[AZA 7]
U 409/00 Vr
III. Kammer
Präsident Schön, Bundesrichter Spira und Bundesrichterin Widmer; Gerichtsschreiberin Fleischanderl
Urteil vom 26. November 2001
in Sachen
F.________, 1945, Beschwerdeführerin, vertreten durch Advokat Dr. Daniel Riner, Steinentorstrasse 13, 4051 Basel,
gegen
Schweizerische Unfallversicherungsanstalt, Fluhmattstrasse 1, 6004 Luzern, Beschwerdegegnerin,
und
Versicherungsgericht des Kantons Basel-Stadt, Basel
A.- Die 1945 geborene F.________ war seit 1968 als Pflegeassistentin in der Klinik für Wiederherstellende Chirurgie des Spitals X.________ tätig und bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA) gegen die Folgen von Berufs- und Nichtberufsunfällen versichert. Am 21. Januar 1997 wurde sie in Deutschland als Mitfahrerin in dem vom Ehemann gesteuerten Personenwagen Opfer eines Verkehrsunfalles, bei welchem sie sich eine Distorsion der Halswirbelsäule (HWS), eine Thoraxprellung sowie eine Knie gelenksverletzung rechts zuzog (Arztzeugnis UVG des Prof. Dr. med. W.________, Chefarzt des Kreiskrankenhauses Y.________, vom 6. Februar 1997). Die SUVA anerkannte ihre Leistungspflicht und erbrachte die gesetzlichen Leistungen (Heilungskosten, Taggelder). Nach mehreren Aufenthalten in der Rehabilitationsklinik Z.________ (26. Mai bis 27. Juni 1997, 11. Februar bis 11. März 1998, 26. August bis 30. September 1998) und diversen ambulanten Behandlungen stellte die SUVA - insbesondere gestützt auf die Berichte des Prof. Dr. med. S.________, Spezialarzt FMH für Physikalische Medizin und Rehabilitation, Chefarzt der Rehabilitationsklinik Z.________, vom 27. Oktober 1998 sowie 11. Februar und 24. März 1999 - ihre Versicherungsleistungen
per 30. April 1999 ein, da keine leistungsbegründenden Unfallfolgen mehr vorlägen (Verfügung vom 23. April 1999). Hieran hielt sie auf Einsprache hin fest (Einspracheentscheid vom 30. Juli 1999).
B.- Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Versicherungsgericht des Kantons Basel-Stadt ab (Entscheid vom 28. Juni 2000).
C.- F.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen und beantragen, unter Aufhebung des angefochtenen kantonalen Entscheides sowie des Einspracheentscheides vom 30. Juli 1999 sei die SUVA zu verpflichten, ihr die gesetzlichen Taggeldleistungen auszurichten und eine Invalidenrente sowie eine Integritätsentschädigung zuzusprechen.
Während die SUVA auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliesst, hat sich das Bundesamt für Sozialversicherung nicht vernehmen lassen.
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.- Streitig und zu prüfen ist, ob der Beschwerdeführerin auf Grund des Unfalles vom 21. Januar 1997 auch nach dem 30. April 1999 Leistungen der SUVA zustehen.
2.- Die Vorinstanz hat die von der Judikatur entwickelten Grundsätze zu dem für die Leistungspflicht des Unfallversicherers vorausgesetzten natürlichen Kausalzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und dem eingetretenen Schaden (Krankheit, Invalidität, Tod; BGE 115 V 134 f. Erw. 3; vgl. auch BGE 119 V 337 Erw. 1 mit Hinweis) sowie zur Adäquanzbeurteilung bei nach einem Unfall auftretenden psychischen Gesundheitsschäden, einschliesslich der dabei zu beachtenden Kriterien (BGE 115 V 138 ff. Erw. 6), zutreffend wiedergegeben. Darauf wird verwiesen. Korrekt ist namentlich, dass nach der Rechtsprechung zur adäquaten Kausalität bei Folgen eines Unfalles mit Schleudertrauma der HWS ohne organisch nachweisbare Funktionsausfälle (BGE 117 V 359) im Gegensatz zu der bei psychischen Unfallfolgen geltenden Praxis (BGE 115 V 133) bei den unfallbezogenen Kriterien, welche in die Beurteilung miteinzubeziehen sind, auf eine Differenzierung zwischen physischen und psychischen Komponenten verzichtet wird, weil nicht entscheidend ist, ob die Beschwerden medizinisch eher als organischer und/oder psychischer Natur bezeichnet werden (BGE 117 V 366 f. Erw. 6a). Zu ergänzen bleibt, dass die Adäquanzbeurteilung in Fällen, in welchen die zum typischen
Beschwerdebild eines Schleudertraumas der HWS gehörenden Beeinträchtigungen zwar teilweise gegeben sind, im Vergleich zur ausgeprägten psychischen Problematik aber ganz in den Hintergrund treten, praxisgemäss unter dem Gesichtspunkt einer psychischen Fehlentwicklung nach Unfall vorzunehmen ist (BGE 123 V 99 Erw. 2a mit Hinweisen). Gleiches gilt sodann, wenn die im Anschluss an den Unfall aufgetretenen psychischen Störungen nicht zum typischen Beschwerdebild eines HWS-Traumas gehören (RKUV 2001 Nr. U 412 S. 79 ff. Erw. b; vgl. auch BGE 126 V 118 f. Erw. 3c).
3.- Das kantonale Gericht hat gestützt auf die medizinischen Akten, welche ausführliche Stellungnahmen verschiedener Fachärzte enthalten, mit Recht festgestellt, dass die Beschwerdeführerin anlässlich des Verkehrsunfalles vom 21. Januar 1997 eine HWS-Distorsion - eine einem Schleudertrauma der HWS äquivalente Verletzungsform (vgl. SVR 1995 UV Nr. 23 S. 67 Erw. 2) - erlitten hat und im Anschluss daran eine Reihe typischer Symptome eines Schleudertraumas der HWS bzw. einer äquivalenten Verletzung ohne (nunmehr) organisch nachweisbare Folgen (vgl. BGE 117 V 360 Erw. 4b) aufgetreten sind. Ferner wurde im angefochtenen Entscheid korrekt dargelegt, dass das Beschwerdebild aktuell überwiegend durch ein mittelschweres Fibromyalgie-Syndrom mit einer ausgeprägten psychosomatischen Begleitsymptomatik (Anpassungsstörung; ICD-10 F43.22) bestimmt ist. Unter Hinweis auf die Ausführungen des Prof. Dr. med. S.________ im Austrittsbericht vom 27. Oktober 1998, wonach mit Bezug auf die Fibromyalgie sowie die Anpassungsstörung eine "gewisse, allerdings indirekte natürliche Unfallkausalität (...) nicht geleugnet werden könne", sowie dessen ergänzenden Erläuterungen im Bericht vom 11. Februar 1999 hat die Vorinstanz sodann im Weiteren erkannt, dass der
natürliche Kausalzusammenhang zwischen dem aktuellen psychosomatischen Beschwerdebild bzw. der Fibromyalgie und dem Unfallereignis zu bejahen sei. Dieser Beurteilung ist zuzustimmen, zumal es nach der Rechtsprechung genügt, wenn das Unfallereignis eine Teilursache für die Beschwerden und die dadurch eingetretene Arbeits- bzw. Erwerbsunfähigkeit darstellt (BGE 119 V 337 Erw. 1, 118 V 289 Erw. 1b).
4.- a) Im Hinblick auf die Adäquanzbeurteilung wird in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde geltend gemacht, beim bestehenden Leiden in Form eines mittelschweren Fibromyalgie-Syndroms mit einer Anpassungsstörung handle es sich um ein psychosomatisches Beschwerdebild "wie bei einem HWS-Schleudertrauma" und nicht um eine eigentliche psychische Fehlentwicklung, weshalb der adäquate Kausalzusammenhang nach den für ein Schleudertrauma oder eine schleudertraumaähnliche Verletzung geltenden Kriterien (BGE 117 V 359) und nicht nach denjenigen für psychische Unfallfolgen (BGE 115 V 133) zu beurteilen sei.
b) Dies gilt jedoch - wie bereits dargelegt (Erw. 2 hievor in fine) - nur dann, wenn die im Anschluss an den Unfall auftretenden psychischen Störungen zum typischen Beschwerdebild eines HWS-Traumas gehören. Erforderlichenfalls ist vorgängig der Adäquanzbeurteilung daher zu prüfen, ob es sich bei den im Anschluss an den Unfall geklagten psychischen Beeinträchtigungen um blosse Symptome des erlittenen Traumas oder aber um eine selbstständige (sekundäre) Gesundheitsschädigung handelt, wobei für die Abgrenzung insbesondere Art und Pathogenese der Störung, das Vorliegen konkreter unfallfremder Faktoren oder der Zeitablauf von Bedeutung sind (RKUV 2001 Nr. U 412 S. 80 Erw. b).
aa) Mit Bericht vom 27. Oktober 1998 stellte Prof. Dr. med. S.________ fest, dass Ursache für die heutigen generalisierten Weichteilbefunde nicht strukturelle Schädigungen durch den Unfall seien, sondern auf der einen Seite die "späte Entwicklung einer mittelschweren Fibromyalgie und auf der anderen Seite eine Anpassungsstörung", wobei heute mehr als früher auch die Angst vor der Zukunft eine Rolle spiele. Bezugnehmend auf diese Beurteilung bezeichnete er in seinem Bericht vom 11. Februar 1999 den Unfall als (möglichen) Auslösemechanismus für "nachfolgende sekundäre Veränderungen" und hielt dafür, dass es ohne das Unfallereignis nicht in eben diesem Zeitpunkt zur Entwicklung eines "eigendynamischen fibromyalgischen Prozesses" gekommen wäre. Mit Stellungnahme vom 24. März 1999 führte er schliesslich aus, die Symptomatik sei "einerseits Ausdruck einer eher konstitutionell bedingten Fibromyalgie sowie der Anpassungsstörung".
bb) Auf Grund dieser medizinischen Angaben ist anzunehmen, dass sich im Anschluss an die beim Unfall erlittene HWS-Distorsion ein Fibromyalgie-Syndrom mit ausgeprägter psychosomatischer Begleitsymptomatik in Form einer Anpassungsstörung entwickelt hat. Bei diesem Prozess wirkten gemäss Erkenntnissen des Prof. Dr. med. S.________ (im Austrittsbericht vom 27. Oktober 1998) unfallfremde psychosoziale Faktoren - wie die besondere Lebensphase, in welcher sich die Beschwerdeführerin befand, sowie die unsichere berufliche Zukunft des Ehemannes - ebenfalls mit, wobei das Unfallgeschehen selbst in den Hintergrund getreten zu sein scheint. Das dargestellte Leiden des Versicherten ist nicht Teil des bunten Beschwerdebildes nach HWS-Traumen und daher nicht primäre Folge des Unfalles. Vielmehr handelt es sich um eine selbstständige sekundäre Gesundheitsschädigung. Es ist somit nicht zu beanstanden, wenn Vorinstanz und SUVA im Ergebnis zum Schluss gelangt sind, dass der adäquate Kausalzusammenhang nach Massgabe der in BGE 115 V 138 ff. Erw. 6 entwickelten und seither ständig angewandten Rechtsprechung des Eidgenössischen Versicherungsgerichts (vgl. BGE 124 V 44 f. Erw. 5c/bb und 213 f. Erw. 4b; SVR 1999 UV Nr. 10 S. 31 Erw. 2) zu beurteilen
ist.
5.- a) Ausgehend vom augenfälligen Geschehensablauf, wie er sich gemäss Polizeirapport vom 28. Januar 1997 und den gegenüber verschiedenen Ärzten geäusserten Angaben der Beschwerdeführerin darstellt, hat das kantonale Gericht den Unfall vom 21. Januar 1997 im Rahmen der Einteilung, wie sie für die Belange der Adäquanzbeurteilung bei psychischen Unfallfolgen vorzunehmen ist (BGE 115 V 138 ff. Erw. 6), angesichts der bisherigen Judikatur (vgl. RKUV 1999 Nr. U 330 S. 122 ff. Erw. 4b/bb sowie 1995 Nr. U 215 S. 91 Erw. b) - entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin - zu Recht dem mittleren Bereich zugeordnet. Ob der adäquate Kausalzusammenhang gegeben ist, beurteilt sich demnach anhand der in BGE 115 V 140 Erw. 6c/aa aufgelisteten Kriterien. Im Lichte der genannten Rechtsprechung ist das besagte Unfallereignis auf Grund des Hergangs und der erlittenen Verletzungen nicht als schwererer Fall im mittleren Bereich zu bezeichnen, sondern eher im Grenzbereich zu den leichten Ereignissen anzusiedeln. Die Adäquanz könnte daher nur bejaht werden, wenn ein einzelnes der einschlägigen Beurteilungskriterien in besonders ausgeprägter Form vorläge oder diese in gehäufter oder auffallender Weise gegeben wären (BGE 115 V 140 f. Erw. 6c/bb).
b) Das Unfallereignis vom 21. Januar 1997, bei welchem der vom Ehemann der Beschwerdeführerin gelenkte Personenwagen durch ein nicht vortrittsberechtigtes, abrupt von links in die Fahrbahn einbiegendes Auto gerammt wurde, war weder besonders eindrücklich, noch hat er sich unter besonders dramatischen Begleiterscheinungen ereignet. Der Hinweis der Versicherten in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, sie habe "während des Unfalles und im Spital zweimal intensiv Todesängste durchmachen" müssen, ändert hieran nichts, da bei der Beurteilung der Schwere eines Unfalles nicht das - subjektive - Unfallerlebnis, sondern das objektivierte Unfallereignis massgebend ist (BGE 117 V 366 Erw. 6a; Urteil M. vom 10. Februar 2000, U 237/99). Des Weitern kann nicht von schweren oder einer besonderen Art der Verletzungen gesprochen werden, die erfahrungsgemäss geeignet gewesen wären, psychische Fehlentwicklungen in invalidisierendem Ausmass auszulösen. Es liegt ferner weder eine ärztliche Fehlbehandlung, welche die Unfallfolgen erheblich verschlimmert hat, noch ein hinsichtlich der somatischen Beschwerden schwieriger Heilungsverlauf mit erheblichen Komplikationen vor, waren unfallbedingte organische Schädigungen doch bereits im Oktober 1998 kaum mehr
fassbar (Austrittsbericht des Prof. Dr. med. S.________ vom 27. Oktober 1998). Soweit alsdann eine ungewöhnlich lange Dauer der ärztlichen Behandlung sowie Dauerbeschwerden angenommen werden müssten, wären sie auf psychische Gründe zurückzuführen, welche in diesem Zusammenhang ausser Acht zu lassen sind (vgl. RKUV 1993 Nr. U 166 S. 94 Erw. 2c mit Hinweisen; Urteil I. vom 26. September 2000, U 446/99). Prof. Dr. med. S.________ wies denn auch in seinem Bericht vom 24. März 1999 ausdrücklich darauf hin, dass vor allem die Anpassungsstörung sowohl in pharmakologischer wie auch gesprächstherapeutischer Sicht noch intensiver als bisher angegangen werden sollte, währenddem die (Ausdauer-)Trainingstherapie weiterhin selbstständig durchzuführen sei. Was ferner Grad und Dauer der - physisch bedingten - Arbeitsunfähigkeit anbelangt, liegt der Grund für die Tatsache, dass die Beschwerdeführerin ihre ab Frühling 1998 erneut aufgenommene Arbeit nach teilzeitlichen Einsätzen von 40 und 30 % wiederum aufgegeben hat und in der Folge nicht mehr erwerbstätig gewesen ist, ebenfalls primär in der psychosomatischen Beschwerdesymptomatik. Da somit weder ein einziges Kriterium in besonders ausgeprägter Weise gegeben ist, noch die massgebenden Kriterien
in gehäufter oder auffallender Weise erfüllt sind, ist die Adäquanz der psychischen Beeinträchtigungen zu verneinen.
Im Lichte dieser Ausführungen erweisen sich der erstinstanzliche Entscheid sowie der Einspracheentscheid der SUVA vom 30. Juli 1999 als rechtens.
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
I.Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
II.Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
III.Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht
des Kantons Basel-Stadt und dem Bundesamt für
Sozialversicherung zugestellt.
Luzern, 26. November 2001
Im Namen des
Eidgenössischen Versicherungsgerichts
Der Präsident Die Gerichtsder
III. Kammer: schreiberin: