Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

9C 792/2018

Urteil vom 25. Januar 2019

II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Pfiffner, Präsidentin,
Bundesrichterin Glanzmann, Bundesrichter Parrino,
Gerichtsschreiberin Dormann.

Verfahrensbeteiligte
IV-Stelle des Kantons St. Gallen, Brauerstrasse 54, 9016 St. Gallen,
Beschwerdeführerin,

gegen

A.________, vertreten durch Rechtsanwalt Dieter Studer,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 22. Oktober 2018 (IV 2016/431).

Sachverhalt:

A.
Die IV-Stelle des Kantons St. Gallen sprach der 1965 geborenen A.________ eine Viertelsrente ab 1. Januar resp. eine halbe Invalidenrente ab 1. April 2004 zu (Verfügungen vom 9. Februar 2006). Mit Mitteilung vom 1. September 2008 bestätigte sie einen unveränderten Rentenanspruch. Im August 2013 leitete die IV-Stelle ein weiteres Revisionsverfahren ein. Nach Abklärungen und Durchführung des Vorbescheidverfahrens ermittelte sie einen Invaliditätsgrad von 20 %. Daher hob sie mit Verfügung vom 9. Oktober 2014 die bisherige Rente auf Ende November 2014 auf.
Das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen hob die Verfügung vom 9. Oktober 2014 auf und wies die Sache zu neuer Verfügung an die Verwaltung zurück (Entscheid vom 16. November 2015). Nach weiteren Abklärungen und erneuter Durchführung des Vorbescheidverfahrens bestätigte die IV-Stelle mit Verfügung vom 15. November 2016 die Rentenaufhebung auf Ende November 2014.

B.
Die dagegen erhobene Beschwerde hiess das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen mit Entscheid vom 22. Oktober 2018 insofern teilweise gut, als es die Rente erst auf Ende Dezember 2016 aufhob.

C.
Die IV-Stelle beantragt mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten, der Entscheid vom 22. Oktober 2018 sei aufzuheben und die Verfügung vom 15. November 2016 sei zu bestätigen. Ausserdem sei der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zu erteilen.
A.________ lässt auf Abweisung der Beschwerde schliessen. Das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichtet auf eine Vernehmlassung.

Erwägungen:

1.
Das kantonale Gericht ist davon ausgegangen, dass beim Erlass sowohl der Verfügung vom 9. Oktober 2014 als auch jener vom 15. November 2016 der Invaliditätsgrad der Versicherten höchstens 32 % betrug, und die weiteren Voraussetzungen für eine Rentenaufhebung (vgl. Art. 17 Abs. 1
SR 830.1 Bundesgesetz vom 6. Oktober 2000 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG)
ATSG Art. 17 Revision der Invalidenrente und anderer Dauerleistungen - 1 Die Invalidenrente wird von Amtes wegen oder auf Gesuch hin für die Zukunft erhöht, herabgesetzt oder aufgehoben, wenn der Invaliditätsgrad einer Rentenbezügerin oder eines Rentenbezügers sich:
1    Die Invalidenrente wird von Amtes wegen oder auf Gesuch hin für die Zukunft erhöht, herabgesetzt oder aufgehoben, wenn der Invaliditätsgrad einer Rentenbezügerin oder eines Rentenbezügers sich:
a  um mindestens fünf Prozentpunkte ändert; oder
b  auf 100 Prozent erhöht.17
2    Auch jede andere formell rechtskräftig zugesprochene Dauerleistung wird von Amtes wegen oder auf Gesuch hin erhöht, herabgesetzt oder aufgehoben, wenn sich der ihr zu Grunde liegende Sachverhalt nachträglich erheblich verändert hat.
ATSG; vgl. auch lit. a Abs. 1 der Schlussbestimmungen der Änderung des IVG vom 18. März 2011 [6. IV-Revision, erstes Massnahmenpaket]) erfüllt waren. Folglich hat es die Rentenaufhebung im Grundsatz bestätigt. Es ist indessen der Auffassung, mit dem Rückweisungsentscheid vom 16. November 2015 sei auch der ursprüngliche Wirkungszeitpunkt der Aufhebung dahingefallen, und die Rente habe nach Art. 88bis Abs. 2 lit. a
SR 831.201 Verordnung vom 17. Januar 1961 über die Invalidenversicherung (IVV)
IVV Art. 88bis Wirkung - 1 Die Erhöhung der Renten, der Hilflosenentschädigungen und der Assistenzbeiträge erfolgt frühestens:392
1    Die Erhöhung der Renten, der Hilflosenentschädigungen und der Assistenzbeiträge erfolgt frühestens:392
a  sofern der Versicherte die Revision verlangt, von dem Monat an, in dem das Revisionsbegehren gestellt wurde;
b  bei einer Revision von Amtes wegen von dem für diese vorgesehenen Monat an;
c  falls festgestellt wird, dass der Beschluss der IV-Stelle zum Nachteil des Versicherten zweifellos unrichtig war, von dem Monat an, in dem der Mangel entdeckt wurde.393
2    Die Herabsetzung oder Aufhebung der Renten, der Hilflosenentschädigungen und der Assistenzbeiträge erfolgt:394
a  frühestens vom ersten Tag des zweiten der Zustellung der Verfügung folgenden Monats an;
b  rückwirkend ab Eintritt der für den Anspruch erheblichen Änderung, wenn der Bezüger die Leistung zu Unrecht erwirkt hat oder der ihm nach Artikel 77 zumutbaren Meldepflicht nicht nachgekommen ist, unabhängig davon, ob die Verletzung der Meldepflicht oder die unrechtmässige Erwirkung ein Grund für die Weiterausrichtung der Leistung war.
IVV (SR 831.201) nur für die Zukunft, d.h. auf Ende Dezember 2016, aufgehoben werden dürfen.

2.

2.1. Streitig und zu prüfen ist einzig der Zeitpunkt der Rentenaufhebung.

2.2. In der Invalidenversicherung erfolgt die Aufhebung einer Rente in der Regel auf das Ende des der Zustellung der Verfügung folgenden Monats (Art. 88bis Abs. 2 lit. a
SR 831.201 Verordnung vom 17. Januar 1961 über die Invalidenversicherung (IVV)
IVV Art. 88bis Wirkung - 1 Die Erhöhung der Renten, der Hilflosenentschädigungen und der Assistenzbeiträge erfolgt frühestens:392
1    Die Erhöhung der Renten, der Hilflosenentschädigungen und der Assistenzbeiträge erfolgt frühestens:392
a  sofern der Versicherte die Revision verlangt, von dem Monat an, in dem das Revisionsbegehren gestellt wurde;
b  bei einer Revision von Amtes wegen von dem für diese vorgesehenen Monat an;
c  falls festgestellt wird, dass der Beschluss der IV-Stelle zum Nachteil des Versicherten zweifellos unrichtig war, von dem Monat an, in dem der Mangel entdeckt wurde.393
2    Die Herabsetzung oder Aufhebung der Renten, der Hilflosenentschädigungen und der Assistenzbeiträge erfolgt:394
a  frühestens vom ersten Tag des zweiten der Zustellung der Verfügung folgenden Monats an;
b  rückwirkend ab Eintritt der für den Anspruch erheblichen Änderung, wenn der Bezüger die Leistung zu Unrecht erwirkt hat oder der ihm nach Artikel 77 zumutbaren Meldepflicht nicht nachgekommen ist, unabhängig davon, ob die Verletzung der Meldepflicht oder die unrechtmässige Erwirkung ein Grund für die Weiterausrichtung der Leistung war.
IVV). Massgeblich ist jene Verwaltungsverfügung, mit welcher die Herabsetzung oder Aufhebung erstmals verfügt wurde. Muss infolge eines Rückweisungsentscheides eine neue Verfügung erlassen werden, kann damit die ursprüngliche Rentenaufhebung (samt Wirkungszeitpunkt) rückwirkend bestätigt werden (BGE 129 V 370; 106 V 18; SVR 2011 IV Nr. 33 S. 96, 8C 451/2010 E. 3 und 4.4; Urteil 9C 567/2017 vom 21. November 2017 E. 2.2.3). Die vorinstanzliche Auffassung steht im Widerspruch zu dieser von der IV-Stelle angerufenen Rechtsprechung. Weder das kantonale Gericht noch die Beschwerdegegnerin befasst sich damit, und ein Grund für eine Praxisänderung (vgl. dazu BGE 141 II 297 E. 5.5.1; 140 V 538 E. 4.5 S. 541; je mit Hinweisen) ist nicht ersichtlich.
Die Beschwerde ist offensichtlich begründet, weshalb sie im vereinfachten Verfahren nach Art. 109 Abs. 2 lit. b
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 109 Dreierbesetzung - 1 Die Abteilungen entscheiden in Dreierbesetzung über Nichteintreten auf Beschwerden, bei denen sich keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt oder kein besonders bedeutender Fall vorliegt, wenn die Beschwerde nur unter einer dieser Bedingungen zulässig ist (Art. 74 und 83-85). Artikel 58 Absatz 1 Buchstabe b findet keine Anwendung.
1    Die Abteilungen entscheiden in Dreierbesetzung über Nichteintreten auf Beschwerden, bei denen sich keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt oder kein besonders bedeutender Fall vorliegt, wenn die Beschwerde nur unter einer dieser Bedingungen zulässig ist (Art. 74 und 83-85). Artikel 58 Absatz 1 Buchstabe b findet keine Anwendung.
2    Sie entscheiden ebenfalls in Dreierbesetzung bei Einstimmigkeit über:
a  Abweisung offensichtlich unbegründeter Beschwerden;
b  Gutheissung offensichtlich begründeter Beschwerden, insbesondere wenn der angefochtene Akt von der Rechtsprechung des Bundesgerichts abweicht und kein Anlass besteht, diese zu überprüfen.
3    Der Entscheid wird summarisch begründet. Es kann ganz oder teilweise auf den angefochtenen Entscheid verwiesen werden.
BGG gutgeheissen wird.

3.
Mit dem Entscheid in der Sache wird das Gesuch um aufschiebende Wirkung der Beschwerde gegenstandslos.

4.
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat die Beschwerdegegnerin die Kosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 66 Erhebung und Verteilung der Gerichtskosten - 1 Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben.
1    Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben.
2    Wird ein Fall durch Abstandserklärung oder Vergleich erledigt, so kann auf die Erhebung von Gerichtskosten ganz oder teilweise verzichtet werden.
3    Unnötige Kosten hat zu bezahlen, wer sie verursacht.
4    Dem Bund, den Kantonen und den Gemeinden sowie mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen dürfen in der Regel keine Gerichtskosten auferlegt werden, wenn sie in ihrem amtlichen Wirkungskreis, ohne dass es sich um ihr Vermögensinteresse handelt, das Bundesgericht in Anspruch nehmen oder wenn gegen ihre Entscheide in solchen Angelegenheiten Beschwerde geführt worden ist.
5    Mehrere Personen haben die ihnen gemeinsam auferlegten Gerichtskosten, wenn nichts anderes bestimmt ist, zu gleichen Teilen und unter solidarischer Haftung zu tragen.
BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Der Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 22. Oktober 2018 wird aufgehoben und die Verfügung der IV-Stelle des Kantons St. Gallen vom 15. November 2016 bestätigt.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt.

3.
Die Sache wird zur Neuverlegung der Kosten des vorangegangenen Verfahrens an das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen zurückgewiesen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 25. Januar 2019

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Pfiffner

Die Gerichtsschreiberin: Dormann
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 9C_792/2018
Date : 25. Januar 2019
Published : 12. Februar 2019
Source : Bundesgericht
Status : Unpubliziert
Subject area : Invalidenversicherung
Subject : Invalidenversicherung


Legislation register
ATSG: 17
BGG: 66  109
IVV: 88bis
BGE-register
106-V-18 • 129-V-370 • 140-V-538 • 141-II-297
Weitere Urteile ab 2000
8C_451/2010 • 9C_567/2017 • 9C_792/2018
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