Bundesstrafgericht Tribunal pénal fédéral Tribunale penale federale Tribunal penal federal

Geschäftsnummer: BB.2012.126

Beschluss vom 21. August 2012 Beschwerdekammer

Besetzung

Bundesstrafrichter Stephan Blättler, Vorsitz, Tito Ponti und Roy Garré, Gerichtsschreiber Stefan Graf

Parteien

A., verteidigt durch Rechtsanwalt Till Gontersweiler,

Beschwerdeführer

gegen

Bundesanwaltschaft,

Beschwerdegegnerin

Vorinstanz

Bundesstrafgericht, Strafkammer,

Gegenstand

Verfahrenshandlung der Strafkammer (Art. 20 Abs. 1 lit. a
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 20 Beschwerdeinstanz - 1 Die Beschwerdeinstanz beurteilt Beschwerden gegen Verfahrenshandlungen und gegen nicht der Berufung unterliegende Entscheide:
i.V.m. Art. 393 Abs. 1 lit. b
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 393 Zulässigkeit und Beschwerdegründe - 1 Die Beschwerde ist zulässig gegen:
StPO)

Sachverhalt:

A. In der vor der Strafkammer des Bundesstrafgerichts (nachfolgend "Strafkammer") hängigen Strafsache Bundesanwaltschaft gegen A. bestimmte der Kammerpräsident am 31. Juli 2012 B. als Einzelrichterin. Diese orientierte den Präsidenten der Strafkammer hierauf im Sinne von Art. 57
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 57 Mitteilungspflicht - Liegt bei einer in einer Strafbehörde tätigen Person ein Ausstandsgrund vor, so teilt die Person dies rechtzeitig der Verfahrensleitung mit.
StPO, dass sie vor ihrer Wahl in das Bundesstrafgericht in der von C., welche die Anklage vor der Strafkammer vertritt, geleiteten Abteilung der Bundesanwaltschaft eingesetzt wurde, während dieser Zeit mit C. sporadischen privaten Kontakt gepflegt hatte und C. als Gast für ihre bevorstehende Vermählung vorgesehen, jedoch noch nicht eingeladen worden sei. Mit Verfügung vom 2. August 2012 bestimmte der Präsident der Strafkammer, die Verfügung vom 31. Juli 2012 betreffend Zusammensetzung des Spruchkörpers bleibe unverändert und teilte dies den Parteien mit. Die Verfügung enthält u. a. den Hinweis, dass die Frage, ob sie der Beschwerde unterliege oder ob den Parteien lediglich der Rechtsbehelf des Ausstandsbegehrens offen stehe, gegebenenfalls durch die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts zu entscheiden sei (vgl. zum Ganzen act. 1.2).

B. Hiergegen gelangte der anwaltlich vertretene A. mit Eingabe vom 16. August 2012 ans Bundesstrafgericht (die Adressierung enthält keine Bezeichnung einer Kammer des Gerichts). Im Rahmen dieser Eingabe beantragt er – unter Hinweis auf Art. 393 Abs. 1 lit. b
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 393 Zulässigkeit und Beschwerdegründe - 1 Die Beschwerde ist zulässig gegen:
StPO – beschwerdeweise, die angefochtene Verfügung sei aufzuheben, B. habe als Einzelrichterin in den Ausstand zu treten bzw. sie sei als Einzelrichterin durch eine unparteiische Richterin / einen unparteiischen Richter zu ersetzen, unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zuzüglich 8 % MwSt. zu Lasten des Staates. Eventualiter – für den Fall, dass seine Beschwerde als unzulässig erachtet werden sollte – stellte er ein gegen B. gerichtetes Ausstandsgesuch (act. 1).

Die Beschwerdekammer zieht in Erwägung:

1.

1.1 Gegen Verfügungen und Beschlüsse sowie gegen die Verfahrenshandlungen der Strafkammer des Bundesstrafgerichts als erstinstanzliches Gericht des Bundes kann – ausser gegen deren verfahrensleitende Entscheide – bei der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts Beschwerde nach den Vorschriften der Art. 393 ff
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 393 Zulässigkeit und Beschwerdegründe - 1 Die Beschwerde ist zulässig gegen:
. StPO erhoben werden (Art. 393 Abs. 1 lit. b
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 393 Zulässigkeit und Beschwerdegründe - 1 Die Beschwerde ist zulässig gegen:
StPO i.V.m. Art. 35 Abs. 1
SR 173.71 Bundesgesetz vom 19. März 2010 über die Organisation der Strafbehörden des Bundes (Strafbehördenorganisationsgesetz, StBOG) - Strafbehördenorganisationsgesetz
StBOG Art. 35 Zuständigkeiten - 1 Die Strafkammern urteilen in Fällen der Bundesgerichtsbarkeit als erstinstanzliches Gericht, sofern die Bundesanwaltschaft die Beurteilung nicht den kantonalen Behörden übertragen hat.
1    Die Strafkammern urteilen in Fällen der Bundesgerichtsbarkeit als erstinstanzliches Gericht, sofern die Bundesanwaltschaft die Beurteilung nicht den kantonalen Behörden übertragen hat.
2    Sie beurteilen zudem Strafsachen, die der Bundesrat nach dem Bundesgesetz vom 22. März 197411 über das Verwaltungsstrafrecht dem Bundesstrafgericht überwiesen hat.
und Art. 37 Abs. 1
SR 173.71 Bundesgesetz vom 19. März 2010 über die Organisation der Strafbehörden des Bundes (Strafbehördenorganisationsgesetz, StBOG) - Strafbehördenorganisationsgesetz
StBOG Art. 37 Zuständigkeiten - 1 Die Beschwerdekammern des Bundesstrafgerichts treffen die Entscheide, für welche die StPO13 die Beschwerdeinstanz oder das Bundesstrafgericht als zuständig bezeichnet.
1    Die Beschwerdekammern des Bundesstrafgerichts treffen die Entscheide, für welche die StPO13 die Beschwerdeinstanz oder das Bundesstrafgericht als zuständig bezeichnet.
2    Sie entscheiden zudem über:
a  Beschwerden in internationalen Rechtshilfeangelegenheiten gemäss:
a1  dem Rechtshilfegesetz vom 20. März 198114,
a2  dem Bundesgesetz vom 21. Dezember 199515 über die Zusammenarbeit mit den internationalen Gerichten zur Verfolgung schwerwiegender Verletzungen des humanitären Völkerrechts,
a3  dem Bundesgesetz vom 22. Juni 200116 über die Zusammenarbeit mit dem Internationalen Strafgerichtshof,
a4  dem Bundesgesetz vom 3. Oktober 197517 zum Staatsvertrag mit den Vereinigten Staaten von Amerika über gegenseitige Rechtshilfe in Strafsachen;
b  Beschwerden, die ihnen das Bundesgesetz vom 22. März 197418 über das Verwaltungsstrafrecht zuweist;
c  Beschwerden gegen Verfügungen des Bundesverwaltungsgerichts über das Arbeitsverhältnis seiner Richter und Richterinnen und seines Personals sowie des Personals der ständigen Sekretariate der eidgenössischen Schätzungskommissionen;
d  Konflikte über die Zuständigkeit der militärischen und der zivilen Gerichtsbarkeit;
e  Anstände, die ihnen das Bundesgesetz vom 21. März 199720 über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit zum Entscheid zuweist;
f  Anstände, die ihnen das Bundesgesetz vom 7. Oktober 199421 über kriminalpolizeiliche Zentralstellen des Bundes zum Entscheid zuweist;
g  Konflikte über die Zuständigkeit nach dem Geldspielgesetz vom 29. September 201723.
StBOG).

1.2 Für Ausstandsgesuche schreibt Art. 58 Abs. 1
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 58 Ausstandsgesuch einer Partei - 1 Will eine Partei den Ausstand einer in einer Strafbehörde tätigen Person verlangen, so hat sie der Verfahrensleitung ohne Verzug ein entsprechendes Gesuch zu stellen, sobald sie vom Ausstandsgrund Kenntnis hat; die den Ausstand begründenden Tatsachen sind glaubhaft zu machen.
StPO jedoch vor, dass Parteien, die den Ausstand einer in einer Strafbehörde tätigen Person verlangen wollen, bei der Verfahrensleitung ohne Verzug ein entsprechendes Gesuch zu stellen haben, sobald sie vom Ausstandsgrund Kenntnis haben. Die betroffene Person nimmt zum Gesuch Stellung (Art. 58 Abs. 2
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 58 Ausstandsgesuch einer Partei - 1 Will eine Partei den Ausstand einer in einer Strafbehörde tätigen Person verlangen, so hat sie der Verfahrensleitung ohne Verzug ein entsprechendes Gesuch zu stellen, sobald sie vom Ausstandsgrund Kenntnis hat; die den Ausstand begründenden Tatsachen sind glaubhaft zu machen.
StPO), worauf gegebenenfalls die gemäss Art. 59 Abs. 1
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 59 Entscheid - 1 Wird ein Ausstandsgrund nach Artikel 56 Buchstabe a oder f geltend gemacht oder widersetzt sich eine in einer Strafbehörde tätige Person einem Ausstandsgesuch einer Partei, das sich auf Artikel 56 Buchstaben b-e abstützt, so entscheidet ohne weiteres Beweisverfahren:22
StPO zuständige Instanz ohne weiteres Beweisverfahren und endgültig über das Gesuch entscheidet. In diesem Bereich sieht das Gesetz damit einen speziellen Rechtsweg vor (siehe Boog, Basler Kommentar, Basel 2011, Art. 58
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 58 Ausstandsgesuch einer Partei - 1 Will eine Partei den Ausstand einer in einer Strafbehörde tätigen Person verlangen, so hat sie der Verfahrensleitung ohne Verzug ein entsprechendes Gesuch zu stellen, sobald sie vom Ausstandsgrund Kenntnis hat; die den Ausstand begründenden Tatsachen sind glaubhaft zu machen.
StPO N. 1 ff.; Riedo/Fiolka/Niggli, Strafprozessrecht, Basel 2011, N. 395 – 399), welcher die Beschwerde gemäss Art. 393 ff
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 393 Zulässigkeit und Beschwerdegründe - 1 Die Beschwerde ist zulässig gegen:
. StPO konkludent ausschliesst (Guidon, Die Beschwerde gemäss Schweizerischer Strafprozessordnung, Berner Diss., Zürich/St. Gallen 2011, N. 196; in diesem Sinne auch Verniory, Commentaire romand, Bâle 2011, n° 1 ad art. 56 CPP, welcher das Ausstandsverfahren nach Art. 56
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 56 Ausstandsgründe - Eine in einer Strafbehörde tätige Person tritt in den Ausstand, wenn sie:
– 60 StPO in diesem Bereich als einzigen von der StPO vorgesehenen Rechtsbehelf bezeichnet).

In diesem Zusammenhang lässt sich entgegen den Ausführungen des Beschwerdeführers auch mit Hinweis auf Schmid, Praxiskommentar, Zürich/St. Gallen 2009, Art. 393
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 393 Zulässigkeit und Beschwerdegründe - 1 Die Beschwerde ist zulässig gegen:
StPO N. 19, nichts Gegenteiliges ableiten. Vielmehr hält auch dieser fest, dass allfällige Sondervorschriften, die eine Beschwerde ausschliessen, zu beachten seien. In den übrigen an erwähnter Stelle von Schmid angeführten Fällen, in denen eine Beschwerde zulässig sein solle, findet sich nirgends ein Bezug zu Ausstandsgesuchen (siehe auch Schmid, Handbuch des schweizerischen Strafprozessrechts, Zürich/St. Gallen 2009, N. 1510).

1.3 Nach dem Gesagten erweist sich die Beschwerde als unzulässig, weshalb auf sie nicht eingetreten werden kann. Die Eingabe des Beschwerdeführers vom 16. August 2012 ist zuständigkeitshalber (Art. 58 Abs. 1
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 58 Ausstandsgesuch einer Partei - 1 Will eine Partei den Ausstand einer in einer Strafbehörde tätigen Person verlangen, so hat sie der Verfahrensleitung ohne Verzug ein entsprechendes Gesuch zu stellen, sobald sie vom Ausstandsgrund Kenntnis hat; die den Ausstand begründenden Tatsachen sind glaubhaft zu machen.
StPO) an die Verfahrensleitung der Strafsache SK.2012.33 zu überweisen.

2. Bei diesem Ausgang des Verfahrens hat grundsätzlich der Beschwerdeführer die Gerichtskosten zu tragen (Art. 428 Abs. 1
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 428 Kostentragung im Rechtsmittelverfahren - 1 Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens tragen die Parteien nach Massgabe ihres Obsiegens oder Unterliegens. Als unterliegend gilt auch die Partei, auf deren Rechtsmittel nicht eingetreten wird oder die das Rechtsmittel zurückzieht.
StPO). Im angefochtenen Entscheid wurde aber die Möglichkeit der Beschwerdeführung offen gelassen, weshalb er in guten Treuen den Beschwerdeweg gewählt hat. Der Ausschluss dieses Rechtsweges ergibt sich zudem aus einer konkludenten Auslegung der einschlägigen Bestimmungen und nicht direkt aus einer einfachen Lektüre des Gesetzestextes. Auf eine Erhebung von Gerichtskosten ist demnach zu verzichten (vgl. Domeisen, Basler Kommentar, Basel 2011, Art. 428
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 428 Kostentragung im Rechtsmittelverfahren - 1 Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens tragen die Parteien nach Massgabe ihres Obsiegens oder Unterliegens. Als unterliegend gilt auch die Partei, auf deren Rechtsmittel nicht eingetreten wird oder die das Rechtsmittel zurückzieht.
StPO N. 5 und 16).

Demnach erkennt die Beschwerdekammer:

1. Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.

2. Ein Doppel der Eingabe des Beschwerdeführers vom 16. August 2012 wird zur Stellungnahme der Verfahrensleitung der Strafsache SK.2012.33 überwiesen.

3. Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

Bellinzona, 21. August 2012

Im Namen der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Zustellung an

- Rechtsanwalt Till Gontersweiler

- Bundesanwaltschaft

- Bundesstrafgericht, Strafkammer

Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Entscheid ist kein ordentliches Rechtsmittel gegeben.
Decision information   •   DEFRITEN
Document : BB.2012.126
Date : 21. August 2012
Published : 17. September 2012
Source : Bundesstrafgericht
Status : Unpubliziert
Subject area : Beschwerdekammer: Strafverfahren
Subject : Verfahrenshandlung der Strafkammer (Art. 20 Abs. 1 lit. a i.V.m. Art. 393 Abs. 1 lit. b StPO).


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StBOG: 35  37
StPO: 20  56  57  58  59  393  428
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