben.
2    Wird ein Fall durch Abstandserklärung oder Vergleich erledigt, so kann auf die Erhebung von Gerichtskosten ganz oder teilweise verzichtet werden.
3    Unnötige Kosten hat zu bezahlen, wer sie verursacht.
4    Dem Bund, den Kantonen und den Gemeinden sowie mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen dürfen in der Regel keine Gerichtskosten auferlegt werden, wenn sie in ihrem amtlichen Wirkungskreis, ohne dass es sich um ihr Vermögensinteresse handelt, das Bundesgericht in Anspruch nehmen oder wenn gegen ihre Entscheide in solchen Angelegenheiten Beschwerde geführt worden ist.
5    Mehrere Personen haben die ihnen gemeinsam auferlegten Gerichtskosten, wenn nichts anderes bestimmt ist, zu gleichen Teilen und unter solidarischer Haftung zu tragen.
BGG); im Gegensatz zu Beschwerden an den Regierungsrat des Kantons Obwalden sind Beschwerden in Stimmrechtssachen ans Bundesgericht nicht kostenfrei.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer und dem Regierungsrat des Kantons Obwalden schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 29. Mai 2015

Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Fonjallaz

Der Gerichtsschreiber: Störi
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 1C_28/2015
Date : 29. Mai 2015
Published : 16. Juni 2015
Source : Bundesgericht
Status : Unpubliziert
Subject area : Politische Rechte
Subject : Kantonale Volksabstimmung vom 30. November 2014; Abstimmungserläuterungen


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