Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
6B 342/2011

Urteil vom 23. August 2011
Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Mathys, Präsident,
Bundesrichter Schneider,
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari,
Gerichtsschreiberin Pasquini.

Verfahrensbeteiligte
X.________, vertreten durch Rechtsanwalt Hans Ludwig Müller,
Beschwerdeführer,

gegen

1. Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau,
Frey-Herosé-Strasse 12, Wielandhaus, 5001 Aarau,
2. A.________,
Beschwerdegegnerinnen.

Gegenstand
Wiederaufnahme des Verfahrens (mehrfache Vergewaltigung usw.); Willkür, rechtliches Gehör,

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau, Strafgericht, 1. Kammer, vom 7. April 2011.

Sachverhalt:

A.
Das Bezirksgericht Baden sprach X.________ am 7. Oktober 2009 der mehrfachen Vergewaltigung und der mehrfachen sexuellen Nötigung schuldig. Es verurteilte ihn zu einer Freiheitsstrafe von dreieinhalb Jahren. Mangels schweizerischer Strafhoheit stellte es das Strafverfahren bezüglich der Auslandtaten ein.
Das Obergericht des Kantons Aargau bestätigte am 27. Mai 2010 auf Berufung von X.________ hin das erstinstanzliche Urteil. Es gelangte zum Schluss, er habe vom 29. November 2006 bis zum 3. Juli 2007 seine damalige Ehefrau (nachfolgend: Beschwerdegegnerin 2) fast täglich unter Anwendung von Drohungen und Gewalt zur Duldung des Beischlafs respektiv zu beischlafsähnlichen oder anderen sexuellen Handlungen genötigt. Es stützte sich dabei auf die ihn belastenden Aussagen der Beschwerdegegnerin 2. Das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau ist unangefochten in Rechtskraft erwachsen.

B.
Das Wiederaufnahmegesuch von X.________ vom 4. März 2011 wies das Obergericht des Kantons Aargau am 7. April 2011 ab.

C.
X.________ führt Beschwerde in Strafsachen. Er beantragt, das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau vom 7. April 2011 sei aufzuheben, und sein Wiederaufnahmegesuch sei gutzuheissen. Eventualiter sei die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Seiner Beschwerde sei die aufschiebende Wirkung zu erteilen. Ferner sei ihm die unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung zu gewähren.

Erwägungen:

1.
1.1 Gemäss Art. 385
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 385 - Die Kantone haben gegenüber Urteilen, die auf Grund dieses oder eines andern Bundesgesetzes ergangen sind, wegen erheblicher Tatsachen oder Beweismittel, die dem Gericht zur Zeit des früheren Verfahrens nicht bekannt waren, die Wiederaufnahme des Verfahrens zu Gunsten des Verurteilten zu gestatten.
StGB ("Wiederaufnahme des Verfahrens") haben die Kantone gegenüber Urteilen, die aufgrund des Strafgesetzbuches oder eines anderen Bundesgesetzes ergangen sind, wegen erheblicher Tatsachen oder Beweismittel, die dem Gericht zur Zeit des früheren Verfahrens nicht bekannt waren, die Wiederaufnahme des Verfahrens zu Gunsten des Verurteilten zu gestatten. Diese Bestimmung entspricht Art. 397 aStGB. Insofern bleibt die hierzu ergangene Rechtsprechung massgeblich.
Vorliegend stellt sich hinsichtlich des anwendbaren Prozessrechts die Frage, ob die Strafprozessordnung des Kantons Aargau (aStPO/AG; SAR 251.100, in Kraft bis zum 31. Dezember 2010) oder die Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (StPO; SR 312.0) anwendbar ist. Gemäss Art. 453 Abs. 1
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 453 Vor Inkrafttreten dieses Gesetzes gefällte Entscheide - 1 Ist ein Entscheid vor Inkrafttreten dieses Gesetzes gefällt worden, so werden Rechtsmittel dagegen nach bisherigem Recht, von den bisher zuständigen Behörden, beurteilt.
1    Ist ein Entscheid vor Inkrafttreten dieses Gesetzes gefällt worden, so werden Rechtsmittel dagegen nach bisherigem Recht, von den bisher zuständigen Behörden, beurteilt.
2    Wird ein Verfahren von der Rechtsmittelinstanz oder vom Bundesgericht zur neuen Beurteilung zurückgewiesen, so ist neues Recht anwendbar. Die neue Beurteilung erfolgt durch die Behörde, die nach diesem Gesetz für den aufgehobenen Entscheid zuständig gewesen wäre.
StPO werden Rechtsmittel gegen Entscheide, die vor Inkrafttreten der StPO gefällt wurden nach bisherigem Recht, von den bisher zuständigen Behörden, beurteilt (zur Problematik dieser Bestimmung bei Revisionen 6B 186/2011 vom 10. Juni 2011 E. 2.3 mit Hinweis). Die Frage des anwendbaren Rechts kann hier indes offenbleiben, da weder nach der kantonalen (§ 230 Abs. 1 Ziff. 1 aStPO/AG) noch der Schweizerischen StPO (siehe Art. 410
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 410 Zulässigkeit und Revisionsgründe - 1 Wer durch ein rechtskräftiges Urteil, einen Strafbefehl, einen nachträglichen richterlichen Entscheid oder einen Entscheid im selbstständigen Massnahmenverfahren beschwert ist, kann die Revision verlangen, wenn:
1    Wer durch ein rechtskräftiges Urteil, einen Strafbefehl, einen nachträglichen richterlichen Entscheid oder einen Entscheid im selbstständigen Massnahmenverfahren beschwert ist, kann die Revision verlangen, wenn:
a  neue, vor dem Entscheid eingetretene Tatsachen oder neue Beweismittel vorliegen, die geeignet sind, einen Freispruch, eine wesentlich mildere oder wesentlich strengere Bestrafung der verurteilten Person oder eine Verurteilung der freigesprochenen Person herbeizuführen;
b  der Entscheid mit einem späteren Strafentscheid, der den gleichen Sachverhalt betrifft, in unverträglichem Widerspruch steht;
c  sich in einem anderen Strafverfahren erweist, dass durch eine strafbare Handlung auf das Ergebnis des Verfahrens eingewirkt worden ist; eine Verurteilung ist nicht erforderlich; ist das Strafverfahren nicht durchführbar, so kann der Beweis auf andere Weise erbracht werden.
2    Die Revision wegen Verletzung der Konvention vom 4. November 1950271 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) kann verlangt werden, wenn:
a  der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in einem endgültigen Urteil (Art. 44 EMRK) festgestellt hat, dass die EMRK oder die Protokolle dazu verletzt worden sind, oder den Fall durch eine gütliche Einigung (Art. 39 EMRK) abgeschlossen hat;
b  eine Entschädigung nicht geeignet ist, die Folgen der Verletzung auszugleichen; und
c  die Revision notwendig ist, um die Verletzung zu beseitigen.
3    Die Revision zugunsten der verurteilten Person kann auch nach Eintritt der Verjährung verlangt werden.
4    Beschränkt sich die Revision auf Zivilansprüche, so ist sie nur zulässig, wenn das am Gerichtsstand anwendbare Zivilprozessrecht eine Revision gestatten würde.
StPO) ein Revisionsgrund vorliegt.

1.2 Auf das Schreiben mit dem Titel "freiwillige Aussage für X.________" von Z.________ vom 24. Juni 2011 ist nicht einzutreten (act. 9). Dieser legt weder dar noch ist ersichtlich, dass er zur Beschwerde an das Bundesgericht bzw. zu einer Eingabe im vorliegenden Verfahren legitimiert sein könnte oder über eine entsprechende Vollmacht des Beschwerdeführers verfügt.

2.
2.1 Der Beschwerdeführer rügt die Verletzung von Art. 385
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 385 - Die Kantone haben gegenüber Urteilen, die auf Grund dieses oder eines andern Bundesgesetzes ergangen sind, wegen erheblicher Tatsachen oder Beweismittel, die dem Gericht zur Zeit des früheren Verfahrens nicht bekannt waren, die Wiederaufnahme des Verfahrens zu Gunsten des Verurteilten zu gestatten.
StGB und des Anspruchs auf ein faires Verfahren nach Art. 29 Abs. 1
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 29 Allgemeine Verfahrensgarantien - 1 Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung sowie auf Beurteilung innert angemessener Frist.
1    Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung sowie auf Beurteilung innert angemessener Frist.
2    Die Parteien haben Anspruch auf rechtliches Gehör.
3    Jede Person, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, hat Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege, wenn ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint. Soweit es zur Wahrung ihrer Rechte notwendig ist, hat sie ausserdem Anspruch auf unentgeltlichen Rechtsbeistand.
BV. Er macht zusammengefasst geltend, die Vorinstanz unterlasse es, im Rahmen der in einem Wiederaufnahmeverfahren vorzunehmenden Gesamtwürdigung die von ihm geltend gemachten, früher festgestellten Tatsachen mitzuberücksichtigen. Mit seinen Vorbringen, welche Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Beschwerdegegnerin 2 und an der Glaubhaftigkeit ihrer Aussagen aufkommen lassen, setze sich die Vorinstanz nicht auseinander. Dadurch verletze sie seinen Anspruch auf rechtliches Gehör. Indem sie dem Umstand, dass die Beschwerdegegnerin 2 im ursprünglichen Strafverfahren falsch ausgesagt habe, keine Bedeutung zumesse, verletze sie ausserdem das Willkürverbot (Art. 9
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 9 Schutz vor Willkür und Wahrung von Treu und Glauben - Jede Person hat Anspruch darauf, von den staatlichen Organen ohne Willkür und nach Treu und Glauben behandelt zu werden.
BV) (Beschwerde S. 12 ff.).

2.2 Der Beschwerdeführer macht weiter geltend, die Vorinstanz verletze mit den Ausführungen zur Frage, ob das Urteil im Scheidungsverfahren zwischen der Beschwerdegegnerin 2 und ihm ein neues Beweismittel sei, seine Ansprüche auf rechtliches Gehör und auf ein faires Verfahren. Den Akten des ursprünglichen Strafverfahrens sei nicht zu entnehmen, dass sich die Richter mit dem Umstand befasst hätten, dass im Scheidungsurteil die ihm vorgeworfenen Sexualdelikte nicht erwähnt seien (Beschwerde S. 14). Die Vorinstanz gehe bei den neu eingereichten Urkunden aus dem Scheidungsverfahren zu Recht von neuen Beweismitteln aus. Die Tatsache, dass die Sexualdelikte weder im Scheidungsurteil noch in den weiteren Akten des Scheidungsverfahrens erwähnt seien, schaffe mit den von ihm vorgebrachten früheren Tatsachen unüberwindbare Zweifel an der Richtigkeit des ihn verurteilenden Entscheids und sei geeignet, ein für ihn günstigeres Urteil herbeizuführen. Die Vorinstanz verneine dies, womit sie Art. 385
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 385 - Die Kantone haben gegenüber Urteilen, die auf Grund dieses oder eines andern Bundesgesetzes ergangen sind, wegen erheblicher Tatsachen oder Beweismittel, die dem Gericht zur Zeit des früheren Verfahrens nicht bekannt waren, die Wiederaufnahme des Verfahrens zu Gunsten des Verurteilten zu gestatten.
StGB und das Willkürverbot verletze (Beschwerde S. 11 f. und S. 15).

3.
3.1 Die Vorinstanz erwägt, der Beschwerdeführer lege in seinem Wiederaufnahmegesuch früher festgestellte Tatsachen dar. Es handle sich dabei weder um neue Tatsachen noch um neue Beweismittel. So habe er schon im Berufungsverfahren geltend gemacht, die Beschwerdegegnerin 2 sei entgegen ihren Aussagen im Strafverfahren bereits verheiratet gewesen. Das Obergericht habe davon Kenntnis gehabt und im Strafurteil vom 27. Mai 2010 hierzu auch ausgeführt, dies zeige zwar, dass die Beschwerdegegnerin 2 ebenfalls nicht immer geneigt sei, die ganze Wahrheit zu sagen, vermöge indes nichts daran zu ändern, dass ihre Aussagen bezüglich des Kerngeschehens glaubhaft seien (angefochtenes Urteil S. 6).

3.2 Die Vorinstanz führt aus, die vom Beschwerdeführer eingereichten Urkunden aus dem Scheidungsverfahren zwischen ihm und der Beschwerdegegnerin 2 hätten - ausser dem Scheidungsurteil - den Richtern im ursprünglichen Strafverfahren nicht vorgelegen. Diese neuen Beweismittel seien jedoch weder für sich alleine noch im Zusammenhang mit den früher festgestellten Tatsachen geeignet, die tatsächlichen Grundlagen des Strafurteils zu erschüttern. So liessen die Vollmachten an die Rechtsvertreter keine Rückschlüsse darüber zu, ob die Beschwerdegegnerin 2 im Strafverfahren die Wahrheit gesagt habe. Das gemeinsame Scheidungsbegehren beinhalte - ähnlich wie das Scheidungsurteil - Hinweise auf Störungen der ehelichen Beziehung. Vergewaltigungen seien darin nicht erwähnt, auch nicht im Protokoll der Hauptverhandlung beim Scheidungsgericht. Allerdings seien an dieser Verhandlung lediglich die Rechtsvertreter anwesend gewesen. Gemäss serbischem Recht seien bei einer einvernehmlichen Scheidung, wie vorliegend, Vorwürfe wie Vergewaltigungen nicht Verfahrensgegenstand. Das Gericht habe sich einzig vom Scheidungswillen bzw. der Akzeptanz der schriftlichen Vereinbarung zu überzeugen gehabt. Es sei nicht ersichtlich, inwiefern das Nichterwähnen der
Vergewaltigungen in den neuen Beweismitteln geeignet sei, die tatsächlichen Grundlagen des Strafurteils des Obergerichts vom 27. Mai 2010 so zu erschüttern, dass ein Freispruch oder eine erheblich geringere Bestrafung ernsthaft möglich scheine. Die Aussagen der Beschwerdegegnerin 2 seien bezüglich des Kerngeschehens nach wie vor glaubhaft, weshalb das Strafurteil auch in Kenntnis der neuen Beweismittel nicht anders ausgefallen wäre. Gesamthaft bestünden keine neuen Tatsachen oder Beweismittel, die geeignet seien, Zweifel an der Richtigkeit des Strafurteils zu begründen (angefochtenes Urteil S. 8 f.).

4.
Die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs ist unbegründet (Beschwerde S. 13 ff.), soweit sie den Begründungsanforderungen überhaupt zu genügen vermag (Art. 106 Abs. 2
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 106 Rechtsanwendung - 1 Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an.
1    Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an.
2    Es prüft die Verletzung von Grundrechten und von kantonalem und interkantonalem Recht nur insofern, als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und begründet worden ist.
BGG; BGE 136 II 304 E. 2.5 mit Hinweisen). Die Vorinstanz setzt sich mit den massgeblichen Vorbringen des Beschwerdeführers auseinander, speziell auch mit der Frage, ob es sich beim Scheidungsurteil um ein neues Beweismittel bzw. beim Umstand, dass darin keine Vergewaltigungen erwähnt sind, um eine neue Tatsache handelt (angefochtenes Urteil S. 6 ff.; Wiederaufnahmegesuch vom 4. März 2011). Sie war nicht gehalten, zu jedem Einzelnen seiner Einwände, wie die seitenweise zitierten Aussagen der Beschwerdegegnerin 2 und seinen diesbezüglichen Interpretationen, Stellung zu nehmen. Sie durfte sich auf die für den Entscheid massgeblichen Punkte beschränken (BGE 136 I 229 E. 5.2 S. 236 mit Hinweisen). Im Umstand, dass die Vorinstanz anderer Auffassung ist als der Beschwerdeführer und sie die Aussagen der Beschwerdegegnerin 2 zum Kerngeschehen als glaubhaft erachtet, liegt keine Verweigerung des rechtlichen Gehörs.

5.
5.1 Revisionsrechtlich ist eine Tatsache neu, wenn sie bereits im Urteilszeitpunkt vorgelegen hat, dem Gericht jedoch nicht bekannt war (BGE 130 IV 72 E. 1 S. 73; 116 IV 353 E. 3a). Neu sind Beweismittel, wenn sie dem Richter nicht zur Kenntnis gelangt sind, nicht aber, wenn er deren Tragweite falsch gewürdigt hat. Selbst Tatsachen oder Beweismittel, die aus den Akten oder Verhandlungen hervorgehen, können neu sein, wenn sie dem Gericht unbekannt geblieben sind. Voraussetzung ist allerdings, dass der Richter im Falle ihrer Kenntnis anders entschieden hätte und dass sein Entscheid auf Unkenntnis und nicht auf Willkür beruht (BGE 122 IV 66 E. 2b). Neue Tatsachen oder Beweismittel sind erheblich, wenn sie geeignet sind, die Beweisgrundlage des früheren Urteils so zu erschüttern, dass aufgrund des veränderten Sachverhalts ein wesentlich milderes Urteil möglich ist (BGE 130 IV 72 E. 1).

5.2 Rechtsfrage ist, ob die letzte kantonale Instanz von den richtigen Begriffen der "neuen Tatsache", des "neuen Beweismittels" und deren "Erheblichkeit" im Sinne von Art. 385
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 385 - Die Kantone haben gegenüber Urteilen, die auf Grund dieses oder eines andern Bundesgesetzes ergangen sind, wegen erheblicher Tatsachen oder Beweismittel, die dem Gericht zur Zeit des früheren Verfahrens nicht bekannt waren, die Wiederaufnahme des Verfahrens zu Gunsten des Verurteilten zu gestatten.
StGB ausgegangen ist. Ob eine Tatsache oder ein Beweismittel neu ist, ist eine Tatfrage. Ebenso, ob eine neue Tatsache oder ein neues Beweismittel geeignet ist, die tatsächlichen Grundlagen des zu revidierenden Urteils zu erschüttern. Rechtsfrage ist dagegen, ob die voraussichtliche Veränderung der tatsächlichen Grundlagen zu einem für den Verurteilten günstigeren Urteil führen kann (BGE 130 IV 72 E. 1 S. 73 mit Hinweisen).

6.
6.1 Der Beschwerdeführer legte seinem Wiederaufnahmegesuch Urkunden aus dem Scheidungsverfahren beim Amtsgericht Bujanovac (Republik Serbien) zwischen ihm und der Beschwerdegegnerin 2 bei. Es sind dies das Scheidungsurteil, die Vollmacht der Beschwerdegegnerin 2 an ihren bzw. die des Beschwerdeführers an seinen Rechtsanwalt sowie das Protokoll der Scheidungsverhandlung, jeweils mit den deutschen Übersetzungen (vorinstanzliche Akten, Gesuchsbeilagen 1a, 2a, 3a und 4a). Unbestritten ist, dass es sich - ausser beim Scheidungsurteil - um neue Beweismittel im Sinne von Art. 385
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 385 - Die Kantone haben gegenüber Urteilen, die auf Grund dieses oder eines andern Bundesgesetzes ergangen sind, wegen erheblicher Tatsachen oder Beweismittel, die dem Gericht zur Zeit des früheren Verfahrens nicht bekannt waren, die Wiederaufnahme des Verfahrens zu Gunsten des Verurteilten zu gestatten.
StGB handelt. Die Vorinstanz durfte ohne Willkür davon ausgehen, sie seien nicht geeignet, die tatsächlichen Grundlagen des Strafurteils zu erschüttern. Die Scheidung zwischen dem Beschwerdeführer und der Beschwerdegegnerin 2 war einvernehmlich und die Verhandlung fand in Abwesenheit der Parteien statt. Wenn in einem solchen Scheidungsverfahren bzw. in dessen Akten die Straftaten, die zwischen den Eheleuten vorgefallen sind, nicht erwähnt werden, kann - entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers - nicht darauf geschlossen werden, diese hätten deshalb auch nicht stattgefunden. Folglich ist nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanz davon ausgeht, die Urkunden
seien weder für sich alleine noch zusammen mit den im Strafverfahren festgestellten Tatsachen geeignet, die Beweisgrundlage des Strafurteils zu erschüttern. Sie durfte ohne Willkür zum Schluss gelangen, die Aussagen der Beschwerdegegnerin 2 seien bezüglich des Kerngeschehens nach wie vor glaubhaft, weshalb auch in Kenntnis der neuen Beweismittel das frühere Strafurteil gleich ausgefallen wäre. Demgemäss hat die Vorinstanz trotz einer allfällig missverständlichen Formulierung im angefochtenen Urteil (S. 6 E. 3.1 3. Abschnitt 2. Satz am Ende) sehr wohl auch die Aussagen der Beschwerdegegnerin 2, mithin das Beweismaterial des früheren Strafverfahrens, berücksichtigt. Soweit der Beschwerdeführer einzig die Beweiswürdigung im früheren Strafverfahren oder pauschal die Untersuchungsführung bemängelt, ist er nicht zu hören.

6.2 Hinsichtlich des Scheidungsurteils ist unbestritten, dass es Bestandteil der Akten des ursprünglichen Strafverfahrens war. Der Beschwerdeführer macht jedoch geltend, diesen Akten sei nicht zu entnehmen, dass sich die Richter mit der Tatsache befasst hätten, dass die ihm vorgeworfenen Sexualdelikte im Scheidungsurteil nicht erwähnt seien (Beschwerde S. 14). Die Vorinstanz durfte bereits bei den weiteren Akten aus dem Scheidungsverfahren ohne Willkür annehmen, dass diese Tatsache revisionsrechtlich unerheblich ist. Deshalb erübrigt es sich darauf einzugehen, ob das Scheidungsurteil eine "neue" Tatsache belegt, weil es von den Sachrichtern übersehen wurde oder ob es sich um eine aktenkundige Tatsache handelt, weil die Strafgerichte sie stillschweigend als unerheblich betrachteten, wie die Vorinstanz ausführt (angefochtenes Urteil S. 7).

7.
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung ist ebenfalls abzuweisen, da die Beschwerde von vornherein aussichtslos war (Art. 64 Abs. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 64 Unentgeltliche Rechtspflege - 1 Das Bundesgericht befreit eine Partei, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, auf Antrag von der Bezahlung der Gerichtskosten und von der Sicherstellung der Parteientschädigung, sofern ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint.
1    Das Bundesgericht befreit eine Partei, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, auf Antrag von der Bezahlung der Gerichtskosten und von der Sicherstellung der Parteientschädigung, sofern ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint.
2    Wenn es zur Wahrung ihrer Rechte notwendig ist, bestellt das Bundesgericht der Partei einen Anwalt oder eine Anwältin. Der Anwalt oder die Anwältin hat Anspruch auf eine angemessene Entschädigung aus der Gerichtskasse, soweit der Aufwand für die Vertretung nicht aus einer zugesprochenen Parteientschädigung gedeckt werden kann.
3    Über das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege entscheidet die Abteilung in der Besetzung mit drei Richtern oder Richterinnen. Vorbehalten bleiben Fälle, die im vereinfachten Verfahren nach Artikel 108 behandelt werden. Der Instruktionsrichter oder die Instruktionsrichterin kann die unentgeltliche Rechtspflege selbst gewähren, wenn keine Zweifel bestehen, dass die Voraussetzungen erfüllt sind.
4    Die Partei hat der Gerichtskasse Ersatz zu leisten, wenn sie später dazu in der Lage ist.
BGG e contrario).
Bei diesem Ausgang des Verfahrens hat der Beschwerdeführer die bundesgerichtlichen Kosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 66 Erhebung und Verteilung der Gerichtskosten - 1 Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben.
1    Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben.
2    Wird ein Fall durch Abstandserklärung oder Vergleich erledigt, so kann auf die Erhebung von Gerichtskosten ganz oder teilweise verzichtet werden.
3    Unnötige Kosten hat zu bezahlen, wer sie verursacht.
4    Dem Bund, den Kantonen und den Gemeinden sowie mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen dürfen in der Regel keine Gerichtskosten auferlegt werden, wenn sie in ihrem amtlichen Wirkungskreis, ohne dass es sich um ihr Vermögensinteresse handelt, das Bundesgericht in Anspruch nehmen oder wenn gegen ihre Entscheide in solchen Angelegenheiten Beschwerde geführt worden ist.
5    Mehrere Personen haben die ihnen gemeinsam auferlegten Gerichtskosten, wenn nichts anderes bestimmt ist, zu gleichen Teilen und unter solidarischer Haftung zu tragen.
BGG). Seinen angespannten finanziellen Verhältnissen ist mit einer reduzierten Gerichtsgebühr Rechnung zu tragen (Beschwerde S. 3; Art. 65 Abs. 2
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 65 Gerichtskosten - 1 Die Gerichtskosten bestehen in der Gerichtsgebühr, der Gebühr für das Kopieren von Rechtsschriften, den Auslagen für Übersetzungen, ausgenommen solche zwischen Amtssprachen, und den Entschädigungen für Sachverständige sowie für Zeugen und Zeuginnen.
1    Die Gerichtskosten bestehen in der Gerichtsgebühr, der Gebühr für das Kopieren von Rechtsschriften, den Auslagen für Übersetzungen, ausgenommen solche zwischen Amtssprachen, und den Entschädigungen für Sachverständige sowie für Zeugen und Zeuginnen.
2    Die Gerichtsgebühr richtet sich nach Streitwert, Umfang und Schwierigkeit der Sache, Art der Prozessführung und finanzieller Lage der Parteien.
3    Sie beträgt in der Regel:
a  in Streitigkeiten ohne Vermögensinteresse 200-5000 Franken;
b  in den übrigen Streitigkeiten 200-100 000 Franken.
4    Sie beträgt 200-1000 Franken und wird nicht nach dem Streitwert bemessen in Streitigkeiten:
a  über Sozialversicherungsleistungen;
b  über Diskriminierungen auf Grund des Geschlechts;
c  aus einem Arbeitsverhältnis mit einem Streitwert bis zu 30 000 Franken;
d  nach den Artikeln 7 und 8 des Behindertengleichstellungsgesetzes vom 13. Dezember 200223.
5    Wenn besondere Gründe es rechtfertigen, kann das Bundesgericht bei der Bestimmung der Gerichtsgebühr über die Höchstbeträge hinausgehen, jedoch höchstens bis zum doppelten Betrag in den Fällen von Absatz 3 und bis zu 10 000 Franken in den Fällen von Absatz 4.
BGG).
Mit dem Entscheid in der Sache wird das Gesuch um aufschiebende Wirkung gegenstandslos.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen.

3.
Die Gerichtskosten von Fr. 800.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau, Strafgericht, 1. Kammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 23. August 2011

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Mathys

Die Gerichtsschreiberin: Pasquini
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 6B_342/2011
Date : 23. August 2011
Published : 10. September 2011
Source : Bundesgericht
Status : Unpubliziert
Subject area : Strafrecht (allgemein)
Subject : Wiederaufnahme des Verfahrens (mehrfache Vergewaltigung usw.); Willkür, rechtliches Gehör


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BGG: 64  65  66  106
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StGB: 385
StPO: 410  453
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