Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
6B 1319/2015
Urteil vom 26. Mai 2016
Strafrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Denys, Präsident,
Bundesrichterinnen Jacquemoud-Rossari, Jametti,
Gerichtsschreiber Moses.
Verfahrensbeteiligte
Staatsanwaltschaft des Kantons Uri, Postfach 959, 6460 Altdorf UR,
Beschwerdeführerin,
gegen
X.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Gregor Münch,
Beschwerdegegner.
Gegenstand
Diebstahl, Willkür,
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Uri, Strafrechtliche Abteilung, vom 15. September 2015.
Sachverhalt:
A.
X.________ wird vorgeworfen, er habe zwischen dem 19. und dem 20. August 2011 in einem Ferienhaus in A.________, wo er mit anderen Personen einen Teil des Wochenendes verbrachte, einen Wakeboardhelm, zwei Bodyboards, Fellfinken sowie einen iPod im Gesamtwert vom Fr. 464.-- entwendet. Das Landgerichtspräsidium Uri erklärte X.________ am 25. Juni 2013 des Diebstahls schuldig und bestrafte ihn mit einer unbedingten Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu Fr. 10.--. Auf den Widerruf des bedingten Vollzugs einer Geldstrafe aus dem Jahre 2011 verzichtete es.
B.
Gegen das Urteil des Landgerichtspräsidiums erhob X.________ Berufung. Das Obergericht des Kantons Uri sprach ihn am 15. September 2015 vom Vorwurf des Diebstahls frei.
Das Obergericht erwägt, dass die X.________ belastenden Indizien sich einzig aus den Aussagen von B.________ ergeben würden. X.________ habe während des gesamten Verfahrens von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch gemacht und habe sich erstmals im Berufungsverfahren zur Sache geäussert. Er habe unter anderem erklärt, dass er von der ersten Instanz für eine Tat verurteilt worden sei, die er nicht begangen habe. Als er von der Polizei kontaktiert worden sei, habe er sich mitten in den Prüfungen befunden. Weil er sich noch in der Probezeit der im Jahre 2011 bedingt ausgesprochenen Strafe befunden habe, habe er sich grosse Sorgen um seine berufliche Zukunft gemacht. B.________ habe ihn gedrängt, ihr ein Angebot zu machen. Er habe mit allen Mitteln versucht, die Sache aussergerichtlich zu bereinigen, wobei er immer zum Ausdruck gebracht habe, dass er mit der Sache nichts zu tun habe. Um die Sache so schnell wie möglich aus der Welt zu schaffen, habe er B.________ gesagt, dass er ihr die abhanden gekommenen Gegenstände bezahle. Das Obergericht hält fest, dass die Aussagen von X.________ glaubhaft und nachvollziehbar seien. Damit stehe Aussage gegen Aussage. In diesem Zusammenhang sei auch zu berücksichtigen, dass sich B.________
und X.________ an jenem Wochenende vom 19. auf den 20. August 2011 gestritten hatten. Ihr Verhältnis sei insofern nicht konfliktfrei und die Aussagen von B.________ seien mit der nötigen Vorsicht und Zurückhaltung zu würdigen. Aufgrund unüberwindbarer Zweifel an der Schuld von X.________ sei dieser freizusprechen.
C.
Die Staatsanwaltschaft des Kantons Uri führt Beschwerde in Strafsachen. Sie beantragt, das Urteil des Obergerichts sei aufzuheben und X.________ sei wegen Diebstahls mit einer unbedingten Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu Fr. 120.-- zu bestrafen. Eventualiter sei die Sache an das Obergericht zurückzuweisen.
Erwägungen:
1.
1.1. Die Beschwerdeführerin macht geltend, die Vorinstanz habe sich zur Begründung des Freispruchs ausschliesslich auf Aussagen gestützt, die der Beschwerdegegner im Rahmen des letzten Wortes (Art. 347 Abs. 1
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SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung StPO Art. 347 Abschluss der Parteiverhandlungen - 1 Die beschuldigte Person hat nach Abschluss der Parteivorträge das Recht auf das letzte Wort. |
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1 | Die beschuldigte Person hat nach Abschluss der Parteivorträge das Recht auf das letzte Wort. |
2 | Anschliessend erklärt die Verfahrensleitung die Parteiverhandlungen für geschlossen. |
1.2. Die Vorinstanz stützt sich auf eine in der Literatur vertretenen Meinung, wonach beweisrelevante Äusserungen oder Geständnisse im Rahmen des letztes Wortes prozessual nicht verwertbar seien, aber zur Beweisergänzung gestützt auf Art. 349
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SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung StPO Art. 349 Ergänzung von Beweisen - Ist der Fall noch nicht spruchreif, so entscheidet das Gericht, die Beweise zu ergänzen und die Parteiverhandlungen wieder aufzunehmen. |
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SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung StPO Art. 347 Abschluss der Parteiverhandlungen - 1 Die beschuldigte Person hat nach Abschluss der Parteivorträge das Recht auf das letzte Wort. |
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1 | Die beschuldigte Person hat nach Abschluss der Parteivorträge das Recht auf das letzte Wort. |
2 | Anschliessend erklärt die Verfahrensleitung die Parteiverhandlungen für geschlossen. |
die Beschwerdeführerin, wenn sie geltend macht, die Privatklägerschaft oder die Staatsanwaltschaft könne zu diesem Zeitpunkt zu den Aussagen der angeklagten Person nicht mehr Stellung nehmen. Es ist Aufgabe des urteilenden Gerichts, den Parteien das rechtliche Gehör zu gewähren, und die Beschwerdeführerin legt nicht dar, inwiefern dieses im vorliegenden Fall verletzt worden sei. Der Beschwerdegegner hat im Rahmen seines Schlusswortes keine Beweisanträge gestellt, weshalb die Frage offenbleiben kann, ob solche unter der Herrschaft der am 1. Januar 2011 in Kraft getretenen Schweizerischen Strafprozessordnung zulässig sind.
2.
2.1. Die Beschwerdeführerin rügt eine willkürliche Sachverhaltsfeststellung. Sie macht insbesondere geltend, die Vorinstanz erwähne die E-Mail vom 9. Dezember 2011 nicht, in welcher der Beschwerdegegner B.________ eine Entschädigung für die entwendeten Gegenstände angeboten hätte. Dieses Angebot sei nicht verständlich, wenn der Beschwerdegegner den Diebstahl nicht begangen hätte. Auch setze sich die Vorinstanz nicht mit den Aussagen von B.________ auseinander, welche, im Gegensatz zu denjenigen des Beschwerdegegners, glaubhaft seien. Jedenfalls hätte die Vorinstanz - zumal eine "Aussage gegen Aussage"-Situation vorliege - B.________ und C.________ einvernehmen müssen, um sich ein umfassendes Bild zu machen.
2.2. Die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz kann vor Bundesgericht nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95
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SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz BGG Art. 95 Schweizerisches Recht - Mit der Beschwerde kann die Verletzung gerügt werden von: |
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a | Bundesrecht; |
b | Völkerrecht; |
c | kantonalen verfassungsmässigen Rechten; |
d | kantonalen Bestimmungen über die politische Stimmberechtigung der Bürger und Bürgerinnen und über Volkswahlen und -abstimmungen; |
e | interkantonalem Recht. |
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SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz BGG Art. 97 Unrichtige Feststellung des Sachverhalts - 1 Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann. |
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1 | Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann. |
2 | Richtet sich die Beschwerde gegen einen Entscheid über die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung, so kann jede unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gerügt werden.87 |
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SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz BGG Art. 42 Rechtsschriften - 1 Rechtsschriften sind in einer Amtssprache abzufassen und haben die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift zu enthalten. |
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1 | Rechtsschriften sind in einer Amtssprache abzufassen und haben die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift zu enthalten. |
1bis | Wurde in einer Zivilsache das Verfahren vor der Vorinstanz in englischer Sprache geführt, so können Rechtsschriften in dieser Sprache abgefasst werden.14 |
2 | In der Begründung ist in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Akt Recht verletzt. Ist eine Beschwerde nur unter der Voraussetzung zulässig, dass sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt oder aus anderen Gründen ein besonders bedeutender Fall vorliegt, so ist auszuführen, warum die jeweilige Voraussetzung erfüllt ist. 15 16 |
3 | Die Urkunden, auf die sich die Partei als Beweismittel beruft, sind beizulegen, soweit die Partei sie in Händen hat; richtet sich die Rechtsschrift gegen einen Entscheid, so ist auch dieser beizulegen. |
4 | Bei elektronischer Einreichung muss die Rechtsschrift von der Partei oder ihrem Vertreter beziehungsweise ihrer Vertreterin mit einer qualifizierten elektronischen Signatur gemäss Bundesgesetz vom 18. März 201617 über die elektronische Signatur versehen werden. Das Bundesgericht bestimmt in einem Reglement: |
a | das Format der Rechtsschrift und ihrer Beilagen; |
b | die Art und Weise der Übermittlung; |
c | die Voraussetzungen, unter denen bei technischen Problemen die Nachreichung von Dokumenten auf Papier verlangt werden kann.18 |
5 | Fehlen die Unterschrift der Partei oder ihrer Vertretung, deren Vollmacht oder die vorgeschriebenen Beilagen oder ist die Vertretung nicht zugelassen, so wird eine angemessene Frist zur Behebung des Mangels angesetzt mit der Androhung, dass die Rechtsschrift sonst unbeachtet bleibt. |
6 | Unleserliche, ungebührliche, unverständliche, übermässig weitschweifige oder nicht in einer Amtssprache verfasste Rechtsschriften können in gleicher Weise zur Änderung zurückgewiesen werden. |
7 | Rechtsschriften, die auf querulatorischer oder rechtsmissbräuchlicher Prozessführung beruhen, sind unzulässig. |
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SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz BGG Art. 106 Rechtsanwendung - 1 Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an. |
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1 | Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an. |
2 | Es prüft die Verletzung von Grundrechten und von kantonalem und interkantonalem Recht nur insofern, als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und begründet worden ist. |
2.3. Wie die Vorinstanz zutreffend erwägt, bestehen vorliegend keine direkten Beweise, sondern nur Indizien für den behaupteten Diebstahl. Aus den Aussagen von B.________ folgt nicht zwingend, dass der Beschwerdegegner die ihm vorgeworfene Tat begangen hat. Dass jemand, der keine Straftat begangen hat, einem Dritten eine Entschädigung anbietet, um auf diese Weise ein drohendes Strafverfahren abzuwenden, ist nachvollziehbar. Die Vorinstanz verfällt nicht in Willkür, wenn sie den diesbezüglichen Aussagen des Beschwerdegegners folgt. Soweit die Beschwerdeführerin im Übrigen die vorinstanzliche Sachverhaltsfeststellung kritisiert, erschöpfen sich ihre Vorbringen in unzulässiger, appellatorischer Kritik, worauf nicht einzutreten ist.
2.4. Nach Art. 343 Abs. 3
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SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung StPO Art. 343 Beweisabnahme - 1 Das Gericht erhebt neue und ergänzt unvollständig erhobene Beweise. |
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1 | Das Gericht erhebt neue und ergänzt unvollständig erhobene Beweise. |
2 | Es erhebt im Vorverfahren nicht ordnungsgemäss erhobene Beweise nochmals. |
3 | Es erhebt im Vorverfahren ordnungsgemäss erhobene Beweise nochmals, sofern die unmittelbare Kenntnis des Beweismittels für die Urteilsfällung notwendig erscheint. |
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SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung StPO Art. 405 Mündliches Verfahren - 1 Die mündliche Berufungsverhandlung richtet sich nach den Bestimmungen über die erstinstanzliche Hauptverhandlung. |
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1 | Die mündliche Berufungsverhandlung richtet sich nach den Bestimmungen über die erstinstanzliche Hauptverhandlung. |
2 | Hat die beschuldigte Person oder die Privatklägerschaft die Berufung oder Anschlussberufung erklärt, so lädt die Verfahrensleitung sie zur Berufungsverhandlung vor. In einfachen Fällen kann sie sie auf ihr Gesuch hin von der Teilnahme dispensieren und ihr gestatten, ihre Anträge schriftlich einzureichen und zu begründen. |
3 | Die Verfahrensleitung lädt die Staatsanwaltschaft zur Verhandlung vor: |
a | in den in Artikel 337 Absätze 3 und 4 vorgesehenen Fällen; |
b | wenn die Staatsanwaltschaft die Berufung oder die Anschlussberufung erklärt hat. |
4 | Ist die Staatsanwaltschaft nicht vorgeladen, so kann sie schriftliche Anträge stellen und eine schriftliche Begründung einreichen oder persönlich vor Gericht auftreten. |
B.________ gab nicht an, gesehen zu haben, wie der Beschwerdegegner die ihm vorgeworfene Tat verübte. Sie berichtete lediglich über Umstände, die der Beschwerdegegner nicht in Frage stellt und die nicht zwingend auf seine Täterschaft schliessen lassen. Auch bei C.________ ist nicht anzunehmen, dass dieser die dem Beschwerdegegner vorgeworfene Tat unmittelbar wahrnahm. Eine unmittelbare Beweisabnahme im Berufungsverfahren war nicht erforderlich.
3.
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Der unterliegenden Beschwerdeführerin sind keine Kosten aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 4
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SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz BGG Art. 66 Erhebung und Verteilung der Gerichtskosten - 1 Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben. |
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1 | Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben. |
2 | Wird ein Fall durch Abstandserklärung oder Vergleich erledigt, so kann auf die Erhebung von Gerichtskosten ganz oder teilweise verzichtet werden. |
3 | Unnötige Kosten hat zu bezahlen, wer sie verursacht. |
4 | Dem Bund, den Kantonen und den Gemeinden sowie mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen dürfen in der Regel keine Gerichtskosten auferlegt werden, wenn sie in ihrem amtlichen Wirkungskreis, ohne dass es sich um ihr Vermögensinteresse handelt, das Bundesgericht in Anspruch nehmen oder wenn gegen ihre Entscheide in solchen Angelegenheiten Beschwerde geführt worden ist. |
5 | Mehrere Personen haben die ihnen gemeinsam auferlegten Gerichtskosten, wenn nichts anderes bestimmt ist, zu gleichen Teilen und unter solidarischer Haftung zu tragen. |
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2.
Es werden keine Kosten erhoben.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Uri, Strafrechtliche Abteilung, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 26. Mai 2016
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Denys
Der Gerichtsschreiber: Moses