Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

6B 754/2019

Urteil vom 20. August 2019

Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Denys, Präsident,
Gerichtsschreiberin Arquint Hill.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
Beschwerdeführerin,

gegen

Obergericht des Kantons Bern, 2. Strafkammer, Hochschulstrasse 17, 3012 Bern.

Gegenstand
Erlass- und Stundungs-Gesuch betr. Verfahrenskosten,

Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts
des Kantons Bern, 2. Strafkammer, vom 17. Juni 2019
(SK 19 160).

Der Präsident zieht in Erwägung:

1.
Das Obergericht des Kantons Bern, 2. Strafkammer, verurteilte die Beschwerdeführerin mit Urteil vom 27. März 2018 wegen Vermögensdelikten zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe und auferlegte ihr die Verfahrenskosten von Fr. 77'480.60.
Die Beschwerdeführerin ersuchte am 24. April 2019 um Erlass, allenfalls Stundung der Verfahrenskosten.
Mit Beschluss vom 17. Juni 2019 entsprach die 2. Strafkammer des Obergerichts dem Gesuch insofern, als die Verfahrenskosten von Fr. 77'480.60 bis am 30. Juni 2022 gestundet wurden. Soweit weitergehend, wurde das Gesuch abgewiesen.
Dagegen wendet sich die Beschwerdeführerin an das Bundesgericht.

2.
Forderungen aus Verfahrenskosten können von den Strafbehörden gestundet oder unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse der kostenpflichtigen Person herabgesetzt oder erlassen werden (Art. 425
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 425 Stundung und Erlass - Forderungen aus Verfahrenskosten können von der Strafbehörde gestundet oder unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse der kostenpflichtigen Person herabgesetzt oder erlassen werden.
StPO). Mit der Konzipierung von Art. 425
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 425 Stundung und Erlass - Forderungen aus Verfahrenskosten können von der Strafbehörde gestundet oder unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse der kostenpflichtigen Person herabgesetzt oder erlassen werden.
StPO als Kann-Bestimmung verfügt die Strafbehörde über einen grossen Ermessens- und Beurteilungsspielraum, in welchen das Bundesgericht nur mit Zurückhaltung eingreift. Das Bundesrecht belässt die konkrete Ausgestaltung der Voraussetzungen von Stundung oder Erlass zudem weitgehend der kantonalen Ausführungsgesetzgebung. Diese Rechtslage hat zur Folge, dass das Bundesgericht eine Stundung oder den Erlass von Verfahrenskosten durchwegs unter Willkürgesichtspunkten prüft, und zwar nicht nur hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen, sondern auch der massgebenden Kriterien in den kantonalrechtlichen Ausführungsgesetzgebungen (etwa Härte oder Mittellosigkeit; vgl. Urteile 6B 820/2017 vom 28. August 2017 E. 4 mit Hinweisen; 6B 500/2016 vom 9. Dezember 2016 E. 3).

3.
Die Vorinstanz erwägt, gemäss Art. 10 des Bernischen Dekrets betreffend die Verfahrenskosten und die Verwaltungsgebühren der Gerichtsbehörden und der Staatsanwaltschaft (Verfahrenskostendekret, VKD; BSG 161.12) könnten Verfahrenskosten von der zuständigen Gerichtsbehörde ganz oder teilweise erlassen oder gestundet werden, wenn die Bezahlung für den Pflichtigen eine unzumutbare Härte darstelle oder die Uneinbringlichkeit feststehe. Eine unzumutbare Härte liege vor, wenn die unzureichenden Mittel einen Dauerzustand darstellten und keine Besserung der Lage erkennbar sei. Die zukünftigen Aussichten der gesamten Einkommens- und Vermögensverhältnisse seien abzuschätzen und die Höhe der zu bezahlenden Verfahrenskosten zu berücksichtigen. Uneinbringlichkeit liege u.a. bei Überschuldung vor, d.h. wenn gegen die betroffene Person Verlustscheine vorlägen oder eine Lohnpfändung bestehe.
Die Beschwerdeführerin habe ihre Strafe am 3. Juni 2019 angetreten. Zum jetzigen Zeitpunkt sei noch offen, ob eine vorzeitige Entlassung erfolgen könne oder ob sie bis zum Strafende am 8. Oktober 2023 im Gefängnis werde bleiben müssen. Ebenso offen sei die Entwicklung ihrer Einkommenssituation nach einer allfälligen Haftentlassung. Von einer definitiven Uneinbringlichkeit sei daher noch nicht auszugehen und es müsse zu einem späteren Zeitpunkt eine erneute Überprüfung stattfinden. Der aktuell bestehenden Unmöglichkeit der Bezahlung der Verfahrenskosten könne vorerst mit einer Stundung bis am 30. Juni 2022 begegnet werden (entsprechend 2/3 Entlassung + 6 Monate).

4.
Gemäss Art. 81 Abs. 1 lit b BG ist zur Strafrechtsbeschwerde nur berechtigt, wer ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Entscheids hat. Zur Willkürrüge ist eine beschwerdeführende Person deshalb nur legitimiert, wenn die gesetzliche Bestimmung, deren willkürliche Anwendung sie geltend macht, ihr einen Rechtsanspruch einräumt (BGE 138 I 305 E. 1.3 S. 308). Indessen räumen Art. 425
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 425 Stundung und Erlass - Forderungen aus Verfahrenskosten können von der Strafbehörde gestundet oder unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse der kostenpflichtigen Person herabgesetzt oder erlassen werden.
StPO und insbesondere Art. 10 VKD keinen Rechtsanspruch auf Erlass und/oder Stundung ein. Ob und inwiefern ein rechtlich geschütztes Interesse vorliegt und die Beschwerdeführerin zur Strafrechtsbeschwerde legitimiert ist, ist mithin fraglich, kann aber offen bleiben, weil auf die Beschwerde aus einem anderen Grund nicht eingetreten werden kann.

5.
Die Beschwerde genügt den bundesrechtlichen Begründungsanforderungen gemäss Art. 42 Abs. 2
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 42 Rechtsschriften - 1 Rechtsschriften sind in einer Amtssprache abzufassen und haben die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift zu enthalten.
1    Rechtsschriften sind in einer Amtssprache abzufassen und haben die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift zu enthalten.
2    In der Begründung ist in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Akt Recht verletzt. Ist eine Beschwerde nur unter der Voraussetzung zulässig, dass sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt oder aus anderen Gründen ein besonders bedeutender Fall vorliegt, so ist auszuführen, warum die jeweilige Voraussetzung erfüllt ist. 14 15
3    Die Urkunden, auf die sich die Partei als Beweismittel beruft, sind beizulegen, soweit die Partei sie in Händen hat; richtet sich die Rechtsschrift gegen einen Entscheid, so ist auch dieser beizulegen.
4    Bei elektronischer Einreichung muss die Rechtsschrift von der Partei oder ihrem Vertreter beziehungsweise ihrer Vertreterin mit einer qualifizierten elektronischen Signatur gemäss Bundesgesetz vom 18. März 201616 über die elektronische Signatur versehen werden. Das Bundesgericht bestimmt in einem Reglement:
a  das Format der Rechtsschrift und ihrer Beilagen;
b  die Art und Weise der Übermittlung;
c  die Voraussetzungen, unter denen bei technischen Problemen die Nachreichung von Dokumenten auf Papier verlangt werden kann.17
5    Fehlen die Unterschrift der Partei oder ihrer Vertretung, deren Vollmacht oder die vorgeschriebenen Beilagen oder ist die Vertretung nicht zugelassen, so wird eine angemessene Frist zur Behebung des Mangels angesetzt mit der Androhung, dass die Rechtsschrift sonst unbeachtet bleibt.
6    Unleserliche, ungebührliche, unverständliche, übermässig weitschweifige oder nicht in einer Amtssprache verfasste Rechtsschriften können in gleicher Weise zur Änderung zurückgewiesen werden.
7    Rechtsschriften, die auf querulatorischer oder rechtsmissbräuchlicher Prozessführung beruhen, sind unzulässig.
BGG ("darzulegen, inwiefern der angefochtene Akt Recht verletzt") und Art. 106 Abs. 2
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 106 Rechtsanwendung - 1 Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an.
1    Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an.
2    Es prüft die Verletzung von Grundrechten und von kantonalem und interkantonalem Recht nur insofern, als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und begründet worden ist.
BGG, wonach Willkür und die Verletzung von Grundrechten sowie von kantonalem Recht zu substanziieren sind (vgl. Urteil 6B 519/2017 vom 4. September 2017 E. 1 mit Hinweisen), nicht. Die Beschwerdeführerin zeigt in ihrer Beschwerde nicht auf, inwiefern die Vorinstanz das anwendbare Recht, insbesondere Art. 10 VDK, willkürlich angewendet haben soll. Sie macht zwar geltend, hoch verschuldet zu sein und Verlustscheine zu haben, verkennt dabei aber, dass die Vorinstanz selber von einer aktuell bestehenden Unmöglichkeit der Bezahlung der Verfahrenskosten ausgeht und deshalb die Stundung bis am 30. Juni 2022 gewährt. Die Beschwerdeführerin legt überdies nicht dar, inwiefern die vorinstanzliche Einschätzung zur künftigen Einkommensentwicklung und der Schluss, von einer definitiven Uneinbringlichkeit könne derzeit noch nicht ausgegangen werden und es bedürfe einer erneuten Überprüfung, schlechterdings unhaltbar sein sollen. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin, die künftigen Einkommensverhältnisse seien schon heute klar unzureichend, erschöpft sich in einer blossen
Behauptung und damit in unzulässiger appellatorischer Kritik. Damit vermag die Beschwerdeführerin nicht aufzuzeigen, dass und inwiefern das Obergericht mit dem angefochtenen Beschluss gegen das Recht im Sinne von Art. 95
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 95 Schweizerisches Recht - Mit der Beschwerde kann die Verletzung gerügt werden von:
a  Bundesrecht;
b  Völkerrecht;
c  kantonalen verfassungsmässigen Rechten;
d  kantonalen Bestimmungen über die politische Stimmberechtigung der Bürger und Bürgerinnen und über Volkswahlen und -abstimmungen;
e  interkantonalem Recht.
BGG verstossen haben könnte. Auf die Beschwerde ist daher im Verfahren nach Art. 108
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 108 Einzelrichter oder Einzelrichterin - 1 Der Präsident oder die Präsidentin der Abteilung entscheidet im vereinfachten Verfahren über:
1    Der Präsident oder die Präsidentin der Abteilung entscheidet im vereinfachten Verfahren über:
a  Nichteintreten auf offensichtlich unzulässige Beschwerden;
b  Nichteintreten auf Beschwerden, die offensichtlich keine hinreichende Begründung (Art. 42 Abs. 2) enthalten;
c  Nichteintreten auf querulatorische oder rechtsmissbräuchliche Beschwerden.
2    Er oder sie kann einen anderen Richter oder eine andere Richterin damit betrauen.
3    Die Begründung des Entscheids beschränkt sich auf eine kurze Angabe des Unzulässigkeitsgrundes.
BGG nicht einzutreten.

6.
Vorliegend rechtfertigt es sich, ausnahmsweise auf die Erhebung von Gerichtskosten zu verzichten (Art. 66 Abs. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 66 Erhebung und Verteilung der Gerichtskosten - 1 Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben.
1    Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben.
2    Wird ein Fall durch Abstandserklärung oder Vergleich erledigt, so kann auf die Erhebung von Gerichtskosten ganz oder teilweise verzichtet werden.
3    Unnötige Kosten hat zu bezahlen, wer sie verursacht.
4    Dem Bund, den Kantonen und den Gemeinden sowie mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen dürfen in der Regel keine Gerichtskosten auferlegt werden, wenn sie in ihrem amtlichen Wirkungskreis, ohne dass es sich um ihr Vermögensinteresse handelt, das Bundesgericht in Anspruch nehmen oder wenn gegen ihre Entscheide in solchen Angelegenheiten Beschwerde geführt worden ist.
5    Mehrere Personen haben die ihnen gemeinsam auferlegten Gerichtskosten, wenn nichts anderes bestimmt ist, zu gleichen Teilen und unter solidarischer Haftung zu tragen.
BGG).

Demnach erkennt der Präsident:

1.
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.

2.
Es werden keine Kosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Bern, 2. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 20. August 2019

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Denys

Die Gerichtsschreiberin: Arquint Hill
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 6B_754/2019
Date : 20. August 2019
Published : 07. September 2019
Source : Bundesgericht
Status : Unpubliziert
Subject area : Strafprozess
Subject : Erlass- und Stundungs-Gesuch betr. Verfahrenskosten


Legislation register
BGG: 42  66  95  106  108
StPO: 425
BGE-register
138-I-305
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