Tribunal federal
{T 0/2}
5P.267/2003 /bmt
Urteil vom 23. September 2003
II. Zivilabteilung
Besetzung
Bundesrichter Raselli, Präsident,
Bundesrichterinnen Escher, Hohl,
Gerichtsschreiber Zbinden.
Parteien
X.________ AG, Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Urs Lichtsteiner, Baarerstrasse 10, 6304 Zug,
gegen
Y.________ GmbH, Beschwerdegegnerin, vertreten durch Rechtsanwalt Oliver Willimann, Grossmünsterplatz 9, 8001 Zürich,
Obergericht des Kantons Zug, Justizkommission, Aabachstrasse 3, 6301 Zug.
Gegenstand
Art. 5
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 5 Grundsätze rechtsstaatlichen Handelns - 1 Grundlage und Schranke staatlichen Handelns ist das Recht. |
|
1 | Grundlage und Schranke staatlichen Handelns ist das Recht. |
2 | Staatliches Handeln muss im öffentlichen Interesse liegen und verhältnismässig sein. |
3 | Staatliche Organe und Private handeln nach Treu und Glauben. |
4 | Bund und Kantone beachten das Völkerrecht. |
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 9 Schutz vor Willkür und Wahrung von Treu und Glauben - Jede Person hat Anspruch darauf, von den staatlichen Organen ohne Willkür und nach Treu und Glauben behandelt zu werden. |
Staatsrechtliche Beschwerde gegen das Urteil
des Obergerichts des Kantons Zug, Justizkommission, vom 5. Juni 2003.
Sachverhalt:
A.
Am 29. April 2003 eröffnete der Konkursrichter beim Kantonsgerichtspräsidium Zug in der ordentlichen Betreibung Nr. 11151 des Betreibungsamtes Zug auf Begehren der Y.________ GmbH für den Betrag von Fr. 27'884.70 (einschliesslich Zinsen und Kosten) den Konkurs über das Vermögen der X.________ AG mit Sitz in Zug. Die Gerichtsgebühr von Fr. 100.-- wurde der Gesuchstellerin in Verrechnung mir ihrem Vorschuss auferlegt, welcher Betrag ihr die Konkursitin zu vergüten habe.
B.
Gegen dieses Konkurserkenntnis reichte die X.________ AG Beschwerde bei der Justizkommission des Obergerichts des Kantons Zug (nachfolgend: Justizkommission) ein. Der Vorsitzende der Justizkommission gewährte der Beschwerde einstweilen von Amtes wegen aufschiebende Wirkung. Innert der richterlichen Nachfrist von fünf Tagen reichte die X.________ AG die verlangten Unterlagen zu ihrer Zahlungsfähigkeit ein. Der Vorschuss von Fr. 800.-- zur Deckung der Kosten des Beschwerdeverfahrens und sowie zur Sicherstellung der aufgelaufenen Kosten des Konkursamtes überwies sie fristgerecht. Die Y.________ GmbH hielt in ihrer Beschwerdeantwort fest, dass das Konkursamt ihr den Eingang ihrer Forderung samt Zinsen und Kosten, ausschliesslich der Gerichtsgebühr von Fr. 100.--, bestätigt habe. Infolgedessen verzichte sie gemäss Art. 174 Abs. 2 Ziff. 3
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) SchKG Art. 174 - 1 Der Entscheid des Konkursgerichtes kann innert zehn Tagen mit Beschwerde nach der ZPO344 angefochten werden. Die Parteien können dabei neue Tatsachen geltend machen, wenn diese vor dem erstinstanzlichen Entscheid eingetreten sind. |
|
1 | Der Entscheid des Konkursgerichtes kann innert zehn Tagen mit Beschwerde nach der ZPO344 angefochten werden. Die Parteien können dabei neue Tatsachen geltend machen, wenn diese vor dem erstinstanzlichen Entscheid eingetreten sind. |
2 | Die Rechtsmittelinstanz kann die Konkurseröffnung aufheben, wenn der Schuldner seine Zahlungsfähigkeit glaubhaft macht und durch Urkunden beweist, dass inzwischen: |
1 | die Schuld, einschliesslich der Zinsen und Kosten, getilgt ist; |
2 | der geschuldete Betrag beim oberen Gericht zuhanden des Gläubigers hinterlegt ist; oder |
3 | der Gläubiger auf die Durchführung des Konkurses verzichtet. |
3 | Gewährt sie der Beschwerde aufschiebende Wirkung, so trifft sie gleichzeitig die zum Schutz der Gläubiger notwendigen vorsorglichen Massnahmen. |
Mit Urteil vom 5. Juni 2003 wies die Justizkommission die Beschwerde der X.________ AG ab und setzte den Zeitpunkt der Konkurseröffnung gleichentags auf 16.30 Uhr fest.
C.
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts trat auf die von der X.________ AG dagegen erhobene Beschwerde mit Entscheid vom 30. Juni 2003 nicht ein (7B.149/2003).
D.
Die X.________ AG ist daraufhin mit staatsrechtlicher Beschwerde erneut an das Bundesgericht gelangt. Sie beantragt, das Urteil des Obergerichts des Kantons Zug vom 5. Juni 2003 aufzuheben. Die Justizkommission schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Die Y.________ GmbH hat sich nicht vernehmen lassen. Der Präsident der II. Zivilabteilung hat der staatsrechtlichen Beschwerde am 3. September 2003 antragsgemäss die aufschiebende Wirkung zuerkannt.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Gegen das letztinstanzliche Konkurserkenntnis ist ausschliesslich die staatsrechtliche Beschwerde gegeben (BGE 119 III 49 E. 2 mit Hinweis).
2.
Die Beschwerdeführerin wirft dem Obergericht die Verletzung der Grundsätze rechtsstaatlichen Handelns (Art. 5 Abs. 3
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 5 Grundsätze rechtsstaatlichen Handelns - 1 Grundlage und Schranke staatlichen Handelns ist das Recht. |
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1 | Grundlage und Schranke staatlichen Handelns ist das Recht. |
2 | Staatliches Handeln muss im öffentlichen Interesse liegen und verhältnismässig sein. |
3 | Staatliche Organe und Private handeln nach Treu und Glauben. |
4 | Bund und Kantone beachten das Völkerrecht. |
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 9 Schutz vor Willkür und Wahrung von Treu und Glauben - Jede Person hat Anspruch darauf, von den staatlichen Organen ohne Willkür und nach Treu und Glauben behandelt zu werden. |
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) SchKG Art. 174 - 1 Der Entscheid des Konkursgerichtes kann innert zehn Tagen mit Beschwerde nach der ZPO344 angefochten werden. Die Parteien können dabei neue Tatsachen geltend machen, wenn diese vor dem erstinstanzlichen Entscheid eingetreten sind. |
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1 | Der Entscheid des Konkursgerichtes kann innert zehn Tagen mit Beschwerde nach der ZPO344 angefochten werden. Die Parteien können dabei neue Tatsachen geltend machen, wenn diese vor dem erstinstanzlichen Entscheid eingetreten sind. |
2 | Die Rechtsmittelinstanz kann die Konkurseröffnung aufheben, wenn der Schuldner seine Zahlungsfähigkeit glaubhaft macht und durch Urkunden beweist, dass inzwischen: |
1 | die Schuld, einschliesslich der Zinsen und Kosten, getilgt ist; |
2 | der geschuldete Betrag beim oberen Gericht zuhanden des Gläubigers hinterlegt ist; oder |
3 | der Gläubiger auf die Durchführung des Konkurses verzichtet. |
3 | Gewährt sie der Beschwerde aufschiebende Wirkung, so trifft sie gleichzeitig die zum Schutz der Gläubiger notwendigen vorsorglichen Massnahmen. |
2.1 Das Obergericht ist zum Schluss gelangt, dass die in Betreibung gesetzte Schuld von der Beschwerdeführerin nicht vollständig getilgt worden sei und die Gläubigerin auf die Durchführung des Konkurses erst nach Ablauf der Beschwerdefrist verzichtet habe. Da mithin kein zulässiges Novum im Sinne von Art. 174 Abs. 2
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) SchKG Art. 174 - 1 Der Entscheid des Konkursgerichtes kann innert zehn Tagen mit Beschwerde nach der ZPO344 angefochten werden. Die Parteien können dabei neue Tatsachen geltend machen, wenn diese vor dem erstinstanzlichen Entscheid eingetreten sind. |
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1 | Der Entscheid des Konkursgerichtes kann innert zehn Tagen mit Beschwerde nach der ZPO344 angefochten werden. Die Parteien können dabei neue Tatsachen geltend machen, wenn diese vor dem erstinstanzlichen Entscheid eingetreten sind. |
2 | Die Rechtsmittelinstanz kann die Konkurseröffnung aufheben, wenn der Schuldner seine Zahlungsfähigkeit glaubhaft macht und durch Urkunden beweist, dass inzwischen: |
1 | die Schuld, einschliesslich der Zinsen und Kosten, getilgt ist; |
2 | der geschuldete Betrag beim oberen Gericht zuhanden des Gläubigers hinterlegt ist; oder |
3 | der Gläubiger auf die Durchführung des Konkurses verzichtet. |
3 | Gewährt sie der Beschwerde aufschiebende Wirkung, so trifft sie gleichzeitig die zum Schutz der Gläubiger notwendigen vorsorglichen Massnahmen. |
2.2 Nach Ansicht der Beschwerdeführerin durfte sie sich auf die Auskunft des Konkursamtes über die Höhe der Schuld einschliesslich Zinsen und Kosten verlassen und davon ausgehen, dass sie den Betrag vollständig getilgt hatte. Dass sie sich über den Ausstand der erstinstanzlichen Gerichtskosten über Fr. 100.-- im Irrtum befunden habe, sei für das Obergericht offensichtlich gewesen. Darum hätte es ihr die Möglichkeit geben müssen, diesen geringen Fehlbetrag zu überweisen, um den nicht wieder gutzumachenden Nachteil eines Konkurses zu verhindern. Zudem hätte der nicht benötigte Vorschuss für das Beschwerdeverfahren von Fr. 400.-- auch auf die Gebühr des Konkurserkenntnisses angerechnet werden können.
2.3 Zu den Grundsätzen rechtsstaatlichen Handelns gehört unter andrem die Verpflichtung der staatlichen Organe, nach Treu und Glauben zu handeln (Art. 5 Abs. 3
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 5 Grundsätze rechtsstaatlichen Handelns - 1 Grundlage und Schranke staatlichen Handelns ist das Recht. |
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1 | Grundlage und Schranke staatlichen Handelns ist das Recht. |
2 | Staatliches Handeln muss im öffentlichen Interesse liegen und verhältnismässig sein. |
3 | Staatliche Organe und Private handeln nach Treu und Glauben. |
4 | Bund und Kantone beachten das Völkerrecht. |
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 5 Grundsätze rechtsstaatlichen Handelns - 1 Grundlage und Schranke staatlichen Handelns ist das Recht. |
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1 | Grundlage und Schranke staatlichen Handelns ist das Recht. |
2 | Staatliches Handeln muss im öffentlichen Interesse liegen und verhältnismässig sein. |
3 | Staatliche Organe und Private handeln nach Treu und Glauben. |
4 | Bund und Kantone beachten das Völkerrecht. |
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 9 Schutz vor Willkür und Wahrung von Treu und Glauben - Jede Person hat Anspruch darauf, von den staatlichen Organen ohne Willkür und nach Treu und Glauben behandelt zu werden. |
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 9 Schutz vor Willkür und Wahrung von Treu und Glauben - Jede Person hat Anspruch darauf, von den staatlichen Organen ohne Willkür und nach Treu und Glauben behandelt zu werden. |
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 5 Grundsätze rechtsstaatlichen Handelns - 1 Grundlage und Schranke staatlichen Handelns ist das Recht. |
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1 | Grundlage und Schranke staatlichen Handelns ist das Recht. |
2 | Staatliches Handeln muss im öffentlichen Interesse liegen und verhältnismässig sein. |
3 | Staatliche Organe und Private handeln nach Treu und Glauben. |
4 | Bund und Kantone beachten das Völkerrecht. |
(Rohner in: Ehrenzeller/Mastronardi/Schweizer/Vallender [Hrsg.], Die schweizerische Bundesverfassung, St. Galler Kommentar, N. 44 zu Art. 9
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 9 Schutz vor Willkür und Wahrung von Treu und Glauben - Jede Person hat Anspruch darauf, von den staatlichen Organen ohne Willkür und nach Treu und Glauben behandelt zu werden. |
2.4 Im vorliegenden Fall beruft sich die Beschwerdeführerin nämlich auf beide verfassungsmässigen Grundsätze. Ob die vom Konkursamt erteilten Angaben unrichtig bzw. unvollständig waren, wie sie vorbringt, und ob es die zuständige Behörde für die Auskunft über die Gerichtskosten ist, kann letztlich offen bleiben. Immerhin sei bemerkt, dass der Konkursrichter die Gerichtsgebühr von Fr. 100.-- in Anwendung von Art. 169 Abs. 1
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) SchKG Art. 169 - 1 Wer das Konkursbegehren stellt, haftet für die Kosten, die bis und mit der Einstellung des Konkurses mangels Aktiven (Art. 230) oder bis zum Schuldenruf (Art. 232) entstehen.331 |
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1 | Wer das Konkursbegehren stellt, haftet für die Kosten, die bis und mit der Einstellung des Konkurses mangels Aktiven (Art. 230) oder bis zum Schuldenruf (Art. 232) entstehen.331 |
2 | Das Gericht kann von dem Gläubiger einen entsprechenden Kostenvorschuss verlangen. |
Beschwerdeführerin ohnehin eine Nachfrist zur Einreichung weiterer Unterlagen hinsichtlich der Zahlungsfähigkeit und zur Leistung eines Kostenvorschusses ansetzte, hätte es sie bei dieser Gelegenheit auch noch auf den Ausstand von Fr. 100.-- aufmerksam machen können. Das Stillschweigen des Obergerichts widerspricht somit dem Grundsatz der Verfahrensfairness (Rohner, a.a.O., N. 55 zu Art. Art. 9
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 9 Schutz vor Willkür und Wahrung von Treu und Glauben - Jede Person hat Anspruch darauf, von den staatlichen Organen ohne Willkür und nach Treu und Glauben behandelt zu werden. |
3.
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde gutzuheissen und das angefochtene Urteil aufzuheben. Ungeachtet dem Verfahrensausgang werden keine Kosten erhoben (Art. 156 Abs. 2
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 9 Schutz vor Willkür und Wahrung von Treu und Glauben - Jede Person hat Anspruch darauf, von den staatlichen Organen ohne Willkür und nach Treu und Glauben behandelt zu werden. |
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 9 Schutz vor Willkür und Wahrung von Treu und Glauben - Jede Person hat Anspruch darauf, von den staatlichen Organen ohne Willkür und nach Treu und Glauben behandelt zu werden. |
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die staatsrechtliche Beschwerde wird gutgeheissen und das Urteil des Obergerichts des Kantons Zug, Justizkommission, vom 5. Juni 2003 aufgehoben.
2.
Es werden keine Kosten erhoben.
3.
Der Kanton Zug hat die Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'000.-- zu entschädigen.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zug, Justizkommission, sowie dem Konkursamt des Kantons Zug schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 23. September 2003
Im Namen der II. Zivilabteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: