Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

12T 5/2017

Entscheid vom 20. November 2017
Verwaltungskommission

Besetzung
Bundesrichter Meyer, Präsident,
Bundesrichterin Niquille,
Bundesrichter Donzallaz,
Generalsekretär Tschümperlin.

A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Bernhard Jüsi,
Anzeiger,

gegen

Bundesverwaltungsgericht, Verwaltungskommission, Postfach, 9023 St. Gallen,
Angezeigte.

Gegenstand
Aufsichtsanzeige (BGG); unentgeltlicher Rechtsbeistand

Sachverhalt:

A.
A.________ stellte beim Staatssekretariat für Migration (nachfolgend: SEM) ein Asylgesuch und ersuchte um Anerkennung als Flüchtling. Dieses wies das Asylgesuch ab und schob den Wegweisungsvollzug wegen Unzumutbarkeit zugunsten einer vorläufigen Aufnahme auf.

B.
Gegen die Verfügung des SEM erhob A.________ Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht. Er ersuchte unter anderem um die Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung, die Bestellung eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes sowie den Verzicht auf die Erhebung eines Kostenvorschusses. Mit Urteil vom 29. August 2017 (D- 3971/2017) wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde ab, verzichtete auf die Erhebung von Verfahrenskosten und sprach dem Beschwerdeführer eine Parteientschädigung von Fr. 1'500.- zu.

C.
Am 25. September 2017 reichte A.________ beim Bundesgericht eine subsidiäre Verfassungsbeschwerde, eventualiter eine Aufsichtsbeschwerde ein. Die Zweite öffentlich-rechtliche Abteilung überwies die Eingabe zuständigkeitshalber an die Verwaltungskommission des Bundesgerichts als administrative Aufsichtsbehörde über das Bundesverwaltungsgericht.

D.
Es wurden keine Vernehmlassungen eingeholt.

Erwägungen:

1.
Die Eingabe ans Bundesgericht wird als subsidiäre Verfassungsbeschwerde, eventualiter Aufsichtsbeschwerde eingereicht. Die subsidiäre Verfassungsbeschwerde im Sinne von Art. 113 ff
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 113 Grundsatz - Das Bundesgericht beurteilt Verfassungsbeschwerden gegen Entscheide letzter kantonaler Instanzen, soweit keine Beschwerde nach den Artikeln 72-89 zulässig ist.
. BGG gegen das Urteil des Bundesverwaltungsgericht ist vorliegend offensichtlich nicht gegeben, da dieses ausserordentliche Rechtsmittel nur gegen Entscheide letzter kantonaler Instanzen zur Verfügung steht (Art. 113
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 113 Grundsatz - Das Bundesgericht beurteilt Verfassungsbeschwerden gegen Entscheide letzter kantonaler Instanzen, soweit keine Beschwerde nach den Artikeln 72-89 zulässig ist.
BGG). Die Eingabe ist daher als Aufsichtsanzeige im Sinne von Art. 1 Abs. 2
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 1 Oberste Recht sprechende Behörde - 1 Das Bundesgericht ist die oberste Recht sprechende Behörde des Bundes.
1    Das Bundesgericht ist die oberste Recht sprechende Behörde des Bundes.
2    Es übt die Aufsicht über die Geschäftsführung des Bundesstrafgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundespatentgerichts aus.3
3    Es besteht aus 35-45 ordentlichen Bundesrichtern und Bundesrichterinnen.
4    Es besteht ausserdem aus nebenamtlichen Bundesrichtern und Bundesrichterinnen; deren Zahl beträgt höchstens zwei Drittel der Zahl der ordentlichen Richter und Richterinnen.4
5    Die Bundesversammlung legt die Zahl der Richter und Richterinnen in einer Verordnung fest.
BGG, Art. 3 lit. f AUfRBGer und Art. 3 Abs. 1
SR 173.32 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesverwaltungsgericht (Verwaltungsgerichtsgesetz, VGG) - Verwaltungsgerichtsgesetz
VGG Art. 3 Aufsicht - 1 Das Bundesgericht übt die administrative Aufsicht über die Geschäftsführung des Bundesverwaltungsgerichts aus.
VGG i.V.m. Art. 71 Abs. 1
SR 172.021 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (Verwaltungsverfahrensgesetz, VwVG) - Verwaltungsverfahrensgesetz
VwVG Art. 71 - 1 Jedermann kann jederzeit Tatsachen, die im öffentlichen Interesse ein Einschreiten gegen eine Behörde von Amtes wegen erfordern, der Aufsichtsbehörde anzeigen.
1    Jedermann kann jederzeit Tatsachen, die im öffentlichen Interesse ein Einschreiten gegen eine Behörde von Amtes wegen erfordern, der Aufsichtsbehörde anzeigen.
2    Der Anzeiger hat nicht die Rechte einer Partei.
VwVG entgegen zu nehmen.

2.
Der Anzeiger ersucht um Aufhebung von Ziffer 3 des Dispositivs des Entscheids des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. August 2017 (D- 3971/2017) betreffend der Parteientschädigung sowie um unentgeltliche Verbeiständung und angemessene Entschädigung im bundesverwaltungsgerichtlichen Verfahren. Ausserdem ersucht er um unentgeltliche Rechtspflege vor Bundesgericht.
Er bringt vor, das Bundesverwaltungsgericht habe - mit der Begründung, dass die Beschwerde zum vornherein aussichtslos war -eine bloss teilweise Parteientschädigung zugesprochen, was vor den verfassungsmässigen Rechten der rechtsgleichen Behandlung und der Willkür sowie dem Anspruch auf rechtliches Gehör nicht standhalte. Indem das Bundesverwaltungsgericht im besagten Entscheid eine Verfahrensverletzung bestätigte, welche geheilt werden konnte, gleichzeitig eine Aussichtslosigkeit der materiellen Begehren feststellte und aufgrund dessen die Voraussetzungen der unentgeltlichen Prozessführung bejahte und verneinte, verletze sie unter anderem das Willkürverbot gemäss Art. 9
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 9 Schutz vor Willkür und Wahrung von Treu und Glauben - Jede Person hat Anspruch darauf, von den staatlichen Organen ohne Willkür und nach Treu und Glauben behandelt zu werden.
BV sowie den Anspruch auf rechtsgleiche Behandlung gemäss Art. 8
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 8 Rechtsgleichheit - 1 Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
BV und Art. 29 Abs. 3
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 29 Allgemeine Verfahrensgarantien - 1 Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung sowie auf Beurteilung innert angemessener Frist.
BV.

3.
Mit diesen Anträgen und der Begründung verkennt der Anzeiger die Rechtsnatur der administrativen Aufsicht des Bundesgerichts.

3.1. Die Aufsicht des Bundesgerichts über das Bundesverwaltungsgericht ist administrativer Art (Art. 3 Abs. 1
SR 173.32 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesverwaltungsgericht (Verwaltungsgerichtsgesetz, VGG) - Verwaltungsgerichtsgesetz
VGG Art. 3 Aufsicht - 1 Das Bundesgericht übt die administrative Aufsicht über die Geschäftsführung des Bundesverwaltungsgerichts aus.
VGG) : die Rechtsprechung ist von der Aufsicht ausgenommen (Art. 2 Abs. 2
SR 173.110.132 Reglement des Bundesgerichts vom 11. September 2006 betreffend die Aufsicht über das Bundesstrafgericht, das Bundesverwaltungsgericht und das Bundespatentgericht (Aufsichtsreglement des Bundesgerichts, AufRBGer) - Aufsichtsreglement des Bundesgerichts
AufRBGer Art. 2 Gegenstand und Zweck der Aufsicht - 1 Der Aufsicht unterstehen alle Bereiche der Geschäftsführung, insbesondere die Gerichtsleitung, die Organisation, die Fallerledigung, das Personal- und Finanzwesen sowie der Datenschutz.4
1    Der Aufsicht unterstehen alle Bereiche der Geschäftsführung, insbesondere die Gerichtsleitung, die Organisation, die Fallerledigung, das Personal- und Finanzwesen sowie der Datenschutz.4
2    Ausgenommen von der Aufsicht ist die Rechtsprechung.
3    Die Aufsicht bezweckt die gesetzmässige, zweckmässige und haushälterische Aufgabenerfüllung der beaufsichtigten Gerichte.
AufRBGer). Das Bundesgericht greift im Rahmen seiner Funktion als Aufsichtsbehörde nicht in einzelne Entscheide der beaufsichtigten Gerichte ein. Insoweit sich Aufsichtsanzeigen in appellatorischer Kritik am beanstandeten Urteil erschöpfen, ist ihnen keine Folge zu geben. In seiner Rolle als Aufsichtsinstanz ist es dem Bundesgericht grundsätzlich verwehrt, einen Einzelfall auf seine inhaltliche Richtigkeit zu überprüfen.

3.2. Das Bundesverwaltungsgericht hat im angefochtenen Entscheid auf die Auferlegung von Verfahrenskosten in Anwendung von Art. 63 Abs. 1
SR 172.021 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (Verwaltungsverfahrensgesetz, VwVG) - Verwaltungsverfahrensgesetz
VwVG Art. 63 - 1 Die Beschwerdeinstanz auferlegt in der Entscheidungsformel die Verfahrenskosten, bestehend aus Spruchgebühr, Schreibgebühren und Barauslagen, in der Regel der unterliegenden Partei. Unterliegt diese nur teilweise, so werden die Verfahrenskosten ermässigt. Ausnahmsweise können sie ihr erlassen werden.
1    Die Beschwerdeinstanz auferlegt in der Entscheidungsformel die Verfahrenskosten, bestehend aus Spruchgebühr, Schreibgebühren und Barauslagen, in der Regel der unterliegenden Partei. Unterliegt diese nur teilweise, so werden die Verfahrenskosten ermässigt. Ausnahmsweise können sie ihr erlassen werden.
2    Keine Verfahrenskosten werden Vorinstanzen oder beschwerdeführenden und unterliegenden Bundesbehörden auferlegt; anderen als Bundesbehörden, die Beschwerde führen und unterliegen, werden Verfahrenskosten auferlegt, soweit sich der Streit um vermögensrechtliche Interessen von Körperschaften oder autonomen Anstalten dreht.
3    Einer obsiegenden Partei dürfen nur Verfahrenskosten auferlegt werden, die sie durch Verletzung von Verfahrenspflichten verursacht hat.
4    Die Beschwerdeinstanz, ihr Vorsitzender oder der Instruktionsrichter erhebt vom Beschwerdeführer einen Kostenvorschuss in der Höhe der mutmasslichen Verfahrenskosten. Zu dessen Leistung ist dem Beschwerdeführer eine angemessene Frist anzusetzen unter Androhung des Nichteintretens. Wenn besondere Gründe vorliegen, kann auf die Erhebung des Kostenvorschusses ganz oder teilweise verzichtet werden.102
4bis    Die Spruchgebühr richtet sich nach Umfang und Schwierigkeit der Streitsache, Art der Prozessführung und finanzieller Lage der Parteien. Sie beträgt:
a  in Streitigkeiten ohne Vermögensinteresse 100-5000 Franken;
b  in den übrigen Streitigkeiten 100-50 000 Franken.103
5    Der Bundesrat regelt die Bemessung der Gebühren im Einzelnen.104 Vorbehalten bleiben Artikel 16 Absatz 1 Buchstabe a des Verwaltungsgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005105 und Artikel 73 des Strafbehördenorganisationsgesetzes vom 19. März 2010106.107
VwVG verzichtet, da eine Verletzung des rechtlichen Gehörs, welche auf Beschwerdeebene geheilt wurde, vorlag. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege erwies sich daher als gegenstandslos. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtsverbeiständung wies es aufgrund der Aussichtslosigkeit der materiellen Rechtsbegehren ab, richtete dem Anzeiger aber für die berechtigte Rüge der Gehörsverletzung eine verminderte Parteientschädigung aus.

3.3. Die Rüge bzw. die Frage der Gewährung oder der Höhe der Parteientschädigung betrifft einen der Rechtsprechung zuzuordnenden Entscheid und kann daher vom Bundesgericht als administrative Aufsichtsbehörde nicht geprüft werden. Bei der Festsetzung der Höhe der Parteientschädigung sowie der Frage, ob eine solche bei teilweisem Obsiegen gewährt wird, verfügt der Richter naturgemäss über einen Ermessensspielraum, in welchen das Bundesgericht in seiner Funktion als Aufsichtsbehörde nicht eingreift. Vorbehalten bleiben immerhin Fälle von offensichtlicher Rechtsverzögerung bzw. Rechtsverweigerung, welche in casu indessen nicht gegeben sind. Im Übrigen kann eine Aufsichtsanzeige nicht als Ersatz-Rechtsmittel für gesetzlich nicht vorgesehene Beschwerden dienen. Im Rahmen seiner Kompetenzen als administrativer Aufsichtsbehörde ist das Bundesgericht damit nicht befugt, diese Frage im vorliegenden Verfahren zu überprüfen.
Der Aufsichtsanzeige ist daher keine Folge zu geben.

4.
Aufsichtsbeschwerden sind grundsätzlich kostenlos. Die Voraussetzungen für eine Ausnahme gemäss Art. 10 der Verordnung über Kosten und Entschädigungen im Verwaltungsverfahren (SR 172.041.0) sind vorliegend nicht gegeben. Mangels Parteistellung kann dem Anzeiger keine unentgeltliche Rechtspflege gewährt werden.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Der Aufsichtsanzeige wird keine Folge geleistet.

2.
Es werden keine Kosten erhoben und keine Entschädigungen zugesprochen.

3.
Dieser Entscheid wird dem Bundesverwaltungsgericht schriftlich mitgeteilt. Dem Anzeiger wird eine Orientierungskopie zugestellt.

Lausanne, 20. November 2017

Im Namen der Verwaltungskommission
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Meyer

Der Generalsekretär: Tschümperlin
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 12T_5/2017
Date : 20. November 2017
Published : 08. Dezember 2017
Source : Bundesgericht
Status : Unpubliziert
Subject area : Verfahren
Subject : Aufsichtsanzeige (BGG); unentgeltlicher Rechtsbeistand


Legislation register
AufRBGer: 2
BGG: 1  113
BV: 8  9  29
VGG: 3
VwVG: 63  71
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