Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}

9C 611/2014

Urteil vom 19. Februar 2015

II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Glanzmann, Präsidentin,
Bundesrichter Meyer, Parrino,
Gerichtsschreiber Schmutz.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsdienst Integration Handicap,
Beschwerdeführerin,

gegen

IV-Stelle Bern, Scheibenstrasse 70, 3014 Bern,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung (Invalidenrente),

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 19. Juni 2014.

Sachverhalt:

A.
A.________ arbeitet seit 1991 in der Kabelkonfektionierung der Firma B.________ AG. Am 3. Februar 2011 meldete sie sich unter Hinweis auf ein psychiatrisches Krankheitsbild und Heuschnupfen sowie eine seit dem 12. August 2010 bestehende Arbeitsunfähigkeit verschiedenen Ausmasses bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Die IV-Stelle Bern tätigte beruflich-erwerbliche sowie medizinische Abklärungen. Sie veranlasste ein bidisziplinäres psychiatrisch-neuropsychologisches Gutachten (Dr. med. C.________, Spezialarzt Psychiatrie und Psychotherapie FMH und lic. phil. D.________, Fachpsychologe für Neuropsychologie FSP, vom 28. Februar 2013 und 17. September 2012). Die Experten diagnostizierten im Vordergrund stehend eine ängstliche (vermeidende) Persönlichkeitsstörung (ICD-10: F60.6) sowie eine Entwicklungsstörung mit kognitiven Funktionsbeeinträchtigungen (ICD-10: F89), ferner eine depressiven Störung, gegenwärtig remittiert (ICD-10: F32.4/F33.4). In einem Intelligenztest mit mehreren Untertests wurde ein Gesamt-Intelligenzquotient (Gesamt-IQ) von 73 Punkten ermittelt. Die Minderung der Leistungsfähigkeit schätzten die Experten auf insgesamt 35 %. Sie gaben an, eine entsprechende Arbeitsunfähigkeit sei seit dem Eintritt ins
Erwerbsleben anzunehmen. Mit Vorbescheid vom 4. Dezember 2013 und Verfügung vom 18. Februar 2014 wies die IV-Stelle das Leistungsgesuch ab (Invaliditätsgrad von 35 %).

B.
Die von A.________ gegen die Verfügung vom 18. Februar 2014 eingereichte Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Bern mit Entscheid vom 19. Juni 2014 ab. Es erwog, die Versicherte habe die Anlehre zur Coiffeuse abgeschlossen. Ein zwischen 70 und 84 Punkten liegender IQ sei zwar unterdurchschnittlich, liege aber noch im Normbereich. Erst bei einem unter dem Normbereich liegenden IQ werde gemäss ICD-10 von einer Intelligenzminderung gesprochen, welche die Arbeitsfähigkeit der Betroffenen in der freien Wirtschaft herabsetzen könne. Somit komme im vorliegenden Fall die Berechnung des Valideneinkommens nach der Bestimmung über die Frühinvalidität nicht in Betracht.

C.
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen. Sie beantragt, der kantonale Entscheid sei aufzuheben und es sei ihr eine Dreiviertelsrente auszurichten; eventualiter sei die Beschwerdesache zur Abklärung bezüglich Frühinvalidität an die IV-Stelle zurückzuweisen.

Die IV-Stelle beantragt die Abweisung der Beschwerde. Vorinstanz und Bundesamt für Sozialversicherungen verzichten auf eine Vernehmlassung.

Erwägungen:

1.
Wie die Vorinstanz richtig erwogen hat, erfüllen die Gutachten C.________ und D.________ die von der Rechtsprechung (vgl. BGE 134 V 231 E. 5.1 S. 323 mit Hinweis) aufgestellten Anforderungen und sind beweiskräftig. Es kann auf sie abgestellt werden. Ihre Ergebnisse sind nicht (mehr) umstritten. Bei der Beschwerdeführerin steht im Vordergrund eine ängstliche (vermeidende) Persönlichkeitsstörung sowie eine Entwicklungsstörung mit kognitiven Funktionsbeeinträchtigungen mit einer Minderung der Leistungsfähigkeit von insgesamt 35 % seit dem Eintritt ins Erwerbsleben. Der Gesamt-IQ beträgt 73 Punkte.

2.
Streitig und zu prüfen ist einzig, ob die Beschwerdeführerin nach Art. 26 Abs. 1
SR 831.201 Verordnung vom 17. Januar 1961 über die Invalidenversicherung (IVV)
IVV Art. 26 Bestimmung des Einkommens ohne Invalidität - 1 Das Einkommen ohne Invalidität (Art. 16 ATSG) bestimmt sich anhand des zuletzt vor Eintritt der Invalidität tatsächlich erzielten Erwerbseinkommens. Unterlag das in den letzten Jahren vor Eintritt der Invalidität erzielte Erwerbseinkommen starken Schwankungen, so wird auf ein angemessenes Durchschnittseinkommen abgestellt.
1    Das Einkommen ohne Invalidität (Art. 16 ATSG) bestimmt sich anhand des zuletzt vor Eintritt der Invalidität tatsächlich erzielten Erwerbseinkommens. Unterlag das in den letzten Jahren vor Eintritt der Invalidität erzielte Erwerbseinkommen starken Schwankungen, so wird auf ein angemessenes Durchschnittseinkommen abgestellt.
2    Liegt das tatsächlich erzielte Erwerbseinkommen fünf Prozent oder mehr unterhalb des branchenüblichen Zentralwertes der LSE nach Artikel 25 Absatz 3, so entspricht das Einkommen ohne Invalidität 95 Prozent dieses Zentralwertes.
3    Absatz 2 findet keine Anwendung, wenn:
a  das Einkommen mit Invalidität nach Artikel 26bis Absatz 1 ebenfalls fünf Prozent oder mehr unterhalb des branchenüblichen Zentralwertes der LSE nach Artikel 25 Absatz 3 liegt; oder
b  das Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit erzielt wurde.
4    Kann das tatsächlich erzielte Erwerbseinkommen nicht oder nicht hinreichend genau bestimmt werden, so wird das Einkommen ohne Invalidität nach statistischen Werten nach Artikel 25 Absatz 3 für eine Person bei gleicher Ausbildung und entsprechenden beruflichen Verhältnissen festgelegt.
5    Tritt die Invalidität ein, nachdem die versicherte Person eine berufliche Ausbildung geplant oder begonnen hat, so wird das Einkommen ohne Invalidität nach dem statistischen Wert nach Artikel 25 Absatz 3 bestimmt, den die versicherte Person nach Beendigung der Ausbildung erreicht hätte.
6    Kann die versicherte Person aufgrund ihrer Invalidität keine berufliche Ausbildung beginnen oder abschliessen, so wird das Einkommen ohne Invalidität nach statistischen Werten nach Artikel 25 Absatz 3 bestimmt. In Abweichung von Artikel 25 Absatz 3 sind geschlechtsunabhängige Werte zu verwenden.
IVV als Frühinvalide zu betrachten ist, was im Einkommensvergleich eine Aufwertung des Valideneinkommens zur Folge hätte.

3.

3.1. Für Versicherte ohne Ausbildung sieht Art. 26 Abs. 1
SR 831.201 Verordnung vom 17. Januar 1961 über die Invalidenversicherung (IVV)
IVV Art. 26 Bestimmung des Einkommens ohne Invalidität - 1 Das Einkommen ohne Invalidität (Art. 16 ATSG) bestimmt sich anhand des zuletzt vor Eintritt der Invalidität tatsächlich erzielten Erwerbseinkommens. Unterlag das in den letzten Jahren vor Eintritt der Invalidität erzielte Erwerbseinkommen starken Schwankungen, so wird auf ein angemessenes Durchschnittseinkommen abgestellt.
1    Das Einkommen ohne Invalidität (Art. 16 ATSG) bestimmt sich anhand des zuletzt vor Eintritt der Invalidität tatsächlich erzielten Erwerbseinkommens. Unterlag das in den letzten Jahren vor Eintritt der Invalidität erzielte Erwerbseinkommen starken Schwankungen, so wird auf ein angemessenes Durchschnittseinkommen abgestellt.
2    Liegt das tatsächlich erzielte Erwerbseinkommen fünf Prozent oder mehr unterhalb des branchenüblichen Zentralwertes der LSE nach Artikel 25 Absatz 3, so entspricht das Einkommen ohne Invalidität 95 Prozent dieses Zentralwertes.
3    Absatz 2 findet keine Anwendung, wenn:
a  das Einkommen mit Invalidität nach Artikel 26bis Absatz 1 ebenfalls fünf Prozent oder mehr unterhalb des branchenüblichen Zentralwertes der LSE nach Artikel 25 Absatz 3 liegt; oder
b  das Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit erzielt wurde.
4    Kann das tatsächlich erzielte Erwerbseinkommen nicht oder nicht hinreichend genau bestimmt werden, so wird das Einkommen ohne Invalidität nach statistischen Werten nach Artikel 25 Absatz 3 für eine Person bei gleicher Ausbildung und entsprechenden beruflichen Verhältnissen festgelegt.
5    Tritt die Invalidität ein, nachdem die versicherte Person eine berufliche Ausbildung geplant oder begonnen hat, so wird das Einkommen ohne Invalidität nach dem statistischen Wert nach Artikel 25 Absatz 3 bestimmt, den die versicherte Person nach Beendigung der Ausbildung erreicht hätte.
6    Kann die versicherte Person aufgrund ihrer Invalidität keine berufliche Ausbildung beginnen oder abschliessen, so wird das Einkommen ohne Invalidität nach statistischen Werten nach Artikel 25 Absatz 3 bestimmt. In Abweichung von Artikel 25 Absatz 3 sind geschlechtsunabhängige Werte zu verwenden.
IVV vor: Konnte die versicherte Person wegen der Invalidität keine zureichenden beruflichen Kenntnisse erwerben, entspricht das Erwerbseinkommen, das sie als Nichtinvalide erzielen könnte, den folgenden nach Alter abgestuften Prozentsätzen des jährlich aktualisierten Medianwertes gemäss der Lohnstrukturerhebung des Bundesamtes für Statistik (LSE) :
vor dem 21. Geburtstag 70 %
ab dem 21. bis zum 25. Geburtstag 80 %
ab dem 25. bis zum 30. Geburtstag 90 %
ab dem 30. Geburtstag 100 %

3.2. Gemäss Ziff. 3035 des Kreisschreibens über Invalidität und Hilflosigkeit in der Invalidenversicherung (KSIH) des BSV sind Frühinvalide Versicherte, die seit ihrer Kindheit einen Gesundheitsschaden aufweisen und deshalb keine zureichenden beruflichen Kenntnisse erwerben konnten. Dazu gehören Versicherte, welche zwar eine Berufsausbildung beginnen und allenfalls auch abschliessen, zu Beginn der Ausbildung jedoch bereits invalid sind und mit dieser Ausbildung nicht dieselben Verdienstmöglichkeiten realisieren können wie eine nichtbehinderte Person mit derselben Ausbildung. Nach Ziff. 3037 KSIH ist als "Erwerb von zureichenden beruflichen Kenntnissen" die abgeschlossene Berufsausbildung zu betrachten. Dazu gehören auch Anlehren, wenn sie auf einem besonderen, der Invalidität angepassten Bildungsweg ungefähr die gleichen Kenntnisse vermitteln wie eine eigentliche Lehre oder ordentliche Ausbildung und den Versicherten in Bezug auf den späteren Verdienst praktisch die gleichen Möglichkeiten eröffnen. Der jährlich aktualisierte Medianwert gemäss der Lohnstrukturerhebung des Bundesamtes für Statistik (LSE) wird den Versicherern mit IV-Rundschreiben des Bundesamtes für Sozialversicherungen mitgeteilt.

4.

4.1. Für die Beurteilung des Vorliegens einer Erwerbsunfähigkeit sind nach Art. 7 Abs. 2
SR 830.1 Bundesgesetz vom 6. Oktober 2000 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG)
ATSG Art. 7 Erwerbsunfähigkeit - 1 Erwerbsunfähigkeit ist der durch Beeinträchtigung der körperlichen, geistigen oder psychischen Gesundheit verursachte und nach zumutbarer Behandlung und Eingliederung verbleibende ganze oder teilweise Verlust der Erwerbsmöglichkeiten auf dem in Betracht kommenden ausgeglichenen Arbeitsmarkt.
1    Erwerbsunfähigkeit ist der durch Beeinträchtigung der körperlichen, geistigen oder psychischen Gesundheit verursachte und nach zumutbarer Behandlung und Eingliederung verbleibende ganze oder teilweise Verlust der Erwerbsmöglichkeiten auf dem in Betracht kommenden ausgeglichenen Arbeitsmarkt.
2    Für die Beurteilung des Vorliegens einer Erwerbsunfähigkeit sind ausschliesslich die Folgen der gesundheitlichen Beeinträchtigung zu berücksichtigen. Eine Erwerbsunfähigkeit liegt zudem nur vor, wenn sie aus objektiver Sicht nicht überwindbar ist.11
ATSG ausschliesslich die Folgen der gesundheitlichen Beeinträchtigung zu berücksichtigen.

4.2. Aus den letztinstanzlich nachgereichten Ausbildungsberichten, wozu der angefochtene Entscheid Anlass gegeben hat, geht hervor, dass der Einstieg in die Ausbildung von der Beschwerdeführerin nur mit Mühe bewältigt wurde. Noch am Ende des vierten Semesters brachte der Bewerter (E.________) die Bemerkung an, die Beschwerdeführerin arbeite langsam. Aus den Unterlagen geht nicht direkt hervor, warum die Ausbildung nicht mit einem Diplom abschlossen wurde, doch ist davon auszugehen, dass die Langsamkeit zumindest eine erhebliche Rolle spielte. Dafür finden sich Anknüpfungspunkte im Gutachten C.________, in dem ein verlangsamtes Arbeitstempo seit der Jugendzeit geschildert worden ist. Die bisherige sehr einfache Tätigkeit als ungelernte Fabrikarbeiterin sei sehr gut an das kognitive Leistungsprofil der Versicherten und an ihre Persönlichkeitsstörung angepasst. Aus neuropsychologischer und aus psychiatrisch-psychotherapeutischer Sicht sei die bisherige Tätigkeit zeitlich uneingeschränkt zumutbar. Es bestehe eine gesamthafte Minderung der Leistungsfähigkeit von 35 % von 100 % (Hervorhebungen im Original). Eine entsprechende Arbeitsunfähigkeit sei seit dem Eintritt ins Erwerbsleben anzunehmen. Krankheitsfremde Gesichtspunkte seien
abgegrenzt worden und gingen nicht in die Beurteilung der medizinisch-theoretischen Zumutbarkeit einer allfälligen Tätigkeit ein.

4.3. Als Erwerb von zureichenden beruflichen Kenntnissen im Sinne von Art. 26 Abs. 1
SR 831.201 Verordnung vom 17. Januar 1961 über die Invalidenversicherung (IVV)
IVV Art. 26 Bestimmung des Einkommens ohne Invalidität - 1 Das Einkommen ohne Invalidität (Art. 16 ATSG) bestimmt sich anhand des zuletzt vor Eintritt der Invalidität tatsächlich erzielten Erwerbseinkommens. Unterlag das in den letzten Jahren vor Eintritt der Invalidität erzielte Erwerbseinkommen starken Schwankungen, so wird auf ein angemessenes Durchschnittseinkommen abgestellt.
1    Das Einkommen ohne Invalidität (Art. 16 ATSG) bestimmt sich anhand des zuletzt vor Eintritt der Invalidität tatsächlich erzielten Erwerbseinkommens. Unterlag das in den letzten Jahren vor Eintritt der Invalidität erzielte Erwerbseinkommen starken Schwankungen, so wird auf ein angemessenes Durchschnittseinkommen abgestellt.
2    Liegt das tatsächlich erzielte Erwerbseinkommen fünf Prozent oder mehr unterhalb des branchenüblichen Zentralwertes der LSE nach Artikel 25 Absatz 3, so entspricht das Einkommen ohne Invalidität 95 Prozent dieses Zentralwertes.
3    Absatz 2 findet keine Anwendung, wenn:
a  das Einkommen mit Invalidität nach Artikel 26bis Absatz 1 ebenfalls fünf Prozent oder mehr unterhalb des branchenüblichen Zentralwertes der LSE nach Artikel 25 Absatz 3 liegt; oder
b  das Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit erzielt wurde.
4    Kann das tatsächlich erzielte Erwerbseinkommen nicht oder nicht hinreichend genau bestimmt werden, so wird das Einkommen ohne Invalidität nach statistischen Werten nach Artikel 25 Absatz 3 für eine Person bei gleicher Ausbildung und entsprechenden beruflichen Verhältnissen festgelegt.
5    Tritt die Invalidität ein, nachdem die versicherte Person eine berufliche Ausbildung geplant oder begonnen hat, so wird das Einkommen ohne Invalidität nach dem statistischen Wert nach Artikel 25 Absatz 3 bestimmt, den die versicherte Person nach Beendigung der Ausbildung erreicht hätte.
6    Kann die versicherte Person aufgrund ihrer Invalidität keine berufliche Ausbildung beginnen oder abschliessen, so wird das Einkommen ohne Invalidität nach statistischen Werten nach Artikel 25 Absatz 3 bestimmt. In Abweichung von Artikel 25 Absatz 3 sind geschlechtsunabhängige Werte zu verwenden.
IVV ist der Abschluss einer Berufsausbildung zu betrachten. Dazu gehören auch Anlehren, wenn sie auf einem besonderen, der Invalidität angepassten Bildungsweg ungefähr die gleichen Kenntnisse vermitteln wie eine eigentliche Lehre oder ordentliche Ausbildung und den Versicherten in Bezug auf den späteren Verdienst praktisch die gleichen Möglichkeiten eröffnen (ZAK 1974 S. 548 [Urteil I 320/73 vom 8. April 1974] und Rz. 3037 KSIH). Die Beschwerdeführerin verfügt über eine Anlehre als Coiffeuse, welche heute einer 2-jährigen Ausbildung mit Berufsattest entspricht. Die Liste mit Berufen, für die auch eine 2-jährige Lehre mit Berufsattest resp. Anlehre angeboten wird, ist lang. Es gibt verschiedene Berufsfelder, die für Jugendliche, die hauptsächlich praktisch begabt sind, bewusst auf eine einfachere Berufsausbildung setzen. Würde im Rahmen von Ziff. 3037 KSIH als Erwerb von zureichenden beruflichen Kenntnissen ausschliesslich ein ordentlicher Lehrabschluss anerkannt, so erschiene dies im Einzelfall vorteilhaft (er). Es würde aber ausser Acht lassen, dass die Invalidenversicherung Erwerbsunfähigkeit und nicht Berufsunfähigkeit versichert. Darum stellt
sich nicht die Frage, warum die Beschwerdeführerin keine Berufslehre geschafft hat, sondern in Anlehnung an ZAK 1974 S. 548 und Rz. 3037 KSIH vielmehr, ob die Beschwerdeführerin ihre absolvierte Anlehre, durch die sie offensichtlich zureichende berufliche Kenntnisse erworben hat, auf dem ausgeglichenen Arbeitsmarkt "ummünzen" kann. Ob die Anlehre auf einem besonderen oder auf dem "normalen" Bildungsweg gemacht wurde, kann mit Blick auf das IV-Ziel nicht entscheidend sein.

5.

5.1. Bei der Beurteilung der Frage nach dem Vorliegen einer Frühinvalidität kommt es nicht nur auf den Intelligenzquotienten an, welcher hier mit 73 Punkten knapp im Normbereich liegt. Vielmehr ist die Gesamtheit der gesundheitlichen Beeinträchtigungen massgebend (ZAK 1982 S. 456 E. 1c in fine). Gemäss verbindlicher Feststellung leidet die Beschwerdeführerin an kognitiven Funktionsbeeinträchtigungen im Grenzbereich zwischen mittelschwer und leicht bis mittelschwer, wobei die einfache Tätigkeit als ungelernte Fabrikarbeiterin "sehr gut an das kognitive Leistungsprofil angepasst ist". Daraus ergibt sich e contrario, dass die qualifizierte Tätigkeit als angelernte Coiffeuse eine unangepasste Tätigkeit darstellt. Dazu kommt, dass die medizinisch begründete Arbeitsunfähigkeit seit Eintritt ins Erwerbsleben besteht, mithin sich schon bei der Aufnahme der (An-) Lehre manifestiert hat. Es fällt auf, dass der Beschwerdeführerin vor allem ihre Langsamkeit vorgehalten wurde, was Teil der kognitiven Defizite ist. Bei dieser Sachlage ist es überwiegend wahrscheinlich, dass die Beschwerdeführerin ihre erworbenen Fachkenntnisse als Coiffeuse wirtschaftlich nicht gleichermassen wie andere Berufskolleginnen verwerten konnte. Dies wird durch das
eingeholte psychiatrisch-fachpsychologische Gutachten C.________/D.________ einwandfrei ausgewiesen, wonach die gesundheitliche Beeinträchtigung in einer Entwicklungsstörung mit kognitiven Funktionsbeeinträchtigungen und einer ängstlichen (vermeidenden) Persönlichkeitsstörung besteht. Diese Beeinträchtigungen bestanden bei der Beschwerdeführerin seit je. Dementsprechend gaben die Experten denn auch eine Minderung der Leistungsfähigkeit ab Eintritt ins Erwerbsleben an.

5.2. Die Beschwerdeführerin ist somit als Frühinvalide zu betrachten und hat Anrecht darauf, dass dem Einkommensvergleich der nach dem Alter abgestufte Tabellenlohn nach Art. 26 Abs. 1
SR 831.201 Verordnung vom 17. Januar 1961 über die Invalidenversicherung (IVV)
IVV Art. 26 Bestimmung des Einkommens ohne Invalidität - 1 Das Einkommen ohne Invalidität (Art. 16 ATSG) bestimmt sich anhand des zuletzt vor Eintritt der Invalidität tatsächlich erzielten Erwerbseinkommens. Unterlag das in den letzten Jahren vor Eintritt der Invalidität erzielte Erwerbseinkommen starken Schwankungen, so wird auf ein angemessenes Durchschnittseinkommen abgestellt.
1    Das Einkommen ohne Invalidität (Art. 16 ATSG) bestimmt sich anhand des zuletzt vor Eintritt der Invalidität tatsächlich erzielten Erwerbseinkommens. Unterlag das in den letzten Jahren vor Eintritt der Invalidität erzielte Erwerbseinkommen starken Schwankungen, so wird auf ein angemessenes Durchschnittseinkommen abgestellt.
2    Liegt das tatsächlich erzielte Erwerbseinkommen fünf Prozent oder mehr unterhalb des branchenüblichen Zentralwertes der LSE nach Artikel 25 Absatz 3, so entspricht das Einkommen ohne Invalidität 95 Prozent dieses Zentralwertes.
3    Absatz 2 findet keine Anwendung, wenn:
a  das Einkommen mit Invalidität nach Artikel 26bis Absatz 1 ebenfalls fünf Prozent oder mehr unterhalb des branchenüblichen Zentralwertes der LSE nach Artikel 25 Absatz 3 liegt; oder
b  das Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit erzielt wurde.
4    Kann das tatsächlich erzielte Erwerbseinkommen nicht oder nicht hinreichend genau bestimmt werden, so wird das Einkommen ohne Invalidität nach statistischen Werten nach Artikel 25 Absatz 3 für eine Person bei gleicher Ausbildung und entsprechenden beruflichen Verhältnissen festgelegt.
5    Tritt die Invalidität ein, nachdem die versicherte Person eine berufliche Ausbildung geplant oder begonnen hat, so wird das Einkommen ohne Invalidität nach dem statistischen Wert nach Artikel 25 Absatz 3 bestimmt, den die versicherte Person nach Beendigung der Ausbildung erreicht hätte.
6    Kann die versicherte Person aufgrund ihrer Invalidität keine berufliche Ausbildung beginnen oder abschliessen, so wird das Einkommen ohne Invalidität nach statistischen Werten nach Artikel 25 Absatz 3 bestimmt. In Abweichung von Artikel 25 Absatz 3 sind geschlechtsunabhängige Werte zu verwenden.
IVV zugrunde gelegt wird. Im Zeitpunkt des Verfügungserlasses war die Versicherte über 30 Jahre alt (47-jährig) und hat demnach Anspruch auf Berücksichtigung des 100-prozentigen LSE-Erwerbseinkommens als Validenlohn. Gemäss dem IV-Rundschreiben Nr. 294 des Bundesamtes für Sozialversicherungen betrug der Tabellenlohn 2011 Fr. 75'000.- pro Jahr und wurde auf den 1. Januar 2012 auf Fr. 77'000.- festgesetzt (IV-Rundschreiben Nr. 303 vom 7. Dezember 2011). Bei einem massgeblichen Invalideneinkommen von Fr. 32'245.90 gemäss zutreffender vorinstanzlicher Erwägung 4.6.2 führt dies zu einem Invaliditätsgrad von 57 % bis 31. Dezember 2011 und 58 % ab 1. Januar 2012 und damit zum Anspruch auf eine halbe Invalidenrente. Da der Rentenanspruch nach Art. 29 Abs. 1
SR 831.20 Bundesgesetz vom 19. Juni 1959 über die Invalidenversicherung (IVG)
IVG Art. 29 Beginn des Anspruchs und Auszahlung der Rente - 1 Der Rentenanspruch entsteht frühestens nach Ablauf von sechs Monaten nach Geltendmachung des Leistungsanspruchs nach Artikel 29 Absatz 1 ATSG217, jedoch frühestens im Monat, der auf die Vollendung des 18. Altersjahres folgt.
1    Der Rentenanspruch entsteht frühestens nach Ablauf von sechs Monaten nach Geltendmachung des Leistungsanspruchs nach Artikel 29 Absatz 1 ATSG217, jedoch frühestens im Monat, der auf die Vollendung des 18. Altersjahres folgt.
2    Der Anspruch entsteht nicht, solange die versicherte Person ein Taggeld nach Artikel 22 beanspruchen kann.
3    Die Rente wird vom Beginn des Monats an ausbezahlt, in dem der Rentenanspruch entsteht.
4    Beträgt der Invaliditätsgrad weniger als 50 Prozent, so werden die entsprechenden Renten nur an Versicherte ausbezahlt, die ihren Wohnsitz und ihren gewöhnlichen Aufenthalt (Art. 13 ATSG) in der Schweiz haben. Diese Voraussetzung ist auch von Angehörigen zu erfüllen, für die eine Leistung beansprucht wird.
IVG frühestens nach Ablauf von sechs Monaten nach Geltendmachung des Leistungsanspruchs - mithin der Anmeldung am 3. Februar 2011 beim zuständigen Versicherungsträger (Art. 29 Abs. 1
SR 830.1 Bundesgesetz vom 6. Oktober 2000 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG)
ATSG Art. 29 Geltendmachung des Leistungsanspruchs - 1 Wer eine Versicherungsleistung beansprucht, hat sich beim zuständigen Versicherungsträger in der für die jeweilige Sozialversicherung gültigen Form anzumelden.
1    Wer eine Versicherungsleistung beansprucht, hat sich beim zuständigen Versicherungsträger in der für die jeweilige Sozialversicherung gültigen Form anzumelden.
2    Für die Anmeldung und zur Abklärung des Anspruches auf Leistungen geben die Versicherungsträger unentgeltlich Formulare ab, die vom Ansprecher oder seinem Arbeitgeber und allenfalls vom behandelnden Arzt vollständig und wahrheitsgetreu auszufüllen und dem zuständigen Versicherungsträger zuzustellen sind.
3    Wird eine Anmeldung nicht formgerecht oder bei einer unzuständigen Stelle eingereicht, so ist für die Einhaltung der Fristen und für die an die Anmeldung geknüpften Rechtswirkungen trotzdem der Zeitpunkt massgebend, in dem sie der Post übergeben oder bei der unzuständigen Stelle eingereicht wird.
ATSG) - eintritt, besteht er ab 1. August 2011.

6.
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend sind die Gerichtskosten der Beschwerdegegnerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 66 Erhebung und Verteilung der Gerichtskosten - 1 Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben.
1    Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben.
2    Wird ein Fall durch Abstandserklärung oder Vergleich erledigt, so kann auf die Erhebung von Gerichtskosten ganz oder teilweise verzichtet werden.
3    Unnötige Kosten hat zu bezahlen, wer sie verursacht.
4    Dem Bund, den Kantonen und den Gemeinden sowie mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen dürfen in der Regel keine Gerichtskosten auferlegt werden, wenn sie in ihrem amtlichen Wirkungskreis, ohne dass es sich um ihr Vermögensinteresse handelt, das Bundesgericht in Anspruch nehmen oder wenn gegen ihre Entscheide in solchen Angelegenheiten Beschwerde geführt worden ist.
5    Mehrere Personen haben die ihnen gemeinsam auferlegten Gerichtskosten, wenn nichts anderes bestimmt ist, zu gleichen Teilen und unter solidarischer Haftung zu tragen.
BGG). Diese hat der Beschwerdeführerin eine Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 68 Abs. 2
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 68 Parteientschädigung - 1 Das Bundesgericht bestimmt im Urteil, ob und in welchem Mass die Kosten der obsiegenden Partei von der unterliegenden zu ersetzen sind.
1    Das Bundesgericht bestimmt im Urteil, ob und in welchem Mass die Kosten der obsiegenden Partei von der unterliegenden zu ersetzen sind.
2    Die unterliegende Partei wird in der Regel verpflichtet, der obsiegenden Partei nach Massgabe des Tarifs des Bundesgerichts alle durch den Rechtsstreit verursachten notwendigen Kosten zu ersetzen.
3    Bund, Kantonen und Gemeinden sowie mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen wird in der Regel keine Parteientschädigung zugesprochen, wenn sie in ihrem amtlichen Wirkungskreis obsiegen.
4    Artikel 66 Absätze 3 und 5 ist sinngemäss anwendbar.
5    Der Entscheid der Vorinstanz über die Parteientschädigung wird vom Bundesgericht je nach Ausgang des Verfahrens bestätigt, aufgehoben oder geändert. Dabei kann das Gericht die Entschädigung nach Massgabe des anwendbaren eidgenössischen oder kantonalen Tarifs selbst festsetzen oder die Festsetzung der Vorinstanz übertragen.
BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen. Der Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern, Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, vom 19. Juni 2014 und die Verfügung der IV-Stelle Bern vom 18. Februar 2014 werden aufgehoben. Die Beschwerdeführerin hat Anspruch auf eine halbe Invalidenrente ab 1. August 2011.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt.

3.
Die Beschwerdegegnerin hat die Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'800.- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 19. Februar 2015

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Glanzmann

Der Gerichtsschreiber: Schmutz
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 9C_611/2014
Date : 19. Februar 2015
Published : 09. März 2015
Source : Bundesgericht
Status : Unpubliziert
Subject area : Invalidenversicherung
Subject : Invalidenversicherung (Invalidenrente)


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