Bundesstrafgericht
Tribunal pénal fédéral Tribunale penale federale Tribunal penal federal
Geschäftsnummer: BG.2011.29
Beschluss vom 18. Oktober 2011 I. Beschwerdekammer
Besetzung
Bundesstrafrichter Tito Ponti, Vorsitz, Emanuel Hochstrasser und Patrick Robert-Nicoud Gerichtsschreiberin Sarah Wirz
Parteien
Kanton Bern, Generalstaatsanwaltschaft,
Gesuchsteller
gegen
1. Kanton Zug, Staatsanwaltschaft,
2. Bundesanwaltschaft,
Gesuchsgegner und Gesuchsgegnerin
Gegenstand
Sachliche Zuständigkeit (Art. 28

SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung StPO Art. 28 Konflikte - Konflikte zwischen der Staatsanwaltschaft des Bundes und kantonalen Strafbehörden entscheidet das Bundesstrafgericht. |

SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung StPO Art. 40 Gerichtsstandskonflikte - 1 Ist der Gerichtsstand unter Strafbehörden des gleichen Kantons streitig, so entscheidet die Ober- oder Generalstaatsanwaltschaft oder, wenn keine solche vorgesehen ist, die Beschwerdeinstanz dieses Kantons.17 |
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1 | Ist der Gerichtsstand unter Strafbehörden des gleichen Kantons streitig, so entscheidet die Ober- oder Generalstaatsanwaltschaft oder, wenn keine solche vorgesehen ist, die Beschwerdeinstanz dieses Kantons.17 |
2 | Können sich die Strafverfolgungsbehörden verschiedener Kantone über den Gerichtsstand nicht einigen, so unterbreitet die Staatsanwaltschaft des Kantons, der zuerst mit der Sache befasst war, die Frage unverzüglich, in jedem Fall vor der Anklageerhebung, dem Bundesstrafgericht zum Entscheid. |
3 | Die zum Entscheid über den Gerichtsstand zuständige Behörde kann einen andern als den in den Artikeln 31-37 vorgesehenen Gerichtsstand festlegen, wenn der Schwerpunkt der deliktischen Tätigkeit oder die persönlichen Verhältnisse der beschuldigten Person es erfordern oder andere triftige Gründe vorliegen. |
Die I. Beschwerdekammer hält fest, dass:
- am 14. Dezember 2010 bei der Kantonspolizei Bern eine Anzeige gegen Unbekannt wegen strafbaren Handlungen gegen das Vermögen und betrügerischem Missbrauchs einer Datenverarbeitungsanlage einging, welche sich auf einen Sachverhalt des Phishing-Komplexes rund um den Trojaner „Torpig/Sinowal“ bezieht (act. 4.1, Beilage 3);
- in der Folge zwischen dem Kanton Bern, dem Kanton Zug und der Bundesanwaltschaft hinsichtlich der Zuständigkeit ein erfolgloser Meinungsaustausch stattfand, welcher mit Schreiben der Staatsanwaltschaft des Kantons Zug – mit ausdrücklichem Einverständnis des Leitenden Oberstaatanwaltes – abgeschlossen wurde (act. 4.1, Beleg 13);
- die Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern am 29. August 2011 an die I. Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts gelangte und beantragt, die Behörden des Kantons Zug, eventuell die Bundesanwaltschaft sei zur Verfolgung und Beurteilung der in der Anzeige vom 14. Dezember 2010 umschriebenen strafbaren Handlungen für berechtigt und verpflichtet zu erklären (act. 1);
- der Leitende Oberstaatsanwalt des Kantons Zug in seiner Gesuchsantwort vom 8. September 2011 beantragt, es seien die Behörden des Kantons Bern, eventuell die Bundesanwaltschaft zur Verfolgung und Beurteilung für berechtigt und verpflichtet zu erklären (act. 4);
- die Bundesanwaltschaft ihrerseits in der Gesuchsantwort vom 12. September 2011 die Abweisung des Gesuchs beantragt (act. 5).
Die I. Beschwerdekammer zieht in Erwägung, dass:
- die I. Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts festgehalten hat, bei Phishing-Fällen die kantonalen Strafbehörden für die Verfolgung und Beurteilung der in der Schweiz handelnden Finanzmanager – meist ahnungslose Personen, welche zur Ausführung der Zahlungsaufträge eingesetzt werden (auch Finanzagenten oder [Money] Mules genannt) – zuständig sind; hingegen für die übrigen am Phishing beteiligte Personen Bundeszuständigkeit besteht (TPF BG.2011.27 vom 27. Oktober 2011 E. 2.5, zur Publikation vorgesehen);
- es sich beim am 14. Dezember 2010 angezeigten Sachverhalt unbestrittenermassen um Phishing-Fälle handelt (Akten BE, act. 1, act. 5);
- aus der Anzeige vom 14. Dezember 2010 und den übrigen Akten keine Hinweise auf Finanzmanager zu entnehmen sind (act. 4.1, Beilage 3), weswegen sich das Strafverfahren zur Zeit lediglich gegen die Hintermänner des Phishing-Komplexes richtet, welche ausschliesslich vom Ausland aus tätig sein dürften;
- sich bei dieser Konstellation die Zuständigkeit des Bundes ergibt (vgl. TPF BG.2011.27 vom 27. Oktober 2011 E. 2.5, zur Publikation vorgesehen), weswegen sich die Frage nach der örtlichen Zuständigkeit nicht stellt;
- keine Gerichtskosten erhoben werden (Art. 423 Abs. 1

SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung StPO Art. 423 Grundsätze - 1 Die Verfahrenskosten werden vom Bund oder dem Kanton getragen, der das Verfahren geführt hat; abweichende Bestimmungen dieses Gesetzes bleiben vorbehalten. |
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1 | Die Verfahrenskosten werden vom Bund oder dem Kanton getragen, der das Verfahren geführt hat; abweichende Bestimmungen dieses Gesetzes bleiben vorbehalten. |
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Demnach erkennt die I. Beschwerdekammer:
1. Die Strafbehörden des Bundes sind verpflichtet und berechtigt, den am 14. Dezember 2010 angezeigten Sachverhalt zu verfolgen und zu beurteilen, soweit es bei den Beschuldigten nicht um in der Schweiz handelnde Finanzmanager geht.
2. Es werden keine Kosten erhoben.
Bellinzona, 18. Oktober 2011
Im Namen der I. Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:
Zustellung an
- Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern
- Staatsanwaltschaft des Kantons Zug
- Bundesanwaltschaft
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Entscheid ist kein ordentliches Rechtsmittel gegeben.