Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}

6B 902/2013

Urteil vom 28. Oktober 2013

Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Mathys, Präsident,
Bundesrichter Schneider, Oberholzer,
Gerichtsschreiber C. Monn.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
Beschwerdeführer,

gegen

Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Solothurn, Franziskanerhof, Barfüssergasse 28, Postfach 157, 4502 Solothurn,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Verletzung von Verkehrsregeln, Wiederherstellung der Berufungsfrist,

Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Solothurn, Strafkammer, vom 12. Juli 2013.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.

Die Amtsstatthalterin von Thal-Gäu verurteilte den Beschwerdeführer am 5. März 2013 wegen grober Verletzung der Verkehrsregeln zu einer Geldstrafe von zehn Tagessätzen zu Fr. 60.--, bedingt aufgeschoben bei einer Probezeit von zwei Jahren, sowie einer Busse von Fr. 600.-- bzw. einer Ersatzfreiheitsstrafe von zehn Tagen.

Nachdem der Beschwerdeführer die Berufung rechtzeitig angemeldet hatte, wurde ihm das begründete Urteil am 18. April 2013 zugestellt. Die Frist für die Berufungserklärung lief bis zum 8. Mai 2013.

Am 8. Mai 2013, um 17.37 Uhr, faxte der Beschwerdeführer die Berufungserklärung dem Obergericht des Kantons Solothurn. Er vermerkte abschliessend, das Gericht werde die gedruckte Version am Montag, 13. Mai 2013, erhalten. Heute, am 8. Mai 2013, bekomme es nur eine Fax-Eingabe ohne Beilagen, weil er aufgrund starker Migräneanfälle ab 11.00 Uhr Schmerz- und sedierende Medikamente habe einnehmen müssen, die seine Handlungs- bzw. Urteilsfähigkeit soweit eingeschränkt hätten, dass er nicht zur Post habe gehen können. Im Hotel, in dem er nächtige, könne er wenigstens faxen.

Am 16. Mai 2013 teilte das Obergericht dem Beschwerdeführer mit, dass die Fax-Eingabe vom 8. Mai 2013 nicht gültig und die Postaufgabe am 9. Mai 2013 verspätet seien, weshalb in Aussicht genommen werde, nicht auf die Berufung einzutreten. Ausserdem wurde der Beschwerdeführer darauf aufmerksam gemacht, dass er ein Wiederherstellungsgesuch gemäss Art. 94
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 94 Wiederherstellung - 1 Hat eine Partei eine Frist versäumt und würde ihr daraus ein erheblicher und unersetzlicher Rechtsverlust erwachsen, so kann sie die Wiederherstellung der Frist verlangen; dabei hat sie glaubhaft zu machen, dass sie an der Säumnis kein Verschulden trifft.
1    Hat eine Partei eine Frist versäumt und würde ihr daraus ein erheblicher und unersetzlicher Rechtsverlust erwachsen, so kann sie die Wiederherstellung der Frist verlangen; dabei hat sie glaubhaft zu machen, dass sie an der Säumnis kein Verschulden trifft.
2    Das Gesuch ist innert 30 Tagen nach Wegfall des Säumnisgrundes schriftlich und begründet bei der Behörde zu stellen, bei welcher die versäumte Verfahrenshandlung hätte vorgenommen werden sollen. Innert der gleichen Frist muss die versäumte Verfahrenshandlung nachgeholt werden.
3    Das Gesuch hat nur aufschiebende Wirkung, wenn die zuständige Behörde sie erteilt.
4    Über das Gesuch entscheidet die Strafbehörde in einem schriftlichen Verfahren.
5    Die Absätze 1-4 gelten sinngemäss bei versäumten Terminen. Wird die Wiederherstellung bewilligt, so setzt die Verfahrensleitung einen neuen Termin fest. Die Bestimmungen über das Abwesenheitsverfahren bleiben vorbehalten.
StPO einreichen könne.

Am 7. Juni 2013 stellte der Beschwerdeführer ein solches Gesuch. Neben dem bereits im Fax vom 8. Mai 2013 Vorgebrachten machte er geltend, er sei an jenem Tag bei einem Bekannten gewesen, wo er ab 08.00 Uhr seine Berufungserklärung korrigiert habe. Aufgrund des plötzlichen und unerwarteten Migräneanfalls sei er von 10.00 bis 17.00 Uhr vollkommen handlungsunfähig gewesen. Als sein Bekannter um 17.00 Uhr zurückgekommen sei, habe dieser ihn zu einem Hotel gebracht, wo er wegen der starken Medikamente übernachtet habe.

Das Obergericht des Kantons Solothurn wies das Wiederherstellungsgesuch am 12. Juli 2013 ab. Auf die Berufung trat es nicht ein.

Der Beschwerdeführer wendet sich ans Bundesgericht und beantragt, der Beschluss vom 12. Juli 2013 sei aufzuheben.

2.

Vor Bundesgericht dürfen neue Tatsachen nur so weit vorgebracht werden, als erst der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 99 - 1 Neue Tatsachen und Beweismittel dürfen nur so weit vorgebracht werden, als erst der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt.
1    Neue Tatsachen und Beweismittel dürfen nur so weit vorgebracht werden, als erst der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt.
2    Neue Begehren sind unzulässig.
BGG).

Der Beschwerdeführer behauptet, er sei mit seinem Bekannten zunächst mit der Berufungserklärung zur Post gefahren, wo er um 17.15 Uhr schockiert erfahren habe, dass die Stelle bereits um 17.00 Uhr geschlossen worden sei (Beschwerde S. 2).

Vor der Vorinstanz hat der Beschwerdeführer nicht auf diese angebliche Fahrt zur Post hingewiesen (vgl. Beschluss S. 3 E. 4, KA act. 49-51). Das Vorbringen ist neu. Der Beschwerdeführer hätte indessen Anlass gehabt, bereits im Gesuch um Wiederherstellung der Frist auf den vergeblichen Zustellungsversuch bei der Post aufmerksam zu machen. Er hat dies unterlassen. Das Novum ist vor Bundesgericht unzulässig.

Anzumerken ist, dass das neue Vorbringen auch nicht glaubhaft ist. In der Fax-Eingabe vom 8. Mai 2013 hatte der Beschwerdeführer nämlich noch ganz klar festgestellt, seine Handlungs- und Urteilsfähigkeit sei derart eingeschränkt gewesen, dass er "nicht mehr zur Post gehen konnte" (KA act. 6).

3.

3.1.

In Anwendung von Art. 109 Abs. 3
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 109 Dreierbesetzung - 1 Die Abteilungen entscheiden in Dreierbesetzung über Nichteintreten auf Beschwerden, bei denen sich keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt oder kein besonders bedeutender Fall vorliegt, wenn die Beschwerde nur unter einer dieser Bedingungen zulässig ist (Art. 74 und 83-85). Artikel 58 Absatz 1 Buchstabe b findet keine Anwendung.
1    Die Abteilungen entscheiden in Dreierbesetzung über Nichteintreten auf Beschwerden, bei denen sich keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt oder kein besonders bedeutender Fall vorliegt, wenn die Beschwerde nur unter einer dieser Bedingungen zulässig ist (Art. 74 und 83-85). Artikel 58 Absatz 1 Buchstabe b findet keine Anwendung.
2    Sie entscheiden ebenfalls in Dreierbesetzung bei Einstimmigkeit über:
a  Abweisung offensichtlich unbegründeter Beschwerden;
b  Gutheissung offensichtlich begründeter Beschwerden, insbesondere wenn der angefochtene Akt von der Rechtsprechung des Bundesgerichts abweicht und kein Anlass besteht, diese zu überprüfen.
3    Der Entscheid wird summarisch begründet. Es kann ganz oder teilweise auf den angefochtenen Entscheid verwiesen werden.
BGG kann auf die Ausführungen der Vorinstanz verwiesen werden. Sie kommt zum Schluss, nachdem der Beschwerdeführer nach 17.00 Uhr in der Lage war, in Begleitung seines Bekannten von dessen Domizil zu einem Hotel zu fahren und die Berufungserklärung dort per Fax dem Gericht einzureichen, sei nicht nachvollziehbar, warum es nicht möglich gewesen sein sollte, die Berufungserklärung - sei es durch den Beschwerdeführer selber oder durch seinen Bekannten - einer Schweizerischen Poststelle zu übergeben (vgl. Beschluss S. 4 E. 4).

Der Beschwerdeführer rügt, diese Feststellung sei willkürlich, weil die in der Nähe des von ihm bewohnten Hotels gelegene Poststelle am fraglichen Tag bereits um 17.00 Uhr geschlossen worden sei (Beschwerde S. 2 Ziff. 2 und S. 3 Ziff. 3d). Das Vorbringen geht an der Sache vorbei, weil die Vorinstanz nicht nur diese, sondern alle Poststellen im Auge hat, die für den Beschwerdeführer oder seinen Bekannten erreichbar gewesen wären. Dass alle Poststellen bereits um 17.00 Uhr geschlossen und insbesondere nirgends ein Notschalter offen gewesen wären, behauptet der Beschwerdeführer nicht. Dazu kommt, dass der Brief auch versehen mit einer Bestätigung unabhängiger Zeugen (z.B. aus dem Hotel) hätte in den Briefkasten der nahe gelegenen oder einer anderen Poststelle geworfen werden können. Angesichts der konkreten Umstände ist die Schlussfolgerung der Vorinstanz nicht zu beanstanden.

3.2. In rechtlicher Hinsicht macht der Beschwerdeführer geltend, die aus dem Hotel per Fax übermittelte Berufungserklärung sei für die Fristwahrung ausreichend (Beschwerde S. 3/4 Ziff. 6). Dies trifft nicht zu. Schriftliche Eingaben sind zu unterzeichnen (Art. 110 Abs. 1
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 110 Form - 1 Eingaben können schriftlich eingereicht oder mündlich zu Protokoll gegeben werden. Schriftliche Eingaben sind zu datieren und zu unterzeichnen.
1    Eingaben können schriftlich eingereicht oder mündlich zu Protokoll gegeben werden. Schriftliche Eingaben sind zu datieren und zu unterzeichnen.
2    Bei elektronischer Einreichung muss die Eingabe mit einer qualifizierten elektronischen Signatur gemäss Bundesgesetz vom 18. März 201652 über die elektronische Signatur versehen werden. Der Bundesrat regelt:
a  das Format der Eingabe und ihrer Beilagen;
b  die Art und Weise der Übermittlung;
c  die Voraussetzungen, unter denen bei technischen Problemen die Nachreichung von Dokumenten auf Papier verlangt werden kann.53
3    Im Übrigen sind Verfahrenshandlungen an keine Formvorschriften gebunden, soweit dieses Gesetz nichts Abweichendes bestimmt.
4    Die Verfahrensleitung kann unleserliche, unverständliche, ungebührliche oder weitschweifige Eingaben zurückweisen; sie setzt eine Frist zur Überarbeitung und weist darauf hin, dass die Eingabe, falls sie nicht überarbeitet wird, unbeachtet bleibt.
StPO). Die Unterschrift muss eigenhändig auf dem Schriftdokument angebracht werden. Eine photokopierte oder faksimilierte Unterschrift genügt nach der Rechtsprechung den Formerfordernissen nicht (Urteil 1B 304/2013 vom 27. September 2013 E. 2.2).

3.3. Da sich die Haupterwägung der Vorinstanz als bundesrechtskonform erweist, kann offen bleiben, wie es sich mit der Eventualerwägung verhält, wonach der Beschwerdeführer mit einem schweren Migräneanfall rechnen musste und deshalb mit der Endfassung der Berufungserklärung nicht bis zum letzten Tag der Frist zuwarten durfte (Beschluss S. 4 und Beschwerde S. 4 Ziff. 4).

4.

Die Beschwerde ist im Verfahren nach Art. 109
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 109 Dreierbesetzung - 1 Die Abteilungen entscheiden in Dreierbesetzung über Nichteintreten auf Beschwerden, bei denen sich keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt oder kein besonders bedeutender Fall vorliegt, wenn die Beschwerde nur unter einer dieser Bedingungen zulässig ist (Art. 74 und 83-85). Artikel 58 Absatz 1 Buchstabe b findet keine Anwendung.
1    Die Abteilungen entscheiden in Dreierbesetzung über Nichteintreten auf Beschwerden, bei denen sich keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt oder kein besonders bedeutender Fall vorliegt, wenn die Beschwerde nur unter einer dieser Bedingungen zulässig ist (Art. 74 und 83-85). Artikel 58 Absatz 1 Buchstabe b findet keine Anwendung.
2    Sie entscheiden ebenfalls in Dreierbesetzung bei Einstimmigkeit über:
a  Abweisung offensichtlich unbegründeter Beschwerden;
b  Gutheissung offensichtlich begründeter Beschwerden, insbesondere wenn der angefochtene Akt von der Rechtsprechung des Bundesgerichts abweicht und kein Anlass besteht, diese zu überprüfen.
3    Der Entscheid wird summarisch begründet. Es kann ganz oder teilweise auf den angefochtenen Entscheid verwiesen werden.
BGG abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Bei diesem Ausgang sind die Gerichtskosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 66 Erhebung und Verteilung der Gerichtskosten - 1 Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben.
1    Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben.
2    Wird ein Fall durch Abstandserklärung oder Vergleich erledigt, so kann auf die Erhebung von Gerichtskosten ganz oder teilweise verzichtet werden.
3    Unnötige Kosten hat zu bezahlen, wer sie verursacht.
4    Dem Bund, den Kantonen und den Gemeinden sowie mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen dürfen in der Regel keine Gerichtskosten auferlegt werden, wenn sie in ihrem amtlichen Wirkungskreis, ohne dass es sich um ihr Vermögensinteresse handelt, das Bundesgericht in Anspruch nehmen oder wenn gegen ihre Entscheide in solchen Angelegenheiten Beschwerde geführt worden ist.
5    Mehrere Personen haben die ihnen gemeinsam auferlegten Gerichtskosten, wenn nichts anderes bestimmt ist, zu gleichen Teilen und unter solidarischer Haftung zu tragen.
BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Solothurn, Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 28. Oktober 2013

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Mathys

Der Gerichtsschreiber: Monn
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Document : 6B_902/2013
Date : 28. Oktober 2013
Published : 08. November 2013
Source : Bundesgericht
Status : Unpubliziert
Subject area : Straftaten
Subject : Verletzung von Verkehrsregeln, Wiederherstellung der Berufungsfrist


Legislation register
BGG: 66  99  109
StPO: 94  110
Weitere Urteile ab 2000
1B_304/2013 • 6B_902/2013
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