Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}

6B 1158/2014

Urteil vom 21. April 2015

Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Denys, Präsident,
Bundesrichter Rüedi, Bundesrichterin Jametti,
Gerichtsschreiber Moses.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Renzo Guzzi,
Beschwerdeführer,

gegen

Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Strafzumessung (Raufhandel),

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts
des Kantons Aargau, Strafgericht, 1. Kammer,
vom 16. Oktober 2014.

Sachverhalt:

A.

Am 29. August 2010 kam es auf dem Vorplatz der "A.________ Bar" in B.________ zu einer Auseinandersetzung zwischen verschiedenen Gästen des Lokals. Das Obergericht des Kantons Aargau erklärte X.________ am 17. Oktober 2013 zweitinstanzlich der mehrfachen versuchten schweren Körperverletzung sowie des Raufhandels schuldig. Es bestrafte ihn mit einer Freiheitsstrafe von 390 Tagen. Das Bundesgericht hob dieses Urteil am 17. Juni 2014 auf und wies die Sache an das Obergericht zurück.

B.

Am 16. Oktober 2014 sprach das Obergericht X.________ erneut des Raufhandels schuldig. Vom Vorwurf der mehrfachen versuchten schweren Körperverletzung sprach es ihn frei. Es bestrafte ihn mit einer unbedingten Freiheitsstrafe von 9 Monaten.

C.

X.________ führt Beschwerde in Strafsachen. Er beantragt, das Urteil des Obergerichts sei aufzuheben und die Sache sei an die Vorinstanz zurückzuweisen. Eventualiter sei er mit einer unbedingten Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu Fr. 60.-- zu bestrafen.

D.

Die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau verzichtet auf eine Vernehmlassung. Das Obergericht beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen. X.________ ersucht um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung.

Erwägungen:

1.

1.1. Zur Strafzumessung erwägt die Vorinstanz, dass der Beschwerdeführer nach seinen eigenen Angaben planlos zugeschlagen und dabei seinen Kopf abgeschaltet habe. Dies begründe in Bezug auf die Tatkomponente ein mittelschweres Verschulden. Leicht bis mittelschwer falle zudem ins Gewicht, dass der Beschwerdeführer seine Kontrahenten als "Lederkuttenmongos" betitelt habe. Unabhängig davon, ob er ebenfalls zuvor provoziert oder gar geschlagen worden sei, wäre es für ihn ein Leichtes gewesen, der Konfrontation aus dem Weg zu gehen. Das Verschulden sei mittelschwer. In Bezug auf die Täterkomponenten würden die zahlreichen, teilweise einschlägigen Vorstrafen stark straferhöhend ins Gewicht fallen. Straferhöhend wirke auch die Uneinsichtigkeit des Beschwerdeführers, der auch im Berufungsverfahren noch geltend gemacht habe, er habe sich lediglich gegen die Angriffe verteidigen wollen. Nicht zu berücksichtigen sei, dass der Beschwerdeführer ein Kind habe, in einer Beziehung lebe und einer Arbeit nachgehe. Die Täterkomponente sei insgesamt mittelstark zu gewichten. Als dem Verschulden und den persönlichen Verhältnissen angemessen erscheine eine Strafe von 9 Monaten. Der Beschwerdeführer sei bereits mehrmals zu Geldstrafen und Bussen
verurteilt worden. Diese hätten ihn offensichtlich nicht von der Begehung neuer Delikte abhalten können. Vom Regelfall der Geldstrafe sei abzuweichen, zumal diese Strafart spezialpräventiv ungenügend sei. Das erstinstanzliche Gericht habe zu Recht eine unbedingte Strafe ausgesprochen, was in der Berufung nicht angefochten worden sei. Auf die Frage des bedingten Strafvollzugs sei nicht weiter einzugehen.

1.2. Der Beschwerdeführer rügt, die Vorinstanz benenne keine Einsatzstrafe. Sie konzentriere sich auf die Täterkomponente und lasse dabei sowohl die Tatkomponente als auch das Nachtatverhalten stark und zum Teil vollständig ausser Acht. Bloss aus seiner Vorgeschichte könne nicht der Schluss gezogen werden, dass eine Geldstrafe nicht resozialisierend wirken würde. Daraus, dass er seine Kontrahenten als "Lederkuttenmongos" betitelt habe, könne nicht geschlossen werden, dass sein Verschulden besonders schwer wiege. Zudem sei das Beschleunigungsgebot verletzt worden. Dem Tatverschulden entspreche eine Einsatzstrafe von 45 Tagessätzen. Insgesamt erscheine ein Geldstrafe von 60 Tagessätzen als angemessen.

1.3.

1.3.1. Gemäss Art. 47 Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 47 - 1 Das Gericht misst die Strafe nach dem Verschulden des Täters zu. Es berücksichtigt das Vorleben und die persönlichen Verhältnisse sowie die Wirkung der Strafe auf das Leben des Täters.
1    Das Gericht misst die Strafe nach dem Verschulden des Täters zu. Es berücksichtigt das Vorleben und die persönlichen Verhältnisse sowie die Wirkung der Strafe auf das Leben des Täters.
2    Das Verschulden wird nach der Schwere der Verletzung oder Gefährdung des betroffenen Rechtsguts, nach der Verwerflichkeit des Handelns, den Beweggründen und Zielen des Täters sowie danach bestimmt, wie weit der Täter nach den inneren und äusseren Umständen in der Lage war, die Gefährdung oder Verletzung zu vermeiden.
StGB misst das Gericht die Strafe nach dem Verschulden des Täters zu. Es berücksichtigt das Vorleben, die persönlichen Verhältnisse sowie die Wirkung der Strafe auf das Leben des Täters. Es liegt im Ermessen des Sachgerichts, in welchem Umfang es den verschiedenen Strafzumessungsfaktoren Rechnung trägt. Das Bundesgericht greift auf Beschwerde hin nur in die Strafzumessung ein, wenn die Vorinstanz den gesetzlichen Strafrahmen über- oder unterschritten hat, wenn sie von rechtlich nicht massgebenden Kriterien ausgegangen ist oder wesentliche Gesichtspunkte ausser Acht gelassen bzw. in Überschreitung oder Missbrauch ihres Ermessens falsch gewichtet hat (BGE 136 IV 55 E. 5.6 mit Hinweis). Nach Art. 50
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 50 - Ist ein Urteil zu begründen, so hält das Gericht in der Begründung auch die für die Zumessung der Strafe erheblichen Umstände und deren Gewichtung fest.
StGB hält das Gericht in der Begründung die für die Zumessung der Strafe erheblichen Umstände und deren Gewichtung fest. Das Gericht muss die Überlegungen, die es bei der Bemessung der Strafe vorgenommen hat, in den Grundzügen wiedergeben, so dass die Strafzumessung nachvollziehbar ist. Besonders hohe Anforderungen an die Begründung der Strafzumessung werden unter anderem gestellt, wenn die ausgesprochene Strafe ungewöhnlich hoch oder auffallend milde ist (BGE 134 IV 17 E. 2.1). Alleine einer besseren
Begründung wegen hebt das Bundesgericht das angefochtene Urteil nicht auf, solange die Strafzumessung im Ergebnis bundesrechtskonform ist (BGE 127 IV 101 E. 2c mit Hinweisen).

1.3.2. Die Vorinstanz erklärte den Beschwerdeführer ausschliesslich des Raufhandels schuldig. Wegen derselben Auseinandersetzung vom 29. August 2010 erklärte die Staatsanwaltschaft Muri-Bremgarten mittels Strafbefehl weitere fünf Personen (von welchen vier vorbestraft) des Raufhandels schuldig. Diese wurden mit zum Teil bedingten Geldstrafen von 10 bzw. 20 Tagessätzen bestraft (kantonale Akten, act. 23, 39, 66, 78, 89, 326, 329, 347, 352, 357). Dem angefochtenen Urteil ist nicht zu entnehmen, dass der Tatbeitrag des Beschwerdeführers wesentlich schwerer wiegt als derjenige der anderen Beteiligten. Nachdem die Vorinstanz den Beschwerdeführer vom Vorwurf der versuchten schweren Körperverletzung freisprach, bestehen für das erheblich höhere Strafmass von 9 Monaten Freiheitsstrafe keine sachlichen Gründe. Ob der Beschwerdeführer von seinen Gegnern provoziert oder gar geschlagen worden sei, bevor er diese als "Lederkuttenmongos" betitelt habe, lässt die Vorinstanz offen. Weder diese Bezeichnung, noch dass der Beschwerdeführer planlos zugeschlagen habe, ist im Übrigen geeignet, einen derartigen Unterschied des Strafmasses zu rechtfertigen. Nicht zu berücksichtigen ist, dass es für den Beschwerdeführer ein Leichtes gewesen wäre, der
Konfrontation aus dem Weg zu gehen. Die Teilnahme an einer tätlichen Auseinandersetzung begründet als solche erst den Tatbestand des Raufhandels und wirkt sich weder strafmindernd noch straferhöhend aus.

Die Vorinstanz lässt sich bei der Strafzumessung von sachfremden Kriterien leiten und missbraucht das ihr zustehende Ermessen. Die Sache ist an diese zurückzuweisen, damit sie die Strafzumessung erneut vornimmt. Dabei sind - sowohl hinsichtlich der Tat- als auch der weitgehend ähnlichen Täterkomponenten - die gegen die anderen Beteiligten ausgesprochenen Strafen sowie die seit der Tatbegehung verstrichene Zeit zu berücksichtigen. Ob die Voraussetzungen für den bedingten Strafvollzug erfüllt sind, ist darzulegen. Es erübrigt sich, auf die weiteren Rügen des Beschwerdeführers einzugehen.

2.

Die Beschwerde ist gutzuheissen. Für das bundesgerichtliche Verfahren sind keine Kosten zu erheben (Art. 66 Abs. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 66 Erhebung und Verteilung der Gerichtskosten - 1 Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben.
1    Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben.
2    Wird ein Fall durch Abstandserklärung oder Vergleich erledigt, so kann auf die Erhebung von Gerichtskosten ganz oder teilweise verzichtet werden.
3    Unnötige Kosten hat zu bezahlen, wer sie verursacht.
4    Dem Bund, den Kantonen und den Gemeinden sowie mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen dürfen in der Regel keine Gerichtskosten auferlegt werden, wenn sie in ihrem amtlichen Wirkungskreis, ohne dass es sich um ihr Vermögensinteresse handelt, das Bundesgericht in Anspruch nehmen oder wenn gegen ihre Entscheide in solchen Angelegenheiten Beschwerde geführt worden ist.
5    Mehrere Personen haben die ihnen gemeinsam auferlegten Gerichtskosten, wenn nichts anderes bestimmt ist, zu gleichen Teilen und unter solidarischer Haftung zu tragen.
und 4
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 66 Erhebung und Verteilung der Gerichtskosten - 1 Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben.
1    Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben.
2    Wird ein Fall durch Abstandserklärung oder Vergleich erledigt, so kann auf die Erhebung von Gerichtskosten ganz oder teilweise verzichtet werden.
3    Unnötige Kosten hat zu bezahlen, wer sie verursacht.
4    Dem Bund, den Kantonen und den Gemeinden sowie mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen dürfen in der Regel keine Gerichtskosten auferlegt werden, wenn sie in ihrem amtlichen Wirkungskreis, ohne dass es sich um ihr Vermögensinteresse handelt, das Bundesgericht in Anspruch nehmen oder wenn gegen ihre Entscheide in solchen Angelegenheiten Beschwerde geführt worden ist.
5    Mehrere Personen haben die ihnen gemeinsam auferlegten Gerichtskosten, wenn nichts anderes bestimmt ist, zu gleichen Teilen und unter solidarischer Haftung zu tragen.
BGG). Der Kanton Aargau hat dem Beschwerdeführer eine angemessene Parteientschädigung auszurichten (Art. 68 Abs. 2
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 68 Parteientschädigung - 1 Das Bundesgericht bestimmt im Urteil, ob und in welchem Mass die Kosten der obsiegenden Partei von der unterliegenden zu ersetzen sind.
1    Das Bundesgericht bestimmt im Urteil, ob und in welchem Mass die Kosten der obsiegenden Partei von der unterliegenden zu ersetzen sind.
2    Die unterliegende Partei wird in der Regel verpflichtet, der obsiegenden Partei nach Massgabe des Tarifs des Bundesgerichts alle durch den Rechtsstreit verursachten notwendigen Kosten zu ersetzen.
3    Bund, Kantonen und Gemeinden sowie mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen wird in der Regel keine Parteientschädigung zugesprochen, wenn sie in ihrem amtlichen Wirkungskreis obsiegen.
4    Artikel 66 Absätze 3 und 5 ist sinngemäss anwendbar.
5    Der Entscheid der Vorinstanz über die Parteientschädigung wird vom Bundesgericht je nach Ausgang des Verfahrens bestätigt, aufgehoben oder geändert. Dabei kann das Gericht die Entschädigung nach Massgabe des anwendbaren eidgenössischen oder kantonalen Tarifs selbst festsetzen oder die Festsetzung der Vorinstanz übertragen.
BGG). Die Entschädigung ist praxisgemäss dem Rechtsvertreter auszurichten. Das Gesuch des Beschwerdeführers um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird gegenstandslos.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau vom 16. Oktober 2014 wird aufgehoben und die Sache zu neuem Entscheid an die Vorinstanz zurückgewiesen.

2.
Es werden keine Kosten erhoben.

3.
Der Kanton Aargau hat dem Vertreter des Beschwerdeführers, Rechtsanwalt Renzo Guzzi, für das bundesgerichtliche Verfahren eine Parteientschädigung von Fr. 3'000.-- zu bezahlen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau, Strafgericht, 1. Kammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 21. April 2015

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Denys

Der Gerichtsschreiber: Moses
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 6B_1158/2014
Date : 21. April 2015
Published : 09. Mai 2015
Source : Bundesgericht
Status : Unpubliziert
Subject area : Strafrecht (allgemein)
Subject : Strafzumessung (Raufhandel)


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