Bundesstrafgericht Tribunal pénal fédéral Tribunale penale federale Tribunal penal federal

Geschäftsnummer: BG.2005.15

Entscheid vom 16. Juni 2005 Beschwerdekammer

Besetzung

Bundesstrafrichter Emanuel Hochstrasser, Vorsitz, Andreas J. Keller und Tito Ponti , Gerichtsschreiberin Petra Williner

Parteien

Kanton Aargau, Gesuchstellerin

gegen

Kanton Bern,

Gesuchsgegnerin

Gegenstand

Bestimmung des Gerichtsstandes i.S. A.______ und B.______ (Art. 346 und 349
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 349
StGB)

Sachverhalt:

A. Wegen Handels mit grossen Mengen von Cannabis und Kokain führen die zuständigen Behörden des Kantons Bern unter dem Operationsnamen C.______ seit Mai 2003 eine umfangreiche Untersuchung gegen einen türkisch-albanischen Drogenring, in dessen Zentrum ein gewisser D.______ steht und wozu der für das vorliegende Verfahren relevante E.______ gehört (Beilage zu BK act. 1, Kantonspolizei Aargau Ordner 1, Reg. 1, Schlussbericht vom 20. März 2005, S. 2). Im Rahmen dieser Ermittlungen stellte sich heraus, dass mutmasslich E.______ Mitte August 2003 einen weiteren Transport harter Drogen vom Kosovo in die Schweiz arrangierte, wobei A.______ den Stoff in der Nacht vom 17./18. August 2003 als Kurier in die Schweiz gebracht haben soll (Beilage zu BK act. 1, Kantonspolizei Aargau Ordner 1, Reg. 1, Schlussbericht vom 20. März 2005, S. 3; Beilage zu act. 1, Kantonales URamt Bern D 92/03 Ordner I, Reg. E.______, TK-Gesprächsprotokolle).

In der Folge wurde im September 2003 auf Veranlassung des zuständigen Untersuchungsrichters in Bern im Kanton Aargau eine Telefonkontrolle des Anschlusses vom im Kanton Aargau wohnsässigen A.______ angeordnet und durch die Kantonspolizei Aargau betreut. Ferner wurde in die Überwachung der ebenfalls im Kanton Aargau wohnhafte B.______ miteinbezogen. Die Ermittlungen der Kantonspolizei Aargau kamen zum Ergebnis, dass nur A.______ Widerhandlungen gegen das Betäubungsmittelgesetz vorzuwerfen sind, während sich der anfängliche diesbezügliche Verdacht gegen B.______ nicht erhärtet hat. Demgegenüber brachte die Untersuchung zu Tage, dass B.______ mutmasslich von A.______ angestiftet wurde, seinem Arbeitgeber – der Firma F.______ AG in Z.______/AG – Viagra in grosser Menge zu entwenden und dasselbe anschliessend an A.______ zu verkaufen (vgl. zum Ganzen Beilage zu BK act. 1, Kantonspolizei Aargau Ordner 1, Reg. 1, Schlussbericht vom 20. März 2005, S. 4 ff.).

B. Mit Schreiben vom 24. März 2005 ersuchte das Bezirksamt Rheinfelden den Generalprokurator des Kantons Bern um Prüfung der Gerichtsstandsfrage betreffend A.______ und B.______ (BK act. 1.1). Die ersuchte Behörde lehnte eine Übernahme mit Schreiben vom 18. April 2005 ab (BK act. 1.2). Ein weiterer Schriftenwechsel zwischen der Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau und der Generalprokuratur des Kantons Bern brachte keine Einigung (BK act. 1.3 und 1.4).

C. Mit Gesuch vom 9. Mai 2005 wendet sich der Kanton Aargau an das Bundesstrafgericht und verlangt, die Behörden des Kantons Bern seien zur gesamthaften Verfolgung und Beurteilung der beiden Beschuldigten für berechtigt und verpflichtet zu erklären (BK. act. 1).

Mit Stellungnahme vom 23. Mai 2005 beantragt der Kanton Bern demgegenüber, der Kanton Aargau sei zur gesamthaften Verfolgung und Beurteilung von A.______ und B.______ für berechtigt und verpflichtet zu erklären (BK act. 4).

Ein weiterer Schriftenwechsel wurde nicht durchgeführt.

Auf die Ausführungen der Parteien sowie die eingereichten Akten wird, soweit erforderlich, in den rechtlichen Erwägungen eingegangen.

Die Beschwerdekammer zieht in Erwägung:

1.

1.1 Die Zuständigkeit der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts zum Entscheid in Verfahren betreffend Gerichtsstandsstreitigkeiten ergibt sich aus Art. 351
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 351 - 1 Das Bundesamt für Polizei vermittelt kriminalpolizeiliche Informationen zur Verfolgung von Straftaten und zur Vollstreckung von Strafen und Massnahmen.
1    Das Bundesamt für Polizei vermittelt kriminalpolizeiliche Informationen zur Verfolgung von Straftaten und zur Vollstreckung von Strafen und Massnahmen.
2    Es kann kriminalpolizeiliche Informationen zur Verhütung von Straftaten übermitteln, wenn auf Grund konkreter Umstände mit der grossen Wahrscheinlichkeit eines Verbrechens oder Vergehens zu rechnen ist.
3    Es kann Informationen zur Suche nach Vermissten und zur Identifizierung von Unbekannten vermitteln.
4    Zur Verhinderung und Aufklärung von Straftaten kann das Bundesamt für Polizei von Privaten Informationen entgegennehmen und Private orientieren, wenn dies im Interesse der betroffenen Personen ist und deren Zustimmung vorliegt oder nach den Umständen vorausgesetzt werden kann.
StGB i.V.m. Art. 279 Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 351 - 1 Das Bundesamt für Polizei vermittelt kriminalpolizeiliche Informationen zur Verfolgung von Straftaten und zur Vollstreckung von Strafen und Massnahmen.
1    Das Bundesamt für Polizei vermittelt kriminalpolizeiliche Informationen zur Verfolgung von Straftaten und zur Vollstreckung von Strafen und Massnahmen.
2    Es kann kriminalpolizeiliche Informationen zur Verhütung von Straftaten übermitteln, wenn auf Grund konkreter Umstände mit der grossen Wahrscheinlichkeit eines Verbrechens oder Vergehens zu rechnen ist.
3    Es kann Informationen zur Suche nach Vermissten und zur Identifizierung von Unbekannten vermitteln.
4    Zur Verhinderung und Aufklärung von Straftaten kann das Bundesamt für Polizei von Privaten Informationen entgegennehmen und Private orientieren, wenn dies im Interesse der betroffenen Personen ist und deren Zustimmung vorliegt oder nach den Umständen vorausgesetzt werden kann.
BStP und Art. 28 Abs. 1 lit. g
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 351 - 1 Das Bundesamt für Polizei vermittelt kriminalpolizeiliche Informationen zur Verfolgung von Straftaten und zur Vollstreckung von Strafen und Massnahmen.
1    Das Bundesamt für Polizei vermittelt kriminalpolizeiliche Informationen zur Verfolgung von Straftaten und zur Vollstreckung von Strafen und Massnahmen.
2    Es kann kriminalpolizeiliche Informationen zur Verhütung von Straftaten übermitteln, wenn auf Grund konkreter Umstände mit der grossen Wahrscheinlichkeit eines Verbrechens oder Vergehens zu rechnen ist.
3    Es kann Informationen zur Suche nach Vermissten und zur Identifizierung von Unbekannten vermitteln.
4    Zur Verhinderung und Aufklärung von Straftaten kann das Bundesamt für Polizei von Privaten Informationen entgegennehmen und Private orientieren, wenn dies im Interesse der betroffenen Personen ist und deren Zustimmung vorliegt oder nach den Umständen vorausgesetzt werden kann.
SGG.

1.2 Die Staatsanwaltschaften des Kantons Aargau sowie die Generalprokuratur des Kantons Bern sind nach ihrer kantonsinternen Zuständigkeitsordnung berechtigt, bei interkantonalen Gerichtsstandskonflikten ihre Kantone nach aussen zu vertreten (Schweri/Bänziger, Interkantonale Gerichtsstandsbestimmung in Strafsachen, 2. Aufl., Bern 2004, S. 213, Anhang II). Der zwischen den Parteien geführte Meinungsaustausch führte zu keiner Einigung (Schweri/Bänziger, a.a.O., S. 195 N. 599). Eine Frist für die Anrufung der Beschwerdekammer besteht für die Kantone im vorliegenden Fall nicht (Schweri/Bänziger, a.a.O., S. 200 N. 623). Die Vorbringen des Gesuchstellers zur Sache und der Aktenstand sind ausreichend, um den Gerichtsstand für die Strafverfolgung gegen die Beschuldigten zu bestimmen. Auf das Gesuch ist demnach einzutreten.

2.

2.1 Der Gerichtsstand bestimmt sich nach jenem Tatbestand, welcher einem Täter vorgeworfen wird. Die Beschwerdekammer hat bei der Entscheidung, welcher Kanton zur Führung eines Strafverfahrens zuständig ist, von der Aktenlage auszugehen, welche zum Zeitpunkt ihres Urteils gegeben ist (Schweri/Bänziger, a.a.O., S. 24 f. N. 62 mit Hinweisen; vgl. der Entscheid der Beschwerdekammer BK_G 233/04 vom 22. Januar 2005 E. 3.1).

2.2 Nach Massgabe der Akten haben die Beschuldigten ihren Wohnsitz im Kanton Aargau (BK act. 1). Weiter ist den Akten zu entnehmen, dass A.______ einerseits des Transports von Betäubungsmittel vom Kosovo in die Schweiz oder nach Deutschland (BK act. 1, 1.1, 1.2, 1.3, 1.4 und 4) und andererseits des Handels mit Viagra sowie der Anstiftung des Diebstahls von Viagra verdächtigt wird. Demgegenüber werden B.______ gemäss heutiger Aktenlage lediglich der Diebstahl und der Handel mit Viagra vorgeworfen. Die Geschehnisse im Zusammenhang mit dem Diebstahl von Viagra sowie dem Verkauf desselben von B.______ an A.______ haben sich auf Gebiet des Kantons Aargau abgespielt, wobei letzterer das Viagra mutmasslich auch im Ausland vertrieben hat (Beilage zu BK act. 1, Kantonspolizei Aargau Ordner 1, Reg. 1, Schlussbericht vom 20. März 2005, S. 14 f.). Diese Tatsachen werden von den Parteien ebenso wenig bestritten wie der Umstand, dass die Gesuchsgegnerin die Strafverfolgung gegen A.______ und B.______ wegen Betäubungsmitteldelikten zuerst anhob, und die Gesuchsgegnerin für die Verfolgung und Beurteilung der Straftaten von E.______ und dessen Umfeld zuständig ist (BK act. 1, 1.1, 1.2, 1.3, 1.4 und 4).

2.3 Uneinigkeit herrscht zwischen den Parteien hinsichtlich der Zuständigkeit für die Verfolgung und Beurteilung der mutmasslichen Straftaten von A.______ und B.______. Der Kanton Aargau argumentiert, A.______ und B.______ seien Mittäter von E.______ (BK act. 1), während Bern geltend macht, A.______ und B.______ können nicht der Bande um E.______ zugerechnet werden, und zudem bestehe bei dem fraglichen Drogenimport kein mittäterschaftliches Verhältnis (BK act. 4). Diese Frage wird im Folgenden zu klären sein.

3.

3.1 Nach Massgabe von Art. 346 StGB sind für die Verfolgung und Beurteilung einer strafbaren Handlung die Behörden des Ortes zuständig, wo die strafbare Handlung ausgeführt wurde. Wenn an der Tat mehrere als Mittäter beteiligt sind, wird die Straftat gemäss Art. 349 Abs. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 349
StGB von den Behörden desjenigen Ortes verfolgt und beurteilt, wo die Untersuchung zuerst angehoben wurde.

Nach der Rechtsprechung ist Mittäter, wer auf der Grundlage eines gemeinsamen Tatplanes die Durchführung der gemeinschaftlichen Tat durch seinen Beitrag zusammen mit den übrigen Beteiligten beherrscht; Mitherrschaft ist dabei jede arbeitsteilige, für den Erfolg wesentliche Mitwirkung im Ausführungsstadium (BGE 118 IV 397, 400 E. 2b; 120 IV 17, 23 E. 2d).

Bei der Anwendung von Art. 19 Ziff. 1
SR 812.121 Bundesgesetz vom 3. Oktober 1951 über die Betäubungsmittel und die psychotropen Stoffe (Betäubungsmittelgesetz, BetmG) - Betäubungsmittelgesetz
BetmG Art. 19 - 1 Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe wird bestraft, wer:
1    Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe wird bestraft, wer:
a  Betäubungsmittel unbefugt anbaut, herstellt oder auf andere Weise erzeugt;
b  Betäubungsmittel unbefugt lagert, versendet, befördert, einführt, ausführt oder durchführt;
c  Betäubungsmittel unbefugt veräussert, verordnet, auf andere Weise einem andern verschafft oder in Verkehr bringt;
d  Betäubungsmittel unbefugt besitzt, aufbewahrt, erwirbt oder auf andere Weise erlangt;
e  den unerlaubten Handel mit Betäubungsmitteln finanziert oder seine Finanzierung vermittelt;
f  öffentlich zum Betäubungsmittelkonsum auffordert oder öffentlich eine Gelegenheit zum Erwerb oder Konsum von Betäubungsmitteln bekannt gibt;
g  zu einer Widerhandlung nach den Buchstaben a-f Anstalten trifft.
2    Der Täter wird mit einer Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft, wenn er:92
a  weiss oder annehmen muss, dass die Widerhandlung mittelbar oder unmittelbar die Gesundheit vieler Menschen in Gefahr bringen kann;
b  als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Ausübung des unerlaubten Betäubungsmittelhandels zusammengefunden hat;
c  durch gewerbsmässigen Handel einen grossen Umsatz oder einen erheblichen Gewinn erzielt;
d  in Ausbildungsstätten vorwiegend für Jugendliche oder in ihrer unmittelbaren Umgebung gewerbsmässig Betäubungsmittel anbietet, abgibt oder auf andere Weise zugänglich macht.
3    Das Gericht kann in folgenden Fällen die Strafe nach freiem Ermessen mildern:
a  bei einer Widerhandlung nach Absatz 1 Buchstabe g;
b  bei einer Widerhandlung nach Absatz 2, wenn der Täter von Betäubungsmitteln abhängig ist und diese Widerhandlung zur Finanzierung des eigenen Betäubungsmittelkonsums hätte dienen sollen.
4    Nach den Bestimmungen der Absätze 1 und 2 ist auch strafbar, wer die Tat im Ausland begangen hat, sich in der Schweiz befindet und nicht ausgeliefert wird, sofern die Tat auch am Begehungsort strafbar ist. Ist das Gesetz des Begehungsortes für den Täter das mildere, so ist dieses anzuwenden. Artikel 6 des Strafgesetzbuches93 ist anwendbar.
BetmG sind im Interesse einer vernünftigen Begrenzung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit auf eigene Handlungen die Anforderungen an die Annahme einer Mittäterschaft eher hoch anzusetzen, da die in der besagten Bestimmung aufgeführten Handlungen allesamt die Bedeutung eines selbstständigen Straftatbestandes haben (BGE 106 IV 73 E. 2b), die demgegenüber bei den meisten anderen Delikten regelmässig als Unterstützungshandlungen Dritter in Form der Mittäterschaft, Anstiftung oder Gehilfenschaft erfasst werden. Aufgrund der grossen Regelungsdichte des Art. 19 Ziff. 1
SR 812.121 Bundesgesetz vom 3. Oktober 1951 über die Betäubungsmittel und die psychotropen Stoffe (Betäubungsmittelgesetz, BetmG) - Betäubungsmittelgesetz
BetmG Art. 19 - 1 Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe wird bestraft, wer:
1    Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe wird bestraft, wer:
a  Betäubungsmittel unbefugt anbaut, herstellt oder auf andere Weise erzeugt;
b  Betäubungsmittel unbefugt lagert, versendet, befördert, einführt, ausführt oder durchführt;
c  Betäubungsmittel unbefugt veräussert, verordnet, auf andere Weise einem andern verschafft oder in Verkehr bringt;
d  Betäubungsmittel unbefugt besitzt, aufbewahrt, erwirbt oder auf andere Weise erlangt;
e  den unerlaubten Handel mit Betäubungsmitteln finanziert oder seine Finanzierung vermittelt;
f  öffentlich zum Betäubungsmittelkonsum auffordert oder öffentlich eine Gelegenheit zum Erwerb oder Konsum von Betäubungsmitteln bekannt gibt;
g  zu einer Widerhandlung nach den Buchstaben a-f Anstalten trifft.
2    Der Täter wird mit einer Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft, wenn er:92
a  weiss oder annehmen muss, dass die Widerhandlung mittelbar oder unmittelbar die Gesundheit vieler Menschen in Gefahr bringen kann;
b  als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Ausübung des unerlaubten Betäubungsmittelhandels zusammengefunden hat;
c  durch gewerbsmässigen Handel einen grossen Umsatz oder einen erheblichen Gewinn erzielt;
d  in Ausbildungsstätten vorwiegend für Jugendliche oder in ihrer unmittelbaren Umgebung gewerbsmässig Betäubungsmittel anbietet, abgibt oder auf andere Weise zugänglich macht.
3    Das Gericht kann in folgenden Fällen die Strafe nach freiem Ermessen mildern:
a  bei einer Widerhandlung nach Absatz 1 Buchstabe g;
b  bei einer Widerhandlung nach Absatz 2, wenn der Täter von Betäubungsmitteln abhängig ist und diese Widerhandlung zur Finanzierung des eigenen Betäubungsmittelkonsums hätte dienen sollen.
4    Nach den Bestimmungen der Absätze 1 und 2 ist auch strafbar, wer die Tat im Ausland begangen hat, sich in der Schweiz befindet und nicht ausgeliefert wird, sofern die Tat auch am Begehungsort strafbar ist. Ist das Gesetz des Begehungsortes für den Täter das mildere, so ist dieses anzuwenden. Artikel 6 des Strafgesetzbuches93 ist anwendbar.
BetmG, die nahezu jeden Teilnehmer zum Täter macht, erfährt der Anwendungsbereich von Art. 25
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 25 - Wer zu einem Verbrechen oder Vergehen vorsätzlich Hilfe leistet, wird milder bestraft.
StGB (Gehilfenschaft) eine starke Einschränkung, und Mittäterschaft wird in aller Regel nur dann zu bejahen sein, wenn ein Täter vom anderen wesentlich abhängig ist oder nach dessen Weisungen handelt, und ihm dadurch die alleinige Tatherrschaft für seine Handlungen fehlt. Nach Massgabe der Feststellungen und Empfehlungen der Konferenz der Strafverfolgungs-behörden der Schweiz (KSBS) sind Mittäter im Sinne von Art. 349
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 349
StGB in der Regel Personen, die auf der gleichen Hierarchiestufe im Drogenhandel tätig sind (Schweri/Bänziger, a.a.O, S. 218, Anhang IV, Feststellungen und Empfehlungen der Konferenz der Strafverfolgungsbehörden der Schweiz [KSBS], S. 218; vgl. zum Ganzen: BGE 118 IV 397, 399 ff. E. 2b und c mit weiteren Hinweisen).

3.2 Vorab ist das Verhältnis zwischen E.______ und A.______ betreffend den Drogentransport vom 17./18. August 2003 vom Kosovo in die Schweiz oder allenfalls nach Deutschland zu beurteilen. Aus der derzeitigen Aktenlage geht hervor, dass E.______ die Drogenlieferung von der Schweiz aus telefonisch mit zwei Mittelsmännern im Kosovo arrangierte, während A.______ mutmasslich den Transport dieser Lieferung durchführte (Beilage zu BK act. 1 Kantonspolizei Aargau Ordner 1, Reg. 1, Schlussbericht vom 20. März 2005, S. 3; Beilage zu act. 1, Kantonales URamt Bern D 92/03 Ordner I, Reg. E.______, TK-Gesprächsprotokolle). Damit steht und fällt der besagte Drogenimport mit dem Tatbeitrag des jeweils anderen, was darauf schliessen lässt, dass die beiden Beschuldigten bei der Ausführung des fraglichen Importes auf gleicher Hierarchiestufe durch eine zumindest minimale, aber für den Erfolg unerlässliche Arbeitsteilung zusammenwirkten. In diesem Sinne ist das Verhältnis zwischen A.______ und E.______ als Mittäterschaft zu sehen.

Zu keinem anderen Resultat gelangt man im Übrigen, wenn man der Argumentation der Gesuchsgegnerin folgt und davon ausgeht, dass E.______ eine A.______ übergeordnete Stellung innerhalb des Drogenringes einnahm und ihn in dieser Funktion beauftragte, den Transport durchzuführen. Dass nämlich Personen unterschiedlicher Hierarchiestufe nicht Mittäter sind, mag in Bezug auf das Verhältnis zwischen Lieferant und Abnehmer gelten (vgl. BGE 118 IV 397, 401 E. 2c), da der Lieferant nach Übergabe der Betäubungsmittel in aller Regel gerade keinen Einfluss mehr auf das nachfolgende Agieren des Abnehmers hat. Dem ist aber gerade nicht so, wenn ein Täter vom anderen abhängt und seinen Weisungen entsprechend handelt, wie dies bei der vertretenen Meinung der Fall ist. Diesfalls liegt trotz unterschiedlichen Hierarchiestufen der Teilnehmer ein klassischer Fall eines für den Erfolg unerlässlichen arbeitsteiligen Zusammenwirkens vor, was nach dem Gesagten wiederum Mittäterschaft impliziert.

So oder anders ist demnach von Mittäterschaft auszugehen, was eine Zuständigkeit im Sinne von Art. 349 Abs. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 349
StGB begründet. Da die Strafverfolgung von E.______ durch die Gesuchsgegnerin unbestritten ist, zuerst angehoben wurde und das fragliche Betäubungsmitteldelikt im Übrigen auch die schwerste A.______ vorgeworfene Tat darstellt, ist sie auch zur Verfolgung und Beurteilung aller A.______ vorgeworfenen Straftaten für berechtigt und verpflichtet zu erklären.

3.3 Unklar bleibt der Einbezug von B.______: Obschon er anlässlich seiner Einvernahme zum oben erwähnten Import auszusagen vermochte, ergeben sich aus den Berichten der Polizeikorps keine Hinweise, dass er mit diesem Vorfall etwas zu tun hat (Beilage zu BK act. 1 Kantonspolizei Aargau Ordner 1, Reg. 1, Schlussbericht vom 20. März 2005, S. 10). Entsprechend wird ihm im Schlussbericht vom 20. März 2005 auch keine Begehung von Betäubungsmitteldelikten mehr vorgeworfen, weshalb er als Teilnehmer an der Operation C.______ ausser Betracht fällt (Beilage zu BK act. 1 Kantonspolizei Aargau Ordner 1, Reg. 1, Schlussbericht vom 20. März 2005, S. 14 f.).

Anders verhält es sich hinsichtlich der hier ebenfalls zur Diskussion stehenden Vorfälle im Zusammenhang mit dem Viagra: Wie von ihm eingestanden, entwendete B.______ seiner Arbeitgeberin eine grössere Menge von Viagra, die er anschliessend an A.______ verkaufte (Beilage zu BK act. 1 Kantonspolizei Aargau Ordner 1, Reg. 1, Schlussbericht vom 20. März 2005, S. 12). Da sich diese Tathandlungen unbestrittenermassen auf Kantonsgebiet der Gesuchstellerin zugetragen haben, ist sie nach Massgabe von Art. 346 StGB berechtigt und verpflichtet, die mutmasslichen Straftaten von B.______ zu verfolgen und zu beurteilen.

4. Es werden keine Kosten erhoben.

Demnach erkennt die Beschwerdekammer:

1. Das Gesuch wird teilweise gutgeheissen.

2. Die Behörden des Kantons Bern sind berechtigt und verpflichtet, die A.______ zur Last gelegten strafbaren Handlungen zu verfolgen und zu beurteilen.

3. Die Behörden des Kantons Aargau sind berechtigt und verpflichtet, die B.______ zur Last gelegten strafbaren Handlungen zu verfolgen und zu beurteilen.

4. Es werden keine Kosten erhoben.

Bellinzona, 16. Juni 2005

Im Namen der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts

Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:

Zustellung an

- Kanton Bern

- Kanton Aargau

Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Entscheid ist kein Rechtsmittel gegeben.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : BG.2005.15
Datum : 16. Juni 2005
Publiziert : 01. Juni 2009
Quelle : Bundesstrafgericht
Status : Unpubliziert
Sachgebiet : Beschwerdekammer: Strafverfahren
Gegenstand : Bestimmung des Gerichtsstandes i.S. A.______ und B.______ (Art. 346 und 349 StGB)


Gesetzesregister
BStP: 279
BetmG: 19
SR 812.121 Bundesgesetz vom 3. Oktober 1951 über die Betäubungsmittel und die psychotropen Stoffe (Betäubungsmittelgesetz, BetmG) - Betäubungsmittelgesetz
BetmG Art. 19 - 1 Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe wird bestraft, wer:
1    Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe wird bestraft, wer:
a  Betäubungsmittel unbefugt anbaut, herstellt oder auf andere Weise erzeugt;
b  Betäubungsmittel unbefugt lagert, versendet, befördert, einführt, ausführt oder durchführt;
c  Betäubungsmittel unbefugt veräussert, verordnet, auf andere Weise einem andern verschafft oder in Verkehr bringt;
d  Betäubungsmittel unbefugt besitzt, aufbewahrt, erwirbt oder auf andere Weise erlangt;
e  den unerlaubten Handel mit Betäubungsmitteln finanziert oder seine Finanzierung vermittelt;
f  öffentlich zum Betäubungsmittelkonsum auffordert oder öffentlich eine Gelegenheit zum Erwerb oder Konsum von Betäubungsmitteln bekannt gibt;
g  zu einer Widerhandlung nach den Buchstaben a-f Anstalten trifft.
2    Der Täter wird mit einer Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft, wenn er:92
a  weiss oder annehmen muss, dass die Widerhandlung mittelbar oder unmittelbar die Gesundheit vieler Menschen in Gefahr bringen kann;
b  als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Ausübung des unerlaubten Betäubungsmittelhandels zusammengefunden hat;
c  durch gewerbsmässigen Handel einen grossen Umsatz oder einen erheblichen Gewinn erzielt;
d  in Ausbildungsstätten vorwiegend für Jugendliche oder in ihrer unmittelbaren Umgebung gewerbsmässig Betäubungsmittel anbietet, abgibt oder auf andere Weise zugänglich macht.
3    Das Gericht kann in folgenden Fällen die Strafe nach freiem Ermessen mildern:
a  bei einer Widerhandlung nach Absatz 1 Buchstabe g;
b  bei einer Widerhandlung nach Absatz 2, wenn der Täter von Betäubungsmitteln abhängig ist und diese Widerhandlung zur Finanzierung des eigenen Betäubungsmittelkonsums hätte dienen sollen.
4    Nach den Bestimmungen der Absätze 1 und 2 ist auch strafbar, wer die Tat im Ausland begangen hat, sich in der Schweiz befindet und nicht ausgeliefert wird, sofern die Tat auch am Begehungsort strafbar ist. Ist das Gesetz des Begehungsortes für den Täter das mildere, so ist dieses anzuwenden. Artikel 6 des Strafgesetzbuches93 ist anwendbar.
SGG: 28
StGB: 25 
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 25 - Wer zu einem Verbrechen oder Vergehen vorsätzlich Hilfe leistet, wird milder bestraft.
346  349 
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 349
351
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 351 - 1 Das Bundesamt für Polizei vermittelt kriminalpolizeiliche Informationen zur Verfolgung von Straftaten und zur Vollstreckung von Strafen und Massnahmen.
1    Das Bundesamt für Polizei vermittelt kriminalpolizeiliche Informationen zur Verfolgung von Straftaten und zur Vollstreckung von Strafen und Massnahmen.
2    Es kann kriminalpolizeiliche Informationen zur Verhütung von Straftaten übermitteln, wenn auf Grund konkreter Umstände mit der grossen Wahrscheinlichkeit eines Verbrechens oder Vergehens zu rechnen ist.
3    Es kann Informationen zur Suche nach Vermissten und zur Identifizierung von Unbekannten vermitteln.
4    Zur Verhinderung und Aufklärung von Straftaten kann das Bundesamt für Polizei von Privaten Informationen entgegennehmen und Private orientieren, wenn dies im Interesse der betroffenen Personen ist und deren Zustimmung vorliegt oder nach den Umständen vorausgesetzt werden kann.
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106-IV-72 • 118-IV-397 • 120-IV-17
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