Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
2C 764/2010
Urteil vom 28. Januar 2011
II. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Zünd, Präsident,
Bundesrichter Karlen, Donzallaz,
Gerichtsschreiber Küng.
Verfahrensbeteiligte
X.________,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt Walter A. Stöckli,
gegen
Volkswirtschaftsdirektion des Kantons Uri, Klausenstrasse 4, 6460 Altdorf UR,
Regierungsrat des Kantons Uri,
Rathaus, 6460 Altdorf UR.
Gegenstand
Androhung Patententzug,
Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Uri, Verwaltungsrechtliche Abteilung, vom 27. August 2010.
Sachverhalt:
A.
X.________ führt an der A.________ in Altdorf den Pub "B.________". An Wochenenden hält er das Lokal bis um sechs Uhr morgens geöffnet. Nach verschiedenen Reklamationen und Anzeigen wegen Nachtruhestörung sprach die Volkswirtschaftsdirektion des Kantons Uri am 6. November 2009 gegen ihn eine Verwarnung mit Androhung des Patententzugs aus, verbunden mit Bedingungen und Auflagen. So werden mit Ziffer 1 der Verfügung die Betriebs- bzw. Öffnungszeiten des Pubs eingeschränkt; dem Betreiber wird untersagt, zwischen 03.00 Uhr und 06.00 Uhr das Lokal offen zu halten und dort Gäste zu bewirten. Eine Verwaltungsbeschwerde gegen diese Verfügung wies der Regierungsrat des Kantons Uri am 11. Mai 2010 ab. Die gegen den regierungsrätlichen Entscheid erhobene Beschwerde hiess das Obergericht des Kantons Uri, Verwaltungsrechtliche Abteilung, mit Entscheid vom 27. August 2010 teilweise gut; die Verfügung der Volkswirtschaftsdirektion wurde mit Ziff. 2 des Entscheiddispositivs insoweit abgeändert, "als die Auflage in Ziff. 1 der Verfügung vom 6. November 2009 auf vier Monate ab Rechtskraft des vorliegenden Entscheids befristet wird". Im Übrigen wurde die Sache an die Volkswirtschaftsdirektion Uri zurückgewiesen, damit diese nach erfolgter Abklärung
im Sinne der Erwägungen neu verfüge (Ziff. 3 des Entscheiddispositivs); namentlich müsse abgeklärt werden, ob es wirklich (ausschliesslich oder zumindest mehrheitlich) die Gäste des "B.________" seien, die den Lärm im fraglichen Quartier verursachten.
B.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt X.________ dem Bundesgericht, den erwähnten Entscheid des Obergerichts aufzuheben.
Die Volkswirtschaftsdirektion, die Justizdirektion (namens des Regierungsrates) und das Obergericht des Kantons Uri haben auf eine Stellungnahme verzichtet.
Das Bundesamt für Umwelt hat festgehalten, es könne keine Stellung nehmen, bevor die Ergebnisse der Abklärungen über die tatsächliche Lärmbelästigung am fraglichen Standort vorliegen.
C.
Mit Verfügung vom 29. Oktober 2010 hat der Präsident der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung der Beschwerde die aufschiebende Wirkung erteilt.
Erwägungen:
1.
Der gestützt auf öffentliches Recht (Bundesgesetz vom 7. Oktober 1983 über den Umweltschutz [USG; SR 814.01]; Lärmschutz-Verordnung vom 15. Dezember 1986 [LSV; SR 814.41]; Urner Gastwirtschaftsgesetz vom 29. November 1998 [GWG/UR]; Bau- und Zonenordnung der Gemeinde Altdorf vom 24. Oktober 1991) ergangene Entscheid der letzten kantonalen Instanz kann grundsätzlich mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten angefochten werden.
2.
2.1 Die Vorinstanz hat im angefochtenen Entscheid festgestellt, es sei unbestritten, dass der nächtliche Lärmpegel in der A.________ nicht unerheblich sei; die örtlichen Verhältnisse seien gerichtsnotorisch; ungenügend abgeklärt sei jedoch u.a. - und dies trotz Einsetzung der interdisziplinär zusammengesetzten Arbeitsgruppe "Lärm" -, ob die Lärmimmissionen tatsächlich nur bzw. mehrheitlich dem Pub des Beschwerdeführers zuzurechnen seien. Unklar sei, ob die Immissionen in der A.________ nicht (mehrheitlich) durch die lediglich diese Gasse durchquerenden Personen verursacht und somit nicht bzw. nicht einzig dem Betrieb des Beschwerdeführers zugerechnet werden könnten; es sei gerichtsnotorisch, dass die A.________ von den Nachtschwärmern schlechthin als Verbindung zwischen Rathaus- und Lehnplatz benützt werde; zudem sei darzulegen, wie sich die Lärmsituation vor Eröffnung des "B.________" präsentiert habe und ob bzw. in welcher Weise gegen andere (benachbarte) Betreiber von Gaststätten vorgegangen worden sei. Die Sache sei deshalb zur Vornahme weiterer Abklärungen an die Volkswirtschaftsdirektion zurückzuweisen. Über den Antrag des Beschwerdeführers, den bei ihr angefochtenen Beschluss des Regierungsrates aufzuheben, hat die
Vorinstanz nicht entschieden.
2.2 Der angefochtene Entscheid ist ein Rückweisungsentscheid, der allerdings für den Beschwerdeführer offensichtlich einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil (Art. 93 Abs. 1 lit. a
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz BGG Art. 93 Andere Vor- und Zwischenentscheide - 1 Gegen andere selbständig eröffnete Vor- und Zwischenentscheide ist die Beschwerde zulässig: |
|
1 | Gegen andere selbständig eröffnete Vor- und Zwischenentscheide ist die Beschwerde zulässig: |
a | wenn sie einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken können; oder |
b | wenn die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde. |
2 | Auf dem Gebiet der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen und dem Gebiet des Asyls sind Vor- und Zwischenentscheide nicht anfechtbar.85 Vorbehalten bleiben Beschwerden gegen Entscheide über die Auslieferungshaft sowie über die Beschlagnahme von Vermögenswerten und Wertgegenständen, sofern die Voraussetzungen von Absatz 1 erfüllt sind. |
3 | Ist die Beschwerde nach den Absätzen 1 und 2 nicht zulässig oder wurde von ihr kein Gebrauch gemacht, so sind die betreffenden Vor- und Zwischenentscheide durch Beschwerde gegen den Endentscheid anfechtbar, soweit sie sich auf dessen Inhalt auswirken. |
2.3 Der Beschwerdeführer rügt u.a. eine Verletzung des Willkürverbotes (Art. 9
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 9 Schutz vor Willkür und Wahrung von Treu und Glauben - Jede Person hat Anspruch darauf, von den staatlichen Organen ohne Willkür und nach Treu und Glauben behandelt zu werden. |
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 8 Rechtsgleichheit - 1 Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. |
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1 | Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. |
2 | Niemand darf diskriminiert werden, namentlich nicht wegen der Herkunft, der Rasse, des Geschlechts, des Alters, der Sprache, der sozialen Stellung, der Lebensform, der religiösen, weltanschaulichen oder politischen Überzeugung oder wegen einer körperlichen, geistigen oder psychischen Behinderung. |
3 | Mann und Frau sind gleichberechtigt. Das Gesetz sorgt für ihre rechtliche und tatsächliche Gleichstellung, vor allem in Familie, Ausbildung und Arbeit. Mann und Frau haben Anspruch auf gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit. |
4 | Das Gesetz sieht Massnahmen zur Beseitigung von Benachteiligungen der Behinderten vor. |
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 27 Wirtschaftsfreiheit - 1 Die Wirtschaftsfreiheit ist gewährleistet. |
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1 | Die Wirtschaftsfreiheit ist gewährleistet. |
2 | Sie umfasst insbesondere die freie Wahl des Berufes sowie den freien Zugang zu einer privatwirtschaftlichen Erwerbstätigkeit und deren freie Ausübung. |
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 26 Eigentumsgarantie - 1 Das Eigentum ist gewährleistet. |
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1 | Das Eigentum ist gewährleistet. |
2 | Enteignungen und Eigentumsbeschränkungen, die einer Enteignung gleichkommen, werden voll entschädigt. |
Die in Frage stehende, gestützt auf Art. 8 GWG/UR getroffene Anordnung erweist sich von vornherein als fragwürdig, da die Ermittlung der vom Lokal des Beschwerdeführers ausgehenden Lärmimmissionen gar nicht erfolgen kann, wenn dieser das Lokal in der fraglichen Zeit - in welcher der Beschwerdeführer nach seinen Angaben die Hälfte seines Gesamtumsatzes erwirtschaftet - geschlossen halten müsste.
Nachdem jedoch insbesondere nicht feststeht, ob die in Frage stehenden Lärmimmissionen überhaupt vom Betrieb des Beschwerdeführers ausgehen, fehlt es von vornherein an einer genügenden tatsächlichen und rechtlichen Grundlage, diesem im Interesse einer ungestörten Nachtruhe der Wohnbevölkerung eine Beschränkung der Öffnungszeiten aufzuerlegen, auch wenn diese zeitlich beschränkt erfolgt. Denn eine Verwarnung mit Auflagen gemäss Art. 8 Abs. 2 GWG/UR (angefochtenes Urteil E. 11) setzt die verbindliche Feststellung eines Verstosses gegen die im konkreten Fall anwendbaren Normen voraus. Daran gebricht es im vorliegenden Fall, womit sich die angefochtene Beschränkung der Öffnungszeiten nicht mit sachlichen Gründen rechtfertigen lässt und als willkürlich zu bezeichnen ist.
2.4 Die Beschwerde ist daher gutzuheissen und Ziffer 2, 4 und 5 des angefochtenen Entscheides sind aufzuheben.
3.
Bei diesem Ausgang sind keine Gerichtskosten zu erheben (Art. 66 Abs. 4
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz BGG Art. 66 Erhebung und Verteilung der Gerichtskosten - 1 Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben. |
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1 | Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben. |
2 | Wird ein Fall durch Abstandserklärung oder Vergleich erledigt, so kann auf die Erhebung von Gerichtskosten ganz oder teilweise verzichtet werden. |
3 | Unnötige Kosten hat zu bezahlen, wer sie verursacht. |
4 | Dem Bund, den Kantonen und den Gemeinden sowie mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen dürfen in der Regel keine Gerichtskosten auferlegt werden, wenn sie in ihrem amtlichen Wirkungskreis, ohne dass es sich um ihr Vermögensinteresse handelt, das Bundesgericht in Anspruch nehmen oder wenn gegen ihre Entscheide in solchen Angelegenheiten Beschwerde geführt worden ist. |
5 | Mehrere Personen haben die ihnen gemeinsam auferlegten Gerichtskosten, wenn nichts anderes bestimmt ist, zu gleichen Teilen und unter solidarischer Haftung zu tragen. |
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz BGG Art. 68 Parteientschädigung - 1 Das Bundesgericht bestimmt im Urteil, ob und in welchem Mass die Kosten der obsiegenden Partei von der unterliegenden zu ersetzen sind. |
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1 | Das Bundesgericht bestimmt im Urteil, ob und in welchem Mass die Kosten der obsiegenden Partei von der unterliegenden zu ersetzen sind. |
2 | Die unterliegende Partei wird in der Regel verpflichtet, der obsiegenden Partei nach Massgabe des Tarifs des Bundesgerichts alle durch den Rechtsstreit verursachten notwendigen Kosten zu ersetzen. |
3 | Bund, Kantonen und Gemeinden sowie mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen wird in der Regel keine Parteientschädigung zugesprochen, wenn sie in ihrem amtlichen Wirkungskreis obsiegen. |
4 | Artikel 66 Absätze 3 und 5 ist sinngemäss anwendbar. |
5 | Der Entscheid der Vorinstanz über die Parteientschädigung wird vom Bundesgericht je nach Ausgang des Verfahrens bestätigt, aufgehoben oder geändert. Dabei kann das Gericht die Entschädigung nach Massgabe des anwendbaren eidgenössischen oder kantonalen Tarifs selbst festsetzen oder die Festsetzung der Vorinstanz übertragen. |
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen und Ziffer 2, 4 und 5 des angefochtenen Entscheides werden aufgehoben. Die Sache wird zum neuen Entscheid über die Kosten- und Entschädigungsfolgen an die Vorinstanz zurückgewiesen.
2.
Der Kanton Uri hat dem Beschwerdeführer für das Verfahren vor Bundesgericht eine Parteientschädigung von Fr. 2'000.-- auszurichten.
3.
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten und dem Obergericht des Kantons Uri, Verwaltungsrechtliche Abteilung, sowie dem Bundesamt für Umwelt schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 28. Januar 2011
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
Zünd Küng