Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

7B 516/2023

Urteil vom 19. Dezember 2023

II. strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Koch, als präsidierendes Mitglied,
Bundesrichter Hurni, Hofmann,
Gerichtsschreiberin Lustenberger.

Verfahrensbeteiligte
A.A.________,
handelnd durch B.A.________,
und dieser vertreten durch Rechtsanwalt Andreas Hübscher,
Beschwerdeführerin,

gegen

Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland,
Hermann-Götz-Strasse 24, Postfach, 8401 Winterthur,
C.________,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Nichtanhandnahme,

Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts
des Kantons Zürich, III. Strafkammer, vom 19. Juni 2023 (UE220186-O/U).

Sachverhalt:

A.

A.a. Am 7. Januar 2022 stellte B.A.________, der Vater von A.A.________ (Jahrgang 2007), in deren Vertretung Strafantrag gegen C.________ wegen fahrlässiger Körperverletzung. In der Strafanzeige wurde zusammengefasst folgender Sachverhalt geltend gemacht: Er, B.A.________, sei am 10. Oktober 2021 mit seiner Familie im Restaurant "D.________" in U.________ brunchen gewesen. Dabei sei auf dem Tablett des Kellners C.________ ein Glas mit heissem Teewasser umgekippt. Das Wasser habe sich über einen seiner Neffen und seine Tochter ergossen. Letztere habe am rechten Oberschenkel auf einer 10 x 20 cm grossen Fläche Verbrühungen 1. Grades und darin eine 5 cm2 grosse Fläche mit blasigen Veränderungen (Verbrühung 2. Grades) erlitten.

A.b. Die Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland verfügte am 15. Juni 2022 die Nichtanhandnahme einer entsprechenden Strafuntersuchung.

B.
Mit Beschluss vom 19. Juni 2023 wies das Obergericht des Kantons Zürich die Beschwerde von A.A.________ gegen die Nichtanhandnahmeverfügung ab.

C.
A.A.________ wendet sich mit Beschwerde in Strafsachen ans Bundesgericht und beantragt, der Beschluss des Obergerichts sei aufzuheben und die Sache sei an die Staatsanwaltschaft zur Eröffnung einer Strafuntersuchung zurückzuweisen.
Es wurden die kantonalen Akten, nicht aber Vernehmlassungen eingeholt.

Erwägungen:

1.

1.1. Gemäss Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 81 Beschwerderecht - 1 Zur Beschwerde in Strafsachen ist berechtigt, wer:
1    Zur Beschwerde in Strafsachen ist berechtigt, wer:
a  vor der Vorinstanz am Verfahren teilgenommen hat oder keine Möglichkeit zur Teilnahme erhalten hat; und
b  ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Entscheids hat, insbesondere:
b1  die beschuldigte Person,
b2  ihr gesetzlicher Vertreter oder ihre gesetzliche Vertreterin,
b3  die Staatsanwaltschaft, ausser bei Entscheiden über die Anordnung, die Verlängerung und die Aufhebung der Untersuchungs- und Sicherheitshaft,
b4  ...
b5  die Privatklägerschaft, wenn der angefochtene Entscheid sich auf die Beurteilung ihrer Zivilansprüche auswirken kann,
b6  die Person, die den Strafantrag stellt, soweit es um das Strafantragsrecht als solches geht,
b7  die Staatsanwaltschaft des Bundes und die beteiligte Verwaltung in Verwaltungsstrafsachen nach dem Bundesgesetz vom 22. März 197455 über das Verwaltungsstrafrecht.
2    Eine Bundesbehörde ist zur Beschwerde berechtigt, wenn das Bundesrecht vorsieht, dass ihr der Entscheid mitzuteilen ist.56
3    Gegen Entscheide nach Artikel 78 Absatz 2 Buchstabe b steht das Beschwerderecht auch der Bundeskanzlei, den Departementen des Bundes oder, soweit das Bundesrecht es vorsieht, den ihnen unterstellten Dienststellen zu, wenn der angefochtene Entscheid die Bundesgesetzgebung in ihrem Aufgabenbereich verletzen kann.
BGG ist die Privatklägerschaft zur Beschwerde in Strafsachen nur berechtigt, wenn der angefochtene Entscheid sich auf die Beurteilung ihrer Zivilansprüche auswirken kann. Richtet sich die Beschwerde - wie vorliegend - gegen die Nichtanhandnahme eines Verfahrens, hat die Privatklägerschaft nicht notwendigerweise bereits vor den kantonalen Behörden eine Zivilforderung geltend gemacht. Sie muss vor Bundesgericht daher darlegen, aus welchen Gründen sich der angefochtene Entscheid inwiefern auf welche Zivilforderung auswirken kann. Das Bundesgericht stellt an die Begründung der Legitimation strenge Anforderungen. Genügt die Beschwerde diesen Begründungsanforderungen nicht, kann auf sie nur eingetreten werden, wenn aufgrund der Natur der untersuchten Straftat ohne Weiteres ersichtlich ist, um welche Zivilforderungen es geht (BGE 141 IV 1 E. 1.1; Urteile 7B 28/2023 vom 24. Oktober 2023 E. 1.1; 6B 1178/2021 vom 17. Januar 2023 E. 1.1; je mit Hinweisen).

1.2. Nach Art. 47
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 47 - Bei Tötung eines Menschen oder Körperverletzung kann der Richter unter Würdigung der besonderen Umstände dem Verletzten oder den Angehörigen des Getöteten eine angemessene Geldsumme als Genugtuung zusprechen.
OR kann das Gericht bei Körperverletzung der verletzten Person unter Würdigung der besonderen Umstände eine angemessene Geldsumme als Genugtuung zusprechen. Wer Genugtuung beansprucht, hat neben der immateriellen Unbill im Sinne von Art. 47
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 47 - Bei Tötung eines Menschen oder Körperverletzung kann der Richter unter Würdigung der besonderen Umstände dem Verletzten oder den Angehörigen des Getöteten eine angemessene Geldsumme als Genugtuung zusprechen.
OR die widerrechtliche Handlung bzw. Unterlassung trotz Handlungspflicht, den Kausalzusammenhang sowie das Verschulden nach Art. 41 Abs. 1
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 41 - 1 Wer einem andern widerrechtlich Schaden zufügt, sei es mit Absicht, sei es aus Fahrlässigkeit, wird ihm zum Ersatze verpflichtet.
1    Wer einem andern widerrechtlich Schaden zufügt, sei es mit Absicht, sei es aus Fahrlässigkeit, wird ihm zum Ersatze verpflichtet.
2    Ebenso ist zum Ersatze verpflichtet, wer einem andern in einer gegen die guten Sitten verstossenden Weise absichtlich Schaden zufügt.
OR zu beweisen (Urteil 4A 604/2017 vom 30. April 2018 E. 3.1 mit Hinweisen; vgl. insbesondere zur immateriellen Unbill BGE 141 III 97 E. 11.2 mit Hinweisen). Ergibt sich die Rechtswidrigkeit aus der Verletzung eines absoluten Rechts, so hat die geschädigte Person namentlich den - für die widerrechtliche Schädigung kausalen - Mangel an objektiv gebotener Sorgfalt zu belegen (BGE 146 III 14 E. 5.1; 137 III 539 E. 5.2 mit Hinweisen). Die Sorgfaltswidrigkeit ergibt sich allgemein aus dem Vergleich des tatsächlichen Verhaltens des Schädigers mit dem hypothetischen Verhalten eines durchschnittlich sorgfältigen Menschen in der Situation des Schädigers (BGE 148 III 343 E. 3.3; 146 III 14 E. 5.1; 137 III 539 E. 5.2 mit Hinweisen). Schuldhaft und damit fahrlässig ist ein Verhalten dann, wenn es von dem unter den gegebenen Verhältnissen als angebracht
geltenden Durchschnittsverhalten abweicht, wobei das Verschulden um so schwerer wiegt, je grösser das Ausmass der Abweichung ist (vgl. BGE 148 III 343 E. 3.3; 116 Ia 162 E. 2c; Urteil 4A 604/2017 vom 30. April 2018 E. 3.1. mit Hinweis). Die Berücksichtigung der möglichen Schädigung einer Dritten stellt die Erfüllung der Sorgfaltspflicht dar, die dem Fahrlässigkeitsbegriff zugrundeliegt. Sorgfaltswidrig verhält sich insbesondere, wer einen gefährlichen Zustand schafft oder unterhält, ohne die zur Vermeidung eines Schadens erforderlichen Schutzmassnahmen zu ergreifen (BGE 146 III 14 E. 5.1 mit Hinweisen).

1.3. Die Beschwerdeführerin führt aus, die verfügte Nichtanhandnahme wirke sich auf die Beurteilung ihrer Zivilansprüche aus. Im bisherigen Verfahren habe sie zwar noch keine Zivilforderungen einreichen können; wäre das Verfahren jedoch durchgeführt worden, hätte sie adhäsionsweise zivilrechtliche Forderungen in Form von Schadenersatz und Genugtuung gegen C.________ (nachfolgend: Beschwerdegegner 2) geltend gemacht. Vertreten durch ihren Vater habe sie bereits mit Schreiben vom 5. Februar 2022 eine Genugtuung gefordert. Einer ebenfalls in den Akten enthaltenen Leistungsabrechnung ihrer Krankenversicherung sei sodann zu entnehmen, dass sie wegen des Vorfalls vom 10. Oktober 2021 in Form von Kostenbeteiligungen Auslagen für wiederholte medizinische Behandlungen gehabt habe, deren Rückerstattung sie verlangen wolle. Bemerkenswert sei in diesem Zusammenhang, dass der Beschwerdegegner 2 in seiner Stellungnahme vom 24. August 2022 an die Vorinstanz ausgeführt habe, dass er die Regressforderungen der Versicherung bereits anerkannt und bezahlt habe. Mit Schreiben vom 14. Juni 2022 habe sie dem Beschwerdegegner 2 eine erneute Genugtuungsforderung unterbreitet. Nach der verfügten Nichtanhandnahme hätten er und seine Schwester, die
Besitzerin des Restaurants, sich aber geweigert, auf ihre Zivilforderungen einzugehen.

1.4. Mit diesen Ausführungen kommt die Beschwerdeführerin ihrer Obliegenheit, eine adhäsionsfähige Zivilforderung zu substanziieren und konkretisieren, nicht hinreichend nach. So beziffert sie weder die angebliche Schadenersatz-, noch die Genugtuungsforderung. Bezüglich der Schadenersatzforderung legt sie insbesondere nicht dar, welche ihr verbliebenen Schadensposten vom Beschwerdegegner 2 noch nicht gedeckt worden sein sollen. Die Anmerkung "Ersatz für die Auslagen der Heilbehandlung" schafft hier nicht die nötige Klarheit. Was das Genugtuungsbegehren anbelangt, genügt es zudem nicht, einfach eine fahrlässige Körperverletzung nach Art. 125
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 125 - 1 Wer fahrlässig einen Menschen am Körper oder an der Gesundheit schädigt, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe182 bestraft.
1    Wer fahrlässig einen Menschen am Körper oder an der Gesundheit schädigt, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe182 bestraft.
2    Ist die Schädigung schwer, so wird der Täter von Amtes wegen verfolgt.
StGB zu behaupten. Vielmehr müsste auch die erlittene immaterielle Unbill sowie die Erfüllung der spezifischen Verschuldensanforderungen nach dem obligationenrechtlichen Fahrlässigkeitsbegriff, insbesondere die Sorgfaltswidrigkeit (oben E. 1.2), wenigstens in Umrissen substanziiert werden. Dies unterlässt die Beschwerdeführerin indessen, womit auf ihre Beschwerde mangels hinreichender Darlegung ihrer Legitimation nicht einzutreten ist.

2.
Die Beschwerde erweist sich dem Gesagten zufolge als unzulässig.
Die Gerichtskosten sind dem Verfahrensausgang entsprechend der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 66 Erhebung und Verteilung der Gerichtskosten - 1 Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben.
1    Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben.
2    Wird ein Fall durch Abstandserklärung oder Vergleich erledigt, so kann auf die Erhebung von Gerichtskosten ganz oder teilweise verzichtet werden.
3    Unnötige Kosten hat zu bezahlen, wer sie verursacht.
4    Dem Bund, den Kantonen und den Gemeinden sowie mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen dürfen in der Regel keine Gerichtskosten auferlegt werden, wenn sie in ihrem amtlichen Wirkungskreis, ohne dass es sich um ihr Vermögensinteresse handelt, das Bundesgericht in Anspruch nehmen oder wenn gegen ihre Entscheide in solchen Angelegenheiten Beschwerde geführt worden ist.
5    Mehrere Personen haben die ihnen gemeinsam auferlegten Gerichtskosten, wenn nichts anderes bestimmt ist, zu gleichen Teilen und unter solidarischer Haftung zu tragen.
BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 1'200.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, III. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 19. Dezember 2023

Im Namen der II. strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Das präsidierende Mitglied: Koch

Die Gerichtsschreiberin: Lustenberger
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 7B_516/2023
Date : 19. Dezember 2023
Published : 06. Januar 2024
Source : Bundesgericht
Status : Unpubliziert
Subject area : Strafprozess
Subject : Nichtanhandnahme


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BGG: 66  81
OR: 41  47
StGB: 125
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