Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
9C_905/2011

Urteil vom 24. August 2012
II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Kernen, Bundesrichterin Glanzmann,
Gerichtsschreiber R. Widmer.

Verfahrensbeteiligte
AXA Stiftung Berufliche Vorsorge,
c/o AXA Leben AG,
General Guisan-Strasse 40, 8400 Winterthur,
Beschwerdeführerin,

gegen

1. IV-Stelle Luzern,
Landenbergstrasse 35, 6005 Luzern,
2. G._______,
vertreten durch Rechtsanwalt Urs Schaffhauser,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid
des Verwaltungsgerichts des Kantons Luzern, Verwaltungsrechtliche Abteilung, vom 28. Oktober 2011.

Sachverhalt:

A.
Der 1968 geborene G._______ arbeitete als Servicetechniker bei der X.________ AG. Ende Juli 2007 liess er sich gegen Hepatitis A und B impfen, worauf gesundheitliche Beeinträchtigungen auftraten, die eine Wiederaufnahme der Erwerbstätigkeit verunmöglichten. Nachdem ihm seit 20. August 2007 volle Arbeitsunfähigkeit bescheinigt worden war, meldete sich G._______ am 27. Februar 2008 unter Hinweis auf Veränderungen der Motorik, Atembeschwerden, Konzentrationsstörungen, Schwindel und Kurzzeit-Gedächtnisstörungen bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Gestützt auf die Akten der Taggeldversicherung, der Krankenkasse und der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA) sowie das Gutachten der Neurologischen Klinik des Universitätsspitals A.________ vom 23. November 2009, eine fachärztliche Abklärung in der Integrierten Psychiatrie B.________ (Gutachten vom 9. März 2010) und die Beurteilung des Regionalen Ärztlichen Dienstes (RAD) ermittelte die IV-Stelle Luzern einen Invaliditätsgrad von 67 %. Mit Verfügung vom 4. Oktober 2010 sprach sie G._______ rückwirkend ab 1. Juli 2008 eine Dreiviertelsrente der Invalidenversicherung zu.

B.
Die AXA Stiftung Berufliche Vorsorge (im Folgenden: AXA) führte Beschwerde mit dem Rechtsbegehren, unter Aufhebung der Verfügung sei festzustellen, dass G._______ keinen Anspruch auf eine Rente der Invalidenversicherung hat. Mit Entscheid vom 28. Oktober 2011 wies das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern die Beschwerde ab.

C.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten lässt die AXA den vorinstanzlich gestellten Antrag erneuern.
Während die IV-Stelle auf Abweisung der Beschwerde schliesst, G._______ zur Hauptsache ebenfalls die Abweisung der Beschwerde beantragt und ferner um die Bewilligung der unentgeltlichen Rechtspflege ersucht, verzichtet das Bundesamt für Sozialversicherungen auf eine Stellungnahme.

Erwägungen:

1.
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann u.a. die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 95 Schweizerisches Recht - Mit der Beschwerde kann die Verletzung gerügt werden von:
a  Bundesrecht;
b  Völkerrecht;
c  kantonalen verfassungsmässigen Rechten;
d  kantonalen Bestimmungen über die politische Stimmberechtigung der Bürger und Bürgerinnen und über Volkswahlen und -abstimmungen;
e  interkantonalem Recht.
BGG), die Feststellung des Sachverhalts nur, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 95 Schweizerisches Recht - Mit der Beschwerde kann die Verletzung gerügt werden von:
a  Bundesrecht;
b  Völkerrecht;
c  kantonalen verfassungsmässigen Rechten;
d  kantonalen Bestimmungen über die politische Stimmberechtigung der Bürger und Bürgerinnen und über Volkswahlen und -abstimmungen;
e  interkantonalem Recht.
BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 97 Unrichtige Feststellung des Sachverhalts - 1 Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann.
1    Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann.
2    Richtet sich die Beschwerde gegen einen Entscheid über die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung, so kann jede unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gerügt werden.86
BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 105 Massgebender Sachverhalt - 1 Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat.
1    Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat.
2    Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht.
3    Richtet sich die Beschwerde gegen einen Entscheid über die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung, so ist das Bundesgericht nicht an die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz gebunden.95
BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 95 Schweizerisches Recht - Mit der Beschwerde kann die Verletzung gerügt werden von:
a  Bundesrecht;
b  Völkerrecht;
c  kantonalen verfassungsmässigen Rechten;
d  kantonalen Bestimmungen über die politische Stimmberechtigung der Bürger und Bürgerinnen und über Volkswahlen und -abstimmungen;
e  interkantonalem Recht.
beruht (Art. 105 Abs. 2
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 105 Massgebender Sachverhalt - 1 Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat.
1    Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat.
2    Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht.
3    Richtet sich die Beschwerde gegen einen Entscheid über die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung, so ist das Bundesgericht nicht an die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz gebunden.95
BGG).
Im Zusammenhang mit somatoformen Schmerzstörungen oder einem vergleichbaren ätiologisch unklaren syndromalen Zustand gilt mit Bezug auf die Kognition des Bundesgerichts Folgendes: Zu den nur eingeschränkt überprüfbaren Tatsachenfeststellungen zählt zunächst, ob eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung (oder ein damit vergleichbarer syndromaler Zustand) vorliegt, und bejahendenfalls sodann, ob eine psychische Komorbidität oder weitere Umstände gegeben sind, welche die Schmerzbewältigung behindern. Als Rechtsfrage frei überprüfbar ist, ob einzelne oder mehrere der festgestellten weiteren Kriterien in genügender Intensität und Konstanz vorliegen, um gesamthaft den Schluss auf eine nicht mit zumutbarer Willensanstrengung überwindbare Schmerzstörung und somit auf eine invalidisierende Gesundheitsschädigung zu gestatten (BGE 137 V 64 E. 1.2 S. 65 f. mit Hinweis).

2.
2.1 Die Vorinstanz hat die Rechtsprechung zu den psychischen Gesundheitsschäden, welche in gleicher Weise wie die körperlichen eine Invalidität im Sinne von Art. 4 Abs. 1
SR 831.20 Bundesgesetz vom 19. Juni 1959 über die Invalidenversicherung (IVG)
IVG Art. 4 Invalidität - 1 Die Invalidität (Art. 8 ATSG46) kann Folge von Geburtsgebrechen, Krankheit oder Unfall sein.47
1    Die Invalidität (Art. 8 ATSG46) kann Folge von Geburtsgebrechen, Krankheit oder Unfall sein.47
2    Die Invalidität gilt als eingetreten, sobald sie die für die Begründung des Anspruchs auf die jeweilige Leistung erforderliche Art und Schwere erreicht hat.48
IVG in Verbindung mit Art. 8
SR 830.1 Bundesgesetz vom 6. Oktober 2000 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG)
ATSG Art. 8 Invalidität - 1 Invalidität ist die voraussichtlich bleibende oder längere Zeit dauernde ganze oder teilweise Erwerbsunfähigkeit.
1    Invalidität ist die voraussichtlich bleibende oder längere Zeit dauernde ganze oder teilweise Erwerbsunfähigkeit.
2    Nicht erwerbstätige Minderjährige gelten als invalid, wenn die Beeinträchtigung ihrer körperlichen, geistigen oder psychischen Gesundheit voraussichtlich eine ganze oder teilweise Erwerbsunfähigkeit zur Folge haben wird.12
3    Volljährige, die vor der Beeinträchtigung ihrer körperlichen, geistigen oder psychischen Gesundheit nicht erwerbstätig waren und denen eine Erwerbstätigkeit nicht zugemutet werden kann, gelten als invalid, wenn eine Unmöglichkeit vorliegt, sich im bisherigen Aufgabenbereich zu betätigen. Artikel 7 Absatz 2 ist sinngemäss anwendbar.13 14
ATSG bewirken können, zutreffend wiedergegeben. Richtig sind auch die Darlegungen zur Frage, unter welchen Umständen eine somatoforme Schmerzstörung oder eine Konversionsstörung eine Invalidität zu bewirken vermögen, namentlich zu den massgeblichen Kriterien, welche für die Beurteilung der Frage, ob ausnahmsweise eine unüberwindbare Störung vorliegt, heranzuziehen sind (BGE 130 V 352 E. 2.2.3 S. 353, 130 V 396, 137 V 64 E. 4.2 S. 68). Darauf wird verwiesen.

2.2 Aufgrund der medizinischen Akten, insbesondere des Gutachtens des Universitätsspitals A.________ vom 23. November 2009, welchem volle Beweiskraft zukomme, gelangte die Vorinstanz zum Schluss, es liege kein organisch objektivierbarer Gesundheitsschaden vor. In Würdigung der psychiatrischen Expertise der Integrierten Psychiatrie B.________, des Berichts des beratenden Psychiaters der AXA, Dr. med. M.________ (vom 16. Juni 2010), und der Stellungnahme des Allgemeinpraktikers Dr. med. N.________, RAD (vom 27. Mai 2010), der mit den RAD-Psychiatern Dres. med. O._______ und P.________ Rücksprache genommen hatte, hauptsächlich aber wiederum gestützt auf die Expertise des Universitätsspitals A.________, stellte das Verwaltungsgericht fest, dass der Beschwerdegegner an einer Konversionsstörung leide; dies komme insbesondere auch im Gebrauch von Gehhilfen zum Ausdruck. Das psychische Störungsbild erreiche invalidisierendes Ausmass. Die bei einer Konversions- wie bei einer somatoformen Schmerzstörung massgebenden Kriterien könnten nicht ohne weiteres verneint werden. Die erhobenen Befunde mit Lähmungserscheinungen seien äusserst ausgeprägt, indem der Beschwerdegegner auf Gehstöcke und - bei Verlassen des Hauses - auf einen Rollstuhl
angewiesen sei. Weiter sei das Kriterium eines verfestigten, therapeutisch nicht mehr angehbaren innerseelischen Verlaufs einer an sich missglückten, psychisch aber entlastenden Konfliktbewältigung auf ausgeprägteste Weise erfüllt. Angesichts der derart auffällig zu Tage tretenden Befunde seien die Voraussetzungen für eine zumutbare Willensanstrengung zu verneinen.

2.3 Die Beschwerdeführerin wendet ein, es liege kein invalidisierender Gesundheitsschaden vor. Weder könne die Konversionsstörung für sich allein noch zusammen mit einer somatoformen Schmerzstörung als invalidisierend gelten. Eine allfällige psychische Komorbidität sei nicht erheblich, während die weiteren Kriterien nicht in genügender Intensität und Konstanz vorlägen, um den Schluss zuzulassen, dass die diagnostizierte psychische Störung nicht mit zumutbarer Willensanstrengung überwunden werden könnte. Körperliche Begleiterkrankungen fielen bei der Prüfung der Zusatzkriterien nicht ins Gewicht; die Lähmungserscheinungen seien psychischer Genese und organisch nicht erklärbar. So seien hinsichtlich Muskelkraft und -tonus keine pathologischen Befunde erhoben worden. Gestützt auf die Angaben der Gutachter der ipw sei zwar von einer Chronifizierung auszugehen, der innerseelische Verlauf könne jedoch durch eine adäquate psychiatrische Therapie angegangen werden.

3.
3.1 Die von der Rechtsprechung zu den somatoformen Schmerzstörungen entwickelten Grundsätze gelten u.a. auch bei dissoziativen Sensibilitäts- und Empfindungsstörungen (BGE 137 V 64 E. 4.2 S. 68 mit Hinweis). Die von der Vorinstanz nicht beantwortete Frage, ob beim Beschwerdegegner eine somatoforme Schmerzstörung oder eine dissoziative Störung vorliegt, konnte aus diesem Grund offen gelassen werden.

3.2 Ob beim Beschwerdegegner im Sinne einer Ausnahme eine willentlich unüberwindbare psychische Krankheit vorliegt, die einen Wiedereinstieg in den Arbeitsprozess als unzumutbar erscheinen lässt, ist entgegen der Auffassung der Vorinstanz nicht hinreichend geklärt. Die subjektive, beinbetonte Tetraparese bei normalem Neurostatus (ätiologisch am ehesten dissoziativ), die den Gebrauch eines Rollstuhls und von zwei Gehstöcken bedingt und nicht einer Simulation oder Aggravation zugeschrieben werden kann, bedarf näherer fachärztlicher Untersuchung. Dabei gilt es zunächst zu beachten, dass die Neurologen des Universitätsspitals A.________ im Gutachten vom 23. November 2009 dringend eine psychiatrische Evaluation empfahlen. Eine psychiatrische Expertise wurde alsdann von der IV-Stelle bei der ipw integrierte Psychiatrie B.________ in Auftrag gegeben. Verfasst und unterzeichnet wurde das Gutachten von Oberarzt med. pract. Q.________ und Oberärztin med. pract. R.________. Ob diese bei der Erstellung über die nämlichen Qualifikationen verfügten wie ein Spezialarzt für Psychiatrie und Psychotherapie FMH und ihrer Expertise demzufolge die gleiche Qualität zugeschrieben werden kann wie dem gutachtlichen Bericht eines voll ausgebildeten
Facharztes ist fraglich, kann aber mit Blick auf die nachfolgenden Erwägungen offen bleiben. Denn das Gutachten der Integrierten Psychiatrie B.________ vom 9. März 2010 vermag inhaltlich nicht zu überzeugen. Es ist nicht aussagekräftig und beantwortet die aufgeworfene Frage unzureichend. Es finden sich nur wenige Hinweise darauf, inwieweit die Kriterien gemäss BGE 130 V 352 E. 2.2.3 S. 354 f. erfüllt sind, welche im Falle der seitens der Sachverständigen diagnostizierten anhaltenden somatoformen Schmerzstörung vorliegen müssen, damit ausnahmsweise von einer willentlich unüberwindbaren psychischen Krankheit auszugehen ist. Sodann können die von den Ärzten befürworteten Massnahmen zur Integration des Versicherten in eine Erwerbstätigkeit nicht als ernsthafte Bemühungen zur Wiedereingliederung angesehen werden. Nebst Psychotherapie und Eingliederung werden Schmerzmittel, eine "Schmerzbewältigungsgruppe" und Antidepressiva genannt, diese jedoch zur Schmerzlinderung, da keine Depression vorliegt. Aufgrund dieser inhaltlichen Mängel bildet das psychiatrische Gutachten der Integrierten Psychiatrie B.________ keine taugliche Grundlage zur Beurteilung der sich in rechtlicher Hinsicht stellenden Fragen, namentlich der therapeutischen
Angehbarkeit der gesundheitlichen Störung. Der vom Verwaltungsgericht diesbezüglich erwähnte IV-Protokolleintrag vom 27. Mai 2010, mit dem eine solche verneint wird, stammt im Übrigen von einem Allgemeinmediziner. Insoweit hat die Vorinstanz den rechtserheblichen medizinischen Sachverhalt unvollständig festgestellt, weshalb die Sache zur Anordnung eines neuen psychiatrischen Gutachtens an die IV-Stelle zurückzuweisen ist (Art. 97 Abs. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 97 Unrichtige Feststellung des Sachverhalts - 1 Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann.
1    Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann.
2    Richtet sich die Beschwerde gegen einen Entscheid über die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung, so kann jede unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gerügt werden.86
in Verbindung mit Art. 95 lit. a und 105 Abs. 2
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 105 Massgebender Sachverhalt - 1 Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat.
1    Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat.
2    Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht.
3    Richtet sich die Beschwerde gegen einen Entscheid über die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung, so ist das Bundesgericht nicht an die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz gebunden.95
BGG). Der Experte wird sich zu den Erfolgsaussichten einer Therapie und den Möglichkeiten einer Wiedereingliederung zu äussern haben, ungeachtet der subjektiven Einstellung des Versicherten. Ferner wird das Gutachten die weiteren Grundlagen zu liefern haben, welche es erlauben, aus rechtlicher Sicht zur Erfüllung der Kriterien gemäss BGE 130 V 343 E. 2.2.3 S. 354 f. Stellung zu nehmen. Gestützt auf die Ergebnisse des psychiatrischen Gutachtens wird die IV-Stelle über den Invalidenrentenanspruch des Beschwerdegegners neu verfügen.

4.
Dem Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist zu entsprechen, da die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind (Art. 64 Abs. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 64 Unentgeltliche Rechtspflege - 1 Das Bundesgericht befreit eine Partei, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, auf Antrag von der Bezahlung der Gerichtskosten und von der Sicherstellung der Parteientschädigung, sofern ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint.
1    Das Bundesgericht befreit eine Partei, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, auf Antrag von der Bezahlung der Gerichtskosten und von der Sicherstellung der Parteientschädigung, sofern ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint.
2    Wenn es zur Wahrung ihrer Rechte notwendig ist, bestellt das Bundesgericht der Partei einen Anwalt oder eine Anwältin. Der Anwalt oder die Anwältin hat Anspruch auf eine angemessene Entschädigung aus der Gerichtskasse, soweit der Aufwand für die Vertretung nicht aus einer zugesprochenen Parteientschädigung gedeckt werden kann.
3    Über das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege entscheidet die Abteilung in der Besetzung mit drei Richtern oder Richterinnen. Vorbehalten bleiben Fälle, die im vereinfachten Verfahren nach Artikel 108 behandelt werden. Der Instruktionsrichter oder die Instruktionsrichterin kann die unentgeltliche Rechtspflege selbst gewähren, wenn keine Zweifel bestehen, dass die Voraussetzungen erfüllt sind.
4    Die Partei hat der Gerichtskasse Ersatz zu leisten, wenn sie später dazu in der Lage ist.
und 2
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 64 Unentgeltliche Rechtspflege - 1 Das Bundesgericht befreit eine Partei, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, auf Antrag von der Bezahlung der Gerichtskosten und von der Sicherstellung der Parteientschädigung, sofern ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint.
1    Das Bundesgericht befreit eine Partei, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, auf Antrag von der Bezahlung der Gerichtskosten und von der Sicherstellung der Parteientschädigung, sofern ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint.
2    Wenn es zur Wahrung ihrer Rechte notwendig ist, bestellt das Bundesgericht der Partei einen Anwalt oder eine Anwältin. Der Anwalt oder die Anwältin hat Anspruch auf eine angemessene Entschädigung aus der Gerichtskasse, soweit der Aufwand für die Vertretung nicht aus einer zugesprochenen Parteientschädigung gedeckt werden kann.
3    Über das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege entscheidet die Abteilung in der Besetzung mit drei Richtern oder Richterinnen. Vorbehalten bleiben Fälle, die im vereinfachten Verfahren nach Artikel 108 behandelt werden. Der Instruktionsrichter oder die Instruktionsrichterin kann die unentgeltliche Rechtspflege selbst gewähren, wenn keine Zweifel bestehen, dass die Voraussetzungen erfüllt sind.
4    Die Partei hat der Gerichtskasse Ersatz zu leisten, wenn sie später dazu in der Lage ist.
BGG). Der Beschwerdegegner wird indessen darauf hingewiesen, dass er der Gerichtskasse Ersatz zu leisten hat, wenn er dazu in der Lage ist (Art. 64 Abs. 4
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 64 Unentgeltliche Rechtspflege - 1 Das Bundesgericht befreit eine Partei, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, auf Antrag von der Bezahlung der Gerichtskosten und von der Sicherstellung der Parteientschädigung, sofern ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint.
1    Das Bundesgericht befreit eine Partei, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, auf Antrag von der Bezahlung der Gerichtskosten und von der Sicherstellung der Parteientschädigung, sofern ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint.
2    Wenn es zur Wahrung ihrer Rechte notwendig ist, bestellt das Bundesgericht der Partei einen Anwalt oder eine Anwältin. Der Anwalt oder die Anwältin hat Anspruch auf eine angemessene Entschädigung aus der Gerichtskasse, soweit der Aufwand für die Vertretung nicht aus einer zugesprochenen Parteientschädigung gedeckt werden kann.
3    Über das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege entscheidet die Abteilung in der Besetzung mit drei Richtern oder Richterinnen. Vorbehalten bleiben Fälle, die im vereinfachten Verfahren nach Artikel 108 behandelt werden. Der Instruktionsrichter oder die Instruktionsrichterin kann die unentgeltliche Rechtspflege selbst gewähren, wenn keine Zweifel bestehen, dass die Voraussetzungen erfüllt sind.
4    Die Partei hat der Gerichtskasse Ersatz zu leisten, wenn sie später dazu in der Lage ist.
BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird in dem Sinne gutgeheissen, dass der Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Luzern vom 28. Oktober 2011 und die Verfügung der IV-Stelle Luzern vom 4. Oktober 2010 aufgehoben werden. Die Sache wird an die IV-Stelle Luzern zurückgewiesen, damit sie, nach ergänzenden Abklärungen im Sinne der Erwägungen, über den Rentenanspruch neu verfüge.

2.
Dem Beschwerdegegner wird die unentgeltliche Rechtspflege gewährt.

3.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdegegner auferlegt, indes vorläufig auf die Gerichtskasse genommen.

4.
Rechtsanwalt Urs Schaffhauser, Luzern, wird aus der Gerichtskasse eine Entschädigung von Fr. 2'500.- ausgerichtet.

5.
Die Sache wird zur Neuverlegung der Kosten und der Parteientschädigung des vorangegangenen Verfahrens an das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern zurückgewiesen.

6.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Luzern, Verwaltungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 24. August 2012

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Meyer

Der Gerichtsschreiber: Widmer
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 9C_905/2011
Datum : 24. August 2012
Publiziert : 12. September 2012
Quelle : Bundesgericht
Status : Unpubliziert
Sachgebiet : Invalidenversicherung
Gegenstand : Invalidenversicherung


Gesetzesregister
ATSG: 8
SR 830.1 Bundesgesetz vom 6. Oktober 2000 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG)
ATSG Art. 8 Invalidität - 1 Invalidität ist die voraussichtlich bleibende oder längere Zeit dauernde ganze oder teilweise Erwerbsunfähigkeit.
1    Invalidität ist die voraussichtlich bleibende oder längere Zeit dauernde ganze oder teilweise Erwerbsunfähigkeit.
2    Nicht erwerbstätige Minderjährige gelten als invalid, wenn die Beeinträchtigung ihrer körperlichen, geistigen oder psychischen Gesundheit voraussichtlich eine ganze oder teilweise Erwerbsunfähigkeit zur Folge haben wird.12
3    Volljährige, die vor der Beeinträchtigung ihrer körperlichen, geistigen oder psychischen Gesundheit nicht erwerbstätig waren und denen eine Erwerbstätigkeit nicht zugemutet werden kann, gelten als invalid, wenn eine Unmöglichkeit vorliegt, sich im bisherigen Aufgabenbereich zu betätigen. Artikel 7 Absatz 2 ist sinngemäss anwendbar.13 14
BGG: 64 
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 64 Unentgeltliche Rechtspflege - 1 Das Bundesgericht befreit eine Partei, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, auf Antrag von der Bezahlung der Gerichtskosten und von der Sicherstellung der Parteientschädigung, sofern ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint.
1    Das Bundesgericht befreit eine Partei, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, auf Antrag von der Bezahlung der Gerichtskosten und von der Sicherstellung der Parteientschädigung, sofern ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint.
2    Wenn es zur Wahrung ihrer Rechte notwendig ist, bestellt das Bundesgericht der Partei einen Anwalt oder eine Anwältin. Der Anwalt oder die Anwältin hat Anspruch auf eine angemessene Entschädigung aus der Gerichtskasse, soweit der Aufwand für die Vertretung nicht aus einer zugesprochenen Parteientschädigung gedeckt werden kann.
3    Über das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege entscheidet die Abteilung in der Besetzung mit drei Richtern oder Richterinnen. Vorbehalten bleiben Fälle, die im vereinfachten Verfahren nach Artikel 108 behandelt werden. Der Instruktionsrichter oder die Instruktionsrichterin kann die unentgeltliche Rechtspflege selbst gewähren, wenn keine Zweifel bestehen, dass die Voraussetzungen erfüllt sind.
4    Die Partei hat der Gerichtskasse Ersatz zu leisten, wenn sie später dazu in der Lage ist.
95 
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 95 Schweizerisches Recht - Mit der Beschwerde kann die Verletzung gerügt werden von:
a  Bundesrecht;
b  Völkerrecht;
c  kantonalen verfassungsmässigen Rechten;
d  kantonalen Bestimmungen über die politische Stimmberechtigung der Bürger und Bürgerinnen und über Volkswahlen und -abstimmungen;
e  interkantonalem Recht.
97 
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 97 Unrichtige Feststellung des Sachverhalts - 1 Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann.
1    Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann.
2    Richtet sich die Beschwerde gegen einen Entscheid über die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung, so kann jede unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gerügt werden.86
105
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 105 Massgebender Sachverhalt - 1 Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat.
1    Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat.
2    Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht.
3    Richtet sich die Beschwerde gegen einen Entscheid über die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung, so ist das Bundesgericht nicht an die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz gebunden.95
IVG: 4
SR 831.20 Bundesgesetz vom 19. Juni 1959 über die Invalidenversicherung (IVG)
IVG Art. 4 Invalidität - 1 Die Invalidität (Art. 8 ATSG46) kann Folge von Geburtsgebrechen, Krankheit oder Unfall sein.47
1    Die Invalidität (Art. 8 ATSG46) kann Folge von Geburtsgebrechen, Krankheit oder Unfall sein.47
2    Die Invalidität gilt als eingetreten, sobald sie die für die Begründung des Anspruchs auf die jeweilige Leistung erforderliche Art und Schwere erreicht hat.48
BGE Register
130-V-343 • 130-V-352 • 130-V-396 • 137-V-64
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