Bundesverwaltungsgericht
Tribunal administratif fédéral
Tribunale amministrativo federale
Tribunal administrativ federal
Abteilung IV
D-2593/2014
Urteil vom 22. Juli 2014
Richter Martin Zoller (Vorsitz),
Besetzung Richter Robert Galliker, Richter Thomas Wespi,
Gerichtsschreiberin Susanne Burgherr.
1. A._______,geboren (...),
und dessen Ehefrau,
2. B._______,geboren (...),
sowie deren Tochter
Parteien
3. C._______,geboren (...),
Syrien, zurzeit in der Türkei,
alle vertreten durch D._______,
Beschwerdeführende,
gegen
Bundesamt für Migration (BFM),
Quellenweg 6, 3003 Bern,
Vorinstanz.
Visum aus humanitären Gründen (Asyl);
Gegenstand Verfügung des BFM vom 14. April 2014 /
(...).
Sachverhalt:
A.
Die Beschwerdeführenden stellten am 10. Oktober 2013 durch ihren in der Schweiz vorläufig aufgenommenen Sohn respektive Bruder D._______ beim schweizerischen Generalkonsulat in Istanbul Gesuche um Ausstellung von Schengen-Visa respektive Visa aus humanitären Gründen.
Sie machten im Wesentlichen geltend, sie hätten ihren Wohnort E._______ im Juni 2013 verlassen und würden seither in Istanbul leben. Die Beschwerdeführerin 3 sei (...) behindert und auf die ständige Betreuung ihrer Eltern angewiesen. Diese seien jedoch aufgrund ihres Alters und der Flucht aus dem Heimatland erschöpft.
B.
Mit Verfügungen vom 26. November 2013 wies das schweizerische Generalkonsulat in Istanbul die Gesuche um Ausstellung von Visa ab.
C.
Dagegen liessen die Beschwerdeführenden durch ihren Rechtsvertreter am 5. Dezember 2013 beim BFM Einsprache erheben.
Sie machten im Wesentlichen geltend, sie hätten E._______ im Juni 2013 verlassen, nachdem eine Bombe ihr Wohnhaus zerstört habe. Seither würden sie in Istanbul leben, wo sie auf sich allein gestellt seien und ihre Situation sehr schwierig sei. (Schilderung der Behinderung der Beschwerdeführerin 3). Sie würden um Visa aus humanitären Gründen ersuchen, deren Ausstellung grundsätzlich auch dann möglich sei, wenn die fristgerechte Wiederausreise nicht gesichert sei.
D.
Mit Zwischenverfügung vom 13. Dezember 2013 erhob das BFM einen bis zum 12. Januar 2014 zu leistenden Kostenvorschuss von Fr. 150.-, ansonsten auf die Einsprache nicht eingetreten werde.
Der Kostenvorschuss wurde fristgerecht geleistet.
E.
Mit Schreiben vom 23. Januar 2014 forderte das BFM die Beschwerdeführenden auf, ihre Lebensumstände in der Türkei näher zu schildern.
F.
Mit Eingabe vom 5. Februar 2014 kamen die Beschwerdeführenden der Aufforderung nach und liessen durch ihren Rechtsvertreter vorbringen, sie würden in einem Haus in Istanbul, in dem zwei weitere Flüchtlingsfamilien untergebracht seien, eine Einzimmerwohnung mit einer Kochnische und einer Toilette mit Waschgelegenheit bewohnen. Aufgrund fehlender Türkischkenntnisse und mangelnder Arbeitsmöglichkeiten würden sie kein Einkommen erzielen. Den Lebensunterhalt würden sie von ihrem Ersparten bestreiten. Die behinderte Beschwerdeführerin 3 sei auf ständige Betreuung durch ihre Eltern angewiesen. In der Türkei hätten sie keine Verwandten, die sie dabei unterstützen könnten. In der Schweiz verfügten sie hingegen mit zwei Söhnen respektive Brüdern (D._______ und F._______) über nahe Verwandte. Diese würden sie gerne besuchen, um Energie zu tanken und neuen Mut zu fassen. Sie hofften, nach Syrien zurückkehren zu können, wenn sich die dortige Lage beruhige.
G.
Mit Verfügung vom 14. April 2014 - eröffnet am 17. April 2014 - wies das BFM die Einsprache ab. Die Verfahrenskosten von Fr. 150.- auferlegte es den Beschwerdeführenden und verrechnete diese mit dem in gleicher Höhe geleisteten Kostenvorschuss.
Zur Begründung führte das BFM im Wesentlichen aus, die Erfahrung habe gezeigt, dass viele Personen aus Syrien verständlicherweise versuchen würden, sich aufgrund der prekären Lage in ihrem Heimatland ins Ausland zu begeben, und dass das Risiko einer nicht fristgerechten Rückkehr als grundsätzlich hoch eingestuft werden müsse. Die Beschwerdeführenden hätten nicht hinreichend dargelegt, dass sie trotz der in Syrien herrschenden Krise besondere persönliche Gründe hätten, die eine fristgerechte Rückreise sicherstellen könnten. Die Einreisevoraussetzungen für ein den gesamten Schengen-Raum geltendes einheitliches Visum seien daher nicht als erfüllt zu erachten. Es lägen aber auch keine besonderen, humanitären Gründe vor, die eine Einreise in die Schweiz aufgrund einer unmittelbaren, ernsthaften und konkreten Gefährdung an Leib und Leben trotzdem als zwingend notwendig erscheinen liessen, zumal sich die Beschwerdeführenden in der Türkei und damit in einem sicheren Drittstaat aufhalten würden. Es befänden sich zurzeit Tausende syrischer Flüchtlinge in der Türkei, ohne dass sie an Leib und Leben gefährdet seien. Die Flüchtlinge würden dort geduldet und müssten keine Angst vor einer zwangsweisen Rückführung nach Syrien haben. Der türkische Staat leiste viel, um die Flüchtlinge zu beherbergen, und die Flüchtlingslager seien gut ausgestattet. Auch wenn die Kapazitäten begrenzt seien, gefährde dies die Sicherheit und den Zugang zu einer minimalen Gesundheitsversorgung nicht, zumal in der Türkei ein funktionierendes Gesundheitssystem bestehe, das für eine allfällige notwendige medizinische Behandlung tauglich und zugänglich sei. Betroffene könnten sich zudem auch an das UNHCR, den türkischen Roten Halbmond oder andere vor Ort tätige Hilfsorganisationen wenden. Die Situation der Beschwerdeführenden in der Türkei sei zweifelsohne nicht einfach, aber immerhin würden sie dort über eine Wohngelegenheit und Erspartes verfügen, mit welchem sie ihren Lebensunterhalt bestreiten könnten. Ausserdem sei davon auszugehen, dass sie von ihren im Ausland lebenden Verwandten finanzielle Unterstützung erhalten würden. Qualifizierte Hinweise, wonach die Beschwerdeführenden in der Türkei wegen ihrer Herkunft einer unmittelbaren, ernsthaften und konkreten Gefährdung an Leib und Leben ausgesetzt seien, lägen damit nicht vor. Schliesslich komme auch die Ausnahmeregelung für syrische Familienangehörige (Weisung des BFM vom 4. September 2013, aufgehoben am 29. November 2013) nicht zur Anwendung, da der Sohn respektive Bruder D._______ als Gastgeber der Beschwerdeführenden in der Schweiz über keine B- oder C-Bewilligung verfüge. Damit vermöchten die Beschwerdeführenden die Voraussetzungen zur Erteilung der beantragten Visa nicht zu
erfüllen.
H.
Mit Eingabe vom 13. Mai 2014 (Datum Poststempel; Schreiben datiert vom 12. Mai 2014) liessen die Beschwerdeführenden durch ihren Rechtsvertreter beim Bundesverwaltungsgericht Beschwerde erheben. Sie beantragten, der Entscheid des BFM vom 14. April 2014 sei aufzuheben und es seien ihnen aus humanitären Gründen Visa zur Einreise in die Schweiz zu erteilen. In verfahrensrechtlicher Hinsicht ersuchten sie zudem um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung und um Verzicht auf die Erhebung eines Kostenvorschusses.
Die Beschwerdeführenden wiederholten ihre bisherigen Vorbringen und brachten vor, die Türkei leiste zwar unbestrittenermassen viel für die syrischen Flüchtlinge, aber es könne nicht davon ausgegangen werden, dass das Land in der Lage sei, in jedem Fall adäquate Unterstützung anzubieten. Der Beschwerdeführer 1 sei vor zirka zehn Jahren aufgrund einer Krebserkrankung operiert worden. Seither sei er zwar gesund und benötige keine Medikamente mehr, aber sie seien in Sorge, dass ihn die gegenwärtige Situation wieder gesundheitlich belasten könnte. Auch sei die Behinderung der Beschwerdeführerin 3 eine grosse Belastung für die Eltern. Sie hätten in der Türkei keine Verwandten, die sie unterstützen könnten, weshalb das Land nicht als zumutbarer Drittstaat betrachtet werden könne. In der Schweiz würden sie hingegen mit zwei Söhnen respektive Brüdern (D._______ und F._______) über nahe Verwandte verfügen. Das BFM habe F._______ mit Verfügung vom (...) 2014 Asyl gewährt. Er erfülle damit - anders als D._______ - die Kriterien für die erleichterte Erteilung von Besucher-Visa für syrische Familienangehörige gemäss der Weisung des BFM vom 4. September 2013.
I.
Mit Zwischenverfügung vom 26. Mai 2014 hiess der Instruktionsrichter das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung im Sinne von Art. 65 Abs. 1 VwVG gut und verzichtete auf die Erhebung eines Kostenvorschusses.
J.
In seiner Vernehmlassung vom 27. Juni 2014 beantragte das BFM die Abweisung der Beschwerde. Zwar sei es richtig, dass dem Sohn respektive Bruder der Beschwerdeführenden F._______ am (...) 2014 Asyl gewährt worden sei und er eine Aufenthaltsbewilligung erhalten habe, aber da die Weisung des BFM vom 4. September 2013 betreffend erleichterte Erteilung von Besucher-Visa für syrische Familienangehörige bereits am 29. November 2013 aufgehoben worden sei, komme diese Ausnahmeregelung vorliegend nicht zur Anwendung. Das BFM verkenne nicht, dass das Leben der Beschwerdeführenden in der Türkei beschwerlich sei, aber es sei dennoch weiterhin davon auszugehen, dass sie dort nicht unmittelbar, ernsthaft und konkret an Leib und Leben gefährdet seien. Gewiss seien die Lebensbedingungen durch die Behinderung der Beschwerdeführerin 3 erschwert, aber sie seien nicht als so gravierend zu erachten, als dass ein behördliches Eingreifen unumgänglich wäre.
Der Instruktionsrichter stellte den Beschwerdeführenden am 4. Juli 2014 eine Kopie der vorinstanzlichen Vernehmlassung zur Kenntnisnahme zu.
Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:
1.
1.1 Gemäss Art. 31 VGG beurteilt das Bundesverwaltungsgericht unter Vorbehalt der in Art. 32 VGG genannten Ausnahmen Beschwerden gegen Verfügungen nach Art. 5 VwVG, welche von einer in Art. 33 VGG aufgeführten Behörde erlassen wurden. Darunter fallen unter anderem Verfügungen beziehungsweise Einspracheentscheide des BFM, mit denen die Erteilung eines Visums verweigert wird. In dieser Materie entscheidet das Bundesverwaltungsgericht endgültig (Art. 83 Bst. c Ziff. 1 BGG).
1.2 Sofern das VGG nichts anderes bestimmt, richtet sich das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht nach dem VwVG (Art. 37 VGG).
1.3 Die Beschwerdeführenden sind gemäss Art. 48 Abs. 1 VwVG zur Beschwerde berechtigt. Auf die frist- und formgerecht eingereichte Beschwerde ist somit einzutreten (Art. 50 und 52 VwVG).
2.
Mit Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht kann die Verletzung von Bundesrecht einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, die unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhaltes und - sofern nicht eine kantonale Behörde als Beschwerdeinstanz verfügt hat - die Unangemessenheit gerügt werden (Art. 49 VwVG).
3.
3.1 Das schweizerische Ausländerrecht kennt weder ein allgemeines Recht auf Einreise noch gewährt es einen besonderen Anspruch auf Erteilung eines Visums. Die Schweiz ist daher - wie andere Staaten auch - grundsätzlich nicht verpflichtet, ausländischen Personen die Einreise zu gestatten. Vorbehältlich völkerrechtlicher Verpflichtungen handelt es sich dabei um einen autonomen Entscheid (vgl. BVGE 2009/27 E. 3, mit weiteren Hinweisen).
3.2 Als syrische Staatsangehörige können sich die Beschwerdeführenden nicht auf die EU/EFTA-Personenfreizügigkeitsabkommen berufen. Vielmehr untersteht die Beurteilung ihrer Gesuche dem Anwendungsbereich der Schengen-Assoziierungsabkommen, mit denen die Schweiz den Schengen-Besitzstand und die dazugehörigen gemeinschaftsrechtlichen Rechtsakte übernommen hat. Das Schengen-Recht schränkt die nationalstaatlichen Befugnisse insoweit ein, als es einheitliche Voraussetzungen für Einreise beziehungsweise Visum aufstellt und die Mitgliedstaaten verpflichtet, die Einreise beziehungsweise das Visum zu verweigern, wenn die Voraussetzungen nicht erfüllt sind. Das Bundesgesetz vom 16. Dezember 2005 über die Ausländerinnen und Ausländer (AuG, SR 142.20) und seine Ausführungsverordnung gelangen nur soweit zur Anwendung, als die Schengen-Assoziierungsabkommen keine abweichenden Bestimmungen enthalten (Art. 2 Abs. 2 -5 AuG).
3.3 Angehörige von Staaten, die nicht Teil des Schengen-Raumes sind (sog. Drittstaaten), dürfen über die Aussengrenzen des Schengen-Raums für einen Aufenthalt von höchstens drei Monaten je Sechsmonatszeitraum einreisen, wenn sie im Besitz gültiger Reisedokumente sind, die zum Grenzübertritt berechtigen. Ob sie darüber hinaus ein Visum benötigen, bestimmt sich nach der Verordnung (EG) Nr. 539/2001 des Rates vom 15. März 2001 zur Aufstellung der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige beim Überschreiten der Aussengrenzen im Besitz eines Visums sein müssen, sowie der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige von dieser Visumspflicht befreit sind (nachfolgend: VO Nr. 539/2001). Im Weiteren müssen Drittstaatsangehörige für den Erhalt eines Schengen-Visums den Zweck und die Umstände ihres beabsichtigten Aufenthalts belegen und hierfür über ausreichende finanzielle Mittel verfügen. Namentlich haben sie zu belegen, dass sie den Schengen-Raum vor Ablauf der Gültigkeitsdauer des beantragten Visums wieder verlassen beziehungsweise Gewähr für ihre fristgerechte Wiederausreise bieten. Ferner dürfen Drittstaatsangehörige nicht im Schengener Informationssystem (SIS) zur Einreiseverweigerung ausgeschrieben sein und keine Gefahr für die öffentliche Ordnung, die innere Sicherheit, die öffentliche Gesundheit oder die internationalen Beziehungen eines Mitgliedstaats darstellen (vgl. zum Ganzen: Art. 5 Abs. 1 und Abs. 2 AuG; Art. 2 Abs. 1 der Verordnung vom 22. Oktober 2008 über die Einreise und die Visumserteilung [VEV, SR 142.204] i.V.m. Art. 5 Abs. 1 Schengener Grenzkodex [SGK], ABl. L 105 vom 13. April 2006, S. 1-32 [geändert durch Art. 2 der Verordnung {EU} Nr. 265/2010 vom 25. März 2010, ABl. L 85 vom 31. März 2010, S. 1-4]; Art. 14 Abs. 1 Bst. a-c und Art. 21 Abs. 1 Visakodex).
3.4 Sind die Voraussetzungen für die Ausstellung eines für den gesamten Schengen-Raum geltenden Visums nicht erfüllt, kann in Ausnahmefällen ein Visum mit räumlich beschränkter Gültigkeit erteilt werden. Unter anderem kann der betreffende Mitgliedstaat von dieser Möglichkeit Gebrauch machen, wenn er es aus humanitären Gründen, aus Gründen des nationalen Interesses oder aufgrund internationaler Verpflichtungen für erforderlich hält (vgl. Art. 2 Abs. 4 und Art. 12 Abs. 4 VEV, Art. 25 Abs. 1 Bst. a Visakodex; ebenso Art. 5 Abs. 4 Bst. c SGK).
4.
Die Beschwerdeführenden unterliegen als syrische Staatsangehörige gemäss Art. 1 Abs. 1 VO Nr. 539/2001 in Verbindung mit Anhang I einer Visumspflicht für den Schengen-Raum. Im Beschwerdeverfahren wird nicht bestritten, dass die Voraussetzungen für die Erteilung eines solchen Schengen-Visums vorliegend nicht gegeben sind, sondern beantragt, dass den Beschwerdeführenden von den Schweizer Behörden Visa aus humanitären Gründen erteilt würden. Aufgrund der gesamten Umstände kann denn auch nicht darauf geschlossen werden, dass die Beschwerdeführenden nach Ablauf der Visa fristgerecht wieder aus dem Schengen-Raum ausreisen würden. Die Erteilung von Visa mit Gültigkeit für den gesamten Schengen-Raum fällt damit nicht in Betracht. Im Folgenden ist daher zu prüfen, ob das BFM zu Recht die Erteilung von Einreisevisa in die Schweiz aus humanitären Gründen abgelehnt hat.
5.
5.1 Mit der dringlichen Änderung des Asylgesetzes vom 28. September 2012 (AS 2012 5359), welche am 29. September 2012 in Kraft trat, wurden unter anderem die Bestimmungen betreffend die Stellung von Asylgesuchen aus dem Ausland aufgehoben. Da im Einzelfall jedoch nicht ausgeschlossen werden kann, dass Personen, die Schutz vor asylrechtlich relevanter Verfolgung geltend machen, bei den schweizerischen Vertretungen vorsprechen und um die Einreise in die Schweiz ersuchen, wurde die Möglichkeit geschaffen, aus humanitären Gründen und mit Zustimmung des BFM ein Einreisevisum zu erteilen (vgl. Art. 2 Abs. 4 VEV [in Kraft getreten am 1. Oktober 2012]). Sobald sich der Inhaber eines Visums aus humanitären Gründen in der Schweiz befindet, muss er ein Asylgesuch einreichen. Falls er dies unterlässt, hat er die Schweiz nach drei Monaten wieder zu verlassen.
5.2 Ein Visum aus humanitären Gründen kann erteilt werden, wenn bei einer Person aufgrund des konkreten Einzelfalls offensichtlich davon ausgegangen werden muss, dass sie im Heimat- oder Herkunftsstaat unmittelbar, ernsthaft und konkret an Leib und Leben gefährdet ist. Die betroffene Person muss sich in einer besonderen Notsituation befinden, die ein behördliches Eingreifen zwingend erforderlich macht und die Erteilung eines Einreisevisums rechtfertigt. Dies kann etwa bei akuten kriegerischen Ereignissen oder bei einer aufgrund der konkreten Situation unmittelbaren individuellen Gefährdung gegeben sein. Das Gesuch ist unter Berücksichtigung der aktuellen Gefährdung, der persönlichen Umstände der betroffenen Person und der Lage im Heimat- oder Herkunftsland sorgfältig zu prüfen. Befindet sich die Person bereits in einem Drittstaat, ist in der Regel davon auszugehen, dass keine Gefährdung mehr besteht. Die Einreisevoraussetzungen sind somit beim Visumverfahren noch restriktiver als bei den Auslandgesuchen, bei denen Einreisebewilligungen nur sehr zurückhaltend erteilt wurden beziehungsweise werden (vgl. Botschaft des Bundesrates vom 26. Mai 2010 zur Änderung des Asylgesetzes, BBl 2010 4455, insbesondere 4467 f., 4471 f. und 4490 f.; Weisung des BFM vom 28. September 2012 betreffend Visumsantrag aus humanitären Gründen [zu finden auf der Internetseite des BFM]).
6.
6.1 Das Bundesverwaltungsgericht gelangt nach Prüfung der Akten zum Schluss, dass vorliegend die Voraussetzungen für die Erteilung humanitärer Visa nicht erfüllt sind. Die entsprechenden Ausführungen in der angefochtenen Verfügung erweisen sich als zutreffend. Die Beschwerdevorbringen sind nicht geeignet, eine Änderung der vorinstanzlichen Einschätzung zu bewirken. Die Beschwerdeführenden halten sich seit über einem Jahr nicht mehr in Syrien auf, sondern haben Zuflucht in der Türkei und damit in einem sicheren Drittstaat gefunden. Syrische Staatsangehörige haben zu Tausenden Zuflucht in dem Nachbarland gefunden, das gut ausgestattete Flüchtlingslager eingerichtet hat. Die Beschwerdeführenden leben seit anfangs Juli 2013 in Istanbul, wo sie über eine eigene Wohngelegenheit verfügen. Anzeichen dafür, dass sie in der Türkei einer unmittelbaren und ernsthaften Gefährdung an Leib und Leben ausgesetzt wären, liegen nicht vor. Eine konkrete Gefahr einer zwangsweisen Rückführung von der Türkei nach Syrien besteht für syrische Flüchtlinge nicht. Es wird nicht daran gezweifelt, dass sich die Beschwerdeführenden in der Türkei in einer schwierigen Lage befinden und ihre Lebensbedingungen durch die Behinderung der Beschwerdeführerin 3 zusätzlich erschwert sind. Sie verfügen aber - wie ausgeführt - über eine Wohngelegenheit in Istanbul und sind gemäss eigenen Angaben dank ihren Ersparnissen in der Lage, für ihren Lebensunterhalt aufzukommen. Zudem darf davon ausgegangen werden, dass sie bei Bedarf auch mit der finanziellen Unterstützung ihrer im Ausland lebenden Verwandten rechnen können. Sollten sie weitergehende Unterstützung benötigen, können sie sich an die lokalen Behörden oder die vor Ort tätigen Hilfsorganisationen wenden. Hinsichtlich der erwähnten Krebserkrankung des Beschwerdeführers 1, die vor etwa zehn Jahren operiert worden sei und derentwegen er laut den Ausführungen in der Beschwerdeeingabe vom 13. Mai 2014 keine Medikamente mehr brauche, respektive der geäusserten Sorge vor gesundheitlichen Beschwerden aufgrund der belastenden Situation ist darauf hinzuweisen, dass die Türkei - insbesondere in den Grossstädten wie Istanbul - über ein gut funktionierendes und zugängliches Gesundheitssystem verfügt, sollten die Beschwerdeführenden medizinische Hilfe benötigen. Auch wenn die Lebensumstände der Beschwerdeführenden in der Türkei unbestrittenermassen schwierig sind und es verständlich ist, dass die Beschwerdeführenden 1 und 2 bei der Betreuung der behinderten Tochter mitunter an ihre Grenzen stossen, ist ihre dortige Lage aufgrund des Gesagten nicht dergestalt, dass sie einen weiteren Verbleib in der Türkei gänzlich unzumutbar machen würde. Die Beschwerdeführenden sind in der Türkei keiner akuten
Gefährdung ausgesetzt. Das BFM hat daher berechtigterweise befunden, ein Eingreifen seitens der schweizerischen Behörden sei nicht unumgänglich.
6.2 Das BFM hat den Beschwerdeführenden somit zu Recht keine humanitären Visa ausgestellt. Daran vermag die Berufung der Beschwerdeführenden auf ihren Sohn respektive Bruder F._______, dem das BFM mit Verfügung vom (...) 2014 Asyl gewährt hat, nichts zu ändern. Die Vorinstanz hat diesbezüglich zutreffend ausgeführt, dass die Weisung des BFM vom 4. September 2013 betreffend erleichterte Erteilung von Besucher-Visa für syrische Familienangehörige bereits am 29. November 2013 aufgehoben wurde und somit vorliegend keine Anwendung finden kann.
7.
Die angefochtene Verfügung ist damit im Lichte von Art. 49 VwVG nicht zu beanstanden. Die Beschwerde ist daher abzuweisen.
8.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens wären dessen Kosten grundsätzlich den Beschwerdeführenden aufzuerlegen (Art. 63 Abs. 1 und 5 VwVG). Da ihnen mit Zwischenverfügung vom 26. Mai 2014 indes die unentgeltliche Prozessführung im Sinne von Art. 65 Abs. 1 VwVG gewährt wurde, sind keine Kosten zu erheben.
(Dispositiv nächste Seite)
Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Es werden keine Verfahrenskosten erhoben.
3.
Dieses Urteil geht an die Beschwerdeführenden und das BFM.
Der vorsitzende Richter: Die Gerichtsschreiberin:
Martin Zoller Susanne Burgherr
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