Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
1B 167/2007 /fun

Urteil vom 28. August 2007
I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Féraud, Präsident,
Bundesrichter Aemisegger, Aeschlimann,
Gerichtsschreiberin Scherrer.

Parteien
X.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Frank Zellweger,

gegen

Staatsanwaltschaft des Kantons Thurgau, Staubeggstrasse 8, 8510 Frauenfeld,
Präsident der Anklagekammer des Kantons Thurgau, Marktgasse 9, Postfach 339, 9220 Bischofszell.

Gegenstand
Anordnung von Sicherheitshaft,

Beschwerde in Strafsachen gegen die Verfügung
des Präsident der Anklagekammer des Kantons Thurgau vom 20. Juli 2007.

Sachverhalt:
A.
Am 9. Februar 1997 wurde in Buhwil/TG die Leiche von Z.________ aufgefunden. Die Ermittlungen ergaben, dass er erschossen worden war.

X.________ wurde verdächtigt, mit dem Tötungsdelikt in Verbindung zu stehen und wurde deshalb am 9. Februar 1997 verhaftet. Da sich der Verdacht zunächst nicht erhärtete, wurde er tags darauf wieder aus der Haft entlassen.

In der Folge wurde X.________ von einer Drittperson belastet, der Auftraggeber der Tötung gewesen zu sein, weshalb er am 26. Februar 1997 erneut verhaftet wurde. Diese zweite Untersuchungshaft dauerte bis zum 14. März 1997.

Da sich eine Beteiligung von X.________ am Tötungsdelikt nicht rechtsgenüglich nachweisen liess, stellte der Untersuchungsrichter des Kantons Thurgau das Strafverfahren gegen ihn am 27. Januar 1998 ein.
B.
Am 25. März 2004 wurde X.________ wiederum inhaftiert. Der Untersuchungsrichter führte in der Haftverfügung aus, X.________ stehe im dringenden Verdacht, sich der Mitwirkung bei vorsätzlicher Tötung, der Begünstigung sowie der Hehlerei schuldig gemacht zu haben. Das vom Angeschuldigten am 7. April 2004 gestellte Haftentlassungsgesuch wies der Präsident der Anklagekammer des Kantons Thurgau am 15. April 2004 ab, weil er die Untersuchungshaft als zulässig erachtete und den Haftgrund der Kollusionsgefahr bejahte.

Die von X.________ dagegen eingereichte staatsrechtliche Beschwerde hiess das Bundesgericht mit Urteil 1P.321/2004 vom 23. Juni 2004 gut, wohingegen das Haftentlassungsgesuch abgewiesen wurde. Die kantonalen Strafverfolgungsbehörden wurden aufgefordert, ihrer Informationspflicht unverzüglich nachzukommen und dem Beschwerdeführer mitzuteilen, was ihm konkret vorgeworfen werde.
C.
Hierauf führte der Untersuchungsrichter am 28. Juni 2004 mit dem Angeschuldigten eine Einvernahme durch und teilte ihm mit, dass er im dringenden Verdacht stehe, aktiv an der Tötung von Z.________ vom 8./9. Februar 1997 beteiligt gewesen zu sein. Er werde verdächtigt, entweder selber am Tatort anwesend gewesen zu sein und Z.________ getötet zu haben und/oder den Auftrag zur Tötung an den Mitangeschuldigten Y.________ erteilt und diesen für die Tötung bezahlt zu haben. Der Untersuchungsrichter stützte seinen Tatverdacht insbesondere auf acht Verdachtsmomente, welche dem Angeschuldigten dargelegt wurden.
D.
In seiner Vernehmlassung zur zweiten Haftüberprüfung führte der Untersuchungsrichter am 7. Juli 2004 u.a. aus, weitere Abklärungen und Ermittlungen sowie die zwischenzeitlich erfolgten Fortschritte der kriminaltechnischen Wissenschaft hätten zu neuen und äusserst brisanten Erkenntnissen bezüglich Tatablauf und Täterschaft geführt. Es sei davon auszugehen, dass Y.________ am Tötungsdelikt beteiligt gewesen sei.

Der Präsident der Anklagekammer kam in seinem Entscheid vom 14. Juli 2004 zum Schluss, dass die am 25. März 2004 angeordnete Untersuchungshaft zulässig und der Haftgrund der Kollusionsgefahr nach wie vor gegeben sei. Eine vom Angeschuldigten dagegen erhobene staatsrechtliche Beschwerde wies das Bundesgericht mit Urteil 1P.411/2004 vom 28. August 2004 ab.

Am 14. Dezember 2004 ersuchte der Angeschuldigte erneut erfolglos um Haftentlassung.

Im Januar/Februar 2005 wurde die Strafuntersuchung auf die Tatbestände der Anstiftung zu falscher Zeugenaussage, der Gefährdung des Lebens, der Hehlerei, der Nötigung, des Diebstahls, der Sachbeschädigung, des Hausfriedensbruchs, des Versicherungsbetrugs, der versuchten Brandstiftung sowie der Widerhandlungen gegen das Waffengesetz erweitert.

Die Haft wurde sodann verschiedentlich erstreckt.
E.
Auf ein weiteres Gesuch des Untersuchungsrichters hin verlängerte der Präsident der Anklagekammer am 11. August 2006 die Untersuchungshaft bis 31. August 2006 und stellte fest, der besondere Haftgrund der Kollusionsgefahr sei nach wie vor gegeben.
Die dagegen vom Beschwerdeführer erhobene staatsrechtliche Beschwerde wies das Bundesgericht mit Urteil 1P.557/2006 vom 10. Oktober 2006 ab. In der Folge wurde die Untersuchungshaft mit verschiedenen Entscheiden bis 30. Juni 2007 verlängert.
F.
Mit Eingabe vom 22. Juni 2007 beantragte die Staatsanwaltschaft, der Angeschuldigte sei mit sofortiger Wirkung in Sicherheitshaft zu versetzen. Die Strafuntersuchung sei mit Schlussbericht vom 19. Juni 2007 abgeschlossen worden. Es werde Überweisung der Akten an das Bezirksgericht Bischofszell zur Verurteilung des Angeschuldigten wegen vorsätzlicher Tötung (allenfalls Mord), mehrfacher versuchter Anstiftung zu Mord, mehrfacher Gefährdung des Lebens, mehrfachen Diebstahls, versuchten Versicherungsbetrugs, Hehlerei, Nötigung, Freiheitsberaubung, Erschleichung einer falschen Beurkundung, mehrfacher falscher Anschuldigung und Anstiftung zu falscher Zeugenaussage) beantragt. Der dringende Tatverdacht bestehe nach wie vor. Dazu sei von Flucht- sowie Fortsetzungsgefahr auszugehen.

Der Präsident der Anklagekammer des Kantons Thurgau als Haftrichter folgte dem Antrag der Staatsanwaltschaft, versetzte den Angeschuldigten mit Entscheid vom 20. Juli 2007 in Sicherheitshaft ab 1. Juli 2007 und hielt fest, der besondere Haftgrund der Fluchtgefahr bestehe nach wie vor.
G.
Mit Eingabe vom 3. August 2007 erhebt X.________ Beschwerde in Strafsachen gegen die Anordnung der Sicherheitshaft und verlangt seine umgehende Haftentlassung. Eventuell seien ihm im Gegenzug zur Haftentlassung die Ausweis-/Reisepapiere abzunehmen und sei ihm eine Aufenthaltsbeschränkung aufzuerlegen, allenfalls verbunden mit einer Meldepflicht. Als weiteren Eventualantrag stellt er das Gesuch um Freilassung gegen angemessene Sicherheit. Gleichzeitig ersucht er um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und Verbeiständung.

Die Staatsanwaltschaft des Kantons Thurgau schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Im gleichen Sinne beantragt Präsident der Anklagekammer des Kantons Thurgau, die Beschwerde sei abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden könne.

In seiner Replik hält der Beschwerdeführer sinngemäss an seinen Anträgen fest.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Die Eintretensvoraussetzungen geben zu keinen Bemerkungen Anlass.
2.
Untersuchungs- und, nach Abschluss der Untersuchung, Sicherheitshaft, kann im Kanton Thurgau verhängt werden, wenn der Angeschuldigte eines Vergehens oder Verbrechens dringend verdächtig ist und ein besonderer Haftgrund vorliegt (§ 105 Abs. 2 i.V.m. § 106 des Thurgauer Gesetzes über die Strafrechtspflege vom 30. November 1970 [StPO/TG]; BGE 125 I 60 E. 2a S. 61 f.).
2.1 Der Beschwerdeführer bestreitet nach wie vor das Vorliegen des dringenden Tatverdachts, belegt seine Rügen aber durch keine neuen Erkenntnisse. Das Bundesgericht hat sich bereits in den Entscheiden 1P.411/2004 vom 28. August 2004 und 1P.557/2006 vom 10. Oktober 2006 eingehend mit dieser Thematik auseinander gesetzt. Es kann vollumfänglich auf die dortigen Ausführungen verwiesen werden. Durch die stete Wiederholung werden die Vorbringen des Beschwerdeführers nicht stichhaltiger.
2.2 Weiter stellt der Beschwerdeführer den besonderen Haftgrund der Fluchtgefahr in Abrede. Er habe nicht mehr und nichts anderes erklärt, als dass er sich mit der Absicht trage, allenfalls ein Zweitdomizil in Südfrankreich zu kaufen. Von der Verlegung des Wohnsitzes nach Frankreich resp. davon, sich dadurch einer gerichtlichen Vorladung zu entziehen, sei zu keiner Zeit die Rede gewesen.
2.3 Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts braucht es für die Annahme von Fluchtgefahr eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass sich der Angeschuldigte, wenn er in Freiheit wäre, der Strafverfolgung und dem Vollzug der Strafe durch Flucht entziehen würde. Die Schwere der drohenden Strafe darf als ein Indiz für Fluchtgefahr gewertet werden. Sie genügt jedoch für sich allein nicht, um den Haftgrund zu bejahen. Vielmehr müssen die konkreten Umstände des betreffenden Falles, insbesondere die gesamten Lebensverhältnisse des Angeschuldigten, in Betracht gezogen werden (BGE 125 I 60 E. 3a S. 62; 117 Ia 69 E. 4a S. 70, je mit Hinweisen).
2.4 Der Haftrichter führt im angefochtenen Entscheid zunächst sinngemäss aus, der Beschwerdeführer werde eine empfindliche Freiheitsstrafe zu gewärtigen haben, selbst wenn zu seinen Gunsten lediglich von einer vorsätzlichen Tötung und nicht von Mord ausgegangen werde. Die lange Freiheitsstrafe sei ein gewichtiges Indiz für die Annahme von Fluchtgefahr, auch wenn der Beschwerdeführer bereits seit über drei Jahren inhaftiert sei. Aus den Akten ergebe sich, dass der Beschwerdeführer während den (entscheidungsrechtlichen) Konventionsverhandlungen die Absicht geäussert habe, sich nach der Entlassung aus der Untersuchungshaft nach Frankreich zu begeben. Dies habe er auch in einem Brief an einen Bekannten zum Ausdruck gebracht. An der Haftverhandlung vom 28. Februar 2007 habe er die Aussagen dahingehend abgeschwächt, dass er sich mit den Kindern nach Südfrankreich begeben werde, wo es einfach schön sei. Offenbar treffe der Beschwerdeführer Anstalten, den Wohnsitz nach der Haftentlassung ins Ausland zu verlegen. Es sei ihm indes zugute zu halten, dass er diese Absichten offen ausgesprochen habe. Unter dem Gesichtspunkt der Fluchtgefahr sei zu berücksichtigen, dass das Kreisgericht Rorschach mit Urteil vom 27. März 2007 die Scheidung
ausgesprochen habe. Über die Nebenfolgen sei eine Scheidungskonvention abgeschlossen worden, gemäss welcher das Haus in Rorschach der Ehefrau des Beschwerdeführers zu Eigentum übertragen werde. Dem Beschwerdeführer werde das übliche Besuchsrecht für die Kinder eingeräumt. Damit sei das soziale Netz des Beschwerdeführers zumindest angerissen. Zudem habe der Vater des Beschwerdeführers offenbar Anordnungen in erbrechtlicher Hinsicht getroffen, wonach der Beschwerdeführer auf den Pflichtteil gesetzt, wenn nicht gar enterbt werde. Unter Nennung verschiedener Beispiele gelangt der Haftrichter zum Schluss, es bestünden konkrete Anhaltspunkte für eine besondere Unberechenbarkeit und Impulsivität des Beschwerdeführers. Diese Unberechenbarkeit und Impulsivität würden auf eine Neigung zu unüberlegten Reaktionen wie Flucht hindeuten.
2.5 Dem Beschwerdeführer wird u.a. der vorsätzlichen Tötung beschuldigt. Art. 111
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 111 - Wer vorsätzlich einen Menschen tötet, ohne dass eine der besondern Voraussetzungen der nachfolgenden Artikel zutrifft, wird mit Freiheitsstrafe156 nicht unter fünf Jahren bestraft.
StGB sieht dafür eine Freiheitsstrafe von nicht unter fünf Jahren vor. Sollte der Sachrichter den Vorwurf des Mordes bestätigen, droht dem Beschwerdeführer gemäss Art. 112
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 112 - Handelt der Täter besonders skrupellos, sind namentlich sein Beweggrund, der Zweck der Tat oder die Art der Ausführung besonders verwerflich, so ist die Strafe lebenslängliche Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren.158
StGB eine lebenslängliche Freiheitsstrafe oder eine Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren. Hinzu kommt, dass ihm weitere schwerwiegende Delikte (Freiheitsberaubung, mehrfache versuchte Anstiftung zu Mord, mehrfache Gefährdung des Lebens, mehrfacher Diebstahl, versuchter Versicherungsbetrug, Nötigung etc.) zur Last gelegt werden, was eine Strafverschärfung gemäss Art. 49
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 49 - 1 Hat der Täter durch eine oder mehrere Handlungen die Voraussetzungen für mehrere gleichartige Strafen erfüllt, so verurteilt ihn das Gericht zu der Strafe der schwersten Straftat und erhöht sie angemessen. Es darf jedoch das Höchstmass der angedrohten Strafe nicht um mehr als die Hälfte erhöhen. Dabei ist es an das gesetzliche Höchstmass der Strafart gebunden.
1    Hat der Täter durch eine oder mehrere Handlungen die Voraussetzungen für mehrere gleichartige Strafen erfüllt, so verurteilt ihn das Gericht zu der Strafe der schwersten Straftat und erhöht sie angemessen. Es darf jedoch das Höchstmass der angedrohten Strafe nicht um mehr als die Hälfte erhöhen. Dabei ist es an das gesetzliche Höchstmass der Strafart gebunden.
2    Hat das Gericht eine Tat zu beurteilen, die der Täter begangen hat, bevor er wegen einer andern Tat verurteilt worden ist, so bestimmt es die Zusatzstrafe in der Weise, dass der Täter nicht schwerer bestraft wird, als wenn die strafbaren Handlungen gleichzeitig beurteilt worden wären.
3    Hat der Täter eine oder mehrere Taten vor Vollendung des 18. Altersjahres begangen, so dürfen diese bei der Bildung der Gesamtstrafe nach den Absätzen 1 und 2 nicht stärker ins Gewicht fallen, als wenn sie für sich allein beurteilt worden wären.
StGB zur Folge haben kann. Die Ausführungen des Beschwerdeführers zu strafmildernden Umständen und zur bedingten Entlassung sind im jetzigen Verfahrensstadium rein spekulativ. Es ist dem Haftrichter nicht vorzuwerfen, wenn er in Berücksichtigung der empfindlichen Freiheitsstrafe, welche zur Diskussion steht, von ernstzunehmenden Anhaltspunkten für Fluchtgefahr ausgegangen ist. Selbst wenn der Beschwerdeführer geltend macht, seine Äusserungen zu einer Reise nach Südfrankreich stünden in keinem Zusammenhang mit Fluchtgedanken, zeigen sie doch auf, dass es ihn offensichtlich ins Ausland zieht. Auch sind die
Erwägungen des Haftrichters zu den auseinander fallenden familiären Bindungen und zur Wohnsituation des Beschwerdeführers nachvollziehbar und überzeugend.
2.6 Angesichts der angeführten Umstände besteht die erhebliche Gefahr, dass der Beschwerdeführer bei einer Haftentlassung untertauchen und sich ins Ausland absetzen würde. Wenn der Haftrichter Fluchtgefahr bejaht hat, hat er deshalb weder Verfassungs- noch Konventionsrecht verletzt. Ausführungen zu einer allfälligen Fortsetzungsgefahr erübrigen sich, nachdem sowohl der dringende Tatverdacht als auch die Fluchtgefahr als gegeben erachtet werden durften. Die Anordnung der Sicherheitshaft erweist sich als rechtmässig.
2.7 Die vom Beschwerdeführer unter Anrufung des Verhältnismässigkeitsprinzips angeführten Ersatzmassnahmen wie der Einzug der Ausweispapiere oder eine Meldepflicht vermögen die Fluchtgefahr nicht zu bannen. Sie eignen sich nicht dazu, zu verhindern, dass sich der Beschwerdeführer der Strafverfolgung entzieht. Zu Recht weist der Haftrichter in diesem Zusammenhang darauf hin, dass der Beschwerdeführer stets von neuem Mittel und Wege gefunden hat, sich Vorteile zu verschaffen, den Verdacht des Tötungsdelikts auf andere zu lenken und gegen Drittpersonen Drohungen auszusprechen (vgl. E. 4.2 und 4.3 des Urteils 1P.557/2006 vom 10. Oktober 2006). Der Haftrichter schliesst daraus, der Beschwerdeführer würde entsprechend eine Möglichkeit finden, die Schweiz auch ohne Papiere zu verlassen. Diese Argumentation überzeugt.
3.
Weiter macht der Beschwerdeführer eine Verletzung des Beschleunigungsgebots geltend. Er befinde sich mittlerweile seit mehr als 40 Monaten in Haft. Die Untersuchungshaft sei ingesamt 11-mal verlängert worden. In einem Verfahren, dem eine Tat zugrunde liege, welche vom 8. Februar 1997 datiere, in welchem nur zwei Tatverdächtige zur Debatte stünden, alle erkennungsdienstlichen Massnahmen längst erfolgt seien und jede zur Auskunftserteilung geeignete Person bereits x-fach befragt worden sei, stelle eine derart lange Untersuchungsdauer eine massive Verletzung des Beschleunigungsgebots dar. Dies sei nun umso bedenklicher, als der Staatsanwalt im Rahmen seines Antrages auf Sicherungshaft vom 22. Juni 2007 in Aussicht gestellt habe, er werde sich für die Anklageerhebung ein weiteres halbes Jahr Zeit nehmen.
3.1 Gemäss Art. 31 Abs. 3
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 31 Freiheitsentzug - 1 Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden.
1    Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden.
2    Jede Person, der die Freiheit entzogen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich und in einer ihr verständlichen Sprache über die Gründe des Freiheitsentzugs und über ihre Rechte unterrichtet zu werden. Sie muss die Möglichkeit haben, ihre Rechte geltend zu machen. Sie hat insbesondere das Recht, ihre nächsten Angehörigen benachrichtigen zu lassen.
3    Jede Person, die in Untersuchungshaft genommen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich einer Richterin oder einem Richter vorgeführt zu werden; die Richterin oder der Richter entscheidet, ob die Person weiterhin in Haft gehalten oder freigelassen wird. Jede Person in Untersuchungshaft hat Anspruch auf ein Urteil innert angemessener Frist.
4    Jede Person, der die Freiheit nicht von einem Gericht entzogen wird, hat das Recht, jederzeit ein Gericht anzurufen. Dieses entscheidet so rasch wie möglich über die Rechtmässigkeit des Freiheitsentzugs.
BV und Art. 5 Ziff. 3
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 5 Recht auf Freiheit und Sicherheit - (1) Jede Person hat das Recht auf Freiheit und Sicherheit. Die Freiheit darf nur in den folgenden Fällen und nur auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen werden:
a  rechtmässiger Freiheitsentzug nach Verurteilung durch ein zuständiges Gericht;
b  rechtmässige Festnahme oder rechtmässiger Freiheitsentzug wegen Nichtbefolgung einer rechtmässigen gerichtlichen Anordnung oder zur Erzwingung der Erfüllung einer gesetzlichen Verpflichtung;
c  rechtmässige Festnahme oder rechtmässiger Freiheitsentzug zur Vorführung vor die zuständige Gerichtsbehörde, wenn hinreichender Verdacht besteht, dass die betreffende Person eine Straftat begangen hat, oder wenn begründeter Anlass zu der Annahme besteht, dass es notwendig ist, sie an der Begehung einer Straftat oder an der Flucht nach Begehung einer solchen zu hindern;
d  rechtmässiger Freiheitsentzug bei Minderjährigen zum Zweck überwachter Erziehung oder zur Vorführung vor die zuständige Behörde;
e  rechtmässiger Freiheitsentzug mit dem Ziel, eine Verbreitung ansteckender Krankheiten zu verhindern, sowie bei psychisch Kranken, Alkohol- oder Rauschgiftsüchtigen und Landstreichern;
f  rechtmässige Festnahme oder rechtmässiger Freiheitsentzug zur Verhinderung der unerlaubten Einreise sowie bei Personen, gegen die ein Ausweisungs- oder Auslieferungsverfahren im Gange ist.
EMRK hat eine in strafprozessualer Haft gehaltene Person Anspruch darauf, innerhalb einer angemessenen Frist richterlich abgeurteilt oder während des Strafverfahrens aus der Haft entlassen zu werden. Nach der Rechtsprechung ist die Rüge, das Strafverfahren werde nicht mit der verfassungs- und konventionsrechtlich gebotenen Beschleunigung geführt, im Haftprüfungsverfahren nur soweit zu beurteilen, als die Verfahrensverzögerung geeignet ist, die Rechtmässigkeit der Untersuchungshaft in Frage zu stellen und zu einer Haftentlassung zu führen. Dies ist nur der Fall, wenn sie besonders schwer wiegt und zudem die Strafverfolgungsbehörden, z.B. durch eine schleppende Ansetzung der Termine für die anstehenden Untersuchungshandlungen, erkennen lassen, dass sie nicht gewillt oder nicht in der Lage sind, das Verfahren nunmehr mit der für Haftfälle verfassungs- und konventionsrechtlich gebotenen Beschleunigung voranzutreiben und zum Abschluss zu bringen (BGE 128 I 149 E. 2.2.1 S. 151 f.). Der Richter darf die Haft nur so lange erstrecken, als sie nicht in grosse zeitliche Nähe der (im Falle einer rechtskräftigen Verurteilung) konkret zu erwartenden Dauer der freiheitsentziehenden Sanktion rückt.
Die Frage, ob eine Haftdauer als übermässig bezeichnet werden muss, ist aufgrund der konkreten Verhältnisse des einzelnen Falles zu beurteilen (BGE 132 I 21 E. 4.1 S. 27 f.).
3.2 Wie bereits in E. 2.5 hiervor gesehen, erwartet den Beschwerdeführer im Falle einer Verurteilung eine empfindliche Freiheitsstrafe, deren Dauer bis anhin nicht erreicht ist. Es bestehen auch keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass die kantonalen Behörden das Verfahren ungebührlich verschleppen würden. Dem Beschwerdeführer ist indes darin zuzustimmen, dass sich das Verfahren nicht durch eine ausserordentliche Komplexität auszeichnet, wie sie etwa in Fällen organisierter Kriminalität typisch ist. Dennoch befindet sich der Beschwerdeführer mittlerweile seit über drei Jahren in Haft. Bereits im letzten Entscheid vom 10. Oktober 2006 hat das Bundesgericht in E. 5.2.2 darauf hingewiesen, dass - obwohl die bisherige Untersuchungsdauer verfassungs- und konventionsrechtlich nicht zu beanstanden sei - sich mit den widersprüchlichen Aussagen des Beschwerdeführers keine beliebig lange Untersuchungsdauer rechtfertigen lasse. Die Strafuntersuchung wurde inzwischen am 19. Juni 2007 abgeschlossen. Der Staatsanwalt hat das Verfahren nun trotz des augenscheinlich umfangreichen Aktenstudiums beförderlich voranzutreiben. Die Anklageerhebung hat bis spätestens Ende November 2007 zu erfolgen, damit die Gerichtsverhandlung vor erster Instanz
anfangs 2008 stattfinden kann. Dies verlangt das Beschleunigungsgebot. Wird dem nicht nachgelebt, kann die Haft nicht weiter aufrechterhalten werden.
4.
Daraus ergibt sich, dass die Beschwerde abzuweisen ist. Der Beschwerdeführer hat um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und Verbeiständung ersucht. Diesem Antrag kann entsprochen werden (Art. 64 Abs. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 64 Unentgeltliche Rechtspflege - 1 Das Bundesgericht befreit eine Partei, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, auf Antrag von der Bezahlung der Gerichtskosten und von der Sicherstellung der Parteientschädigung, sofern ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint.
1    Das Bundesgericht befreit eine Partei, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, auf Antrag von der Bezahlung der Gerichtskosten und von der Sicherstellung der Parteientschädigung, sofern ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint.
2    Wenn es zur Wahrung ihrer Rechte notwendig ist, bestellt das Bundesgericht der Partei einen Anwalt oder eine Anwältin. Der Anwalt oder die Anwältin hat Anspruch auf eine angemessene Entschädigung aus der Gerichtskasse, soweit der Aufwand für die Vertretung nicht aus einer zugesprochenen Parteientschädigung gedeckt werden kann.
3    Über das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege entscheidet die Abteilung in der Besetzung mit drei Richtern oder Richterinnen. Vorbehalten bleiben Fälle, die im vereinfachten Verfahren nach Artikel 108 behandelt werden. Der Instruktionsrichter oder die Instruktionsrichterin kann die unentgeltliche Rechtspflege selbst gewähren, wenn keine Zweifel bestehen, dass die Voraussetzungen erfüllt sind.
4    Die Partei hat der Gerichtskasse Ersatz zu leisten, wenn sie später dazu in der Lage ist.
und 2
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 64 Unentgeltliche Rechtspflege - 1 Das Bundesgericht befreit eine Partei, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, auf Antrag von der Bezahlung der Gerichtskosten und von der Sicherstellung der Parteientschädigung, sofern ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint.
1    Das Bundesgericht befreit eine Partei, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, auf Antrag von der Bezahlung der Gerichtskosten und von der Sicherstellung der Parteientschädigung, sofern ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint.
2    Wenn es zur Wahrung ihrer Rechte notwendig ist, bestellt das Bundesgericht der Partei einen Anwalt oder eine Anwältin. Der Anwalt oder die Anwältin hat Anspruch auf eine angemessene Entschädigung aus der Gerichtskasse, soweit der Aufwand für die Vertretung nicht aus einer zugesprochenen Parteientschädigung gedeckt werden kann.
3    Über das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege entscheidet die Abteilung in der Besetzung mit drei Richtern oder Richterinnen. Vorbehalten bleiben Fälle, die im vereinfachten Verfahren nach Artikel 108 behandelt werden. Der Instruktionsrichter oder die Instruktionsrichterin kann die unentgeltliche Rechtspflege selbst gewähren, wenn keine Zweifel bestehen, dass die Voraussetzungen erfüllt sind.
4    Die Partei hat der Gerichtskasse Ersatz zu leisten, wenn sie später dazu in der Lage ist.
BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird gutgeheissen:
2.1 Es werden keine Kosten erhoben.
2.2 Rechtsanwalt Frank Zellweger wird zum unentgeltlichen Rechtsbeistand ernannt und für das bundesgerichtliche Verfahren aus der Bundesgerichtskasse mit Fr. 1'500.-- entschädigt.
3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft und dem Präsident der Anklagekammer des Kantons Thurgau schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 28. August 2007
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 1B_167/2007
Date : 28. August 2007
Published : 15. September 2007
Source : Bundesgericht
Status : Unpubliziert
Subject area : Strafprozess
Subject : Anordnung von Sicherheitshaft


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BGG: 64
BV: 31
EMRK: 5
StGB: 49  111  112
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117-IA-69 • 125-I-60 • 128-I-149 • 132-I-21
Weitere Urteile ab 2000
1B_167/2007 • 1P.321/2004 • 1P.411/2004 • 1P.557/2006
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