Bundesverwaltungsgericht
Tribunal administratif fédéral
Tribunale amministrativo federale
Tribunal administrativ federal


Abteilung V

E-3715/2022

Urteil vom 20. Oktober 2022

Einzelrichter Markus König,

Besetzung mit Zustimmung von Richterin Nina Spälti Giannakitsas;

Gerichtsschreiber Nicholas Swain.

A._______, geboren am (...),

Parteien Russland,

Beschwerdeführer,

gegen

Staatssekretariat für Migration (SEM),

Quellenweg 6, 3003 Bern,

Vorinstanz.

Asyl und Wegweisung;
Gegenstand
Verfügung des SEM vom 26. Juli 2022 / N (...).

Sachverhalt:

A.
Der Beschwerdeführer stellte am 28. Juli 2021 im Bundesasylzentrum B._______ ein Asylgesuch. Am 2. August 2021 fand eine Erstbefragung zur Person (BzP) und am 14. Dezember 2021 eine Anhörung zu den Asylgründen gemäss Art. 29 Abs. 1 AsylG (SR 142.31) statt. Am 15. Dezember 2021 wurde der Beschwerdeführer dem erweiterten Asylverfahren zugewiesen und am 17. Mai 2022 eine ergänzende Anhörung durchgeführt.

B.
Der Beschwerdeführer brachte zur Begründung seines Asylgesuchs im Wesentlichen vor, er habe am (...) Januar 2021, (...) Februar 2021 und (...) April 2021 an Protestkundgebungen gegen die Festnahme und Verurteilung des Oppositionspolitikers Alexei Navalny teilgenommen. Zudem
habe er sich auf der Website "(...)" registriert und Navalnys
Organisation gegen Korruption eine kleine Summe Geld gespendet.
Anlässlich der Kundgebung vom (...) April 2021 sei er, nebst vielen anderen Demonstrierenden, von Polizeibeamten festgenommen und auf einen
Polizeiposten gebracht worden. Dort sei ein Festnahmeprotokoll erstellt worden, von dem er eine Kopie erhalten habe. Auf seine Frage danach, was dies für ihn für Folgen haben werde, habe der betreffende Polizei-
beamte ihm erklärt, entweder werde er innerhalb von drei Monaten von der Polizei hören oder es passiere nichts. In diesem Moment seien weitere Festgenommene in den Raum gelassen worden, darunter eine junge Frau. Ein Polizist habe diese beleidigt, worauf er den Polizisten für sein Verhalten gerügt habe. Daraufhin sei er in ein anderes Zimmer gebracht worden, wo ihm ein Polizist so stark (...) geschlagen habe, dass er geblutet habe.
Anschliessend habe man ihn gehen lassen. Bereits vor seiner Festnahme und bis in den Sommer 2021 hinein habe er von Unbekannten
Telefonanrufe und E-Mails erhalten, in denen er auf vulgäre Weise beschimpft worden sei. Er habe darauf nicht geantwortet, sondern die E-Mails gelöscht und seine Telefonnummer annulliert. Er vermute, dass diese Belästigungen im Zusammenhang mit seiner Registrierung auf der "(...)" gestanden hätten und es sich bei den Urhebern nicht um Angehörige der Behörden, sondern um Putin nahestehende "Trolle" gehandelt habe. Überdies sei in dieser Zeit ein Gesetz gegen ausländische Agenten und extremistische Organisationen eingeführt und die Organisation von Navalny als extremistisch eingestuft worden. Aus diesen Gründen habe er sich schliesslich zur Ausreise entschlossen und ein Schengen-Visum
beantragt sowie ein Flugticket via C._______ nach D._______ für den (...) Juli 2021 gekauft. Am (...) Juli 2021 habe er einen Telefonanruf von der Polizei erhalten, in welchem er aufgefordert worden sei, sich am (...) Juli 2021 um (...) Uhr im Zentrum für den Kampf gegen Extremismus zu melden. Dieser Aufforderung sei er jedoch nicht gefolgt, sondern am (...) Juli 2021 mit seinem Schengen-Visum von Russland legal nach D._______ und von dort weiter in die Schweiz gereist. Aktuell wisse er nicht, ob gegen ihn ein Strafverfahren eingeleitet worden sei. Er befürchte aber, im Falle einer Rückkehr nach Russland in Untersuchungshaft genommen zu werden und dass ein Strafverfahren gegen ihn eröffnet werden könnte.

Zum Beleg seiner Vorbringen reichte der Beschwerdeführer namentlich ein persönliches Schreiben betreffend seine Asylgründe, eine schriftliche Übersicht über die Verhaftung und Inhaftierung von Alexei Navalny sowie eine Zusammenstellung von Informationen aus diversen Internetquellen über Alexei Navalny und anderen Oppositionellen in Russland ein.

C.
Mit Verfügung vom 26. Juli 2022 (eröffnet am 27. Juli 2022) stellte das SEM fest, der Beschwerdeführer erfülle die Flüchtlingseigenschaft nicht, lehnte sein Asylgesuch ab und ordnete die Wegweisung aus der Schweiz sowie den Vollzug an.

D.
Mit Eingabe an das Bundesverwaltungsgericht vom 26. August 2022 erhob der Beschwerdeführer Beschwerde gegen die Verfügung der Vorinstanz und beantragte diese sei vollumfänglich aufzuheben und es sei ihm Asyl zu gewähren; eventualiter sei die Unzulässigkeit, allenfalls die Unzumutbarkeit des Vollzugs der Wegweisung festzustellen und seine vorläufige Aufnahme anzuordnen. In verfahrensrechtlicher Hinsicht beantragte der Beschwerdeführer die Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung sowie den Verzicht auf die Erhebung eines Kostenvorschusses.

E.
Mit Zwischenverfügung vom 31. August 2022 wies der Instruktionsrichter das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung im Sinne von Art. 65 Abs. 1 VwVG unter Hinweis auf die Aussichtslosigkeit der
Beschwerde ab und forderte den Beschwerdeführer zur Leistung eines Kostenvorschusses auf.

Der Vorschuss wurde am 14. September 2022 fristgerecht geleistet.

Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:

1.

1.1 Gemäss Art. 31 VGG beurteilt das Bundesverwaltungsgericht Beschwerden gegen Verfügungen nach Art. 5 VwVG. Das SEM gehört zu den Behörden nach Art. 33 VGG und ist daher eine Vorinstanz des Bundesverwaltungsgerichts. Eine das Sachgebiet betreffende Ausnahme im Sinne von Art. 32 VGG liegt nicht vor. Das Bundesverwaltungsgericht ist daher zuständig für die Beurteilung der vorliegenden Beschwerde und entscheidet auf dem Gebiet des Asyls endgültig, ausser bei Vorliegen eines Auslieferungsersuchens des Staates, vor welchem die beschwerdeführende Person Schutz sucht (Art. 105 AsylG; Art. 83 Bst. d Ziff. 1 BGG). Eine solche Ausnahme im Sinne von Art. 83 Bst. d Ziff. 1 BGG liegt nicht vor, weshalb das Bundesverwaltungsgericht endgültig entscheidet.

1.2 Die Beschwerde ist frist- und formgerecht eingereicht worden. Der Beschwerdeführer hat am Verfahren vor der Vorinstanz teilgenommen, ist durch die angefochtene Verfügung besonders berührt und hat ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung beziehungsweise Änderung. Er ist daher zur Einreichung der Beschwerde legitimiert (Art. 105 und Art. 108 Abs. 2 AsylG; Art. 48 Abs. 1 sowie Art. 52 Abs. 1 VwVG). Auf die Beschwerde ist einzutreten.

2.
Die Kognition des Bundesverwaltungsgerichts und die zulässigen Rügen richten sich im Asylbereich nach Art. 106 Abs. 1 AsylG, im Bereich des Ausländerrechts nach Art. 49 VwVG (vgl. BVGE 2014/26 E. 5).

3.
Über offensichtlich unbegründete Beschwerden wird in einzelrichterlicher Zuständigkeit mit Zustimmung eines zweiten Richters beziehungsweise einer zweiten Richterin entschieden (Art. 111 Bst. e AsylG). Wie nachstehend aufgezeigt, handelt es sich um eine solche, weshalb das Urteil nur summarisch zu begründen ist (Art. 111a Abs. 2 AsylG).

Gestützt auf Art. 111a Abs. 1 AsylG wurde auf die Durchführung eines Schriftenwechsels verzichtet.

4.

4.1 Gemäss Art. 2 Abs. 1 AsylG gewährt die Schweiz Flüchtlingen grundsätzlich Asyl. Flüchtlinge sind Personen, die in ihrem Heimatstaat oder im Land, in dem sie zuletzt wohnten, wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Anschauungen ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden (Art. 3 Abs. 1 AsylG). Als ernsthafte Nachteile gelten namentlich die Gefährdung des Leibes, des Lebens oder der Freiheit sowie Massnahmen, die einen unerträglichen psychischen Druck bewirken (Art. 3 Abs. 2 AsylG).

4.2 Wer um Asyl nachsucht, muss die Flüchtlingseigenschaft nachweisen oder zumindest glaubhaft machen. Diese ist glaubhaft gemacht, wenn die Behörde ihr Vorhandensein mit überwiegender Wahrscheinlichkeit für gegeben hält. Unglaubhaft sind insbesondere Vorbringen, die in wesentlichen Punkten zu wenig begründet oder in sich widersprüchlich sind, den Tatsachen nicht entsprechen oder massgeblich auf gefälschte oder verfälschte Beweismittel abgestützt werden (Art. 7 AsylG).

5.

5.1 Das SEM legte zur Begründung seiner Verfügung im Asylpunkt dar,
es sei als Schutzbehauptung zu bewerten, dass der Beschwerdeführer angeblich nicht in der Lage sei, in Erfahrung zu bringen, ob ein Strafverfahren gegen ihn eingeleitet worden sei. Die Authentizität des nur in Form einer Kopie eingereichten Festnahmeprotokolls erscheine fraglich; namentlich existiere die darin erwähnte Bestimmung des Strafgesetzbuches nicht. Die Festnahme des Beschwerdeführers sei nicht gezielt erfolgt. Das von ihm beschriebene oppositionelle Engagement sei als sehr niederschwellig zu bezeichnen. Darüber hinaus sei er keine in der Öffentlichkeit bekannte Persönlichkeit. Es sei demnach nicht davon auszugehen, dass die russischen Behörden ein besonderes Verfolgungsinteresse an ihm hätten. Vor diesem Hintergrund erscheine die Behauptung des Beschwerdeführers, er sei am Tag seiner Ausreise von den Sicherheitskräften vorgeladen worden, fraglich. Es sei davon auszugehen, dass ihm die Ausreise verwehrt worden wäre, falls er zu diesem Zeitpunkt eine gesuchte Person gewesen wäre.
Er habe jedoch problemlos legal ausreisen können. Demnach würden sich aus den Akten keine konkreten Anhaltspunkte dafür ergeben, dass dem Beschwerdeführer im Zusammenhang mit seinen niederschwelligen
regimekritischen Aktivitäten eine Verfolgung in flüchtlingsrechtlichem Ausmass drohen würde. Die vorgebrachten anonymen Telefonanrufe und E-Mails hätten die Intensität einer Verfolgung gemäss Art. 3 Abs. 2 AsylG nicht erreicht. Die eingereichten Beweismittel vermöchten an dieser Einschätzung nichts zu ändern. Die schriftlichen Darlegungen des Beschwerdeführers würden sich auf die öffentliche Berichterstattung über Personen beziehen, die in Russland aufgrund diverser Delikte verhaftet oder verurteilt worden seien, jedoch keinen direkten und persönlichen Bezug zu ihm aufweisen. Aus diesen Gründen würden seine Asylvorbringen den Anforderungen an die Flüchtlingseigenschaft gemäss Art. 3 AsylG nicht standhalten.

5.2 Nach Durchsicht der Akten gelangt das Bundesverwaltungsgericht zum Schluss, dass die vorinstanzliche Einschätzung der Asylrelevanz der Vorbringen des Beschwerdeführers zu bestätigen ist.

5.2.1 Die Ausführungen in der Beschwerdeeingabe, in welcher im Wesentlichen die im erstinstanzlichen Verfahren vorgebrachten Asylgründe wiederholt und auf ein sich hieraus ergebendes relevantes Verfolgungsrisiko hingewiesen wird, vermögen keine andere Einschätzung zu rechtfertigen. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers lassen sich den Akten keine stichhaltigen Anhaltspunkte für die Annahme entnehmen, dass er wegen den von ihm geschilderten niederschwelligen Aktivitäten als ernsthafter Regimekritiker in den Fokus der russischen Behörden geraten und ein Strafverfahren gegen ihn eingeleitet worden sei.

5.2.2 Dass im Zeitraum zwischen seiner Festnahme im April 2021 und seiner Ausreise keine weiteren behördlichen Massnahmen erfolgten und er auf dem Luftweg unbehelligt ausreisen konnte, lässt vielmehr auf ein fehlendes Verfolgungsinteresse der heimatlichen Behörden schliessen.

5.2.3 Die Festnahme des Beschwerdeführers vom (...). April 2021 sowie die belästigenden Telefonanrufe und E-Mails sind mangels hinreichender Intensität nicht als relevante Verfolgung zu qualifizieren. Der gemäss seiner Schilderung durch einen Polizisten verübte körperliche Übergriff auf dem Polizeiposten ist als Fehlverhalten eines einzelnen Staatsbeamten zu bewerten, aus welchem nicht auf eine generell zu befürchtende Verfolgung durch die russischen Behörden zu schliessen ist.

5.2.4 Die vom Beschwerdeführer behauptete telefonische Vorladung vom (...). Juli 2021 wurde mit keinen Beweismitteln belegt. Überdies sind keine konkreten Hinweise für einen Zusammenhang mit dem von ihm geltend gemachten regimekritischen Engagement ersichtlich. Jedenfalls kann hieraus nicht auf eine begründete Furcht vor asylrelevanten Nachteilen geschlossen werden.

5.2.5 Die zwischenzeitlich in Russland eingeführten verschärften Gesetzesbestimmungen zur Bekämpfung des Extremismus vermögen ebenso wenig eine andere Einschätzung zu rechtfertigen wie die eingereichten Beweismittel. Zu Recht wies die Vorinstanz darauf hin, dass die Darlegungen des Beschwerdeführers zum Schicksal von Alexei Navalny und anderen Oppositionellen keinen konkreten Bezug zu seiner eigenen Situation aufweisen.

5.2.6 Schliesslich steht der (...)-jährige Beschwerdeführer nicht mehr im wehrdienstpflichtigen Alter (vgl. Frankfurter Rundschau vom 20. Mai 2022: "Russlands Plan: Wehrfähiges Alter auf über 40 Jahre erhöhen"; < https:/
/www.fr.de/politik/russland-plant-wehrfaehiges-alter-zu-erhoehen-ukraine-krieg-zr-91561891.html >, abgerufen am 12. Oktober 2022) und ist auch von der kürzlichen Teilmobilmachung der russischen Streitkräfte nicht persönlich betroffen.

5.3 Zusammenfassend ist festzuhalten, dass es dem Beschwerdeführer nicht gelungen ist, eine im Sinne von Art. 3 AsylG relevante Verfolgungsgefahr nachzuweisen oder glaubhaft darzutun. Die Vorinstanz hat sein Asylgesuch demzufolge zu Recht abgelehnt.

6.

6.1 Lehnt das SEM das Asylgesuch ab oder tritt es darauf nicht ein, so verfügt es in der Regel die Wegweisung aus der Schweiz und ordnet den Vollzug an; es berücksichtigt dabei den Grundsatz der Einheit der Familie (Art. 44 AsylG).

6.2 Der Beschwerdeführer verfügt insbesondere weder über eine ausländerrechtliche Aufenthaltsbewilligung noch über einen Anspruch auf Erteilung einer solchen. Die Wegweisung wurde demnach ebenfalls zu Recht angeordnet (vgl. BVGE 2013/37 E. 4.4; 2009/50 E. 9, je m.w.H.).

7.

7.1 Ist der Vollzug der Wegweisung nicht zulässig, nicht zumutbar oder nicht möglich, so regelt das SEM das Anwesenheitsverhältnis nach den gesetzlichen Bestimmungen über die vorläufige Aufnahme (Art. 44 AsylG; Art. 83 Abs. 1 AIG [SR 142.20]).

Beim Geltendmachen von Wegweisungsvollzugshindernissen gilt gemäss Praxis des Bundesverwaltungsgerichts der gleiche Beweisstandard wie bei der Prüfung der Flüchtlingseigenschaft; das heisst, sie sind zu beweisen, wenn der strikte Beweis möglich ist, und andernfalls wenigstens glaubhaft zu machen (vgl. BVGE 2011/24 E. 10.2 m.w.H.).

7.2 Der Vollzug ist nicht zulässig, wenn völkerrechtliche Verpflichtungen der Schweiz einer Weiterreise der Ausländerin oder des Ausländers in den Heimat-, Herkunfts- oder einen Drittstaat entgegenstehen (Art. 83 Abs. 3 AIG).

7.2.1 So darf keine Person in irgendeiner Form zur Ausreise in ein Land gezwungen werden, in dem ihr Leib, ihr Leben oder ihre Freiheit aus einem Grund nach Art. 3 Abs. 1 AsylG gefährdet ist oder in dem sie Gefahr läuft, zur Ausreise in ein solches Land gezwungen zu werden (Art. 5 Abs. 1 AsylG; vgl. ebenso Art. 33 Abs. 1 des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge [FK, SR 0.142.30]).

Gemäss Art. 25 Abs. 3 BV, Art. 3 des Übereinkommens vom 10. Dezember 1984 gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe (FoK, SR 0.105) und der Praxis zu Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.

7.2.2 Die Vorinstanz wies in ihrer angefochtenen Verfügung zutreffend darauf hin, dass das Prinzip des flüchtlingsrechtlichen Non-Refoulement nur Personen schützt, die die Flüchtlingseigenschaft erfüllen. Da es dem Beschwerdeführer nicht gelungen ist, eine asylrechtlich erhebliche Gefährdung nachzuweisen oder glaubhaft zu machen, kann der in Art. 5 AsylG verankerte Grundsatz der Nichtrückschiebung im vorliegenden Verfahren keine Anwendung finden. Eine Rückkehr des Beschwerdeführers in den Heimatstaat ist demnach unter dem Aspekt von Art. 5 AsylG rechtmässig.

7.2.3 Sodann ergeben sich weder aus den Aussagen des Beschwerde-führers noch aus den Akten konkrete Anhaltspunkte dafür, dass er für den Fall einer Ausschaffung in den Heimatstaat dort mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit einer nach Art. 3 EMRK oder Art. 1 FoK verbotenen Strafe oder Behandlung ausgesetzt wäre. Gemäss der Praxis des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) sowie jener des UN-Anti-Folterausschusses müsste der Beschwerdeführer eine konkrete Gefahr ("real risk") nachweisen oder glaubhaft machen, dass ihm im Fall einer Rückschiebung Folter oder unmenschliche Behandlung drohen würde (vgl.
Urteil des EGMR Saadi gegen Italien vom 28. Februar 2008, Grosse Kammer 37201/06, §§ 124-127 m.w.H.). Auch die allgemeine Menschenrechtssituation im Heimatstaat lässt den Wegweisungsvollzug zum heutigen Zeitpunkt nicht als unzulässig erscheinen.

7.2.4 Nach dem Gesagten ist der Vollzug der Wegweisung sowohl im Sinne der asyl- als auch der völkerrechtlichen Bestimmungen zulässig.

7.3 Gemäss Art. 83 Abs. 4 AIG kann der Vollzug für Ausländerinnen und Ausländer unzumutbar sein, wenn sie im Heimat- oder Herkunftsstaat aufgrund von Situationen wie Krieg, Bürgerkrieg, allgemeiner Gewalt und medizinischer Notlage konkret gefährdet sind. Wird eine konkrete Gefährdung festgestellt, ist - unter Vorbehalt von Art. 83 Abs. 7 AIG - die vorläufige Aufnahme zu gewähren.

7.3.1 Auch unter Berücksichtigung der aktuellen Kriegssituation zwischen Russland und der Ukraine ist nicht von einer Situation allgemeiner Gewalt im Sinne von Art. 83 Abs. 4 AIG (SR 142.20) im Heimatstaat des Beschwerdeführers auszugehen, aufgrund derer eine Rückkehr als generell unzumutbar zu erachten wäre.

7.3.2 Die Argumentation, es sei im Lichte der jüngsten Entwicklungen in Russland von einer generellen Unzulässigkeit und Unzumutbarkeit des Wegweisungsvollzugs im Falle politischer Oppositioneller auszugehen, erweist sich schon deshalb als nicht stichhaltig, weil der Beschwerdeführer, wie oben dargelegt (vgl. E. 5.2), kein relevantes entsprechendes Profil aufweist. Weitere individuelle Wegweisungshindernisse wurden nicht geltend gemacht und sind auch nicht ersichtlich.

7.3.3 Nach dem Gesagten erweist sich der Vollzug der Wegweisung auch als zumutbar.

7.4 Schliesslich obliegt es dem Beschwerdeführer, sich bei der zuständigen Vertretung des Heimatstaates die für eine Rückkehr notwendigen Reisedokumente zu beschaffen (vgl. Art. 8 Abs. 4 AsylG und dazu auch BVGE 2008/34 E. 12), weshalb der Vollzug der Wegweisung auch als möglich zu bezeichnen ist (Art. 83 Abs. 2 AIG).

7.5 Zusammenfassend hat die Vorinstanz den Wegweisungsvollzug zu Recht als zulässig, zumutbar und möglich bezeichnet. Eine Anordnung der vorläufigen Aufnahme fällt somit ausser Betracht (Art. 83 Abs. 1 -4 AIG).

8.
Aus diesen Erwägungen ergibt sich, dass die angefochtene Verfügung Bundesrecht nicht verletzt, den rechtserheblichen Sachverhalt richtig sowie vollständig feststellt (Art. 106 Abs. 1 AsylG) und - soweit diesbezüglich überprüfbar - angemessen ist. Die Beschwerde ist abzuweisen.

9.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die Kosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 63 Abs. 1 VwVG) und auf insgesamt Fr. 750. festzusetzen (Art. 1 -3 des Reglements vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht [VGKE, SR 173.320.2]). Der in gleicher Höhe geleistete Kostenvorschuss ist zur Begleichung dieser Kosten zu verwenden.

(Dispositiv nächste Seite)

Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Verfahrenskosten von Fr. 750. werden dem Beschwerdeführer auferlegt. Der in dieser Höhe einbezahlte Kostenvorschuss wird zur Bezahlung der Kosten verwendet.

3.
Dieses Urteil geht an den Beschwerdeführer, das SEM und die kantonale Migrationsbehörde.

Der Einzelrichter: Der Gerichtsschreiber:

Markus König Nicholas Swain
Informazioni decisione   •   DEFRITEN
Documento : E-3715/2022
Data : 20. ottobre 2022
Pubblicato : 28. ottobre 2022
Sorgente : Tribunale amministrativo federale
Stato : Inedito
Ramo giuridico : Asilo
Oggetto : Asyl und Wegweisung; Verfügung des SEM vom 26. Juli 2022


Registro di legislazione
CEDU: 3
Cost: 25
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SR 0.142.30: 33
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Parole chiave
Elenca secondo la frequenza o in ordine alfabetico
tribunale amministrativo federale • russia • autorità inferiore • espatrio • arresto • stato d'origine • anticipo delle spese • ammissione provvisoria • e-mail • giudice unico • mezzo di prova • prato • copia • estremismo • ucraina • fattispecie • cancelliere • vita • autorizzazione o approvazione • corte europea dei diritti dell'uomo
... Tutti
BVGE
2014/26 • 2013/37 • 2011/24 • 2008/34
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E-3715/2022