Bundesstrafgericht

Tribunal pénal fédéral Tribunale penale federale Tribunal penal federal

Geschäftsnummern: BG.2015.10, BG.2015.12 BP.2015.6

Beschluss vom 24. März 2015 Beschwerdekammer

Besetzung

Bundesstrafrichter Stephan Blättler, Vorsitz, Emanuel Hochstrasser und Patrick Robert-Nicoud, Gerichtsschreiber Martin Eckner

Parteien

A., vertreten durch Rechtsanwalt Markus Bachmann,

Beschwerdeführer

gegen

1. Kanton Solothurn, Staatsanwaltschaft,

2. Kanton Luzern, Oberstaatsanwaltschaft, Beschwerdegegner

Gegenstand

Anfechtung des Gerichtsstands (Art. 41 Abs. 2
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 41 Anfechtung des Gerichtsstands durch die Parteien - 1 Will eine Partei die Zuständigkeit der mit dem Strafverfahren befassten Behörde anfechten, so hat sie dieser unverzüglich die Überweisung des Falles an die zuständige Strafbehörde zu beantragen.
StPO)

Sachverhalt:

A. Die Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn ermittelt gegen A. (nachfolgend "Beschuldigter") wegen Anstiftung zu versuchter qualifizierter Brandstiftung und Brandstiftung.

Mit Schreiben vom 9. Februar 2015 übernahm die Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn gestützt auf Art. 34 Abs. 1
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 34 - 1 Hat eine beschuldigte Person mehrere Straftaten an verschiedenen Orten verübt, so sind für die Verfolgung und Beurteilung sämtlicher Taten die Behörden des Ortes zuständig, an dem die mit der schwersten Strafe bedrohte Tat begangen worden ist. Bei gleicher Strafdrohung sind die Behörden des Ortes zuständig, an dem zuerst Verfolgungshandlungen vorgenommen worden sind.
Satz 1 StPO (Gerichtsstand der schwersten Tat) das Verfahren des Kantons Luzern gegen den Beschuldigten. Übernommen wurden die Verfahren wegen der Tatbestände des betrügerischen Konkurses, der Unterlassung der Buchführung, des mehrfachen Betrugs und der Widerhandlung gegen das Waffengesetz (act. 1.1; act. 1 S. 2).

B. Der Beschuldigte hatte am 20. Februar 2015 von den involvierten Staatsanwaltschaften verlangt, die Verfahren an die seiner Ansicht nach zuständige Strafbehörde des Kantons Luzern zu überweisen (act. 1.3, act. 1.5).

C. Gegen die Solothurner Übernahme vom 9. Februar 2015 führte der Beschuldigte am 24. Februar 2015 Beschwerde (act. 1). Er beantragt:

"1. Die Beschwerde sei gutzuheissen, die Anerkennungsverfügung der Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn vom 09.02.2015 aufzuheben, das Vorprüfungsverfahren gegen den Beschwerdeführer wegen betrügerischen Konkurses, Unterlassung der Buchführung, mehrfachen Betrugs, Widerhandlung gegen das Waffengesetz bei der Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern, Abteilung 4, zu belassen und diese zu verpflichten, das Vorprüfungsverfahren wegen Anstiftung zu versuchter, qualifizierter Brandstiftung und Brandstiftung von der Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn zu übernehmen.

2. Unter solidarischen Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten der Beschwerdegegner."

D. Ebenfalls am 24. Februar 2015 verfügte die Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn, das Verfahren gestützt auf Art. 34 Abs. 1 Satz 1 (Gerichtsstand der schwersten Tat) zu übernehmen und wies damit das Überweisungsbegehren vom 20. Februar 2015 ab (BG.2015.12 act. 1.7).

E. Dagegen reichte der Beschuldigte am 27. Februar 2015 Beschwerde ein (BG.2015.12 act. 1).

"1. Die Beschwerde sei gutzuheissen, die Anerkennungsverfügung der Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn vom 09.02.2015 sowie die Abweisungsverfügung des Kantons Solothurn vom 24.02.2015 aufzuheben, das Vorprüfungsverfahren gegen den Beschwerdeführer wegen betrügerischen Konkurses, Unterlassung der Buchführung, mehrfachen Betrugs, Widerhandlung gegen das Waffengesetz bei der Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern, Abteilung 4, zu belassen und diese zu verpflichten, das Vorprüfungsverfahren wegen Anstiftung zu versuchter, qualifizierter Brandstiftung und Brandstiftung von der Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn zu übernehmen - eventuell auf die Beschwerde gegen die Anerkennungsverfügung vom 09.02.2015 nicht einzutreten, jedoch auf die Aberkennungsverfügung vom 24.02.2015 im Sinne der gestellten Anträge einzutreten."

2. Der vorliegenden Beschwerde sei die aufschiebende Wirkung zu erteilen.

3. Die Beschwerde vom 24.02.2015 sei mit der vorliegenden Beschwerde zu vereinen und das Beschwerdeverfahren unter einer Geschäftsnummer zu führen.

4. Unter solidarischen Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten der Beschwerdegegner."

Es wurde kein Schriftenwechsel durchgeführt (Art. 390 Abs. 2
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 390 Schriftliches Verfahren - 1 Wer ein Rechtsmittel ergreifen will, für welches dieses Gesetz das schriftliche Verfahren vorschreibt, hat eine Rechtsmittelschrift einzureichen.
StPO).

Auf die Ausführungen des Beschuldigten und die eingereichten Akten wird, soweit erforderlich, in den nachfolgenden rechtlichen Erwägungen Bezug genommen.

Die Beschwerdekammer zieht in Erwägung:

1.

1.1 Will eine Partei die Zuständigkeit der mit dem Strafverfahren befassten Behörde anfechten, so hat sie dieser unverzüglich die Überweisung des Falles an die zuständige Strafbehörde zu beantragen (Art. 41 Abs. 1
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 41 Anfechtung des Gerichtsstands durch die Parteien - 1 Will eine Partei die Zuständigkeit der mit dem Strafverfahren befassten Behörde anfechten, so hat sie dieser unverzüglich die Überweisung des Falles an die zuständige Strafbehörde zu beantragen.
StPO). Die mit dem Antrag befasste Behörde hat – so dies nicht bereits geschehen ist – einen Meinungsaustausch im Sinne von Art. 39 Abs. 2
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 39 Prüfung der Zuständigkeit und Einigung - 1 Die Strafbehörden prüfen ihre Zuständigkeit von Amtes wegen und leiten einen Fall wenn nötig der zuständigen Stelle weiter.
StPO einzuleiten oder direkt durch Verfügung ihre eigene Zuständigkeit zu bestätigen (TPF 2013 179 E. 1; Beschlüsse des Bundesstrafgerichts BG.2012.42 vom 23. Januar 2013, E. 1.1; BG.2012.2 vom 16. März 2012, E. 1.1).

1.2 Verfügt eine Staatsanwaltschaft, dass sie zuständig sei, so kann diejenige Partei sich innert zehn Tagen bei der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts beschweren (Art. 41 Abs. 2
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 41 Anfechtung des Gerichtsstands durch die Parteien - 1 Will eine Partei die Zuständigkeit der mit dem Strafverfahren befassten Behörde anfechten, so hat sie dieser unverzüglich die Überweisung des Falles an die zuständige Strafbehörde zu beantragen.
Satz 1 StPO i.V.m. Art. 40 Abs. 2
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 40 Gerichtsstandskonflikte - 1 Ist der Gerichtsstand unter Strafbehörden des gleichen Kantons streitig, so entscheidet die Ober- oder Generalstaatsanwaltschaft oder, wenn keine solche vorgesehen ist, die Beschwerdeinstanz dieses Kantons.17
StPO und Art. 37 Abs. 1
SR 173.71 Bundesgesetz vom 19. März 2010 über die Organisation der Strafbehörden des Bundes (Strafbehördenorganisationsgesetz, StBOG) - Strafbehördenorganisationsgesetz
StBOG Art. 37 Zuständigkeiten - 1 Die Beschwerdekammern des Bundesstrafgerichts treffen die Entscheide, für welche die StPO13 die Beschwerdeinstanz oder das Bundesstrafgericht als zuständig bezeichnet.
1    Die Beschwerdekammern des Bundesstrafgerichts treffen die Entscheide, für welche die StPO13 die Beschwerdeinstanz oder das Bundesstrafgericht als zuständig bezeichnet.
2    Sie entscheiden zudem über:
a  Beschwerden in internationalen Rechtshilfeangelegenheiten gemäss:
a1  dem Rechtshilfegesetz vom 20. März 198114,
a2  dem Bundesgesetz vom 21. Dezember 199515 über die Zusammenarbeit mit den internationalen Gerichten zur Verfolgung schwerwiegender Verletzungen des humanitären Völkerrechts,
a3  dem Bundesgesetz vom 22. Juni 200116 über die Zusammenarbeit mit dem Internationalen Strafgerichtshof,
a4  dem Bundesgesetz vom 3. Oktober 197517 zum Staatsvertrag mit den Vereinigten Staaten von Amerika über gegenseitige Rechtshilfe in Strafsachen;
b  Beschwerden, die ihnen das Bundesgesetz vom 22. März 197418 über das Verwaltungsstrafrecht zuweist;
c  Beschwerden gegen Verfügungen des Bundesverwaltungsgerichts über das Arbeitsverhältnis seiner Richter und Richterinnen und seines Personals sowie des Personals der ständigen Sekretariate der eidgenössischen Schätzungskommissionen;
d  Konflikte über die Zuständigkeit der militärischen und der zivilen Gerichtsbarkeit;
e  Anstände, die ihnen das Bundesgesetz vom 21. März 199720 über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit zum Entscheid zuweist;
f  Anstände, die ihnen das Bundesgesetz vom 7. Oktober 199421 über kriminalpolizeiliche Zentralstellen des Bundes zum Entscheid zuweist;
g  Konflikte über die Zuständigkeit nach dem Geldspielgesetz vom 29. September 201723.
StBOG), die vorbringt, ihr ordentlicher Gerichtsstand (Art. 31
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 31 Gerichtsstand des Tatortes - 1 Für die Verfolgung und Beurteilung einer Straftat sind die Behörden des Ortes zuständig, an dem die Tat verübt worden ist. Liegt nur der Ort, an dem der Erfolg der Straftat eingetreten ist, in der Schweiz, so sind die Behörden dieses Ortes zuständig.
–37 StPO i.V.m. Art. 38 Abs. 1
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 38 Bestimmung eines abweichenden Gerichtsstands - 1 Die Staatsanwaltschaften können untereinander einen anderen als den in den Artikeln 31-37 vorgesehenen Gerichtsstand vereinbaren, wenn der Schwerpunkt der deliktischen Tätigkeit oder die persönlichen Verhältnisse der beschuldigten Person es erfordern oder andere triftige Gründe vorliegen.
und Art. 41 Abs. 1
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 41 Anfechtung des Gerichtsstands durch die Parteien - 1 Will eine Partei die Zuständigkeit der mit dem Strafverfahren befassten Behörde anfechten, so hat sie dieser unverzüglich die Überweisung des Falles an die zuständige Strafbehörde zu beantragen.
StPO) werde missachtet (Art. 41 Abs. 2
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 41 Anfechtung des Gerichtsstands durch die Parteien - 1 Will eine Partei die Zuständigkeit der mit dem Strafverfahren befassten Behörde anfechten, so hat sie dieser unverzüglich die Überweisung des Falles an die zuständige Strafbehörde zu beantragen.
Satz 2 StPO).

1.3 Die Übernahme durch den Kanton Solothurn vom 9. Februar 2015 wurde vom Beschuldigten angefochten, ohne die Antwort der befassten Strafbehörde (Art. 41 Abs. 1
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 41 Anfechtung des Gerichtsstands durch die Parteien - 1 Will eine Partei die Zuständigkeit der mit dem Strafverfahren befassten Behörde anfechten, so hat sie dieser unverzüglich die Überweisung des Falles an die zuständige Strafbehörde zu beantragen.
StPO) abzuwarten (act. 1 S. 4 Ziff. 4.4; vgl. obige Lit. B–D). Mangels durchgeführten Überweisungsverfahrens nach Art. 41 Abs. 1
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 41 Anfechtung des Gerichtsstands durch die Parteien - 1 Will eine Partei die Zuständigkeit der mit dem Strafverfahren befassten Behörde anfechten, so hat sie dieser unverzüglich die Überweisung des Falles an die zuständige Strafbehörde zu beantragen.
StPO liegt demnach kein gültiges Anfechtungsobjekt für die Beschwerde BG.2015.10 vor. Nach der amtlich publizierten Rechtsprechung der Beschwerdekammer ist darauf folglich nicht einzutreten (TPF 2013 179 E. 1.1/1.2). Die Beschwerde BG.2015.10 ist offensichtlich unzulässig, ein Schriftenwechsel (Art. 390 Abs. 2
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 390 Schriftliches Verfahren - 1 Wer ein Rechtsmittel ergreifen will, für welches dieses Gesetz das schriftliche Verfahren vorschreibt, hat eine Rechtsmittelschrift einzureichen.
StPO) insoweit entbehrlich.

1.4 Auf die frist- und formgerecht erhobene Beschwerde BG.2015.12 / BP.2015.6 des Beschuldigten ist einzutreten.

2.

2.1 Der Beschuldigte anerkennt, dass der Gerichtsstand der schwersten Tat im Kanton Solothurn liege, jedoch sei dieser Gerichtsstand nicht zwingend (act. 1 S. 13 Ziff. 9.2, S. 16 Ziff. 10.2). Gemäss dem Beschuldigten hätten sich die beteiligten Staatsanwaltschaften nach Art. 38 Abs. 1
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 38 Bestimmung eines abweichenden Gerichtsstands - 1 Die Staatsanwaltschaften können untereinander einen anderen als den in den Artikeln 31-37 vorgesehenen Gerichtsstand vereinbaren, wenn der Schwerpunkt der deliktischen Tätigkeit oder die persönlichen Verhältnisse der beschuldigten Person es erfordern oder andere triftige Gründe vorliegen.
StPO unzulässigerweise verständigt (act. 1 S. 11 Ziff. 9).

Es liege ein Ermessensmissbrauch vor, da der Kanton Luzern fast wegen zwei Dritteln der vorgeworfenen Straftaten ermittle. Die Solothurner Anschuldigungen seien zudem an den Haaren herbeigezogen und stünden auf brüchigem Eis. So werde die Solothurner Zuständigkeit stossend (act. 1 S. 13 f. Ziff. 9.3.1). Da der Kanton Luzern schon seit drei Jahren untersuche, sei eine Abtretung weder prozessökonomisch noch zweckmässig, sondern unverhältnismässig und vom Ergebnis her unverantwortlich (act. 1 S. 14 Ziff. 9.3.2, S. 17 Ziff. 11.2.1/11.2.3).

Unzumutbar sei auch die mit der Abtretung einhergehende Einschränkung des Unmittelbarkeitsprinzips: Der Kanton Solothurn müsse sich auf die Luzerner Akten abstützen und zwar auch bei Zeugeneinvernahmen. Dies widerspreche dem Zweck eines Vorverfahrens (act. 1 S. 14 f. Ziff. 9.3.3). Schliesslich verletze die Übernahme das Beschleunigungsgebot und verteuere dem Beschuldigten seine Verteidigerkosten unzumutbar (act. 1 S. 15 Ziff. 9.3.4/9.3.5, S. 17 Ziff. 11.2.2, S. 19 Ziff. 12.2.3).

2.2 Der Beschuldigte legt keine triftigen Gründe oder persönlichen Verhältnisse dar (Art. 38 Abs. 1
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 38 Bestimmung eines abweichenden Gerichtsstands - 1 Die Staatsanwaltschaften können untereinander einen anderen als den in den Artikeln 31-37 vorgesehenen Gerichtsstand vereinbaren, wenn der Schwerpunkt der deliktischen Tätigkeit oder die persönlichen Verhältnisse der beschuldigten Person es erfordern oder andere triftige Gründe vorliegen.
StPO, Art. 40 Abs. 3
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 40 Gerichtsstandskonflikte - 1 Ist der Gerichtsstand unter Strafbehörden des gleichen Kantons streitig, so entscheidet die Ober- oder Generalstaatsanwaltschaft oder, wenn keine solche vorgesehen ist, die Beschwerdeinstanz dieses Kantons.17
StPO), die nach der Praxis der Beschwerdekammer eine Abweichung vom gesetzlichen Gerichtsstand rechtfertigen würden (vgl. Beschluss des Bundesstrafgerichts BG.2014.34 vom 13. Januar 2015, E. 2.2). Umso weniger überschritt die Einigung der Staatsanwaltschaften das ihnen zustehende Ermessen oder verletzte sie die gesetzliche Gerichtsstandsordnung.

Im Einzelnen kann bei nur wenigen Delikten keine Zuständigkeit aufgrund einer Deliktsmehrheit an einem Ort begründet werden (TPF 2012 66 E. 3). Ob der in Solothurn zur Zeit bestehende Tatverdacht dereinst zu einer Verurteilung führt, ist hier nicht entscheidend (vgl. Beschluss des Bundesstrafgerichts BG.2013.34 vom 21. Februar 2014, E. 3.2). Auch gebieterische prozessökonomische Gesichtspunkte fehlen. Sodann ist weder geltend gemacht, wie das Abtreten das Beschleunigungsgebot verletze, noch wie eine genügende Verteidigung verunmöglicht werde.

Soweit sich die Argumente des Beschuldigten auf das Unmittelbarkeitsprinzip berufen, richten sie sich gegen die gesetzliche Ordnung von Gerichtsstandsverfahren und liefen darauf hinaus, dass gar keine Abtretungen mehr möglich wären. Seinen Argumenten kann nicht gefolgt werden.

2.3 Insgesamt gehen die erhobenen Rügen somit fehl, weshalb die Beschwerde abzuweisen ist. Sie ist offensichtlich unbegründet (Art. 390 Abs. 2
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 390 Schriftliches Verfahren - 1 Wer ein Rechtsmittel ergreifen will, für welches dieses Gesetz das schriftliche Verfahren vorschreibt, hat eine Rechtsmittelschrift einzureichen.
StPO). Damit ist auch die beantragte aufschiebende Wirkung (act. 1 S. 21 f.) abzuweisen.

3.

3.1 Bei der Auferlegung der Gerichtskosten ist zu berücksichtigen, dass der Beschuldigte der Rechtsmittelbelehrung der Übernahme vom 9. Feb­ruar 2015 gemäss handelte. Zudem verletzte die unbegründet zugestellte Übernahme das rechtliche Gehör des Beschuldigten, falls er vor Erlass weder angehört worden wäre noch die Gerichtsstandskorrespondenzen zugestellt erhalten hätte (vgl. TPF 2013 179 E. 1.4). Vorliegend sind daher im Verfahren BG.2015.10 keine Gerichtsgebühren zu erheben.

3.2 Aufgrund seines Unterliegens in den Verfahren BG.2015.12 und BP.2015.6 hat insoweit der Beschwerdeführer die Gerichtskosten zu tragen (Art. 428 Abs. 1
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 428 Kostentragung im Rechtsmittelverfahren - 1 Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens tragen die Parteien nach Massgabe ihres Obsiegens oder Unterliegens. Als unterliegend gilt auch die Partei, auf deren Rechtsmittel nicht eingetreten wird oder die das Rechtsmittel zurückzieht.
StPO). Die Gerichtsgebühr ist auf Fr. 1'500.-- festzusetzen (Art. 73
SR 173.71 Bundesgesetz vom 19. März 2010 über die Organisation der Strafbehörden des Bundes (Strafbehördenorganisationsgesetz, StBOG) - Strafbehördenorganisationsgesetz
StBOG Art. 73 Kosten und Entschädigung - 1 Das Bundesstrafgericht regelt durch Reglement:
1    Das Bundesstrafgericht regelt durch Reglement:
a  die Berechnung der Verfahrenskosten;
b  die Gebühren;
c  die Entschädigungen an Parteien, die amtliche Verteidigung, den unentgeltlichen Rechtsbeistand, Sachverständige sowie Zeuginnen und Zeugen.
2    Die Gebühr richtet sich nach Umfang und Schwierigkeit der Sache, Art der Prozessführung und finanzieller Lage der Parteien sowie nach dem Kanzleiaufwand.
3    Es gilt ein Gebührenrahmen von 200-100 000 Franken für jedes der folgenden Verfahren:
a  Vorverfahren;
b  erstinstanzliches Verfahren;
c  Rechtsmittelverfahren.
StBOG i. V. m. Art. 5 und 8 Abs. 1 des Reglements des Bundesstrafgerichts vom 31. August 2010 über die Kosten, Gebühren und Entschädigungen in Bundesstrafverfahren [BStKR; SR 173.713.162]).

3.3 Eine amtliche Verteidigung für das Beschwerdeverfahren ist nicht beantragt (dazu BGE 137 IV 215 E. 2.3 und 2.4).

Demnach erkennt die Beschwerdekammer:

1. Die Verfahren BG.2015.10, BG.2015.12 und BP.2015.6 werden vereinigt.

2. Auf die Beschwerde im Verfahren BG.2015.10 wird nicht eingetreten.

3. Die Beschwerde bezüglich Verfahren BG.2015.12 wird abgewiesen.

4. Das Begehren um aufschiebende Wirkung im Verfahren BP.2015.6 wird abgewiesen.

5. Die Gerichtsgebühr von Fr. 1'500.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

Bellinzona, 25. März 2015

Im Namen der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Zustellung an

- Rechtsanwalt Markus Bachmann

- Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn, unter Beilage je einer Kopie der act. 1 in den Verfahren BG.2015.10 und BG.2015.12

- Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Luzern, unter Beilage je einer Kopie der act. 1 in den Verfahren BG.2015.10 und BG.2015.12

Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Entscheid ist kein ordentliches Rechtsmittel gegeben.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : BG.2015.10
Datum : 24. März 2015
Publiziert : 18. Mai 2015
Quelle : Bundesstrafgericht
Status : Unpubliziert
Sachgebiet : Beschwerdekammer: Strafverfahren
Gegenstand : Anfechtung des Gerichtsstands (Art. 41 Abs. 2 StPO).


Gesetzesregister
StBOG: 37 
SR 173.71 Bundesgesetz vom 19. März 2010 über die Organisation der Strafbehörden des Bundes (Strafbehördenorganisationsgesetz, StBOG) - Strafbehördenorganisationsgesetz
StBOG Art. 37 Zuständigkeiten - 1 Die Beschwerdekammern des Bundesstrafgerichts treffen die Entscheide, für welche die StPO13 die Beschwerdeinstanz oder das Bundesstrafgericht als zuständig bezeichnet.
1    Die Beschwerdekammern des Bundesstrafgerichts treffen die Entscheide, für welche die StPO13 die Beschwerdeinstanz oder das Bundesstrafgericht als zuständig bezeichnet.
2    Sie entscheiden zudem über:
a  Beschwerden in internationalen Rechtshilfeangelegenheiten gemäss:
a1  dem Rechtshilfegesetz vom 20. März 198114,
a2  dem Bundesgesetz vom 21. Dezember 199515 über die Zusammenarbeit mit den internationalen Gerichten zur Verfolgung schwerwiegender Verletzungen des humanitären Völkerrechts,
a3  dem Bundesgesetz vom 22. Juni 200116 über die Zusammenarbeit mit dem Internationalen Strafgerichtshof,
a4  dem Bundesgesetz vom 3. Oktober 197517 zum Staatsvertrag mit den Vereinigten Staaten von Amerika über gegenseitige Rechtshilfe in Strafsachen;
b  Beschwerden, die ihnen das Bundesgesetz vom 22. März 197418 über das Verwaltungsstrafrecht zuweist;
c  Beschwerden gegen Verfügungen des Bundesverwaltungsgerichts über das Arbeitsverhältnis seiner Richter und Richterinnen und seines Personals sowie des Personals der ständigen Sekretariate der eidgenössischen Schätzungskommissionen;
d  Konflikte über die Zuständigkeit der militärischen und der zivilen Gerichtsbarkeit;
e  Anstände, die ihnen das Bundesgesetz vom 21. März 199720 über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit zum Entscheid zuweist;
f  Anstände, die ihnen das Bundesgesetz vom 7. Oktober 199421 über kriminalpolizeiliche Zentralstellen des Bundes zum Entscheid zuweist;
g  Konflikte über die Zuständigkeit nach dem Geldspielgesetz vom 29. September 201723.
73
SR 173.71 Bundesgesetz vom 19. März 2010 über die Organisation der Strafbehörden des Bundes (Strafbehördenorganisationsgesetz, StBOG) - Strafbehördenorganisationsgesetz
StBOG Art. 73 Kosten und Entschädigung - 1 Das Bundesstrafgericht regelt durch Reglement:
1    Das Bundesstrafgericht regelt durch Reglement:
a  die Berechnung der Verfahrenskosten;
b  die Gebühren;
c  die Entschädigungen an Parteien, die amtliche Verteidigung, den unentgeltlichen Rechtsbeistand, Sachverständige sowie Zeuginnen und Zeugen.
2    Die Gebühr richtet sich nach Umfang und Schwierigkeit der Sache, Art der Prozessführung und finanzieller Lage der Parteien sowie nach dem Kanzleiaufwand.
3    Es gilt ein Gebührenrahmen von 200-100 000 Franken für jedes der folgenden Verfahren:
a  Vorverfahren;
b  erstinstanzliches Verfahren;
c  Rechtsmittelverfahren.
StPO: 31 
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 31 Gerichtsstand des Tatortes - 1 Für die Verfolgung und Beurteilung einer Straftat sind die Behörden des Ortes zuständig, an dem die Tat verübt worden ist. Liegt nur der Ort, an dem der Erfolg der Straftat eingetreten ist, in der Schweiz, so sind die Behörden dieses Ortes zuständig.
34 
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 34 - 1 Hat eine beschuldigte Person mehrere Straftaten an verschiedenen Orten verübt, so sind für die Verfolgung und Beurteilung sämtlicher Taten die Behörden des Ortes zuständig, an dem die mit der schwersten Strafe bedrohte Tat begangen worden ist. Bei gleicher Strafdrohung sind die Behörden des Ortes zuständig, an dem zuerst Verfolgungshandlungen vorgenommen worden sind.
38 
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 38 Bestimmung eines abweichenden Gerichtsstands - 1 Die Staatsanwaltschaften können untereinander einen anderen als den in den Artikeln 31-37 vorgesehenen Gerichtsstand vereinbaren, wenn der Schwerpunkt der deliktischen Tätigkeit oder die persönlichen Verhältnisse der beschuldigten Person es erfordern oder andere triftige Gründe vorliegen.
39 
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 39 Prüfung der Zuständigkeit und Einigung - 1 Die Strafbehörden prüfen ihre Zuständigkeit von Amtes wegen und leiten einen Fall wenn nötig der zuständigen Stelle weiter.
40 
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 40 Gerichtsstandskonflikte - 1 Ist der Gerichtsstand unter Strafbehörden des gleichen Kantons streitig, so entscheidet die Ober- oder Generalstaatsanwaltschaft oder, wenn keine solche vorgesehen ist, die Beschwerdeinstanz dieses Kantons.17
41 
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 41 Anfechtung des Gerichtsstands durch die Parteien - 1 Will eine Partei die Zuständigkeit der mit dem Strafverfahren befassten Behörde anfechten, so hat sie dieser unverzüglich die Überweisung des Falles an die zuständige Strafbehörde zu beantragen.
390 
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 390 Schriftliches Verfahren - 1 Wer ein Rechtsmittel ergreifen will, für welches dieses Gesetz das schriftliche Verfahren vorschreibt, hat eine Rechtsmittelschrift einzureichen.
428
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 428 Kostentragung im Rechtsmittelverfahren - 1 Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens tragen die Parteien nach Massgabe ihres Obsiegens oder Unterliegens. Als unterliegend gilt auch die Partei, auf deren Rechtsmittel nicht eingetreten wird oder die das Rechtsmittel zurückzieht.
BGE Register
137-IV-215
Stichwortregister
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TPF 2012 66 • TPF 2013 179
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BG.2012.42 • BG.2013.34 • BG.2014.34 • BG.2015.12 • BG.2015.10 • BP.2015.6 • BG.2012.2