Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
1B 115/2019
Urteil vom 18. Dezember 2019
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Chaix, Präsident,
Bundesrichter Merkli, Fonjallaz, Haag, Muschietti,
Gerichtsschreiber Härri.
Verfahrensbeteiligte
A.________,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt Eric Stupp,
gegen
Kantonspolizei Zürich,
Rechtsdienst, Kasernenstrasse 29,
Postfach, 8021 Zürich 1,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Strafverfahren; Leibesvisitation,
Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts
des Kantons Zürich, III. Strafkammer,
vom 29. Januar 2019 (UH180256-O/U).
Sachverhalt:
A.
A.________ ist estnischer Staatsangehöriger und wohnt in London, wo er als Geschäftsmann tätig ist. Die Staatsanwaltschaft Lenzburg-Aarau (im Folgenden: Staatsanwaltschaft) führt gegen ihn eine Strafuntersuchung wegen des Verdachts der Datenbeschädigung. Sie schrieb ihn zur Aufenthaltsnachforschung aus.
Am 5. Juli 2018 hielt die Kantonspolizei Zürich A.________ bei seiner Einreise am Flughafen Zürich an. Auf Nachfrage hin, wie mit A.________ zu verfahren sei, erliess die Staatsanwaltschaft sogleich einen Zuführungsbefehl. Die Kantonspolizei nahm A.________ darauf fest. Bevor sie ihn während rund 4 Stunden unbeaufsichtigt in einer Zelle einsperrte, durchsuchte sie ihn. Dabei musste er sich ausziehen. Die Durchsuchung wurde in zwei Phasen durchgeführt. A.________ durfte jeweils die Kleider des Ober- bzw. Unterkörpers anbehalten. Um allfällige Gegenstände zwischen den Gesässbacken festzustellen, musste er mit entkleidetem Unterkörper in die Hocke gehen.
B.
Die von A.________ gegen die Leibesvisitation erhobene Beschwerde wies das Obergericht des Kantons Zürich (III. Strafkammer) am 29. Januar 2019 ab (Dispositiv Ziffer 2).
C.
A.________ führt Beschwerde in Strafsachen mit dem Antrag, Ziffer 2 des Dispositivs des Entscheids des Obergerichts aufzuheben und festzustellen, dass die Leibesvisitation unrechtmässig gewesen sei, sowie weiteren Anträgen.
D.
Das Obergericht hat auf Gegenbemerkungen verzichtet. Die Kantonspolizei hat sich vernehmen lassen mit dem Antrag, die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei.
Erwägungen:
1.
1.1. Gegen den angefochtenen Entscheid, der sich auf die Strafprozessordnung stützt, ist gemäss Art. 78 Abs. 1

SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz BGG Art. 78 Grundsatz - 1 Das Bundesgericht beurteilt Beschwerden gegen Entscheide in Strafsachen. |
|
1 | Das Bundesgericht beurteilt Beschwerden gegen Entscheide in Strafsachen. |
2 | Der Beschwerde in Strafsachen unterliegen auch Entscheide über: |
a | Zivilansprüche, wenn diese zusammen mit der Strafsache zu behandeln sind; |
b | den Vollzug von Strafen und Massnahmen. |

SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz BGG Art. 80 Vorinstanzen - 1 Die Beschwerde ist zulässig gegen Entscheide letzter kantonaler Instanzen und gegen Entscheide der Beschwerdekammer und der Berufungskammer des Bundesstrafgerichts.49 |
|
1 | Die Beschwerde ist zulässig gegen Entscheide letzter kantonaler Instanzen und gegen Entscheide der Beschwerdekammer und der Berufungskammer des Bundesstrafgerichts.49 |
2 | Die Kantone setzen als letzte kantonale Instanzen obere Gerichte ein. Diese entscheiden als Rechtsmittelinstanzen. Ausgenommen sind die Fälle, in denen nach der Strafprozessordnung (StPO)50 ein oberes Gericht oder ein Zwangsmassnahmengericht als einzige kantonale Instanz entscheidet.51 |

SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz BGG Art. 81 Beschwerderecht - 1 Zur Beschwerde in Strafsachen ist berechtigt, wer: |
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1 | Zur Beschwerde in Strafsachen ist berechtigt, wer: |
a | vor der Vorinstanz am Verfahren teilgenommen hat oder keine Möglichkeit zur Teilnahme erhalten hat; und |
b | ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Entscheids hat, insbesondere: |
b1 | die beschuldigte Person, |
b2 | ihr gesetzlicher Vertreter oder ihre gesetzliche Vertreterin, |
b3 | die Staatsanwaltschaft, ausser bei Entscheiden über die Anordnung, die Verlängerung und die Aufhebung der Untersuchungs- und Sicherheitshaft, |
b4 | ... |
b5 | die Privatklägerschaft, wenn der angefochtene Entscheid sich auf die Beurteilung ihrer Zivilansprüche auswirken kann, |
b6 | die Person, die den Strafantrag stellt, soweit es um das Strafantragsrecht als solches geht, |
b7 | die Staatsanwaltschaft des Bundes und die beteiligte Verwaltung in Verwaltungsstrafsachen nach dem Bundesgesetz vom 22. März 197456 über das Verwaltungsstrafrecht. |
2 | Eine Bundesbehörde ist zur Beschwerde berechtigt, wenn das Bundesrecht vorsieht, dass ihr der Entscheid mitzuteilen ist.57 |
3 | Gegen Entscheide nach Artikel 78 Absatz 2 Buchstabe b steht das Beschwerderecht auch der Bundeskanzlei, den Departementen des Bundes oder, soweit das Bundesrecht es vorsieht, den ihnen unterstellten Dienststellen zu, wenn der angefochtene Entscheid die Bundesgesetzgebung in ihrem Aufgabenbereich verletzen kann. |

SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung StPO Art. 49 Grundsätze - 1 Die Staatsanwaltschaften und die Gerichte des Bundes und der Kantone können von den Strafbehörden anderer Kantone oder des Bundes die Durchführung von Verfahrenshandlungen verlangen. Die ersuchte Behörde prüft die Zulässigkeit und die Angemessenheit der verlangten Verfahrenshandlungen nicht. |
Der angefochtene Entscheid schliesst das Rechtshilfeverfahren im Kanton Zürich ab. Er ist deshalb als Endentscheid gemäss Art. 90

SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz BGG Art. 90 Endentscheide - Die Beschwerde ist zulässig gegen Entscheide, die das Verfahren abschliessen. |
1.2. Da es um eine strafprozessuale Zwangsmassnahme geht, kommt Art. 98

SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz BGG Art. 98 Beschränkte Beschwerdegründe - Mit der Beschwerde gegen Entscheide über vorsorgliche Massnahmen kann nur die Verletzung verfassungsmässiger Rechte gerügt werden. |
2.
2.1. Die Vorinstanz legt dar, die Leibesvisitation habe die Bannung der Selbst- und Fremdgefährdung bezweckt. Für eine Leibesvisitation wie hier genüge es, dass Gründe für eine vorläufige Festnahme bestünden und die Verbringung in eine unbeaufsichtigte Zelle erforderlich sei. Weitergehender, konkreter Anhaltspunkte für eine Selbst- oder Drittgefährdung bedürfe es nicht. Dies entspreche dem Dienstbefehl der Kantonspolizei, der nicht zu beanstanden sei.
2.2. Art. 241

SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung StPO Art. 241 Anordnung - 1 Durchsuchungen und Untersuchungen werden in einem schriftlichen Befehl angeordnet. In dringenden Fällen können sie mündlich angeordnet werden, sind aber nachträglich schriftlich zu bestätigen. |

SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung StPO Art. 243 Zufallsfunde - 1 Zufällig entdeckte Spuren oder Gegenstände, die mit der abzuklärenden Straftat nicht in Zusammenhang stehen, aber auf eine andere Straftat hinweisen, werden sichergestellt. |

SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung StPO Art. 241 Anordnung - 1 Durchsuchungen und Untersuchungen werden in einem schriftlichen Befehl angeordnet. In dringenden Fällen können sie mündlich angeordnet werden, sind aber nachträglich schriftlich zu bestätigen. |
Art. 249 f

SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung StPO Art. 249 Grundsatz - Personen und Gegenstände dürfen ohne Einwilligung nur durchsucht werden, wenn zu vermuten ist, dass Tatspuren oder zu beschlagnahmende Gegenstände und Vermögenswerte gefunden werden können. |

SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung StPO Art. 249 Grundsatz - Personen und Gegenstände dürfen ohne Einwilligung nur durchsucht werden, wenn zu vermuten ist, dass Tatspuren oder zu beschlagnahmende Gegenstände und Vermögenswerte gefunden werden können. |

SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung StPO Art. 250 Durchführung - 1 Die Durchsuchung von Personen umfasst die Kontrolle der Kleider, der mitgeführten Gegenstände, Behältnisse und Fahrzeuge, der Körperoberfläche und der einsehbaren Körperöffnungen und Körperhöhlen. |
Dass mit diesen Bestimmungen eine hinreichende gesetzliche Grundlage für die Leibesvisitation bestand, stellt der Beschwerdeführer nicht in Abrede. Er bringt vor, da bei ihm Anhaltspunkte für eine Selbst- oder Fremdgefährdung gefehlt hätten, sei die Leibesvisitation unverhältnismässig gewesen. Sie habe eine erniedrigende Behandlung dargestellt.
2.3. Gemäss Art. 7

SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 7 Menschenwürde - Die Würde des Menschen ist zu achten und zu schützen. |

SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung StPO Art. 3 Achtung der Menschenwürde und Fairnessgebot - 1 Die Strafbehörden achten in allen Verfahrensstadien die Würde der vom Verfahren betroffenen Menschen. |

SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 10 Recht auf Leben und auf persönliche Freiheit - 1 Jeder Mensch hat das Recht auf Leben. Die Todesstrafe ist verboten. |

IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) EMRK Art. 3 Verbot der Folter - Niemand darf der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden. |
Bei der Beantwortung der Frage, ob eine Leibesvisitation mit vollständiger Entkleidung gegen die Menschenwürde verstösst und eine erniedrigende Behandlung darstellt, kommt es auf die Umstände an (BGE 141 I 141 E. 6.3.5 S. 147 ff. mit Hinweisen). Die Leibesvisitation stellt einen Eingriff dar in das Recht auf persönliche Freiheit (Art. 10 Abs. 2

SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 10 Recht auf Leben und auf persönliche Freiheit - 1 Jeder Mensch hat das Recht auf Leben. Die Todesstrafe ist verboten. |

SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 13 Schutz der Privatsphäre - 1 Jede Person hat Anspruch auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung sowie ihres Brief-, Post- und Fernmeldeverkehrs. |

SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 36 Einschränkungen von Grundrechten - 1 Einschränkungen von Grundrechten bedürfen einer gesetzlichen Grundlage. Schwerwiegende Einschränkungen müssen im Gesetz selbst vorgesehen sein. Ausgenommen sind Fälle ernster, unmittelbarer und nicht anders abwendbarer Gefahr. |

SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung StPO Art. 197 Grundsätze - 1 Zwangsmassnahmen können nur ergriffen werden, wenn: |
2.4. Das Bundesgericht hatte sich verschiedentlich mit Fällen zu befassen, in denen sich der Betroffene bei einer Leibesvisitation fast oder vollständig nackt ausziehen musste.
Im Urteil 1B 176/2016 vom 11. April 2017 (publ. in: Pra 2017 Nr. 47 S. 475 ff.) ging es um einen Beschuldigten, den die Polizei nach einer Auseinandersetzung in der Luzerner Altstadt zum Polizeigebäude verbracht hatte. Dort unterzog sie ihn einer Leibesvisitation. Dabei musste er sich nackt ausziehen. In der Folge schloss sie ihn während zehn Minuten in einer Zelle ein. Das Bundesgericht erwog, der Beschuldigte sei wegen seiner Anhaltung und Verbringung zum Polizeigebäude unstreitig aufgebracht gewesen. Eine Gefährdung der Polizeibeamten habe daher nicht ausgeschlossen werden können. Um festzustellen, ob der Beschuldigte im Besitz von Waffen oder anderen gefährlichen Gegenständen gewesen sei, hätte es jedoch genügt, ihn über den Kleidern abzutasten. Die vollständige Entkleidung sei dazu nicht erforderlich gewesen. Zwar hätten die Polizeibeamten den Beschuldigten für kurze Zeit in einer Zelle eingesperrt. Für den Ausschluss einer Selbstgefährdung hätte es jedoch ebenfalls genügt, den Beschuldigten über den Kleidern abzutasten und ihm gegebenenfalls den Gürtel und die Schnürsenkel wegzunehmen. Die Leibesvisitation mit Entkleidung sei daher unverhältnismässig gewesen (E. 6.6).
Im Fall, der dem Urteil 6B 391/2013 vom 27. Juni 2013 (publ. in: Plädoyer 2013 Nr. 5 S. 53 f.) zugrunde liegt, nahm ein Polizeibeamter den Privatkläger, der sich in die polizeiliche Kontrolle eines Drogenkonsumenten eingemischt und das polizeiliche Vorgehen kritisiert hatte, fest und ordnete seine Verbringung zum Polizeiposten an. Dort wurde der Privatkläger einer Leibesvisitation unterzogen, bei der er sich nackt ausziehen musste. Das Obergericht des Kantons Zürich (II. Strafkammer) befand, die Leibesvisitation sei mit Blick auf den konkreten Tatvorwurf (Nichtentfernen der Hände aus den Hosentaschen) unverhältnismässig gewesen. Es hätten keine Verdachtsmomente bestanden, dass der Privatkläger Drogen oder gefährliche Gegenstände auf sich tragen könnte, die nicht mit einem Abtasten über der Kleidung hätten gefunden werden können. Die Leibesvisitation sei daher unrechtmässig gewesen (E. 1.2). Dem pflichtete das Bundesgericht bei. Es erwog, der Polizeibeamte hätte die von ihm beim Privatkläger befürchteten gefährlichen Gegenstände wie Messer und Feuerwerk sowie allfällige Drogen durch Abtasten über der Kleidung finden können (E. 1.4).
Eine Leibesvisitation, bei der sich ein bei Krawallen Festgenommener bis auf die Unterhose ausziehen musste, erachtete das Bundesgericht im Urteil 1P.323/1988 vom 15. Februar 1991 ebenfalls als unverhältnismässig. Zum Auffinden gefährlicher Gegenstände sei die Entkleidung nicht notwendig gewesen. Ein Abtasten hätte genügt (E. 5c).
Die Rechtmässigkeit der Leibesvisitation verneinte das Bundesgericht überdies in einem Fall, in dem sich eine bei einer unbewilligten Demonstration Festgenommene im Polizeiposten bis auf den Slip ausziehen musste. Das Bundesgericht legte dar, es werde nichts dafür vorgebracht, weshalb sich gerade gegenüber der Festgenommenen eine Leibesvisitation aufgedrängt hätte. Weder werde behauptet, es hätte die Vermutung bestanden, dass die Festgenommene an Gewaltakten beteiligt gewesen sei, noch würden Verdachtsmomente genannt, die auf den Besitz gefährlicher Gegenstände hätten schliessen lassen. Bei dieser Sachlage könne es klarerweise nicht mehr als verhältnismässig gelten, wenn die Festgenommene dazu verhalten worden sei, sich zu entkleiden. Eine Kontrolle durch Abtasten, eventuell unter Benützung gängiger technischer Hilfsmittel, hätte genügt (BGE 109 Ia 146 E. 8a S. 158 mit Hinweis auf das Urteil P.656/1980 vom 3. Juni 1981 E. 4).
2.5. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ist es nachvollziehbar, dass ein Inhaftierter, der einer körperlichen Durchsuchung unterzogen wird, sich dadurch in seiner Intimität und Würde beeinträchtigt fühlt, besonders wenn er sich vor anderen entkleiden und eine unangenehme Stellung ("posture embarassante") einnehmen muss. Eine solche Behandlung ist jedoch nicht per se illegitim. Auch vollständige körperliche Durchsuchungen können sich als notwendig erweisen zur Gewährleistung der Sicherheit im Gefängnis - einschliesslich jener des Inhaftierten selbst -, zur Aufrechterhaltung der Ordnung oder zur Vorbeugung von Straftaten. Körperliche Durchsuchungen müssen allerdings für die Erreichung dieser Zwecke erforderlich ("nécessaire") sein. Zudem müssen sie so durchgeführt werden, dass das Mass des Leids oder der Erniedrigung des Inhaftierten nicht jenes übersteigt, das mit dieser Art Behandlung unvermeidlich verbunden ist. Je schwerer der Eingriff in die Intimität des Inhaftierten wiegt, desto grössere Wachsamkeit ("vigilance") drängt sich auf. Dies gilt insbesondere, wenn er sich vor anderen ausziehen und unangenehme Stellungen einnehmen muss. Zwar kann es notwendig sein, den Inhaftierten im Hinblick
auf die Sichtung der Aftergegend dazu anzuhalten, sich zu bücken und zu husten. Eine solche Massnahme ist jedoch nur zulässig, wenn sie angesichts der besonderen Umstände absolut notwendig ist und wenn ernsthafte und konkrete Verdachtsmomente bestehen, dass der Inhaftierte verbotene Gegenstände oder Substanzen in diesem Körperteil verbirgt (Urteil Frérot gegen Frankreich vom 12. Juni 2007, § 38-41 mit Hinweisen; MEYER-LADEWIG/LEHNERT, in: Meyer-Ladewig und andere [Hrsg.], Europäische Menschenrechtskonvention, Handkommentar, 4. Aufl. 2017, N. 34 zu Art. 3

IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) EMRK Art. 3 Verbot der Folter - Niemand darf der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden. |
2.6. Im Schrifttum wird dargelegt, für eine Leibesvisitation mit vollständiger Entkleidung seien Anhaltspunkte dafür erforderlich, dass ohne diese Massnahme eine konkrete Selbst- oder Fremdgefährdung vorliegen könnte oder andere besonders wichtige Rechtsgüter betroffen sein könnten (HANS MAURER, in: Donatsch und andere [Hrsg.], Kommentar zum Polizeigesetz des Kantons Zürich, 2018, N 9 zu § 35 PolG). Die Polizeibeamten dürften nicht systematisch eine Leibesvisitation mit Entkleidung durchführen. Massgeblich seien die Umstände (MARC RÉMY, Droit des mesures policières, 2008, S. 74 f. mit Hinweis auf die Rechtsprechung des Kassationshofs des Kantons Genf). Eine Leibesvisitation mit vollständiger Entkleidung sei unverhältnismässig, wenn kein objektiver Grund zur Annahme bestehe, dass der Betroffene im Besitz gefährlicher Gegenstände sei. Dasselbe gelte, wenn das Abtasten über den Kleidern genüge (GUÉNIAT/HAINARD, in: Code de procédure pénale suisse, Commentaire Romand, 2011 N. 1 f. zu Art. 250

SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung StPO Art. 250 Durchführung - 1 Die Durchsuchung von Personen umfasst die Kontrolle der Kleider, der mitgeführten Gegenstände, Behältnisse und Fahrzeuge, der Körperoberfläche und der einsehbaren Körperöffnungen und Körperhöhlen. |
2.7. Der angefochtene Entscheid widerspricht der dargelegten Rechtsprechung. Danach ist auch bei jemandem, der in eine Zelle eingesperrt wird, eine Durchsuchung mit vollständiger Entkleidung und Verpflichtung des Betroffenen, in die Hocke zu gehen, nur zulässig, wenn ernsthafte und konkrete Anhaltspunkte für eine Selbst- oder Fremdgefährdung bestehen. Solche Anhaltspunkte können sich aus der dem Betroffenen vorgeworfenen Straftat ergeben. Es ist nicht dasselbe, ob jemandem ein Gewaltdelikt zur Last gelegt wird und man es deshalb mit einer mutmasslich gefährlichen Person zu tun hat oder ob es an einem solchen Delikt fehlt und damit insoweit keine Anzeichen für eine Gewaltbereitschaft vorliegen. Zu berücksichtigen ist sodann das Verhalten des Festgenommenen. Verhält er sich aggressiv, spricht das für die Zulässigkeit der Leibesvisitation. Anders liegt es, wenn er sich anständig und kooperativ verhält. Im Weiteren ist von Bedeutung, ob die Verbringung des Festgenommenen in eine Zelle für ihn überraschend kommt. In einem derartigen Fall hat er in der Regel weder Zeit noch Gelegenheit, Waffen oder andere gefährliche Gegenstände unter den Kleidern zu verbergen. Eine andere Situation besteht, wenn der sich auf freiem Fuss befindliche
Betroffene zum Voraus weiss, dass er in eine Zelle verbracht werden wird, wie das namentlich beim Antritt einer Freiheitsstrafe der Fall ist.
2.8. Dem Beschwerdeführer wird eine Datenbeschädigung gemäss Art. 144 Ziff. 1 Abs. 1

SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 144 - 1 Wer eine Sache, an der ein fremdes Eigentums-, Gebrauchs- oder Nutzniessungsrecht besteht, beschädigt, zerstört oder unbrauchbar macht, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
|
1 | Wer eine Sache, an der ein fremdes Eigentums-, Gebrauchs- oder Nutzniessungsrecht besteht, beschädigt, zerstört oder unbrauchbar macht, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
2 | Hat der Täter die Sachbeschädigung aus Anlass einer öffentlichen Zusammenrottung begangen, so wird er von Amtes wegen verfolgt. |
3 | Hat der Täter einen grossen Schaden verursacht, so wird er mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft. Die Tat wird von Amtes wegen verfolgt.203 |

SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung StPO Art. 249 Grundsatz - Personen und Gegenstände dürfen ohne Einwilligung nur durchsucht werden, wenn zu vermuten ist, dass Tatspuren oder zu beschlagnahmende Gegenstände und Vermögenswerte gefunden werden können. |
zwei Phasen erfolgte und der Beschwerdeführer die Kleider des Ober- bzw. Unterkörpers jeweils anbehalten durfte, ändert daran nichts. Zwar ist einzuräumen, dass eine Selbst- oder Fremdgefährdung auch in einem Fall wie hier nicht absolut ausgeschlossen ist. Das verbleibende Risiko ist jedoch derart gering, dass sich eine Leibesvisitation mit Entkleidung gegen den Willen des Betroffenen nicht rechtfertigt. Um diesem Risiko zu begegnen, genügt es, wenn der Polizeibeamte den Betroffenen - gegebenenfalls unter Einsatz geeigneter technischer Hilfsmittel - über den Kleidern abtastet und ihm vor der Verbringung in die Zelle den Gürtel und die Schnürsenkel wegnimmt.
2.9. Die Vorinstanz hebt die Praktikabilität des Dienstbefehls hervor. Zwar trifft zu, dass es für den Polizeibeamten einfacher ist, wenn er vor der Verbringung des Festgenommenen in die Zelle diesen stets einer Leibesvisitation zu unterziehen hat und sich keine Gedanken zur Verhältnismässigkeit machen muss. Dem kommt jedoch kein massgebliches Gewicht zu (ebenso der Beschluss des deutschen Bundesverfassungsgerichts vom 4. Februar 2009, 2 BVR 455/08, N. 33). Praktikabilitätsüberlegungen dürfen nicht zulasten eines effektiven Grundrechtsschutzes gehen. Die Polizeibeamten sind zur Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismässigkeit verpflichtet (Art. 5 Abs. 2

SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 5 Grundsätze rechtsstaatlichen Handelns - 1 Grundlage und Schranke staatlichen Handelns ist das Recht. |
2.10. Die Beschwerde wird deshalb gutgeheissen. Ziffer 2 des Dispositivs des angefochtenen Entscheids wird aufgehoben und festgestellt, dass die Leibesvisitation vom 5. Juli 2018 unrechtmässig war.
3.
Die Vorinstanz auferlegte dem Beschwerdeführer, da er hinsichtlich der Leibesvisitation unterlag, eine Gerichtsgebühr. Eine Parteientschädigung sprach sie ihm nicht zu (angefochtener Entscheid Dispositiv Ziffern 3 und 4). Da die Vorinstanz die Beschwerde insoweit hätte gutheissen müssen, hätte sie von der Auferlegung einer Gerichtsgebühr absehen und dem Beschwerdeführer eine Parteientschädigung zusprechen müssen (Art. 428 Abs. 1

SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung StPO Art. 428 Kostentragung im Rechtsmittelverfahren - 1 Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens tragen die Parteien nach Massgabe ihres Obsiegens oder Unterliegens. Als unterliegend gilt auch die Partei, auf deren Rechtsmittel nicht eingetreten wird oder die das Rechtsmittel zurückzieht. |

SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung StPO Art. 436 Entschädigung und Genugtuung im Rechtsmittelverfahren - 1 Ansprüche auf Entschädigung und Genugtuung im Rechtsmittelverfahren richten sich nach den Artikeln 429-434. |

SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung StPO Art. 431 - 1 Sind gegenüber der beschuldigten Person rechtswidrig Zwangsmassnahmen angewandt worden, so spricht ihr die Strafbehörde eine angemessene Entschädigung und Genugtuung zu. |
Im bundesgerichtlichen Verfahren sind keine Gerichtskosten zu erheben (Art. 66 Abs. 4

SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz BGG Art. 66 Erhebung und Verteilung der Gerichtskosten - 1 Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben. |
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1 | Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben. |
2 | Wird ein Fall durch Abstandserklärung oder Vergleich erledigt, so kann auf die Erhebung von Gerichtskosten ganz oder teilweise verzichtet werden. |
3 | Unnötige Kosten hat zu bezahlen, wer sie verursacht. |
4 | Dem Bund, den Kantonen und den Gemeinden sowie mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen dürfen in der Regel keine Gerichtskosten auferlegt werden, wenn sie in ihrem amtlichen Wirkungskreis, ohne dass es sich um ihr Vermögensinteresse handelt, das Bundesgericht in Anspruch nehmen oder wenn gegen ihre Entscheide in solchen Angelegenheiten Beschwerde geführt worden ist. |
5 | Mehrere Personen haben die ihnen gemeinsam auferlegten Gerichtskosten, wenn nichts anderes bestimmt ist, zu gleichen Teilen und unter solidarischer Haftung zu tragen. |

SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz BGG Art. 68 Parteientschädigung - 1 Das Bundesgericht bestimmt im Urteil, ob und in welchem Mass die Kosten der obsiegenden Partei von der unterliegenden zu ersetzen sind. |
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1 | Das Bundesgericht bestimmt im Urteil, ob und in welchem Mass die Kosten der obsiegenden Partei von der unterliegenden zu ersetzen sind. |
2 | Die unterliegende Partei wird in der Regel verpflichtet, der obsiegenden Partei nach Massgabe des Tarifs des Bundesgerichts alle durch den Rechtsstreit verursachten notwendigen Kosten zu ersetzen. |
3 | Bund, Kantonen und Gemeinden sowie mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen wird in der Regel keine Parteientschädigung zugesprochen, wenn sie in ihrem amtlichen Wirkungskreis obsiegen. |
4 | Artikel 66 Absätze 3 und 5 ist sinngemäss anwendbar. |
5 | Der Entscheid der Vorinstanz über die Parteientschädigung wird vom Bundesgericht je nach Ausgang des Verfahrens bestätigt, aufgehoben oder geändert. Dabei kann das Gericht die Entschädigung nach Massgabe des anwendbaren eidgenössischen oder kantonalen Tarifs selbst festsetzen oder die Festsetzung der Vorinstanz übertragen. |
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen und die Ziffern 2-4 des Entscheids des Obergerichts des Kantons Zürich vom 29. Januar 2019 werden aufgehoben. Es wird festgestellt, dass die Leibesvisitation vom 5. Juli 2018 unrechtmässig war.
2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
3.
Der Kanton Zürich hat dem Beschwerdeführer eine Parteientschädigung von Fr. 4'000.-- zu bezahlen.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, III. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 18. Dezember 2019
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Chaix
Der Gerichtsschreiber: Härri