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9C_220/2023


Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

9C 220/2023

Urteil vom 21. März 2024

III. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Parrino, Präsident,
Bundesrichterinnen Moser-Szeless, Scherrer Reber,
Gerichtsschreiberin Stanger.

Verfahrensbeteiligte
Stiftung für den flexiblen Altersrücktritt im Bauhauptgewerbe (FAR),
Obstgartenstrasse 19, 8006 Zürich,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Lukasz Grebski,
Beschwerdeführerin,

gegen

A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Matthias Kuster,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Berufliche Vorsorge,

Beschwerde gegen das Urteil des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 31. Januar 2023 (BV.2022.00018).

Sachverhalt:

A.
Der 1961 geborene A.________ war ab 1. Dezember 2003 als Polier bei der B.________ AG angestellt. Für die Zweigniederlassung U.________ war er vom 24. Februar 2010 bis zu deren Auflösung am 19. November 2021 mit Einzelprokura im Handelsregister eingetragen. Im September 2020 stellte er gegenüber der Stiftung für den flexiblen Altersrücktritt im Bauhauptgewerbe (nachfolgend: Stiftung FAR) ein Gesuch um Ausrichtung einer Überbrückungsrente ab dem 1. Juni 2021, welches von der FAR Auszahlungsstelle am 9. Februar 2021 abgelehnt wurde. Die Stiftung FAR bestätigte mit Entscheid vom 15. Juli 2021 die Ablehnung des Leistungsgesuchs.

B.
Am 15. Februar 2022 erhob A.________ vor dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich Klage gegen die Stiftung FAR mit dem Antrag, die Beklagte sei zu verpflichten, dem Kläger ab 1. Juni 2021 die ihm gemäss Reglement FAR zustehende monatliche Rente in der Höhe von Fr. 5'736.- zuzüglich Zins zu 5 % auszurichten. Die Beklagte beantragte die Abweisung der Klage. Mit Urteil vom 31. Januar 2023 verpflichtete das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich die Beklagte unter Vorbehalt von Art. 14 Abs. 1 lit. d GAV FAR (gemäss E. 3.6 des kantonalen Urteils), dem Kläger vom 1. Juni 2021 bis längstens 31. Mai 2026 eine Überbrückungsrente gemäss Reglement FAR auszurichten, zuzüglich Verzugszins zu 5 % ab 15. Februar 2022 für die bis zu diesem Zeitpunkt fällig gewordenen Rentenbetreffnisse und für die übrigen ab dem jeweiligen Fälligkeitsdatum.

C.
Die Stiftung FAR führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit den Rechtsbegehren, das Urteil vom 31. Januar 2023 sei aufzuheben und die Klage des Beschwerdegegners vollumfänglich abzuweisen; eventualiter sei die Angelegenheit zu neuer Entscheidung im Sinne der bundesgerichtlichen Erwägungen an die Vorinstanz zurückzuweisen.
A.________ schliesst auf Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei. Das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichtet auf eine Stellungnahme.
Mit Replik vom 28. Februar 2024 hält die Stiftung FAR an ihrem Standpunkt fest.

Erwägungen:

1.

1.1. Die Stiftung FAR ist mit dem Vollzug des zwischen dem Schweizerischen Baumeisterverband (SBV) und den Gewerkschaften Unia sowie Syna am 12. November 2002 geschlossenen Gesamtarbeitsvertrages für den flexiblen Altersrücktritt im Bauhauptgewerbe (GAV FAR) beauftragt. Das vom Stiftungsrat erlassene Stiftungsreglement regelt den freiwilligen vorzeitigen Altersrücktritt für die letzten fünf Jahre vor dem ordentlichen AHV-Alter und dessen Finanzierung. Mit Beschluss vom 5. Juni 2003 hat der Bundesrat den GAV FAR ab 1. Juli 2003 teilweise für allgemeinverbindlich erklärt, ebenso in der Folge die seither vereinbarten Änderungen.

1.2. Bei der Stiftung FAR handelt es sich um eine nichtregistrierte (vgl. Art. 48
SR 831.40 Bundesgesetz vom 25. Juni 1982 über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVG)
BVG Art. 48 - 1 Vorsorgeeinrichtungen, die an der Durchführung der obligatorischen Versicherung teilnehmen wollen, müssen sich bei der Aufsichtsbehörde, der sie unterstehen (Art. 61), in das Register für die berufliche Vorsorge eintragen lassen.
BVG), ausschliesslich in der freiwilligen beruflichen Vorsorge tätige Personalfürsorgestiftung im Sinne von Art. 89a
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 89a - 1 Für Personalfürsorgeeinrichtungen, die gemäss Artikel 331 des Obligationenrechts137 in Form der Stiftung errichtet worden sind, gelten überdies noch folgende Bestimmungen.138
(früher: 89bis) ZGB (Urteil 9C 975/2012 vom 15. April 2013 E. 2.1, nicht publ. in: BGE 139 III 165, aber in: SVR 2013 BVG Nr. 39 S. 168). Entscheide über Leistungsansprüche nach GAV FAR sind daher mittels Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beim Bundesgericht anfechtbar. Zuständig für deren Beurteilung ist die dritte öffentlich-rechtliche Abteilung (Art. 89a Abs. 6 Ziff. 19
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 89a - 1 Für Personalfürsorgeeinrichtungen, die gemäss Artikel 331 des Obligationenrechts137 in Form der Stiftung errichtet worden sind, gelten überdies noch folgende Bestimmungen.138
ZGB; Art. 73
SR 831.40 Bundesgesetz vom 25. Juni 1982 über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVG)
BVG Art. 73 - 1 Jeder Kanton bezeichnet ein Gericht, das als letzte kantonale Instanz über Streitigkeiten zwischen Vorsorgeeinrichtungen, Arbeitgebern und Anspruchsberechtigten entscheidet. Dieses Gericht entscheidet auch über:
BVG; Art. 31 lit. f
SR 173.110.131 Reglement vom 20. November 2006 für das Bundesgericht (BGerR)
BGerR Art. 31 Dritte öffentlich-rechtliche Abteilung - (Art. 22 BGG)
a  Steuern und Abgaben;
b  Alters- und Hinterlassenenversicherung;
c  Invalidenversicherung;
d  Erwerbsersatzordnung, einschliesslich Mutterschaft;
e  Krankenversicherung;
f  berufliche Vorsorge (Art. 73 und 74 des Bundesgesetzes vom 25. Juni 198228 über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge);
g  ...
des Reglements für das Bundesgericht vom 20. November 2006 [BGerR; SR 173.110.131]).

1.3. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 106 Rechtsanwendung - 1 Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an.
1    Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an.
2    Es prüft die Verletzung von Grundrechten und von kantonalem und interkantonalem Recht nur insofern, als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und begründet worden ist.
BGG). Dennoch prüft es - offensichtliche Fehler vorbehalten - nur die in seinem Verfahren gerügten Rechtsmängel (Art. 42 Abs. 1 f
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 42 Rechtsschriften - 1 Rechtsschriften sind in einer Amtssprache abzufassen und haben die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift zu enthalten.
1    Rechtsschriften sind in einer Amtssprache abzufassen und haben die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift zu enthalten.
1bis    Wurde in einer Zivilsache das Verfahren vor der Vorinstanz in englischer Sprache geführt, so können Rechtsschriften in dieser Sprache abgefasst werden.14
2    In der Begründung ist in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Akt Recht verletzt. Ist eine Beschwerde nur unter der Voraussetzung zulässig, dass sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt oder aus anderen Gründen ein besonders bedeutender Fall vorliegt, so ist auszuführen, warum die jeweilige Voraussetzung erfüllt ist. 15 16
3    Die Urkunden, auf die sich die Partei als Beweismittel beruft, sind beizulegen, soweit die Partei sie in Händen hat; richtet sich die Rechtsschrift gegen einen Entscheid, so ist auch dieser beizulegen.
4    Bei elektronischer Einreichung muss die Rechtsschrift von der Partei oder ihrem Vertreter beziehungsweise ihrer Vertreterin mit einer qualifizierten elektronischen Signatur gemäss Bundesgesetz vom 18. März 201617 über die elektronische Signatur versehen werden. Das Bundesgericht bestimmt in einem Reglement:
a  das Format der Rechtsschrift und ihrer Beilagen;
b  die Art und Weise der Übermittlung;
c  die Voraussetzungen, unter denen bei technischen Problemen die Nachreichung von Dokumenten auf Papier verlangt werden kann.18
5    Fehlen die Unterschrift der Partei oder ihrer Vertretung, deren Vollmacht oder die vorgeschriebenen Beilagen oder ist die Vertretung nicht zugelassen, so wird eine angemessene Frist zur Behebung des Mangels angesetzt mit der Androhung, dass die Rechtsschrift sonst unbeachtet bleibt.
6    Unleserliche, ungebührliche, unverständliche, übermässig weitschweifige oder nicht in einer Amtssprache verfasste Rechtsschriften können in gleicher Weise zur Änderung zurückgewiesen werden.
7    Rechtsschriften, die auf querulatorischer oder rechtsmissbräuchlicher Prozessführung beruhen, sind unzulässig.
. BGG). Es legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 105 Massgebender Sachverhalt - 1 Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat.
1    Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat.
2    Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht.
3    Richtet sich die Beschwerde gegen einen Entscheid über die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung, so ist das Bundesgericht nicht an die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz gebunden.96
BGG). Es kann ihre Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 95 Schweizerisches Recht - Mit der Beschwerde kann die Verletzung gerügt werden von:
a  Bundesrecht;
b  Völkerrecht;
c  kantonalen verfassungsmässigen Rechten;
d  kantonalen Bestimmungen über die politische Stimmberechtigung der Bürger und Bürgerinnen und über Volkswahlen und -abstimmungen;
e  interkantonalem Recht.
BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Verfahrensausgang entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 97 Unrichtige Feststellung des Sachverhalts - 1 Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann.
1    Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann.
2    Richtet sich die Beschwerde gegen einen Entscheid über die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung, so kann jede unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gerügt werden.87
, Art. 105 Abs. 2
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 105 Massgebender Sachverhalt - 1 Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat.
1    Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat.
2    Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht.
3    Richtet sich die Beschwerde gegen einen Entscheid über die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung, so ist das Bundesgericht nicht an die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz gebunden.96
BGG).

1.4. Die normativen Bestimmungen eines allgemeinverbindlich erklärten Gesamtarbeitsvertrages sind wie Gesetze auszulegen (vgl. E. 3.2.1). Die Auslegung von Gesetzen richtet sich nach Art. 1
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 1 - 1 Das Gesetz findet auf alle Rechtsfragen Anwendung, für die es nach Wortlaut oder Auslegung eine Bestimmung enthält.
ZGB resp. der dazu von Lehre und Rechtsprechung entwickelten Elementen. Soweit eine Partei also eine falsche Auslegung von normativen Bestimmungen des Gesamtarbeitsvertrages rügt (unabhängig von einer Allgemeinverbindlicherklärung), rügt sie die Anwendung von Art. 1
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 1 - 1 Das Gesetz findet auf alle Rechtsfragen Anwendung, für die es nach Wortlaut oder Auslegung eine Bestimmung enthält.
ZGB und damit Bundesrecht im Sinne von Art. 95 lit. a
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 95 Schweizerisches Recht - Mit der Beschwerde kann die Verletzung gerügt werden von:
a  Bundesrecht;
b  Völkerrecht;
c  kantonalen verfassungsmässigen Rechten;
d  kantonalen Bestimmungen über die politische Stimmberechtigung der Bürger und Bürgerinnen und über Volkswahlen und -abstimmungen;
e  interkantonalem Recht.
BGG (Urteile 4A 557/2021 vom 7. Juni 2022 E. 4.2 und 4A 68/2018 vom 13. November 2018 E. 2).

2.
Streitig ist der Anspruch des Beschwerdegegners auf eine Überbrückungsrente bei vorzeitigem Altersrücktritt gemäss GAV FAR.

2.1. Die Voraussetzungen für eine Überbrückungsrente sind in Art. 14 GAV FAR geregelt. Gemäss dieser Bestimmung können Arbeitnehmende nach dem vollendeten 60. Altersjahr unter bestimmten, kumulativ zu erfüllenden Voraussetzungen eine Überbrückungsrente beanspruchen. Zu diesen Voraussetzungen gehört unter anderem, dass der Arbeitnehmende während mindestens 15 Jahren innerhalb der letzten 20 Jahre und davon die letzten sieben Jahre vor dem Leistungsbezug ununterbrochen in einem Betrieb gemäss Geltungsbereich GAV FAR eine beitragspflichtige Beschäftigung ausgeübt hat.

2.2. Vorliegend beantragte der Beschwerdegegner die Ausrichtung einer Überbrückungsrente ab dem 1. Juni 2021. Es stellt sich daher insbesondere die Frage, ob er in den sieben Jahren zuvor ununterbrochen eine beitragspflichtige Beschäftigung im Sinne von Art. 14 lit. c GAV FAR ausgeübt hat. Zu prüfen ist, ob die Vorinstanz Bundesrecht verletzte, als sie die Tätigkeit des Beschwerdegegners - auch nach Inkrafttreten der auf den 10. November 2015 für allgemeinverbindlich erklärten Zusatzvereinbarung VIII zum GAV FAR vom 7. Oktober 2013 - als vom persönlichen Geltungsbereich des GAV FAR umfasst qualifizierte.

3.

3.1. Die für den persönlichen Geltungsbereich einschlägige Bestimmung von Art. 2 Abs. 5 des Bundesratsbeschlusses vom 5. Juni 2003 über die Allgemeinverbindlichkeitserklärung des GAV FAR (AVE GAV FAR [BBl 2003 4039]; in der Fassung vom 10. November 2015, in Kraft ab 1. Dezember 2015 [BBl 2015 8307]) lautet wie folgt:
Die allgemeinverbindlich erklärten Bestimmungen gelten für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer (unabhängig ihrer Entlöhnungsart), die in den Betrieben nach Abs. 4 tätig sind, insbesondere für:
a. Poliere und Werkmeister;
b. Vorarbeiter;
c. Berufsleute, wie Maurer, Strassenbauer, Pflästerer usw.;
d. Bauarbeiter (mit oder ohne Fachkenntnisse);
e. Spezialisten wie Maschinisten, Chauffeure, Magaziner und Isoleure sowie die Hilfskräfte, sofern sie in einem Betrieb oder Betriebsteil gemäss Abs. 4 tätig sind;
f. ausgebildete Sicherheitswärter, soweit sie für die Sicherheit von Gleisbauarbeiten oder für Arbeiten im Gefährdungsbereich der Bahn eingesetzt werden;
g. weitere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, sofern sie Hilfstätigkeiten in einem dem Geltungsbereich unterstellten Betrieb oder Betriebsteil ausführen.
Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer unterstehen dem GAV FAR ab dem Zeitpunkt, ab dem sie AHV-pflichtig werden.
Ausgenommen ist das leitende Personal, das technische und kaufmännische Personal sowie das Kantinen- und Reinigungspersonal eines unterstellten Betriebes. Zum leitenden Personal gehören Bauführer sowie jede Person, die im Handelsregister als Prokurist, Geschäftsführer, Gesellschafter, Direktor, Betriebsinhaber, Verwaltungsrat oder in ähnlicher Funktion eingetragen ist oder einen wesentlichen Einfluss auf den Gang des Unternehmens ausüben kann. Diese Personen sind dem GAV selbst dann nicht unterstellt, wenn sie im gleichen Betrieb oder in der gleichen Unternehmensgruppe eine voll- oder teilzeitliche Tätigkeit im Sinn der obenerwähnten Buchstaben a-g ausüben. Ein wesentlicher Einfluss auf den Gang des Unternehmens wird vermutet, wenn eine Person an einem Betrieb oder an einem den Betrieb beherrschenden Unternehmen eine Beteiligung von mehr als 20 % hält.
Ausgenommen sind ferner:

- Maschinisten von maschinellen Gleisbaumaschinen (Personal zum Führen bzw. Bedienen der Maschine im Einsatz sowie Unterhalt und Revisionen der Maschinen);
- Maschinisten von Schienenschweiss- und Schienenschleifmaschinen (Personal zum Führen bzw. Bedienen der Maschine im Einsatz sowie Unterhalt und Revisionen der Maschinen);
- Schienenschweisser (Schweissen und Schleifen), sofern sie diese Tätigkeit überwiegend und mehrheitlich ausführen.

3.2.

3.2.1. Die gesamtvertraglichen - und in die Allgemeinverbindlicherklärung aufgenommenen - normativen Bestimmungen sind nach den für Gesetze geltenden Regeln auszulegen (BGE 141 V 657 E. 4.4; 139 III 165 E. 3.2; 127 III 318 E. 2a). Es besteht weder ein Grund für eine besonders restriktive noch für eine besonders weite Auslegung. Besondere Bedeutung kommt jedoch dem Bedürfnis nach Rechtssicherheit zu. Wenn der Gesamtarbeitsvertrag seine Schutzfunktion erfüllen soll, muss es für die Parteien leicht erkennbar sein, ob sie ihm unterstehen oder nicht. Durch die Allgemeinverbindlicherklärung sollen die Arbeitsbedingungen der bei Aussenseitern angestellten Arbeitnehmer gesichert, die Sozial- und Arbeitsbedingungen als Faktor des Konkurrenzkampfes ausgeschlossen und dem Gesamtarbeitsvertrag zu grösserer Durchsetzungskraft verholfen werden (BGE 141 V 657 E. 4.4; 139 III 165 E. 3.2; Urteil 9C 975/2012 vom 7. Dezember 2012 E. 2.3).

3.2.2. Die Auslegung des Gesetzes ist auf die Regelungsabsicht des Gesetzgebers und die von ihm erkennbar getroffenen Wertentscheidungen auszurichten. Ausgangspunkt der Auslegung einer Norm bildet ihr Wortlaut. Vom daraus abgeleiteten Sinne ist jedoch abzuweichen, wenn triftige Gründe dafür bestehen, dass der Gesetzgeber diesen nicht gewollt haben kann (vgl. BGE 136 V 84 E. 4.3.2.1). Solche Gründe können sich insbesondere aus der Entstehungsgeschichte der Norm, aus ihrem Zweck oder aus dem Zusammenhang mit anderen Vorschriften ergeben (BGE 135 IV 113 E. 2.4.2; 135 V 382 E. 11.4.1; 127 III 318 E. 2b).

4.

4.1. Das kantonale Gericht gelangte zum Ergebnis, dass der Beschwerdegegner nicht zum leitenden Personal der B.________ AG gehöre und seine Tätigkeit folglich vom persönlichen Geltungsbereich im Sinne von Art. 2 Abs. 5 AVE GAV FAR umfasst sei. Im Wesentlichen erwog es, der Kläger sei an der B.________ AG zwar zu 5 % beteiligt, habe aber weder Einsitz im Verwaltungsrat resp. in der Geschäftsleitung der Unternehmung, noch verfüge er in der Hauptniederlassung über eine Zeichnungsberechtigung. Seine Prokura habe lediglich die Zweigniederlassung in U.________ betroffen und sei damit auf deren Geschäftskreis beschränkt gewesen (Art. 460 Abs. 1
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 460 - 1 Die Prokura kann auf den Geschäftskreis einer Zweigniederlassung beschränkt werden.
OR). Die Zweigniederlassung sei nie operativ tätig gewesen. Es sei nicht anzunehmen, dass dem Kläger dank der Prokura eine Einflussnahme auf den Hauptsitz möglich gewesen wäre. Weiter könne aus dem überdurchschnittlich hohen Einkommen des Klägers von Fr. 148'200.- nicht auf eine leitende Funktion geschlossen werden, dürfte sein Einkommen doch auch mit seiner langjährigen Berufserfahrung sowie dem Umstand, dass er seit beinahe 20 Jahren Mitarbeiter der B.________ AG sei, zusammenhängen.

4.2. Die Beschwerdeführerin bringt in erster Linie vor, die Vorinstanz sei bei der Beurteilung, ob der Beschwerdegegner zum leitenden Personal im Sinne von Art. 2 Abs. 5 AVE GAV FAR gehöre, fälschlicherweise davon ausgegangen, dass das formelle Kriterium des Handelsregistereintrags und die materielle Frage eines wesentlichen Einflusses auf den Gang des Unternehmens kumulativ vorhanden sein müssten. Vielmehr genüge bereits ein Eintrag im Handelsregister, um zum leitenden Personal zu zählen.

5.

5.1. Das kantonale Gericht hat sich zur Frage, ob die Voraussetzung des Handelsregistereintrags und jene des wesentlichen Einflusses auf den Gang des Unternehmens kumulativ vorliegen müssen, nicht explizit geäussert. Indem es aber erwog, die Prokura könne dem Kläger mangels Möglichkeit der Einflussnahme auf den Hauptsitz nicht entgegengehalten werden, ging es zumindest implizit davon aus.

5.2. Zum leitenden Personal gehören gemäss Art. 2 Abs. 5 AVE GAV FAR Bauführer sowie jede Person, die im Handelsregister als Prokurist, Geschäftsführer, Gesellschafter, Direktor, Betriebsinhaber, Verwaltungsrat oder in ähnlicher Funktion eingetragen ist oder einen wesentlichen Einfluss auf den Gang des Unternehmens ausüben kann. Gemäss dem Wortlaut dieser Bestimmung werden somit die beiden Kriterien des Handelsregistereintrags und des wesentlichen Einflusses mit einem "oder" verknüpft; gleichlautend ist die italienische Fassung mit dem Bindewort "oppure". Aus dem französischen Wortlaut kommt mit der Verwendung der Konjunktion "ainsi que" noch stärker zum Ausdruck, dass es sich um alternative Voraussetzungen handelt ([...] ainsi que toute personne qui exerce une influence importante [...]).

5.3. Nach dem Wortlaut von Art. 2 Abs. 5 AVE GAV FAR genügt somit ein Handelsregistereintrag (in einer gemäss GAV FAR umschriebenen Funktion) oder alternativ eine wesentliche Einflussnahme, um zum leitenden Personal zu gehören. Es besteht kein Anlass zur Annahme, dass der Wortlaut der Bestimmung nicht den wahren Sinn der Regelung wiedergibt. Vielmehr spricht für eine solche Auslegung auch das Bedürfnis nach Rechtssicherheit (vgl. E. 3.2.1). Die (pauschale) Regelung, dass bereits ein Handelsregistereintrag genügt, dient der Vermeidung eines ansonsten kaum zu bewältigenden Konfliktpotenzials im Zusammenhang mit individuellen Abgrenzungsfragen (vgl. Urteil 9C 374/2012 vom 7. Dezember 2012 E. 2.7.2.2). Würden die beiden Kriterien demgegenüber kumulativ vorausgesetzt werden, müsste trotz Handelsregistereintrag in jedem Einzelfall geprüft werden, ob eine Person tatsächlich einen wesentlichen Einfluss auf den Gang des Unternehmens ausübt resp. ausüben kann, womit die Unterstellung unter den GAV FAR jeweils von einer Würdigung der konkreten Umstände mit einem gewissen Ermessensspielraum abhängen würde. Weiter gilt es zu beachten, dass bei der Annahme von zwei kumulativen Voraussetzungen eine Person trotz wesentlicher Einflussnahme erst
dann zum leitenden Personal zählte, wenn sie auch im Handelsregister eingetragen wäre. Dies liesse sich mit dem Sinn und Zweck des GAV FAR kaum vereinbaren. Gemäss der (allerdings nicht allgemeinverbindlichen) Präambel wurde der GAV FAR abgeschlossen im Bestreben, der körperlichen Belastung der Arbeitnehmer im Bauhauptgewerbe Rechnung zu tragen und die damit verbundenen Beschwerden im Alter zu lindern und dem Baustellenpersonal eine finanziell tragbare Frühpensionierung zu ermöglichen.

5.4. Nach dem Gesagten steht fest, dass (neben den Bauführern) zum leitenden Personal im Sinne von Art. 2 Abs. 5 AVE GAV FAR gehört, wer im Handelsregister (in einer gemäss GAV FAR umschriebenen Funktion) eingetragen ist oder alternativ, wer einen wesentlichen Einfluss auf den Gang des Unternehmens ausüben kann. Unbestrittenermassen war der bei der B.________ AG seit Dezember 2003 als Polier angestellte Beschwerdegegner vom 24. Februar 2010 bis zum 19. November 2021 - mithin mehr als zehn Jahre - als Prokurist mit Einzelprokura im Handelsregister eingetragen, weshalb er dem leitenden Personal zuzuordnen ist. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass sich die Prokura auf eine Zweigniederlassung beschränkte. Denn gemäss Art. 2 Abs. 5 AVE GAV FAR sind die zum leitenden Personal zählenden Personen dem GAV selbst dann nicht unterstellt, wenn sie im gleichen Betrieb oder in der gleichen Unternehmensgruppe eine voll- oder teilzeitliche Tätigkeit im Sinne der Buchstaben a-g dieser Bestimmung ausüben (vgl. E. 3.1). Daraus erhellt, dass bei der Beurteilung der Frage, wer zum leitenden Personal gehört, die Unternehmensgruppe als Ganzes zu betrachten ist. Folglich ist auch ein Polier, der einzig in einer Zweigniederlassung des Arbeitgebers
im Handelsregister eingetragen ist, nicht dem GAV FAR unterstellt (anders noch Urteil B 106/06 vom 6. Februar 2008, welches indes noch vor dem 1. Januar 2014, Zeitpunkt des Inkrafttretens der Zusatzvereinbarung VIII zum GAV FAR vom 7. Oktober 2013, erging).

5.5. Zusammenfassend hat die Vorinstanz Bundesrecht verletzt, als sie zum Ergebnis gelangte, die Tätigkeit des Beschwerdegegners sei vom persönlichen Geltungsbereich des GAV FAR umfasst. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und die vorinstanzlich eingereichte Klage des Beschwerdegegners auf Ausrichtung einer Überbrückungsrente gestützt auf den GAV FAR abzuweisen.

6.
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat der Beschwerdegegner die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 66 Erhebung und Verteilung der Gerichtskosten - 1 Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben.
1    Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben.
2    Wird ein Fall durch Abstandserklärung oder Vergleich erledigt, so kann auf die Erhebung von Gerichtskosten ganz oder teilweise verzichtet werden.
3    Unnötige Kosten hat zu bezahlen, wer sie verursacht.
4    Dem Bund, den Kantonen und den Gemeinden sowie mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen dürfen in der Regel keine Gerichtskosten auferlegt werden, wenn sie in ihrem amtlichen Wirkungskreis, ohne dass es sich um ihr Vermögensinteresse handelt, das Bundesgericht in Anspruch nehmen oder wenn gegen ihre Entscheide in solchen Angelegenheiten Beschwerde geführt worden ist.
5    Mehrere Personen haben die ihnen gemeinsam auferlegten Gerichtskosten, wenn nichts anderes bestimmt ist, zu gleichen Teilen und unter solidarischer Haftung zu tragen.
BGG). Die Stiftung FAR hat als mit einer öffentlich-rechtlichen Aufgabe betraute Organisation keinen Anspruch auf eine Parteientschädigung (Art. 68 Abs. 3
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 68 Parteientschädigung - 1 Das Bundesgericht bestimmt im Urteil, ob und in welchem Mass die Kosten der obsiegenden Partei von der unterliegenden zu ersetzen sind.
1    Das Bundesgericht bestimmt im Urteil, ob und in welchem Mass die Kosten der obsiegenden Partei von der unterliegenden zu ersetzen sind.
2    Die unterliegende Partei wird in der Regel verpflichtet, der obsiegenden Partei nach Massgabe des Tarifs des Bundesgerichts alle durch den Rechtsstreit verursachten notwendigen Kosten zu ersetzen.
3    Bund, Kantonen und Gemeinden sowie mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen wird in der Regel keine Parteientschädigung zugesprochen, wenn sie in ihrem amtlichen Wirkungskreis obsiegen.
4    Artikel 66 Absätze 3 und 5 ist sinngemäss anwendbar.
5    Der Entscheid der Vorinstanz über die Parteientschädigung wird vom Bundesgericht je nach Ausgang des Verfahrens bestätigt, aufgehoben oder geändert. Dabei kann das Gericht die Entschädigung nach Massgabe des anwendbaren eidgenössischen oder kantonalen Tarifs selbst festsetzen oder die Festsetzung der Vorinstanz übertragen.
BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Das Urteil des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 31. Januar 2023 wird aufgehoben und die Klage des Beschwerdegegners abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdegegner auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 21. März 2024

Im Namen der III. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Parrino

Die Gerichtsschreiberin: Stanger
9C_220/2023 21. März 2024 08. April 2024 Bundesgericht Unpubliziert Berufliche Vorsorge

Subject Berufliche Vorsorge