Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

1C 49/2022

Urteil vom 21. November 2022

I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Kneubühler, Präsident,
Bundesrichter Haag,
nebenamtlicher Bundesrichter Weber,
Gerichtsschreiber Mattle.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
Beschwerdeführer,

gegen

Einwohnerrat Herisau,
Poststrasse 6, Postfach 1160, 9102 Herisau,

Gemeinderat Herisau,
Poststrasse 6, Postfach 1160, 9102 Herisau,

Regierungsrat des Kantons Appenzell Ausserrhoden, Regierungsgebäude, 9102 Herisau,
vertreten durch das Departement Inneres und Sicherheit des Kantons Appenzell Ausserrhoden,
Schützenstrasse 1, 9100 Herisau.

Gegenstand
Ungültigerklärung der Volksinitiative "Stopp dem Wildwuchs von Mobilfunkantennen",

Beschwerde gegen das Urteil vom 16. Dezember 2021 des Obergerichts des Kantons Appenzell Ausserrhoden, 4. Abteilung, (O4V 21 14).

Sachverhalt:

A.
Am 17. März 2020 reichte ein Komitee bei der Gemeindekanzlei Herisau Unterschriftslisten mit 147 gültigen Unterschriften betreffend die Volksinitiative "Stopp dem Wildwuchs von Mobilfunkantennen" ein. Die Initiative ist als allgemeine Anregung formuliert. Der Initiativtext lautet:

"Neue Mobilfunkanlagen dürfen in der Gemeinde Herisau nur noch erstellt werden, wenn sie zwingend nötig sind, um ein Funkloch beheben zu können, also nur dort, wo bisher keiner aller möglichen Anbieter einen zufriedenstellenden Empfang anbieten kann. Das gilt auch für Anlagen, für die ein Bewilligungsverfahren läuft und für die bis zum 30. Juni 2020 noch keine letztinstanzlich rechtskräftige Baugenehmigung besteht. Illegal erstellte Mobilfunkanlagen müssen spätestens 3 Monate nach Annahme dieser Initiative entfernt worden sein."

Der Einwohnerrat Herisau erklärte mit Beschluss vom 9. Dezember 2020 die Volksinitiative für ungültig. Der Regierungsrat des Kantons Appenzell Ausserrhoden wies am 5. März 2021 die von A.________, Mitglied des Initiativkomitees, eingereichte Stimmrechtsbeschwerde ab. Mit Urteil vom 16. Dezember 2021 wies das Obergericht des Kantons Appenzell Ausserrhoden eine dagegen erhobene Beschwerde ab.

B.
Mit "Stimmrechtsbeschwerde" vom 26. Januar 2022 an das Bundesgericht stellte A.________ den Antrag, das Urteil des Obergerichts vom 16. Dezember 2021 und damit auch die diesbezüglichen Entscheide der Vorinstanz und der Vorvorinstanz aufzuheben. Der Gemeinderat Herisau beantragt, die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Der Regierungsrat des Kantons Appenzell Ausserrhoden verlangt die Abweisung der Beschwerde. Das Obergericht des Kantons Appenzell Ausserrhoden hat auf eine Vernehmlassung verzichtet. Der Einwohnerrat Herisau hat keine Vernehmlassung eingereicht. A.________ hat sich am 16. März 2022 nochmals geäussert.

Erwägungen:

1.

1.1. Gemäss Art. 82 lit. c
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 82 Grundsatz - Das Bundesgericht beurteilt Beschwerden:
a  gegen Entscheide in Angelegenheiten des öffentlichen Rechts;
b  gegen kantonale Erlasse;
c  betreffend die politische Stimmberechtigung der Bürger und Bürgerinnen sowie betreffend Volkswahlen und -abstimmungen.
BGG entscheidet das Bundesgericht über Beschwerden, die das Stimmrecht der Bürgerinnen und Bürger sowie die Volkswahlen und -abstimmungen betreffen. Diese Bestimmung ermöglicht die Beschwerde gegen alle Akte, die die politischen Rechte betreffen, auch auf kommunaler Ebene. Die Beschwerde im Bereich der politischen Rechte ermöglicht es dem Bürger insbesondere, sich darüber zu beschweren, dass eine Volksinitiative zu Unrecht der Volksabstimmung entzogen wurde, weil sie von der für diese Prüfung zuständigen Behörde ganz oder teilweise für ungültig erklärt wurde (BGE 128 I 190 E. 1.1; Urteil 1C 440/2021 vom 28. Februar 2022 E. 1.1).
Die Beschwerde im Bereich der politischen Rechte steht jeder Person zu, die in der fraglichen Angelegenheit stimmberechtigt ist (Art. 89 Abs. 3
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 89 Beschwerderecht - 1 Zur Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist berechtigt, wer:
1    Zur Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist berechtigt, wer:
a  vor der Vorinstanz am Verfahren teilgenommen hat oder keine Möglichkeit zur Teilnahme erhalten hat;
b  durch den angefochtenen Entscheid oder Erlass besonders berührt ist; und
c  ein schutzwürdiges Interesse an dessen Aufhebung oder Änderung hat.
2    Zur Beschwerde sind ferner berechtigt:
a  die Bundeskanzlei, die Departemente des Bundes oder, soweit das Bundesrecht es vorsieht, die ihnen unterstellten Dienststellen, wenn der angefochtene Akt die Bundesgesetzgebung in ihrem Aufgabenbereich verletzen kann;
b  das zuständige Organ der Bundesversammlung auf dem Gebiet des Arbeitsverhältnisses des Bundespersonals;
c  Gemeinden und andere öffentlich-rechtliche Körperschaften, wenn sie die Verletzung von Garantien rügen, die ihnen die Kantons- oder Bundesverfassung gewährt;
d  Personen, Organisationen und Behörden, denen ein anderes Bundesgesetz dieses Recht einräumt.
3    In Stimmrechtssachen (Art. 82 Bst. c) steht das Beschwerderecht ausserdem jeder Person zu, die in der betreffenden Angelegenheit stimmberechtigt ist.
BGG), auch wenn sie kein eigenes rechtliches Interesse an der Aufhebung des angefochtenen Aktes hat (BGE 138 I 171 E. 1.3; Urteil 1C 346/2018 vom 4. März 2019 E. 1.1). Der Beschwerdeführer ist in der in der Gemeinde Herisau stimmberechtigt. Seine Legitimation ist somit gegeben. Da auch die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt sind, ist auf die Beschwerde grundsätzlich einzutreten.

1.2. Anfechtbar ist allerdings nur das Urteil des Obergerichts (sog. Devolutiveffekt); dem Antrag des Beschwerdeführers auf Aufhebung auch der Entscheide der Vorinstanz und der Vorvorinstanz kann daher von vornherein nicht stattgegeben werden. Immerhin gelten Entscheide unterer Instanzen als inhaltlich mitangefochten (Urteil des Bundesgerichts 1B 59/2021 vom 18. Oktober 2021 E. 1.2, nicht publiziert in: BGE 148 IV 74).

2.
Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 106 Rechtsanwendung - 1 Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an.
1    Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an.
2    Es prüft die Verletzung von Grundrechten und von kantonalem und interkantonalem Recht nur insofern, als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und begründet worden ist.
BGG). Es ist folglich weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann eine Beschwerde mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen (vgl. BGE 141 V 234 E. 1 mit Hinweisen).
Bei der Beschwerde in Stimmrechtssachen prüft das Bundesgericht nicht nur die Auslegung von Bundesrecht und kantonalen verfassungsmässigen Rechten mit voller Kognition, sondern auch diejenige anderer kantonaler Vorschriften, die den Inhalt des Stimm- und Wahlrechts normieren oder damit in engem Zusammenhang stehen (vgl. Art. 95 lit. a
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 95 Schweizerisches Recht - Mit der Beschwerde kann die Verletzung gerügt werden von:
a  Bundesrecht;
b  Völkerrecht;
c  kantonalen verfassungsmässigen Rechten;
d  kantonalen Bestimmungen über die politische Stimmberechtigung der Bürger und Bürgerinnen und über Volkswahlen und -abstimmungen;
e  interkantonalem Recht.
, lit. c sowie lit. d BGG).

3.
Der Beschwerdeführer macht geltend, es werde aus dem Initiativtext völlig willkürlich abgeleitet, es gehe darum zu verhindern, dass in der Gemeinde Herisau weitere Mobilfunkantennen aufgestellt werden können. Jedoch werde lediglich verlangt, dass der Bau weiterer Antennenanlagen auf jene Quartiere beschränkt werden soll, in denen kein zufriedenstellender Empfang gewährleistet ist. Es sei willkürlich, anzunehmen, dass dies zu einem Bauverbot für Mobilfunkantennen führen würde, denn weder die Gemeinde Herisau noch der Kanton Appenzell Ausserrhoden hätten überprüft, ob und wo noch sogenannte Funklöcher bestehen. Der Initiativtext schliesse einen Betrieb innerhalb der vorgeschriebenen Grenzwerte in keiner Weise aus. Die Vereinbarkeit mit dem übergeordneten Recht werde nur durch die willkürliche Behauptung in Frage gestellt, das Volksbegehren wolle die Bewohner auch vor Strahlungswerten schützen, welche innerhalb der erlaubten Grenzwerte liegen, was keineswegs der Fall sei. Es mache Sinn, nicht mehr Antennen aufzustellen, als dazu notwendig sind, um jedem Bewohner einer Gemeinde einen optimalen Empfang zu garantieren. Dies werde von der Initiative zwar nicht wortwörtlich, aber sinngemäss gefordert.

3.1. Art. 34 Abs. 1
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 34 Politische Rechte - 1 Die politischen Rechte sind gewährleistet.
1    Die politischen Rechte sind gewährleistet.
2    Die Garantie der politischen Rechte schützt die freie Willensbildung und die unverfälschte Stimmabgabe.
BV gewährleistet in allgemeiner Weise die politischen Rechte auf Ebene des Bundes, der Kantone und der Gemeinden (BGE 147 I 120 E. 2.1). Die Bestimmung schützt damit auch das Initiativrecht in kommunalen Angelegenheiten. Mit einer Volksinitiative kann in Gemeinden der Erlass, die Änderung oder die Aufhebung von Reglementen oder Beschlüssen verlangt werden, die dem obligatorischen oder dem fakultativen Referendum unterliegen (Art. 106 Abs. 1
SR 131.224.1 Verfassung des Kantons Appenzell A. Rh., vom 30. April 1995
KV/AR Art. 106 Initiativrecht - 1 Mit einer Initiative kann der Erlass, die Änderung oder die Aufhebung von Reglementen oder Beschlüssen verlangt werden, die dem obligatorischen oder dem fakultativen Referendum unterliegen.
1    Mit einer Initiative kann der Erlass, die Änderung oder die Aufhebung von Reglementen oder Beschlüssen verlangt werden, die dem obligatorischen oder dem fakultativen Referendum unterliegen.
2    Die Initiative kann als allgemeine Anregung oder als ausgearbeiteter Entwurf eingereicht werden.
3    Wird mit einer Initiative der Erlass oder die Änderung von Plänen oder Vorschriften verlangt, für die ein Einspracheverfahren vorgeschrieben ist, ist sie nur als allgemeine Anregung zulässig.
4    Die Artikel 51 Absatz 1, 52, 54 und 55 gelten im übrigen sinngemäss.
der Verfassung des Kantons Appenzell Ausserrhoden vom 30. April 1995 [KV/AR; SR 131.224.1] und Art. 49 Abs. 1 lit. b des Gesetzes über die politischen Rechte vom 24. April 1988 [GPR/AR; bGS 131.12]). Eine Volksinitiative ist u.a. ungültig, wenn sie dem übergeordneten Recht widerspricht (Art. 55 Abs. 2 lit. b
SR 131.224.1 Verfassung des Kantons Appenzell A. Rh., vom 30. April 1995
KV/AR Art. 55 e. Verfahren - 1 Der Regierungsrat entscheidet über das Zustandekommen, der Kantonsrat über die Gültigkeit der Initiativen.
1    Der Regierungsrat entscheidet über das Zustandekommen, der Kantonsrat über die Gültigkeit der Initiativen.
2    Ganz oder teilweise ungültig ist eine Initiative, wenn sie
a  dem Grundsatz der Einheit der Materie widerspricht,
b  übergeordnetem Recht widerspricht oder
c  undurchführbar ist.
3    Volksinitiativen sind möglichst rasch zu behandeln.
KV/AR) und wenn sie undurchführbar ist (Art. 55 Abs. 2 lit. c
SR 131.224.1 Verfassung des Kantons Appenzell A. Rh., vom 30. April 1995
KV/AR Art. 55 e. Verfahren - 1 Der Regierungsrat entscheidet über das Zustandekommen, der Kantonsrat über die Gültigkeit der Initiativen.
1    Der Regierungsrat entscheidet über das Zustandekommen, der Kantonsrat über die Gültigkeit der Initiativen.
2    Ganz oder teilweise ungültig ist eine Initiative, wenn sie
a  dem Grundsatz der Einheit der Materie widerspricht,
b  übergeordnetem Recht widerspricht oder
c  undurchführbar ist.
3    Volksinitiativen sind möglichst rasch zu behandeln.
KV/AR).
Die Volksinitiative darf somit nichts enthalten, was gegen übergeordnetes Recht verstösst, sei es kantonales, interkantonales, eidgenössisches oder internationales Recht. Aufgrund des in Art. 49 Abs. 1
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 49 Vorrang und Einhaltung des Bundesrechts - 1 Bundesrecht geht entgegenstehendem kantonalem Recht vor.
1    Bundesrecht geht entgegenstehendem kantonalem Recht vor.
2    Der Bund wacht über die Einhaltung des Bundesrechts durch die Kantone.
BV verankerten Grundsatzes der derogatorischen Kraft des Bundesrechts dürfen die Kantone und Gemeinden in den Bereichen, die durch das Bundesrecht erschöpfend geregelt sind, keine Gesetze erlassen. In den übrigen Bereichen können sie Rechtssätze erlassen, sofern diese nicht gegen Sinn und Geist des Bundesrechts verstossen und dessen Verwirklichung nicht gefährden (vgl. BGE 143 I 129 E. 2.1 und die dort zitierten Urteile).
Für die Beurteilung der materiellen Rechtmässigkeit einer Volksinitiative ist deren Text nach den anerkannten Interpretationsgrundsätzen auszulegen. Grundsätzlich ist vom Wortlaut der Initiative auszugehen und nicht auf den subjektiven Willen der Initianten abzustellen. Eine allfällige Begründung des Volksbegehrens darf mitberücksichtigt werden, wenn sie für das Verständnis der Initiative unerlässlich ist. Massgeblich ist bei der Auslegung des Initiativtextes, wie er von den Stimmberechtigten und späteren Adressaten vernünftigerweise verstanden werden muss. Von verschiedenen Auslegungsmöglichkeiten ist jene zu wählen, die einerseits dem Sinn und Zweck der Initiative am besten entspricht und zu einem vernünftigen Ergebnis führt und welche anderseits mit dem übergeordneten Recht vereinbar erscheint. Kann der Initiative ein Sinn beigemessen werden, der sie nicht klarerweise als unzulässig erscheinen lässt, ist sie nach dem Günstigkeitsprinzip bzw. dem Grundsatz "in dubio pro populo" als gültig zu erklären und der Volksabstimmung zu unterstellen (zum Ganzen: vgl. BGE 147 I 183 E. 6.2; 144 I 193 E. 7.3.1 mit Hinweisen). Dies ergibt sich auch aus dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit (Art. 36 Abs. 2
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 36 Einschränkungen von Grundrechten - 1 Einschränkungen von Grundrechten bedürfen einer gesetzlichen Grundlage. Schwerwiegende Einschränkungen müssen im Gesetz selbst vorgesehen sein. Ausgenommen sind Fälle ernster, unmittelbarer und nicht anders abwendbarer Gefahr.
1    Einschränkungen von Grundrechten bedürfen einer gesetzlichen Grundlage. Schwerwiegende Einschränkungen müssen im Gesetz selbst vorgesehen sein. Ausgenommen sind Fälle ernster, unmittelbarer und nicht anders abwendbarer Gefahr.
2    Einschränkungen von Grundrechten müssen durch ein öffentliches Interesse oder durch den Schutz von Grundrechten Dritter gerechtfertigt sein.
3    Einschränkungen von Grundrechten müssen verhältnismässig sein.
4    Der Kerngehalt der Grundrechte ist unantastbar.
und 3
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 36 Einschränkungen von Grundrechten - 1 Einschränkungen von Grundrechten bedürfen einer gesetzlichen Grundlage. Schwerwiegende Einschränkungen müssen im Gesetz selbst vorgesehen sein. Ausgenommen sind Fälle ernster, unmittelbarer und nicht anders abwendbarer Gefahr.
1    Einschränkungen von Grundrechten bedürfen einer gesetzlichen Grundlage. Schwerwiegende Einschränkungen müssen im Gesetz selbst vorgesehen sein. Ausgenommen sind Fälle ernster, unmittelbarer und nicht anders abwendbarer Gefahr.
2    Einschränkungen von Grundrechten müssen durch ein öffentliches Interesse oder durch den Schutz von Grundrechten Dritter gerechtfertigt sein.
3    Einschränkungen von Grundrechten müssen verhältnismässig sein.
4    Der Kerngehalt der Grundrechte ist unantastbar.
BV), demzufolge ein
staatlicher Eingriff die Rechte der Bürger so wenig wie möglich beeinträchtigen darf. Ungültigkeitsentscheidungen müssen so weit wie möglich eingeschränkt werden, indem die für die Initianten günstigste Lösung gewählt wird. Dabei ist der Ermessensspielraum der Kontrollinstanz bei der Prüfung einer nicht ausformulierten Initiative in der Form einer allgemeinen Anregung grösser als bei einer Initiative, die als ausformulierter Entwurf verfasst wurde (BGE 143 I 129 E. 2.2 sowie Urteil 1C 371/2020 vom 9. Februar 2021 E. 3.1).

3.2. Mobilfunkanlagen bedürfen nach Bundesrecht grundsätzlich keiner besonderen Planung; sie sind in erster Linie in Bauzonen zu errichten. Entscheidet sich die kantonale oder kommunale Behörde, eine Planung für solche Anlagen zu erstellen, kann diese positiv, negativ oder kaskadenartig sein (BGE 141 II 245 E. 2.1 mit Hinweisen). Mobilfunkanlagen können zudem den kantonalen oder kommunalen Ästhetik- oder Integrationsvorschriften unterstellt werden. Diese Normen müssen jedoch innerhalb der Grenzen des übergeordneten Rechts - insbesondere des Bundesumweltrechts einerseits und des Fernmelderechts andererseits - angewendet werden: Sie dürfen die im Fernmelderecht verankerten öffentlichen Interessen nicht verletzen und müssen dem Interesse an einem qualitativ guten Mobilfunknetz und an einem wirksamen Wettbewerb zwischen den Mobilfunkanbietern Rechnung tragen. Insbesondere darf die Anwendung von Ästhetik- oder Ortsbildschutznormen die Erfüllung der bundesrechtlichen Versorgungspflicht des Betreibers nicht verunmöglichen oder übermässig erschweren (Art. 1
SR 784.10 Fernmeldegesetz vom 30. April 1997 (FMG)
FMG Art. 1 Zweck - 1 Dieses Gesetz bezweckt, dass der Bevölkerung und der Wirtschaft vielfältige, preiswerte, qualitativ hoch stehende sowie national und international konkurrenzfähige Fernmeldedienste angeboten werden.
1    Dieses Gesetz bezweckt, dass der Bevölkerung und der Wirtschaft vielfältige, preiswerte, qualitativ hoch stehende sowie national und international konkurrenzfähige Fernmeldedienste angeboten werden.
2    Es soll insbesondere:
a  eine zuverlässige und erschwingliche Grundversorgung mit Fernmeldediensten für alle Bevölkerungskreise in allen Landesteilen gewährleisten;
b  einen störungsfreien, die Persönlichkeits- und Immaterialgüterrechte achtenden Fernmeldeverkehr sicherstellen;
c  einen wirksamen Wettbewerb beim Erbringen von Fernmeldediensten ermöglichen;
d  die Benutzerinnen und Benutzer von Fernmeldediensten vor unlauterer Werbung und vor Missbrauch durch Mehrwertdienste schützen;
e  Kinder und Jugendliche vor den Gefahren, die sich aus der Nutzung der Fernmeldedienste ergeben, schützen.
des Fernmeldegesetzes vom 30. April 1997 [FMG; SR 784.10]; BGE 141 II 245 E. 7.1 und 7.8 mit Hinweisen).

4.
Die Initiative "Stopp dem Wildwuchs von Mobilfunkantennen" sieht vor, dass neue Mobilfunkanlagen nur noch erstellt werden dürfen, wenn sie zwingend nötig sind, um ein Funkloch zu beheben. Der Begriff "Funkloch" wird dahingehend umschrieben, dass nur dort eine Neuerstellung noch möglich sei, wo bisher keiner aller möglichen Anbieter einen zufriedenstellenden Empfang anbieten könne. Nach Auffassung der Vorinstanz lässt sich dieser Initiativtext nicht bundesrechtskonform umsetzen. Der Beschwerdeführer erachtet dies als willkürlich.

4.1. Aufgrund des Textes der Initiative könnte eine neue Mobilfunkanlage somit nur noch dort erstellt werden, wo keiner aller möglichen Anbieter einen zufriedenstellenden Empfang anbieten kann. Damit wären aber in einem Gebiet, wo ein Anbieter einen solchen Empfang ermöglicht, alle anderen Anbieter von einer Neuerstellung ausgeschlossen. Damit würde ein wirksamer Wettbewerb zwischen den Mobilfunkanbietern im Gebiet der Gemeinde Herisau faktisch ausgeschlossen, was gegen Art. 1 Abs. 2 lit. c
SR 784.10 Fernmeldegesetz vom 30. April 1997 (FMG)
FMG Art. 1 Zweck - 1 Dieses Gesetz bezweckt, dass der Bevölkerung und der Wirtschaft vielfältige, preiswerte, qualitativ hoch stehende sowie national und international konkurrenzfähige Fernmeldedienste angeboten werden.
1    Dieses Gesetz bezweckt, dass der Bevölkerung und der Wirtschaft vielfältige, preiswerte, qualitativ hoch stehende sowie national und international konkurrenzfähige Fernmeldedienste angeboten werden.
2    Es soll insbesondere:
a  eine zuverlässige und erschwingliche Grundversorgung mit Fernmeldediensten für alle Bevölkerungskreise in allen Landesteilen gewährleisten;
b  einen störungsfreien, die Persönlichkeits- und Immaterialgüterrechte achtenden Fernmeldeverkehr sicherstellen;
c  einen wirksamen Wettbewerb beim Erbringen von Fernmeldediensten ermöglichen;
d  die Benutzerinnen und Benutzer von Fernmeldediensten vor unlauterer Werbung und vor Missbrauch durch Mehrwertdienste schützen;
e  Kinder und Jugendliche vor den Gefahren, die sich aus der Nutzung der Fernmeldedienste ergeben, schützen.
FMG verstösst. Der Initiativtext mit der Verwendung des Begriffs "Funkloch" und dessen Erläuterung im Initiativtext selbst erlaubt keine bundesrechtskonforme Auslegung der Initiative, da sich aus der Formulierung "keiner aller möglichen Anbieter" klar die Beschränkung auf einen Anbieter, der einen zufriedenstellenden Empfang gewährleistet, ergibt. Der Beschwerdeführer zeigt auch nicht auf, wie eine andere Auslegung, die keine Einschränkung des Wettbewerbs zwischen den Mobilfunkanbietern beinhalten würde, möglich wäre.

4.2. Die Initiative würde es den Mobilfunkanbietern auch erheblich erschweren oder gar verunmöglichen, ihrer bundesrechtlich vorgeschriebenen Versorgungspflicht gemäss Art. 1 Abs. 1
SR 784.10 Fernmeldegesetz vom 30. April 1997 (FMG)
FMG Art. 1 Zweck - 1 Dieses Gesetz bezweckt, dass der Bevölkerung und der Wirtschaft vielfältige, preiswerte, qualitativ hoch stehende sowie national und international konkurrenzfähige Fernmeldedienste angeboten werden.
1    Dieses Gesetz bezweckt, dass der Bevölkerung und der Wirtschaft vielfältige, preiswerte, qualitativ hoch stehende sowie national und international konkurrenzfähige Fernmeldedienste angeboten werden.
2    Es soll insbesondere:
a  eine zuverlässige und erschwingliche Grundversorgung mit Fernmeldediensten für alle Bevölkerungskreise in allen Landesteilen gewährleisten;
b  einen störungsfreien, die Persönlichkeits- und Immaterialgüterrechte achtenden Fernmeldeverkehr sicherstellen;
c  einen wirksamen Wettbewerb beim Erbringen von Fernmeldediensten ermöglichen;
d  die Benutzerinnen und Benutzer von Fernmeldediensten vor unlauterer Werbung und vor Missbrauch durch Mehrwertdienste schützen;
e  Kinder und Jugendliche vor den Gefahren, die sich aus der Nutzung der Fernmeldedienste ergeben, schützen.
sowie Abs. 2 lit. a und lit. b FMG nachzukommen, zumal sie nicht bloss einen zufriedenstellenden Empfang, sondern zuverlässige bzw. qualitativ hochstehende Fernmeldedienste sicherzustellen haben. Letztlich will die Initiative einen vorsorglichen Emissionsschutz auf dem Gebiet der Gemeinde Herisau herbeiführen, der über die Anforderungen der Verordnung über den Schutz vor nichtionisierender Strahlung vom 23. Dezember 1999 (NISV; SR 814.710) hinausgeht. Dies zeigt sich nicht nur aus dem Initiativtext, sondern auch aus der auf dem Unterschriftenbogen abgedruckten Begründung der Initiative, wonach diese gewährleisten solle, dass der Wunsch der Öffentlichkeit, nicht mehr als technisch notwendig bestrahlt zu werden, auch umgesetzt werde. Die Vorinstanz hat unter Verweis auf BGE 133 II 64 zutreffend erkannt, dass sich eine solche Einschränkung nicht bundesrechtskonform umsetzen lässt. In diesem Zusammenhang ist auch das Argument des Beschwerdeführers unbehelflich, die Initiative beabsichtige lediglich, den Bau weiterer Antennenanlagen auf jene Quartiere zu
beschränken, in denen kein zufriedenstellender Empfang gewährleistet sei. Eine solche Interpretation lässt sich mit dem Wortlaut der Initiative nicht vereinbaren.

4.3. Da sich die Bundesrechtswidrigkeit der Initiative bereits aufgrund der Beschränkung der Neuerstellung von Mobilfunkanlagen ergibt, kann offen gelassen werden, ob die Formulierung, dass die Einschränkung für die Neuerstellung auch für Anlagen gelte, für welches ein Bewilligungsverfahren laufe und für die bis 30. Juni 2020 noch keine letztinstanzlich rechtskräftige Baugenehmigung bestehe, gegen das Rückwirkungsverbot verstösst. Die Vorinstanz hat deswegen die Undurchführbarkeit der Initiative angenommen, dies jedoch nicht im Urteil begründet. Eine Teilungültigerklärung der Volksinitiative (vgl. dazu BGE 139 I 292 E. 7.2.3; Urteil 1C 419/2018 vom 21. Mai 2019 E. 4.1, in: ZBl 122/2021 S. 343) kommt vorliegend nicht in Betracht.

5.
Die Beschwerde erweist sich als unbegründet und ist abzuweisen, soweit auf sie überhaupt eingetreten werden kann. Das beim Bundesgericht am 31. Oktober 2022 eingegangene Gesuch des Beschwerdeführers um Erlass vorsorglicher Massnahmen wird mit dem Entscheid in der Sache gegenstandslos. Bei diesem Verfahrensausgang wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig (vgl. Art. 66 Abs. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 66 Erhebung und Verteilung der Gerichtskosten - 1 Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben.
1    Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben.
2    Wird ein Fall durch Abstandserklärung oder Vergleich erledigt, so kann auf die Erhebung von Gerichtskosten ganz oder teilweise verzichtet werden.
3    Unnötige Kosten hat zu bezahlen, wer sie verursacht.
4    Dem Bund, den Kantonen und den Gemeinden sowie mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen dürfen in der Regel keine Gerichtskosten auferlegt werden, wenn sie in ihrem amtlichen Wirkungskreis, ohne dass es sich um ihr Vermögensinteresse handelt, das Bundesgericht in Anspruch nehmen oder wenn gegen ihre Entscheide in solchen Angelegenheiten Beschwerde geführt worden ist.
5    Mehrere Personen haben die ihnen gemeinsam auferlegten Gerichtskosten, wenn nichts anderes bestimmt ist, zu gleichen Teilen und unter solidarischer Haftung zu tragen.
BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Einwohnerrat Herisau, dem Gemeinderat Herisau, dem Regierungsrat des Kantons Appenzell Ausserrhoden und dem Obergericht des Kantons Appenzell Ausserrhoden, 4. Abteilung, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 21. November 2022

Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Kneubühler

Der Gerichtsschreiber: Mattle
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Document : 1C_49/2022
Date : 21. November 2022
Published : 09. Dezember 2022
Source : Bundesgericht
Status : Unpubliziert
Subject area : Politische Rechte
Subject : Ungültigerklärung der Volksinitiative Stopp dem Wildwuchs von Mobilfunkantennen


Legislation register
BGG: 66  82  89  95  106
BV: 34  36  49
FMG: 1
SR 131.224.1: 55  106
BGE-register
128-I-190 • 133-II-64 • 138-I-171 • 139-I-292 • 141-II-245 • 141-V-234 • 143-I-129 • 144-I-193 • 147-I-103 • 147-I-183 • 148-IV-74
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