Tribunal administratif fédéral
Tribunale amministrativo federale
Tribunal administrativ federal
Abteilung IV
D-6308/2013
Urteil vom 22. Januar 2014
Richter Hans Schürch (Vorsitz),
Besetzung Richter Daniel Willisegger, Richter Yanick Felley,
Gerichtsschreiber Christoph Basler.
A._______,geboren (...), Eritrea,
vertreten durch Kathrin Oppliger,
Parteien
HEKS Rechtsberatungsstelle für Asylsuchende SG/AI/AR, (...),
Beschwerdeführer,
gegen
Bundesamt für Migration (BFM),
Quellenweg 6, 3003 Bern,
Vorinstanz.
Schengen-Visum aus humanitären Gründen (Asyl);
Gegenstand
Verfügung des BFM vom 4. Oktober 2013 / (...).
Sachverhalt:
A.
A.a Am 11. Februar 2013 ersuchte der Beschwerdeführer die schweizerische Botschaft in Kairo (nachfolgend Botschaft) um Ausstellung eines Schengen-Visums aus humanitären Gründen.
A.b Im Rahmen einer Befragung durch die Botschaft vom 13. Februar 2013 begründete er die Gesuchstellung damit, dass er im Juni 2012 von Eritrea aus in den Sudan entführt worden sei. Man habe ihn schwer geschlagen und in den Sinai (Ägypten) verbracht. Die Entführer hätten eine Lösegeldforderung gestellt. Am 14. November 2012 sei er freigelassen worden. Es gehe ihm gesundheitlich nicht gut und er hänge in Ägypten von der Unterstützung durch Landsleute ab. Er halte sich legal in Ägypten auf, das UNHCR habe ihm eine "Asylum Seeker Registration Card" ausgestellt. Er könne nicht nach Eritrea zurückkehren, da die heimatlichen Behörden in seine Entführung verwickelt gewesen seien. In der Schweiz lebe seine Cousine B._______.
A.c Die Botschaft wies das Gesuch um Ausstellung eines Schengen-Visums am 24. Februar 2013 - der Entscheid wurde dem Beschwerdeführer am 28. Februar 2013 eröffnet - ab.
B.
Der Beschwerdeführer liess durch seine Rechtsvertreterin beim BFM am 21. März 2013 Einsprache gegen die Verweigerung eines humanitären Visums erheben. Für die Begründung der Einsprache und die beigelegten Beweismittel ist auf die Akten zu verweisen.
C.
Mit Entscheid vom 4. Oktober 2013 - eröffnet am 9. Oktober 2013 - wies das BFM die Einsprache vom 21. März 2013 ab. Die Verfahrenskosten von Fr. 150.- wurden dem Beschwerdeführer auferlegt und mit dem in gleicher Höhe geleisteten Kostenvorschuss verrechnet.
D.
Mit Eingabe an das Bundesverwaltungsgericht vom 8. November 2013 liess der Beschwerdeführer durch seine Rechtsvertreterin die Aufhebung der angefochtenen Verfügung beantragen. Es sei der Einsprache vom 21. März 2013 stattzugeben und das BFM bzw. die zuständige Schweizer Botschaft anzuweisen, dem Beschwerdeführer ein Schengen-Visum aus humanitären Gründen zu erteilen. Eventualiter sei die Sache zur erneuten Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Es sei ihm die unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren und von der Erhebung eines Kostenvorschusses abzusehen. Der Beschwerde lagen diverse Beweismittel bei (vgl. S. 5 derselben).
E.
Der Instruktionsrichter hiess das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege gemäss Art. 65 Abs. 1

F.
In seiner Vernehmlassung vom 5. Dezember 2013 beantragte das BFM die Abweisung der Beschwerde. Die Vernehmlassung wurde dem Beschwerdeführer vom Bundesverwaltungsgericht am 13. Dezember 2013 zur Kenntnis gebracht.
G.
Am 12. Dezember 2013 übermittelte die Rechtsvertreterin ihre Kostennote vom 29. Mai 2013.
Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:
1.
1.1 Gemäss Art. 31





1.2 Sofern das Verwaltungsgerichtsgesetz nichts anderes bestimmt, richtet sich das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht nach dem VwVG (Art. 37

1.3 Der Beschwerdeführer ist gemäss Art. 48 Abs. 1



2.
Mit Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht kann die Verletzung von Bundesrecht einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, die unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhaltes und - sofern nicht eine kantonale Behörde als Beschwerdeinstanz verfügt hat - die Unangemessenheit gerügt werden (Art. 49

3.
3.1 Das schweizerische Ausländerrecht kennt weder ein allgemeines Recht auf Einreise noch gewährt es einen besonderen Anspruch auf Erteilung eines Visums. Die Schweiz ist daher - wie andere Staaten auch - grundsätzlich nicht verpflichtet, ausländischen Personen die Einreise zu gestatten. Vorbehältlich völkerrechtlicher Verpflichtungen handelt es sich dabei um einen autonomen Entscheid (vgl. Botschaft zum Bundesgesetz über Ausländerinnen und Ausländer vom 8. März 2002, BBl 2002 3774; BGE 135 II 1 E. 1.1).
3.2 Der angefochtenen Verfügung liegt das Gesuch eines eritreischen Staatsangehörigen um Erteilung eines humanitären Visums zugrunde. Die im Bundesgesetz vom 16. Dezember 2005 über die Ausländerinnen und Ausländer (AuG, SR 142.20) und seinen Ausführungsbestimmungen enthaltenen Regelungen über das Visumsverfahren und über die Ein- und Ausreise gelangen nur soweit zur Anwendung, als die Schengen-Assoziierungsabkommen keine abweichenden Bestimmungen enthalten (vgl. Art. 2 Abs. 2 bis

3.3 Angehörige von Staaten, die nicht Teil des Schengen-Raumes sind (sog. Drittstaaten), benötigen zur Einreise in die Schweiz bzw. den Schengen-Raum für einen Aufenthalt von höchstens drei Monaten gültige Reisedokumente, die zum Grenzübertritt berechtigen, und ein Visum, sofern dieses erforderlich ist. Im Weiteren müssen Drittstaatsangehörige den Zweck und die Umstände ihres beabsichtigten Aufenthalts belegen und hierfür über ausreichende finanzielle Mittel verfügen. Namentlich haben sie zu belegen, dass sie den Schengen-Raum vor Ablauf der Gültigkeitsdauer des beantragten Visums wieder verlassen bzw. Gewähr für ihre fristgerechte Wiederausreise bieten. Ferner dürfen Drittstaatsangehörige nicht im Schengener Informationssystem (SIS) zur Einreiseverweigerung ausgeschrieben sein und keine Gefahr für die öffentliche Ordnung, die innere Sicherheit, die öffentliche Gesundheit oder die internationalen Beziehungen eines Mitgliedstaats darstellen (vgl. zum Ganzen: Art. 5 Abs. 1


3.4 Sind die Voraussetzungen für die Ausstellung eines für den gesamten Schengen-Raum geltenden Visums nicht erfüllt, kann in Ausnahmefällen ein Visum mit räumlich beschränkter Gültigkeit erteilt werden. Unter anderem kann der betreffende Mitgliedstaat von dieser Möglichkeit Gebrauch machen, wenn er es aus humanitären Gründen, aus Gründen des nationalen Interesses oder aufgrund internationaler Verpflichtungen für erforderlich hält (vgl. Art. 2 Abs. 4


4.
4.1 Das BFM begründete seinen Einspracheentscheid damit, dass die schweizerische Auslandvertretung den Visumsantrag nach Konsultation des BFM abgewiesen habe, da die fristgerechte Wiederausreise des Beschwerdeführers nach Ablauf des Visums als nicht hinreichend gesichert erachtet worden sei, zumal um einen dauerhaften Schutz in der Schweiz nachgesucht worden sei. Es lägen auch keine humanitären Gründe vor, die eine Einreise in die Schweiz als zwingend notwendig erscheinen liessen. Die wäre nur dann der Fall, wenn bei einer Person offensichtlich davon ausgegangen werden müsse, sie sei im Heimat- oder Herkunftsstaat an Leib und Leben gefährdet. Sie müsse sich in einer besonderen Notsituation befinden, die ein behördliches Eingreifen zwingend notwendig mache. Dies könne bei akuten kriegerischen Ereignissen oder einer Situation unmittelbarer Gefährdung der Fall sein. Befinde sich die Person in einem Drittstaat, sei in der Regel davon auszugehen, es bestehe keine Gefährdung mehr.
Der Beschwerdeführer halte sich in einem Drittstaat auf und habe als vom UNHCR anerkannter Flüchtling Zugang zu von verschiedenen Hilfsorganisationen bereitgestellten medizinischen Einrichtungen. Seine Lebensbedingungen seien, gemessen am durchschnittlichen Fortkommen vieler anderer, sich in ähnlich gelagerter Situation befindlichen Personen, nicht solch gravierender Art, als dass ein behördliches Eingreifen unumgänglich sei. Der Beschwerdeführer erfülle die Voraussetzungen zur Erteilung des beantragten Visums nicht und die Botschaft habe dessen Ausstellung zu Recht verweigert.
4.2 In der Beschwerde wird geltend gemacht, die Einschätzung der Situation des Beschwerdeführers durch das BFM werde als falsch erachtet. Sie widerspreche Länderberichten von Nichtregierungsorganisationen, die sich mit den konkreten Lebensbedingungen von den zirka 500'000 Asylsuchenden und Flüchtlingen in Ägyptern auseinandergesetzt hätten. Ägypten verfüge über keine Asylgesetzgebung und habe kein System zur Abklärung des Flüchtlingsstatus. Deshalb übernehme das UNHCR alle Aktivitäten bezüglich Registrierung, Dokumentation und Asylgewährung. Vor allem afrikanische Flüchtlinge würden aufgrund ihrer Hautfarbe diskriminiert. Der Zugang zu Arbeit, Bildung und Gesundheitsversorgung sei limitiert. Da es keine Flüchtlingslager gebe, schafften es die Migranten nicht einmal, ein Dach über dem Kopf zu bekommen. Die aus Syrien geflohenen Menschen verschärften die instabile Lage zusätzlich. Irregulären Migranten drohe die Inhaftierung und Rückschaffung ins Heimatland. Die vom UNHCR geleistete finanzielle Hilfe habe eingestellt werden müssen. Die Flüchtlinge würden in die Hände von Schlepperbanden getrieben. Der Beschwerdeführer sei von dieser Situation härter betroffen als andere Flüchtlinge. Seine körperliche Integrität sei nach wie vor bedroht, da seine aus der Geiselhaft davongetragenen körperlichen und seelischen Wunden nicht angemessen versorgt worden seien. Dies mache ihn in besonderem Mass schutzbedürftig und erfordere ein Eingreifen der Schweizer Behörden. Amnesty International habe die ägyptischen Behörden aufgefordert, die Entführungsopfer, die in den Sinai gebracht würden, zu schützen und zu unterstützen.
5.
5.1 Mit der dringlichen Änderung des Asylgesetzes vom 28. September 2012 (AS 2012 5359), welche am 29. September 2012 in Kraft trat, wurden unter anderem die Bestimmungen betreffend die Stellung von Asylgesuchen aus dem Ausland aufgehoben. Da im Einzelfall jedoch nicht ausgeschlossen werden kann, dass Personen, die Schutz vor asylrechtlicher Verfolgung suchen, bei den schweizerischen Vertretungen vorsprechen und um die Einreise in die Schweiz ersuchen, wurde die Möglichkeit geschaffen, aus humanitären Gründen und mit Zustimmung des BFM ein Einreisevisum zu erteilen (vgl. Art. 2 Abs. 4

5.2 Ein Visum aus humanitären Gründen kann erteilt werden, wenn bei einer Person aufgrund des konkreten Einzelfalles offensichtlich davon ausgegangen werden muss, dass sie im Heimat- oder Herkunftsstaat unmittelbar, ernsthaft und konkret an Leib und Leben gefährdet ist. Die betroffene Person muss sich in einer besonderen Notsituation befinden, die ein behördliches Eingreifen zwingend erforderlich macht und die Erteilung eines Einreisevisums rechtfertigt. Dies kann etwa bei akuten kriegerischen Ereignissen oder bei einer aufgrund der konkreten Situation unmittelbaren individuellen Gefährdung gegeben sein. Das Gesuch ist unter Berücksichtigung der aktuellen Gefährdung, der persönlichen Umstände der betroffenen Person und der Lage im Heimat- oder Herkunftsland sorgfältig zu prüfen. Befindet sich die Person bereits in einem Drittstaat, ist in der Regel davon auszugehen, dass keine Gefährdung mehr besteht. Die Einreisevoraussetzungen sind somit beim Visumsverfahren noch restriktiver als bei den Auslandgesuchen, bei denen Einreisebewilligungen nur sehr zurückhaltend erteilt wurden (vgl. Botschaft des Bundesrates vom 26. Mai 2010 zur Änderung des Asylgesetzes, BBl 2010 4455, insbesondere 4467 f., 4471 f. und 4490 f.; Weisung des BFM vom 28. September 2012 betreffend Visumsantrag aus humanitären Gründen [zu finden auf der Internetseite des BFM]; Urteil des Bundesverwaltungsgerichts D-3372/2013 vom 30. September 2013 E. 4.3).
5.3 Aufgrund der vorliegenden Akten ergibt sich, dass der Beschwerdeführer vom UNHCR Kairo registriert wurde; ein entsprechender Ausweis wurde ihm Ende 2012 ausgestellt. Das Bundesverwaltungsgericht schliesst sich der Auffassung des BFM, für den legal in Ägypten lebenden Beschwerdeführer bestehe dort keine unmittelbare, ernsthafte und konkrete Gefährdung an Leib und Leben, an. Er lebt seit November 2012 in Ägypten und hat nicht geltend gemacht, konkrete Probleme mit den ägyptischen Behörden gehabt zu haben, weshalb auch nicht von einer ernsthaften und konkreten Gefahr einer Abschiebung nach Eritrea ausgegangen werden kann. Angesichts der allgemeinen Lage, in der sich Flüchtlinge in Ägypten befinden, wird nicht daran gezweifelt, dass er sich in einer schwierigen Lage befindet, von der indessen ein grosser Teil der sich in diesem Land aufhaltenden Flüchtlinge betroffen ist. Seinen Aussagen gemäss wurde er von eritreischen Freunden unterstützt und es ist davon auszugehen, dass er auch von seinen im Ausland lebenden Verwandten bei Bedarf finanzielle Zuwendungen erhalten kann. Den Akten ist ebenso zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer, nachdem er von seinen Entführern freigelassen wurde, vom IOM Kairo die notwendige medizinische Hilfe erhielt. Für die heute noch benötigte weitere medizinische Betreuung kann er sich zum Beispiel an eines der vier von der Caritas in Kairo betriebenen Gesundheitszentren wenden, die dafür besorgt sind, die medizinische Grundversorgung unentgeltlich sicherzustellen. Bei Bedarf würde er von dort an spezialisierte Ärzte oder Kliniken weiterverwiesen. Für in diesem Zusammenhang entstehende Kosten kann er sich an das UNHCR oder seine im Ausland lebenden Verwandten wenden. Angesichts des vorstehend Gesagten hat das BFM berechtigterweise befunden, ein Eingreifen seitens der schweizerischen Behörden sei nicht unumgänglich. An dieser Einschätzung ändern auch die eingereichten Artikel und Berichte über Entführungen afrikanischer Migranten und Lösegelderpressungen durch im Sinai operierende Beduinen nichts.
5.4 Nach dem Gesagten kommt das Bundesverwaltungsgericht zum Schluss, dass die Vorinstanz dem Beschwerdeführer zu Recht kein humanitäres Visum ausgestellt hat. Es erübrigt sich, auf die weiteren Ausführungen in der Beschwerde und die eingereichten Beweismittel im Einzelnen weiter einzugehen, da sie an der Würdigung des vorliegenden Sachverhalts nichts zu ändern vermögen.
6.
Aus vorstehenden Erwägungen folgt, dass die angefochtene Verfügung im Lichte von Art. 49

7.
7.1 Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend wären die Kosten dem unterlegenen Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 63 Abs. 1


7.2 Angesichts des Ausgangs des Verfahrens fällt die Zusprechung einer Parteientschädigung nicht in Betracht.
(Dispositiv nächste Seite)
Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Es werden keine Verfahrenskosten auferlegt.
3.
Dieses Urteil geht an den Beschwerdeführer, die schweizerische Botschaft in Kairo und das BFM.
Der vorsitzende Richter: Der Gerichtsschreiber:
Hans Schürch Christoph Basler
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