Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

1B 473/2019

Urteil vom 23. Juni 2020

I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Chaix, Präsident,
Bundesrichter Kneubühler, Bundesrichterin Jametti,
Gerichtsschreiber Härri.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
Beschwerdeführer,

gegen

Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen,
Untersuchungsamt St. Gallen.

Gegenstand
Strafverfahren; unentgeltliche Rechtspflege,

Beschwerde gegen den Entscheid der Anklagekammer
des Kantons St. Gallen vom 15. August 2019
(AK.2019.274-AK).

Sachverhalt:

A.
Aufgrund einer Strafanzeige von A.________ wegen übler Nachrede bzw. Verleumdung führt das Untersuchungsamt St. Gallen ein Strafverfahren gegen B.________.
Am 21. Februar 2019 stellte A.________ das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege. Am 27. Februar 2019 wies das Untersuchungsamt dieses ab. Die von A.________ dagegen erhobene Beschwerde schützte die Anklagekammer des Kantons St. Gallen am 8. Mai 2019 teilweise. Sie bejahte den Anspruch von A.________ auf unentgeltliche Rechtpflege (Art. 136 Abs. 2 lit. a
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 136 Voraussetzungen - 1 Die Verfahrensleitung gewährt auf Gesuch ganz oder teilweise die unentgeltliche Rechtspflege:
1    Die Verfahrensleitung gewährt auf Gesuch ganz oder teilweise die unentgeltliche Rechtspflege:
a  der Privatklägerschaft für die Durchsetzung ihrer Zivilansprüche, wenn sie nicht über die erforderlichen Mittel verfügt und die Zivilklage nicht aussichtslos erscheint;
b  dem Opfer für die Durchsetzung seiner Strafklage, wenn es nicht über die erforderlichen Mittel verfügt und die Strafklage nicht aussichtslos erscheint.71
2    Die unentgeltliche Rechtspflege umfasst:
a  die Befreiung von Vorschuss- und Sicherheitsleistungen;
b  die Befreiung von den Verfahrenskosten;
c  die Bestellung eines Rechtsbeistands, wenn dies zur Wahrung der Rechte der Privatklägerschaft oder des Opfers notwendig ist.
3    Im Rechtsmittelverfahren ist die unentgeltliche Rechtspflege neu zu beantragen.73
und b StPO) mit Wirkung ab dem 21. Februar 2019, nicht hingegen auf die Bestellung eines unentgeltlichen Rechtsbeistands (Art. 136 Abs. 2 lit. c
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 136 Voraussetzungen - 1 Die Verfahrensleitung gewährt auf Gesuch ganz oder teilweise die unentgeltliche Rechtspflege:
1    Die Verfahrensleitung gewährt auf Gesuch ganz oder teilweise die unentgeltliche Rechtspflege:
a  der Privatklägerschaft für die Durchsetzung ihrer Zivilansprüche, wenn sie nicht über die erforderlichen Mittel verfügt und die Zivilklage nicht aussichtslos erscheint;
b  dem Opfer für die Durchsetzung seiner Strafklage, wenn es nicht über die erforderlichen Mittel verfügt und die Strafklage nicht aussichtslos erscheint.71
2    Die unentgeltliche Rechtspflege umfasst:
a  die Befreiung von Vorschuss- und Sicherheitsleistungen;
b  die Befreiung von den Verfahrenskosten;
c  die Bestellung eines Rechtsbeistands, wenn dies zur Wahrung der Rechte der Privatklägerschaft oder des Opfers notwendig ist.
3    Im Rechtsmittelverfahren ist die unentgeltliche Rechtspflege neu zu beantragen.73
StPO). Auf die von A.________ hiergegen eingereichte Beschwerde trat das Bundesgericht am 19. Juni 2019 nicht ein, da sie den gesetzlichen Formerfordernissen nicht genügte (Urteil 1B 299/2019).

B.
Am 8. Juli 2019 ersuchte A.________ erneut um die Bestellung eines unentgeltlichen Rechtsbeistands. Am 9. Juli 2019 wies das Untersuchungsamt das Gesuch ab.
Die von A.________ dagegen erhobene Beschwerde wies die Anklagekammer am 15. August 2019 ab; ebenso wegen Aussichtslosigkeit der Beschwerde das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege für das Beschwerdeverfahren. Sie auferlegte A.________ die Entscheidgebühr von Fr. 1'000.--.

C.
A.________ führt Beschwerde in Strafsachen mit dem Antrag, den Entscheid der Anklagekammer vom 15. August 2019 aufzuheben, und weiteren Anträgen.

D.
Die Anklagekammer hat (unter Verweis auf den angefochtenen Entscheid) auf Vernehmlassung ausdrücklich verzichtet; stillschweigend ebenso das Untersuchungsamt.

Erwägungen:

1.
Das Bundesgericht hat dem Beschwerdeführer das Schreiben, mit dem die Vorinstanz auf Vernehmlassung verzichtet hat, am 20. November 2019 zur Kenntnisnahme zugestellt. Mit Schreiben vom 17. Januar 2020, also knapp zwei Monate später, hat sich der Beschwerdeführer erneut geäussert; dies, wie er selber darlegt, "reichlich spät". Ob das Schreiben berücksichtigt werden kann, kann dahingestellt bleiben. Wäre dies zu bejahen, änderte sich am Ausgang des Verfahrens nichts.

2.
Die Vorinstanz hat dem Bundesgericht mit dem Verzicht auf Vernehmlassung die Akten des kantonalen Beschwerdeverfahrens (Dossier AK.2019.274-AK) zugesandt. Der Beschwerdeführer äussert in seiner Eingabe vom 17. Januar 2020 die Sorge, darin könnten unzutreffende Behauptungen enthalten sein, die ihm vorenthalten worden seien. Um dies überprüfen zu können, ersucht er um die Zustellung des Aktenverzeichnisses des Dossiers AK.2019.274-AK.
Dieses Dossier enthält die Beschwerde des Beschwerdeführers vom 19. Juli 2019 mitsamt Beilagen an die Vorinstanz, den Verzicht des Untersuchungsamtes auf Vernehmlassung dazu, welchen die Vorinstanz dem Beschwerdeführer zur Orientierung zustellte, ein Aktenverzeichnis und den angefochtenen Entscheid. Das Dossier enthält somit keine Akten, die dem Beschwerdeführer vorenthalten wurden. Die verlangte Zustellung des Aktenverzeichnisses erübrigt sich damit.

3.
In der Sache geht es um die Bestellung eines unentgeltlichen Rechtsbeistands nach Art. 136 Abs. 2 lit. c
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 136 Voraussetzungen - 1 Die Verfahrensleitung gewährt auf Gesuch ganz oder teilweise die unentgeltliche Rechtspflege:
1    Die Verfahrensleitung gewährt auf Gesuch ganz oder teilweise die unentgeltliche Rechtspflege:
a  der Privatklägerschaft für die Durchsetzung ihrer Zivilansprüche, wenn sie nicht über die erforderlichen Mittel verfügt und die Zivilklage nicht aussichtslos erscheint;
b  dem Opfer für die Durchsetzung seiner Strafklage, wenn es nicht über die erforderlichen Mittel verfügt und die Strafklage nicht aussichtslos erscheint.71
2    Die unentgeltliche Rechtspflege umfasst:
a  die Befreiung von Vorschuss- und Sicherheitsleistungen;
b  die Befreiung von den Verfahrenskosten;
c  die Bestellung eines Rechtsbeistands, wenn dies zur Wahrung der Rechte der Privatklägerschaft oder des Opfers notwendig ist.
3    Im Rechtsmittelverfahren ist die unentgeltliche Rechtspflege neu zu beantragen.73
StPO. Diese hat die Vorinstanz bereits in ihrem Entscheid vom 8. Mai 2019 zur Wahrung der Rechte des Beschwerdeführers als nicht notwendig erachtet (zur restriktiven Rechtsprechung insoweit: BGE 123 I 145 E. 2b/bb f. S. 147 f.; Urteil 1B 39/2019 vom 20. März 2019 E. 2.4; je mit Hinweisen). Auf die vom Beschwerdeführer dagegen erhobene Beschwerde trat das Bundesgericht am 19. Juni 2019 nicht ein. Der Entscheid der Vorinstanz vom 8. Mai 2019 erwuchs damit in Rechtskraft. Entsprechend hatte die Vorinstanz im hier angefochtenen Entscheid nur noch zu prüfen, ob sich seither eine rechtserhebliche Veränderung der Verhältnisse ergeben hatte. Die Vorinstanz erwägt, eine solche Änderung sei aus den Akten nicht ersichtlich und werde in der teils schwer verständlichen Beschwerde auch nicht hinreichend dargetan.
Der Beschwerdeführer bringt nichts vor, was diese Auffassung als bundesrechtswidrig erscheinen lassen könnte. Eine Verletzung von Art. 136 Abs. 2 lit. c
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 136 Voraussetzungen - 1 Die Verfahrensleitung gewährt auf Gesuch ganz oder teilweise die unentgeltliche Rechtspflege:
1    Die Verfahrensleitung gewährt auf Gesuch ganz oder teilweise die unentgeltliche Rechtspflege:
a  der Privatklägerschaft für die Durchsetzung ihrer Zivilansprüche, wenn sie nicht über die erforderlichen Mittel verfügt und die Zivilklage nicht aussichtslos erscheint;
b  dem Opfer für die Durchsetzung seiner Strafklage, wenn es nicht über die erforderlichen Mittel verfügt und die Strafklage nicht aussichtslos erscheint.71
2    Die unentgeltliche Rechtspflege umfasst:
a  die Befreiung von Vorschuss- und Sicherheitsleistungen;
b  die Befreiung von den Verfahrenskosten;
c  die Bestellung eines Rechtsbeistands, wenn dies zur Wahrung der Rechte der Privatklägerschaft oder des Opfers notwendig ist.
3    Im Rechtsmittelverfahren ist die unentgeltliche Rechtspflege neu zu beantragen.73
StPO ist nicht erkennbar. Soweit sich der Beschwerdeführer auf Grundrechte beruft, legt er nicht in einer den qualifizierten Anforderungen von Art. 106 Abs. 2
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 106 Rechtsanwendung - 1 Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an.
1    Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an.
2    Es prüft die Verletzung von Grundrechten und von kantonalem und interkantonalem Recht nur insofern, als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und begründet worden ist.
BGG (dazu BGE 145 I 26 E. 1.3 S. 30 mit Hinweisen) genügenden Weise dar, inwiefern sie verletzt sein sollen und sich daraus - entgegen der erwähnten restriktiven Rechtsprechung - ein Anspruch auf unentgeltliche Bestellung eines Rechtsbeistands ergeben soll. Das ist auch nicht auszumachen. Nicht zu beanstanden ist es sodann, wenn die Vorinstanz die bei ihr erhobene Beschwerde als aussichtslos beurteilt und deshalb das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege für das Beschwerdeverfahren abgewiesen hat. Eine mangelhafte Begründung ihres Entscheids kann der Vorinstanz nicht vorgeworfen werden. Wenn sie sich auf das Wesentliche beschränkt hat, verletzt das kein Bundesrecht (BGE 143 III 65 E. 5.2 S. 70 f.; 139 IV 179 E. 2.2 S. 183; je mit Hinweisen).

4.
Die Beschwerde ist deshalb abzuweisen, soweit darauf überhaupt eingetreten werden kann. Da sie aussichtslos war, kann die unentgeltliche Rechtspflege für das bundesgerichtliche Verfahren gemäss Art. 64
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 64 Unentgeltliche Rechtspflege - 1 Das Bundesgericht befreit eine Partei, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, auf Antrag von der Bezahlung der Gerichtskosten und von der Sicherstellung der Parteientschädigung, sofern ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint.
1    Das Bundesgericht befreit eine Partei, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, auf Antrag von der Bezahlung der Gerichtskosten und von der Sicherstellung der Parteientschädigung, sofern ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint.
2    Wenn es zur Wahrung ihrer Rechte notwendig ist, bestellt das Bundesgericht der Partei einen Anwalt oder eine Anwältin. Der Anwalt oder die Anwältin hat Anspruch auf eine angemessene Entschädigung aus der Gerichtskasse, soweit der Aufwand für die Vertretung nicht aus einer zugesprochenen Parteientschädigung gedeckt werden kann.
3    Über das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege entscheidet die Abteilung in der Besetzung mit drei Richtern oder Richterinnen. Vorbehalten bleiben Fälle, die im vereinfachten Verfahren nach Artikel 108 behandelt werden. Der Instruktionsrichter oder die Instruktionsrichterin kann die unentgeltliche Rechtspflege selbst gewähren, wenn keine Zweifel bestehen, dass die Voraussetzungen erfüllt sind.
4    Die Partei hat der Gerichtskasse Ersatz zu leisten, wenn sie später dazu in der Lage ist.
BGG nicht bewilligt werden. Unter den gegebenen Umständen rechtfertigt es sich jedoch, auf die Erhebung von Gerichtskosten zu verzichten (Art. 66 Abs. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 66 Erhebung und Verteilung der Gerichtskosten - 1 Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben.
1    Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben.
2    Wird ein Fall durch Abstandserklärung oder Vergleich erledigt, so kann auf die Erhebung von Gerichtskosten ganz oder teilweise verzichtet werden.
3    Unnötige Kosten hat zu bezahlen, wer sie verursacht.
4    Dem Bund, den Kantonen und den Gemeinden sowie mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen dürfen in der Regel keine Gerichtskosten auferlegt werden, wenn sie in ihrem amtlichen Wirkungskreis, ohne dass es sich um ihr Vermögensinteresse handelt, das Bundesgericht in Anspruch nehmen oder wenn gegen ihre Entscheide in solchen Angelegenheiten Beschwerde geführt worden ist.
5    Mehrere Personen haben die ihnen gemeinsam auferlegten Gerichtskosten, wenn nichts anderes bestimmt ist, zu gleichen Teilen und unter solidarischer Haftung zu tragen.
Satz 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten werden kann.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.

3.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

4.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen, Untersuchungsamt St. Gallen, und der Anklagekammer des Kantons St. Gallen schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 23. Juni 2020

Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Chaix

Der Gerichtsschreiber: Härri
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 1B_473/2019
Date : 23. Juni 2020
Published : 11. Juli 2020
Source : Bundesgericht
Status : Unpubliziert
Subject area : Strafprozess
Subject : Strafverfahren; unentgeltliche Rechtspflege


Legislation register
BGG: 64  66  106
StPO: 136
BGE-register
123-I-145 • 139-IV-179 • 143-III-65 • 145-I-26
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