Tribunale federale
Tribunal federal

{T 1/2}
1P.445/2002 /zga

Urteil vom 25. November 2002
I. Öffentlichrechtliche Abteilung

Bundesgerichtsvizepräsident Aemisegger, Präsident,
Bundesrichter Nay, Fonjallaz,
Gerichtsschreiber Störi.

Max Baumann, Goldbacherstrasse 51, 8700 Küsnacht ZH,
Beschwerdeführer,

gegen

Gemeinde Küsnacht, 8700 Küsnacht ZH,
handelnd durch den Gemeinderat Küsnacht, Gemeindehaus
am Dorfplatz, 8700 Küsnacht ZH, und dieser vertreten durch Rechtsanwältin Nadja Herz, Schanzeneggstrasse 1, Postfach, 8039 Zürich,
Bezirksrat Meilen, Dorfstrasse 38, Postfach, 8706 Meilen,
Regierungsrat des Kantons Zürich, 8090 Zürich,
Direktion der Justiz und des Innern des Kantons Zürich,
8090 Zürich.

Art. 8
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 8 Rechtsgleichheit - 1 Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
1    Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
2    Niemand darf diskriminiert werden, namentlich nicht wegen der Herkunft, der Rasse, des Geschlechts, des Alters, der Sprache, der sozialen Stellung, der Lebensform, der religiösen, weltanschaulichen oder politischen Überzeugung oder wegen einer körperlichen, geistigen oder psychischen Behinderung.
3    Mann und Frau sind gleichberechtigt. Das Gesetz sorgt für ihre rechtliche und tatsächliche Gleichstellung, vor allem in Familie, Ausbildung und Arbeit. Mann und Frau haben Anspruch auf gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit.
4    Das Gesetz sieht Massnahmen zur Beseitigung von Benachteiligungen der Behinderten vor.
, 9
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 9 Schutz vor Willkür und Wahrung von Treu und Glauben - Jede Person hat Anspruch darauf, von den staatlichen Organen ohne Willkür und nach Treu und Glauben behandelt zu werden.
& 34 BV (Umfrage Tempo-30-Zone),

Staatsrechtliche Beschwerde gegen den Beschluss des Regierungsrats des Kantons Zürich vom 24. Juli 2002.

Sachverhalt:
A.
Der Gemeinderat von Küsnacht liess Mitte November 2001 eine Broschüre mit einem Fragebogen in den Haushalten der Gemeinde verteilen, um über die mögliche Einführung von Tempo-30-Zonen in den Wohnquartieren der Gemeinde zu informieren und in Erfahrung zu bringen, wie sich die Stimmbürger zu einer solchen Massnahme stellen würden.

Mit Gemeindebeschwerde vom 15. November 2001 an den Bezirksrat Meilen beantragte Max Baumann, es sei festzustellen, dass diese Umfrage den Grundsatz der rechtsgleichen Behandlung aller Bürger verletze und in inhaltlicher Hinsicht den gesetzlichen Anforderung an die Objektivität der Information der Stimmbürger nicht genüge. Ausserdem sei dem Gemeinderat Küsnacht zu verbieten, die Ergebnisse der Umfrage in irgendeiner Weise zu verwerten.

Der Bezirksrat nahm die Beschwerde als Stimmrechtsbeschwerde im Sinne von § 123 des Wahlgesetzes (WahlG) entgegen und trat darauf nicht ein. Er erwog, dass die Zuständigkeit für die Einführung von Tempo-30-Zonen bei der kantonalen Direktion für Soziales und Sicherheit liege, welche ihren Entscheid auf Antrag der Gemeindebehörde treffe; dieser sei mit Einsprache an den Regierungsrat anfechtbar. Somit sei ein Entscheid der Stimmberechtigten der Gemeinde Küsnacht über die Einführung von Tempo-30-Zonen nicht ergangen und werde mangels Zuständigkeit auch in Zukunft nicht ergehen, womit es an einem Anfechtungsobjekt für eine Stimmrechtsbeschwerde fehle. Weiter prüfte der Bezirksrat, ob er die Beschwerde als Rekurs gegen den Beschluss des Gemeinderates zur Durchführung der umstrittenen Umfrage im Sinne der §§ 19 ff. des Verwaltungsrechtspflegegesetzes (VRG) entgegen nehmen könne. Er erwog, der Gemeinderat habe sich mit der Umfrage Entscheidungsgrundlagen für das weitere Vorgehen verschaffen wollen. Er sei an das Ergebnis der Umfrage in keiner Weise gebunden; in Bezug auf die Sache selbst - die Einführung der Tempo-30-Zonen - werde nichts präjudiziert, was sich später voraussichtlich nicht mehr beheben liesse. Bei der angefochtenen
Anordnung zur Durchführung der Umfrage handle es sich daher um einen Zwischenentscheid, der keinen nicht wiedergutzumachenden Nachteil bewirke und damit nach § 19 Abs. 2 VRG nicht angefochten werden könne. Auf den Rekurs sei deshalb nicht einzutreten.

Max Baumann erhob gegen diesen Beschluss Stimmrechtsbeschwerde an den Regierungsrat des Kantons Zürich, in welcher er im Wesentlichen wiederum geltend machte, der Gemeinderat Küsnacht habe seine politischen Rechte in willkürlicher Weise verletzt und ihn rechtsungleich behandelt.

Der Regierungsrat erwog in seinem Beschluss vom 24. Juli 2002, dass es sich bei der streitigen Volksbefragung offensichtlich nicht um eine (Konsultativ-)Abstimmung handle, die mit Stimmrechtsbeschwerde angefochten werden könne. Er wies die Beschwerde ab und auferlegte Max Baumann wegen mutwilliger Prozessführung die Verfahrenskosten.
B.
Mit staatsrechtlicher Beschwerde vom 4. September 2002 wegen Verletzung von Art. 8
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 8 Rechtsgleichheit - 1 Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
1    Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
2    Niemand darf diskriminiert werden, namentlich nicht wegen der Herkunft, der Rasse, des Geschlechts, des Alters, der Sprache, der sozialen Stellung, der Lebensform, der religiösen, weltanschaulichen oder politischen Überzeugung oder wegen einer körperlichen, geistigen oder psychischen Behinderung.
3    Mann und Frau sind gleichberechtigt. Das Gesetz sorgt für ihre rechtliche und tatsächliche Gleichstellung, vor allem in Familie, Ausbildung und Arbeit. Mann und Frau haben Anspruch auf gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit.
4    Das Gesetz sieht Massnahmen zur Beseitigung von Benachteiligungen der Behinderten vor.
, 9
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 9 Schutz vor Willkür und Wahrung von Treu und Glauben - Jede Person hat Anspruch darauf, von den staatlichen Organen ohne Willkür und nach Treu und Glauben behandelt zu werden.
und 34
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 34 Politische Rechte - 1 Die politischen Rechte sind gewährleistet.
1    Die politischen Rechte sind gewährleistet.
2    Die Garantie der politischen Rechte schützt die freie Willensbildung und die unverfälschte Stimmabgabe.
BV beantragt Max Baumann, diesen Entscheid des Regierungsrates aufzuheben.

Der Bezirksrat verzichtet auf Vernehmlassung. Die Direktion der Justiz und des Innern des Kantons Zürich beantragt unter Verweis auf den angefochtenen Entscheid, die Beschwerde abzuweisen. Die Gemeinde Küsnacht beantragt, auf die Beschwerde sei nicht einzutreten, eventuell sei sie abzuweisen.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Die Erhebung einer staatsrechtlichen Beschwerde - auch einer solchen wegen Verletzung des Stimmrechts im Sinne von Art. 85 lit. a
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 34 Politische Rechte - 1 Die politischen Rechte sind gewährleistet.
1    Die politischen Rechte sind gewährleistet.
2    Die Garantie der politischen Rechte schützt die freie Willensbildung und die unverfälschte Stimmabgabe.
OG (BGE 104 I 226 E. 1b) - setzt ein aktuelles und praktisches Rechtsschutzinteresse voraus. Von diesem Erfordernis wird nur abgesehen, wenn sich die aufgeworfene Frage unter gleichen oder ähnlichen Umständen wieder stellen könnte, an ihrer Beantwortung wegen ihrer grundsätzlichen Bedeutung ein hinreichendes öffentliches Interesse besteht und eine rechtzeitige verfassungsgerichtliche Überprüfung im Einzelfall sonst kaum je möglich wäre (BGE 124 I 231 E. 1b und c; 121 I 279 E. 1, 120 Ia 165 E. 1).

Der Beschwerdeführer hat offensichtlich kein aktuelles und praktisches Rechtsschutzinteresse an der Aufhebung des angefochtenen Entscheides. Wie sich aus dem unwidersprochen gebliebenen Sachverhalt des angefochtenen Entscheides ergibt, hat der Gemeinderat am 21. Februar 2002 beschlossen, im Quartier Goldbach eine Tempo-30-Zone einzuführen und bei der Direktion für Soziales und Sicherheit deren Festsetzung beantragt. Der Gemeinderat hat damit das in seiner Zuständigkeit Liegende getan, um eine Tempo-30-Zone im Wohnquartier des Beschwerdeführers, wofür er sich nach eigenen Angaben seit 1999 einsetzt, einzuführen. Damit hat der Gemeinderat dem Anliegen des Beschwerdeführers entsprochen. Es ist nicht ersichtlich, und der Beschwerdeführer legt auch nicht dar, was er mit einer Annullierung der umstrittenen Umfrage gewinnen könnte. Die Stimmrechtsbeschwerde ist entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers nicht dazu da, ein allfälliges Fehlverhalten des Gemeinderates - der Beschwerdeführer spricht von Stümperei - bei der Durchführung der umstrittenen Umfrage zu rügen, wenn ausgeschlossen ist, dass diese Mängel sein Stimmrecht beeinträchtigen könnten. Die Voraussetzungen für ein ausnahmsweises Absehen vom aktuellen praktischen
Rechtsschutzinteresse sind nicht erfüllt.

Ein Rechtsschutzinteresse hat der Beschwerdeführer allerdings insofern, als er sich darüber beklagt, dass ihm der Regierungsrat im angefochtenen Entscheid die Verfahrenskosten auferlegte. Diese Rüge begründet er indessen nicht weiter, weshalb darauf mangels Substanziierung nicht einzutreten ist (Art. 90 Abs. 1 lit. b
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 34 Politische Rechte - 1 Die politischen Rechte sind gewährleistet.
1    Die politischen Rechte sind gewährleistet.
2    Die Garantie der politischen Rechte schützt die freie Willensbildung und die unverfälschte Stimmabgabe.
OG; 125 I 492 E. 1b; 122 I 70 E. 1c).
2.
Auf die Beschwerde ist somit nicht einzutreten. Praxisgemäss sind bei einer Stimmrechtsbeschwerde keine Kosten zu erheben. Der Beschwerdeführer ist allerdings darauf aufmerksam zu machen, dass er im Falle der Einreichung weiterer offensichtlich unbegründeter Stimmrechtsbeschwerden mit Kostenfolgen zu rechnen hat.

Demnach erkennt das Bundesgericht
im Verfahren nach Art. 36a
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 34 Politische Rechte - 1 Die politischen Rechte sind gewährleistet.
1    Die politischen Rechte sind gewährleistet.
2    Die Garantie der politischen Rechte schützt die freie Willensbildung und die unverfälschte Stimmabgabe.
OG:

1.
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.
2.
Es werden keine Kosten erhoben.
3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Gemeinde Küsnacht, dem Bezirksrat Meilen und dem Regierungsrat des Kantons Zürich schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 25. November 2002
Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 1P.445/2002
Datum : 25. November 2002
Publiziert : 17. Dezember 2002
Quelle : Bundesgericht
Status : Unpubliziert
Sachgebiet : Politische Rechte
Gegenstand : Tribunale federale Tribunal federal {T 1/2} 1P.445/2002 /zga Urteil vom 25. November


Gesetzesregister
BV: 8 
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 8 Rechtsgleichheit - 1 Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
1    Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
2    Niemand darf diskriminiert werden, namentlich nicht wegen der Herkunft, der Rasse, des Geschlechts, des Alters, der Sprache, der sozialen Stellung, der Lebensform, der religiösen, weltanschaulichen oder politischen Überzeugung oder wegen einer körperlichen, geistigen oder psychischen Behinderung.
3    Mann und Frau sind gleichberechtigt. Das Gesetz sorgt für ihre rechtliche und tatsächliche Gleichstellung, vor allem in Familie, Ausbildung und Arbeit. Mann und Frau haben Anspruch auf gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit.
4    Das Gesetz sieht Massnahmen zur Beseitigung von Benachteiligungen der Behinderten vor.
9 
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 9 Schutz vor Willkür und Wahrung von Treu und Glauben - Jede Person hat Anspruch darauf, von den staatlichen Organen ohne Willkür und nach Treu und Glauben behandelt zu werden.
34
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 34 Politische Rechte - 1 Die politischen Rechte sind gewährleistet.
1    Die politischen Rechte sind gewährleistet.
2    Die Garantie der politischen Rechte schützt die freie Willensbildung und die unverfälschte Stimmabgabe.
OG: 36a  85  90
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