Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}

9C 6/2014

Urteil vom 15. Dezember 2014

II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Kernen, Präsident,
Bundesrichter Meyer, Bundesrichterin Glanzmann,
Gerichtsschreiber Traub.

Verfahrensbeteiligte
IV-Stelle des Kantons St. Gallen,
Brauerstrasse 54, 9016 St. Gallen,
Beschwerdeführerin,

gegen

A.________,
vertreten durch Rechtsanwältin Dr. Barbara Wyler,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen
vom 29. November 2013.

Sachverhalt:

A.
A.________ (geb. 1957) war seit Juni 1996 als Leiterin des Hausdienstes in einem Altersheim tätig. Ab dem Jahr 2001 hielten ärztliche Berichte fest, sie sei wegen eines chronischen panvertebralen Schmerzsyndroms, Schmerzfehlverarbeitung "mit Symptomausweitung bei diversen sozialen Problemen" sowie multiplen weichteilrheumatischen Beschwerden hälftig arbeitsunfähig. Die IV-Stelle des Kantons St. Gallen erkannte A.________ mit Wirkung ab November 2001 eine halbe Invalidenrente zu (Verfügung vom 14. August 2002).
Nachdem A.________ Ende 2004 geltend gemacht hatte, ihr Gesundheitszustand habe sich verschlechtert, holte die IV-Stelle ein Gutachten der Medizinischen Abklärungsstelle (MEDAS) ein. Diese hielt in der Expertise vom 6. Juli 2006 fest, es seien keine Diagnosen zu stellen, welche mit einer wesentlichen Einschränkung der Arbeitsfähigkeit verbunden wären. Die IV-Stelle lehnte das Gesuch um Rentenerhöhung ab (Verfügung vom 29. Mai 2007). Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen ab. Es hielt fest, die gutachtliche Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit, welche im Vergleich zu ärztlichen Einschätzungen im Zeitpunkt der Rentenzusprechung 2002 deutlich abweiche, beruhe auf der unterschiedlichen Beurteilung eines im Wesentlichen gleich gebliebenen Sachverhalts (Entscheid vom 5. November 2008).
In einem weiteren Revisionsgesuch beantragte A.________ wiederum eine höhere Invalidenrente. Die MEDAS stellte in einem Verlaufsgutachten vom 19. August 2009 nach wie vor keine Einschränkung der Arbeitsfähigkeit fest. Ohne Auswirkung auf das Leistungsvermögen blieben ein panvertebrales Schmerzsyndrom (mit leichter Fehlform bzw. -statik der Wirbelsäule sowie einer kleinen, nicht kompressiven Diskushernie C3/4), ein generalisiertes Weichteilsyndrom (klinisch: Fibromyalgie), eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren, rezidivierende depressive Episoden, eine verminderte mentale Leistungsfähigkeit multifaktorieller Genese, der Bluthochdruck und eine Adipositas. Ungeeignet seien lediglich Arbeiten, bei welchen ergonomisch ungünstige Körperhaltungen eingenommen werden müssten, die mit dem Heben und Tragen von über 15 Kilogramm schweren Gewichten verbunden oder in der Kälte zu verrichten seien. Die IV-Stelle stellte zunächst in Aussicht, den laufenden Anspruch auf eine halbe Rente bestätigen zu wollen (Vorbescheid vom 9. Dezember 2010). In einem weiteren Vorbescheid vom 2. August 2012 sah die IV-Stelle sodann die Wiedererwägung der Verfügung vom 14. August 2002 und die Aufhebung der Invalidenrente vor. Mit
Verfügung vom 23. November 2012 hob die Verwaltung die Rente auf Ende des Jahres hin auf und entzog einer allfälligen Beschwerde die aufschiebende Wirkung.

B.
Das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen hiess die dagegen gerichtete Beschwerde gut und hob die Verfügung vom 23. November 2012 auf (Entscheid vom 29. November 2013).

C.
Die IV-Stelle führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Antrag, die Verfügung vom 23. November 2012 sei zu bestätigen.
A.________ schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Sie beantragt die unentgeltliche Rechtspflege (Prozessführung und Verbeiständung). Das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichtet auf eine Stellungnahme.

Erwägungen:

1.

1.1. Das kantonale Gericht erwog, von einer zweifellosen Unrichtigkeit der leistungszusprechenden Verfügung vom 14. August 2002 könne, jedenfalls nach damaligem Massstab, nicht ausgegangen werden. Die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit (50 Prozent) durch den Allgemeinmediziner Dr. B.________ und den Rheumatologen Dr. C.________ sei nachvollziehbar. Eine fachärztliche (psychiatrische) Einschätzung sei nicht unabdingbar gewesen, auch wenn die Arbeitsunfähigkeit mit "psychiatrischen Faktoren" begründet worden sei (E. 2.2). Hinsichtlich der weiteren Entwicklung der gesundheitlichen Situation wies das kantonale Gericht auf seinen Entscheid vom 5. November 2008 hin. Danach habe sich der Gesundheitszustand gemäss dem MEDAS-Gutachten vom 6. Juli 2006 "jedenfalls nicht verschlechtert" (angefochtener Entscheid E. 3.3). Auch für die Folgezeit ergebe sich keine erhebliche Veränderung (Verlaufsgutachten der MEDAS vom 19. August 2009; E. 3.4-3.7). Die strittige Verfügung vom 23. November 2012 lasse sich daher auch nicht unter dem Titel der materiellen Revision (Art. 17 Abs. 1
SR 830.1 Bundesgesetz vom 6. Oktober 2000 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG)
ATSG Art. 17 Revision der Invalidenrente und anderer Dauerleistungen - 1 Die Invalidenrente wird von Amtes wegen oder auf Gesuch hin für die Zukunft erhöht, herabgesetzt oder aufgehoben, wenn der Invaliditätsgrad einer Rentenbezügerin oder eines Rentenbezügers sich:
1    Die Invalidenrente wird von Amtes wegen oder auf Gesuch hin für die Zukunft erhöht, herabgesetzt oder aufgehoben, wenn der Invaliditätsgrad einer Rentenbezügerin oder eines Rentenbezügers sich:
a  um mindestens fünf Prozentpunkte ändert; oder
b  auf 100 Prozent erhöht.17
2    Auch jede andere formell rechtskräftig zugesprochene Dauerleistung wird von Amtes wegen oder auf Gesuch hin erhöht, herabgesetzt oder aufgehoben, wenn sich der ihr zu Grunde liegende Sachverhalt nachträglich erheblich verändert hat.
ATSG) begründen (E. 3.8).

1.2. Die beschwerdeführende Verwaltung macht geltend, die ursprüngliche Verfügung von 2002 beruhe - vor allem mangels fachärztlicher Beurteilungsgrundlage - nicht auf einer nachvollziehbaren Feststellung der Arbeitsfähigkeit. Hinzu komme, dass die IV-Stelle damals nicht abgeklärt habe, ob und in welchem Umfang die von den behandelnden Ärzten attestierte hälftige Arbeitsunfähigkeit inzwischen angestiegen sei: Der Rheumatologe Dr. C.________ habe am 10. September 2001 festgehalten, eine 50-prozentige Arbeitsunfähigkeit bestehe nur "vorderhand"; sobald sich die psychische Situation stabilisiert habe, könne wieder ein grösseres Arbeitspensum zugemutet werden. Der rechtserhebliche Sachverhalt sei daher unvollständig gewesen, die darauf gestützte Invaliditätsbemessung nicht rechtskonform. Bis zum Erlass der strittigen Verfügung vom 23. November 2012 sei vollständige Arbeitsfähigkeit ausgewiesen.
Die Beschwerdegegnerin hält entgegen, im Zeitpunkt der Rentenzusprechung hätten keine Rechtsvorschriften bestanden, welche Art und Umfang der notwendigen medizinischen Abklärungen regelten. Unzutreffend sei auch das Argument des unvollständig abgeklärten Sachverhaltes: Im Zeitpunkt der Rentenzusprechung habe noch gar nicht festgestellt werden können, ob sich die in einem Arztbericht erwähnte Möglichkeit eines Ansteigens der Arbeitsfähigkeit tatsächlich realisieren würde.

2.
Der Versicherungsträger kann durch Wiedererwägung auf formell rechtskräftige Verfügungen oder Einspracheentscheide zurückkommen, wenn diese zweifellos unrichtig sind und ihre Berichtigung von erheblicher Bedeutung ist (Art. 53 Abs. 2
SR 830.1 Bundesgesetz vom 6. Oktober 2000 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG)
ATSG Art. 53 Revision und Wiedererwägung - 1 Formell rechtskräftige Verfügungen und Einspracheentscheide müssen in Revision gezogen werden, wenn die versicherte Person oder der Versicherungsträger nach deren Erlass erhebliche neue Tatsachen entdeckt oder Beweismittel auffindet, deren Beibringung zuvor nicht möglich war.
1    Formell rechtskräftige Verfügungen und Einspracheentscheide müssen in Revision gezogen werden, wenn die versicherte Person oder der Versicherungsträger nach deren Erlass erhebliche neue Tatsachen entdeckt oder Beweismittel auffindet, deren Beibringung zuvor nicht möglich war.
2    Der Versicherungsträger kann auf formell rechtskräftige Verfügungen oder Einspracheentscheide zurückkommen, wenn diese zweifellos unrichtig sind und wenn ihre Berichtigung von erheblicher Bedeutung ist.
3    Der Versicherungsträger kann eine Verfügung oder einen Einspracheentscheid, gegen die Beschwerde erhoben wurde, so lange wiedererwägen, bis er gegenüber der Beschwerdebehörde Stellung nimmt.
ATSG).

2.1. Zweifellose Unrichtigkeit meint, dass kein vernünftiger Zweifel an der (von Beginn weg bestehenden) Unrichtigkeit der Verfügung möglich, also einzig dieser Schluss denkbar ist. Das Erfordernis ist in der Regel erfüllt, wenn eine Leistungszusprechung unvertretbar war, weil sie aufgrund falscher Rechtsregeln erfolgte oder weil massgebliche Bestimmungen nicht oder unrichtig angewandt wurden (BGE 138 V 324 E. 3.3 S. 328). Qualifiziert unrichtig ist die Verfügung auch, wenn ihr ein unvollständiger Sachverhalt zugrunde liegt, so wenn eine klare Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes dazu führte, dass die Invaliditätsbemessung nicht auf einer nachvollziehbaren ärztlichen Einschätzung der Arbeitsfähigkeit beruht (vgl. Art. 43 Abs. 1
SR 830.1 Bundesgesetz vom 6. Oktober 2000 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG)
ATSG Art. 43 Abklärung - 1 Der Versicherungsträger prüft die Begehren, nimmt die notwendigen Abklärungen von Amtes wegen vor und holt die erforderlichen Auskünfte ein. Mündlich erteilte Auskünfte sind schriftlich festzuhalten.
1    Der Versicherungsträger prüft die Begehren, nimmt die notwendigen Abklärungen von Amtes wegen vor und holt die erforderlichen Auskünfte ein. Mündlich erteilte Auskünfte sind schriftlich festzuhalten.
1bis    Der Versicherungsträger bestimmt die Art und den Umfang der notwendigen Abklärungen.32
2    Soweit ärztliche oder fachliche Untersuchungen für die Beurteilung notwendig und zumutbar sind, hat sich die versicherte Person diesen zu unterziehen.
3    Kommen die versicherte Person oder andere Personen, die Leistungen beanspruchen, den Auskunfts- oder Mitwirkungspflichten in unentschuldbarer Weise nicht nach, so kann der Versicherungsträger auf Grund der Akten verfügen oder die Erhebungen einstellen und Nichteintreten beschliessen. Er muss diese Personen vorher schriftlich mahnen und auf die Rechtsfolgen hinweisen; ihnen ist eine angemessene Bedenkzeit einzuräumen.
ATSG; Urteil 9C 466/2010 vom 23. August 2010 E. 3.2.2; vgl. Urteil 9C 307/2011 vom 23. November 2011 E. 3.2 mit Hinweis). Die Frage nach der zweifellosen Unrichtigkeit beurteilt sich nach der Rechtslage im Zeitpunkt des Verfügungserlasses, einschliesslich der damaligen Rechtspraxis (vgl. BGE 138 V 147 E. 2.1 S. 149).

2.2. Eine Revisionsverfügung tritt an die Stelle der zu revidierenden Verfügung. Dies gilt unabhängig davon, ob eine Rente revisionsweise (Art. 17 Abs. 1
SR 830.1 Bundesgesetz vom 6. Oktober 2000 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG)
ATSG Art. 17 Revision der Invalidenrente und anderer Dauerleistungen - 1 Die Invalidenrente wird von Amtes wegen oder auf Gesuch hin für die Zukunft erhöht, herabgesetzt oder aufgehoben, wenn der Invaliditätsgrad einer Rentenbezügerin oder eines Rentenbezügers sich:
1    Die Invalidenrente wird von Amtes wegen oder auf Gesuch hin für die Zukunft erhöht, herabgesetzt oder aufgehoben, wenn der Invaliditätsgrad einer Rentenbezügerin oder eines Rentenbezügers sich:
a  um mindestens fünf Prozentpunkte ändert; oder
b  auf 100 Prozent erhöht.17
2    Auch jede andere formell rechtskräftig zugesprochene Dauerleistung wird von Amtes wegen oder auf Gesuch hin erhöht, herabgesetzt oder aufgehoben, wenn sich der ihr zu Grunde liegende Sachverhalt nachträglich erheblich verändert hat.
ATSG) herauf- oder herabgesetzt wird oder die bisherige Rente nach materieller Prüfung des Rentenanspruchs bestätigt wird (vgl. BGE 133 V 108). Wenn nachträglich durch Wiedererwägung oder (neue) Revision auf diese Revisionsverfügung zurückgekommen wird, lebt die ursprüngliche Verfügung nicht wieder auf. Vorbehalten bleibt die Nichtigkeit der Revisionsverfügung (amtlich zu publizierendes Urteil 8C 424/2013 vom 21. November 2014 E. 5.2).
Aus diesem Grund ist hier, abweichend von strittiger Verfügung und angefochtenem Entscheid, die zweifellose Unrichtigkeit nur der Revisionsverfügung vom 29. Mai 2007 zu prüfen.

2.3.

2.3.1. Grundlage der ursprünglichen Leistungszusprechung waren zwei Arztberichte. Der Allgemeinmediziner Dr. B.________ attestierte eine Arbeitsunfähigkeit von 50 Prozent infolge eines chronischen Panvertebralsyndroms, Fibromyalgie und einer reaktiven depressiven Störung (Bericht vom 31. Dezember 2001). Der Rheumatologe Dr. C.________ diagnostizierte neben einem chronischen panvertebralen Schmerzsyndrom und einer Schmerzfehlverarbeitung "mit Symptomausweitung bei diversen sozialen Problemen" multiple weichteilrheumatische Beschwerden. Das Zusammenwirken der rheumatologischen und psychischen Probleme führe zu einer unheilvollen Entwicklung mit drohender Invalidität. Aus rein rheumatologischer Sicht sei die Arbeitsfähigkeit für leichte Arbeiten zwar nicht beeinträchtigt. Mit Blick auf die drohende psychische Dekompensation empfehle er aber, die Patientin vorderhand nur zu 50 Prozent arbeitsfähig zu schreiben. Wenn sich die psychische Situation wieder stabilisiert habe, "kann allenfalls eine allmähliche Steigerung der Arbeitsfähigkeit auf 100% ins Auge gefasst werden" (Bericht vom 10. September 2001).

2.3.2. Unter diesen Umständen hätte bei Erlass der Revisionsverfügung vom 29. Mai 2007 klar sein müssen, dass die auf interdisziplinärer Untersuchung beruhende Schlussfolgerung der MEDAS, es bestehe keine zu Arbeitsunfähigkeit führende Gesundheitsschädigung (Expertise vom 6. Juli 2006 S. 16), nicht bloss die abweichende Beurteilung eines im Wesentlichen gleich gebliebenen Zustandes darstellte. Der Leistungsanspruch stand unter dem Vorbehalt einer psychischen Stabilisierung. Nach deren Eintritt hätte eine Arbeitsunfähigkeit nur noch angenommen werden dürfen, wenn festgestanden wäre, dass eine verselbständigte Gesundheitsschädigung das Leistungsvermögen weiterhin beeinträchtigte (vgl. BGE 127 V 294 E. 5a S. 299). Die Sachverständigen brachten jedoch zum Ausdruck, dass die schon vorher grundsätzlich vorhandene Arbeitsfähigkeit nunmehr, wie von Dr. C.________ prognostiziert, umgesetzt werden konnte, ohne dass damit weiterhin ein erhebliches gesundheitliches Risiko verbunden gewesen wäre (vgl. Urteil 9C 273/2014 vom 16. Juni 2014 E. 3.3.4). Die Einschätzung der MEDAS hätte unter diesen Umständen zu einer revisionsweisen Aufhebung der Invalidenrente führen müssen. Ihre Nichtberücksichtigung macht die Verfügung vom 29. Mai 2007 im Sinne
von Art. 53 Abs. 2
SR 830.1 Bundesgesetz vom 6. Oktober 2000 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG)
ATSG Art. 53 Revision und Wiedererwägung - 1 Formell rechtskräftige Verfügungen und Einspracheentscheide müssen in Revision gezogen werden, wenn die versicherte Person oder der Versicherungsträger nach deren Erlass erhebliche neue Tatsachen entdeckt oder Beweismittel auffindet, deren Beibringung zuvor nicht möglich war.
1    Formell rechtskräftige Verfügungen und Einspracheentscheide müssen in Revision gezogen werden, wenn die versicherte Person oder der Versicherungsträger nach deren Erlass erhebliche neue Tatsachen entdeckt oder Beweismittel auffindet, deren Beibringung zuvor nicht möglich war.
2    Der Versicherungsträger kann auf formell rechtskräftige Verfügungen oder Einspracheentscheide zurückkommen, wenn diese zweifellos unrichtig sind und wenn ihre Berichtigung von erheblicher Bedeutung ist.
3    Der Versicherungsträger kann eine Verfügung oder einen Einspracheentscheid, gegen die Beschwerde erhoben wurde, so lange wiedererwägen, bis er gegenüber der Beschwerdebehörde Stellung nimmt.
ATSG zweifellos unrichtig.

2.3.3. Der Umstand, dass das kantonale Gericht die Verfügung vom 29. Mai 2007 überprüft hat (Entscheid vom 5. November 2008), steht deren Wiedererwägung nicht entgegen (vgl. dazu BGE 131 V 414 E. 2 S. 417; Urteil 9C 889/2011 vom 8. Februar 2012 E. 5.1) : Das Gericht hat den Antrag der Versicherten abgewiesen, die bisherige halbe sei durch eine ganze Invalidenrente zu ersetzen. Die Frage, ob die angefochtene Verfügung allenfalls zu Ungunsten der Versicherten zu ändern sei (Reformatio in peius in Form einer Rentenaufhebung), konnte nicht Thema der richterlichen Beurteilung sein, nachdem das kantonale Gericht den Parteien keine Gelegenheit zur Stellungnahme resp. zum Rückzug der Beschwerde gegeben hatte (vgl. Art. 61 lit. d
SR 830.1 Bundesgesetz vom 6. Oktober 2000 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG)
ATSG Art. 61 Verfahrensregeln - Das Verfahren vor dem kantonalen Versicherungsgericht bestimmt sich unter Vorbehalt von Artikel 1 Absatz 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes vom 20. Dezember 196846 nach kantonalem Recht. Es hat folgenden Anforderungen zu genügen:
a  Das Verfahren muss einfach, rasch und in der Regel öffentlich sein.
b  Die Beschwerde muss eine gedrängte Darstellung des Sachverhaltes, ein Rechtsbegehren und eine kurze Begründung enthalten. Genügt sie diesen Anforderungen nicht, so setzt das Versicherungsgericht der Beschwerde führenden Person eine angemessene Frist zur Verbesserung und verbindet damit die Androhung, dass sonst auf die Beschwerde nicht eingetreten wird.
c  Das Versicherungsgericht stellt unter Mitwirkung der Parteien die für den Entscheid erheblichen Tatsachen fest; es erhebt die notwendigen Beweise und ist in der Beweiswürdigung frei.
d  Das Versicherungsgericht ist an die Begehren der Parteien nicht gebunden. Es kann eine Verfügung oder einen Einspracheentscheid zu Ungunsten der Beschwerde führenden Person ändern oder dieser mehr zusprechen, als sie verlangt hat, wobei den Parteien vorher Gelegenheit zur Stellungnahme sowie zum Rückzug der Beschwerde zu geben ist.
e  Rechtfertigen es die Umstände, so können die Parteien zur Verhandlung vorgeladen werden.
f  Das Recht, sich verbeiständen zu lassen, muss gewährleistet sein. Wo die Verhältnisse es rechtfertigen, wird der Beschwerde führenden Person ein unentgeltlicher Rechtsbeistand bewilligt.
fbis  Bei Streitigkeiten über Leistungen ist das Verfahren kostenpflichtig, wenn dies im jeweiligen Einzelgesetz vorgesehen ist; sieht das Einzelgesetz keine Kostenpflicht bei solchen Streitigkeiten vor, so kann das Gericht einer Partei, die sich mutwillig oder leichtsinnig verhält, Gerichtskosten auferlegen.
g  Die obsiegende Beschwerde führende Person hat Anspruch auf Ersatz der Parteikosten. Diese werden vom Versicherungsgericht festgesetzt und ohne Rücksicht auf den Streitwert nach der Bedeutung der Streitsache und nach der Schwierigkeit des Prozesses bemessen.
h  Die Entscheide werden, versehen mit einer Begründung und einer Rechtsmittelbelehrung sowie mit den Namen der Mitglieder des Versicherungsgerichts schriftlich eröffnet.
i  Die Revision von Entscheiden wegen Entdeckung neuer Tatsachen oder Beweismittel oder wegen Einwirkung durch Verbrechen oder Vergehen muss gewährleistet sein.
ATSG).

2.4. Eine Aufhebung des Rentenanspruchs auf dem Weg einer Wiedererwägung setzt voraus, dass auch bis dahin keine Invalidität eingetreten ist (Urteil 9C 121/2014 vom 3. September 2014 E. 3.4, SVR 2014 IV Nr. 39 S. 137 mit Hinweisen). Nach dem Gesagten war im Zeitpunkt der Verfügung vom 29. Mai 2007 keine Arbeitsunfähigkeit mehr ausgewiesen. Für die Folgezeit bis zur strittigen Verfügung vom 23. November 2012 ergab die (auf das zweite MEDAS-Gutachten vom 19. August 2009 sowie weitere Arztberichte abstellende) vorinstanzliche Beweiswürdigung, dass keine erhebliche Änderung des Gesundheitszustandes und seiner funktionellen Folgen eingetreten ist (E. 3 des angefochtenen Entscheids). Diese Feststellung tatsächlicher Natur ist nicht offensichtlich unrichtig oder anderswie bundesrechtswidrig (Art. 95 lit. a
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 95 Schweizerisches Recht - Mit der Beschwerde kann die Verletzung gerügt werden von:
a  Bundesrecht;
b  Völkerrecht;
c  kantonalen verfassungsmässigen Rechten;
d  kantonalen Bestimmungen über die politische Stimmberechtigung der Bürger und Bürgerinnen und über Volkswahlen und -abstimmungen;
e  interkantonalem Recht.
BGG). Das Bundesgericht ist somit daran gebunden (Art. 105 Abs. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 105 Massgebender Sachverhalt - 1 Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat.
1    Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat.
2    Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht.
3    Richtet sich die Beschwerde gegen einen Entscheid über die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung, so ist das Bundesgericht nicht an die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz gebunden.95
und 2
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 105 Massgebender Sachverhalt - 1 Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat.
1    Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat.
2    Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht.
3    Richtet sich die Beschwerde gegen einen Entscheid über die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung, so ist das Bundesgericht nicht an die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz gebunden.95
BGG).

3.

3.1. Nach dem Gesagten ist die Aufhebung des Rentenanspruchs rechtens.

3.2. Der Zeitpunkt der Rentenaufhebung (auf Ende des Jahres 2012 hin) richtet sich hier nicht nach der Prüfung allfälliger Massnahmen der beruflichen Wiedereingliederung, auch wenn die Beschwerdegegnerin im Zeitpunkt der leistungsaufhebenden Verfügung vom 23. November 2012 das 55. Altersjahr bereits vollendet hatte (vgl. zuletzt Urteil 9C 920/2013 vom 20. Mai 2014 E. 4.4). Die in den MEDAS-Gutachten vom 6. Juli 2006 und 19. August 2009 ausgewiesene vollständige Arbeitsfähigkeit war auch in der früher ausgeübten Tätigkeit einer Hausdienstleiterin verwertbar. Daher hing deren Umsetzung nicht von Integrations- oder Massnahmen beruflicher Art ab (vgl. Urteile 9C 163/2009 vom 10. September 2010 E. 4.1 und 4.2.2, SVR 2011 IV Nr. 30 S. 86; 9C 771/2009 vom 10. September 2010 E. 3.2.1).

4.
Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 65 Abs. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 65 Gerichtskosten - 1 Die Gerichtskosten bestehen in der Gerichtsgebühr, der Gebühr für das Kopieren von Rechtsschriften, den Auslagen für Übersetzungen, ausgenommen solche zwischen Amtssprachen, und den Entschädigungen für Sachverständige sowie für Zeugen und Zeuginnen.
1    Die Gerichtskosten bestehen in der Gerichtsgebühr, der Gebühr für das Kopieren von Rechtsschriften, den Auslagen für Übersetzungen, ausgenommen solche zwischen Amtssprachen, und den Entschädigungen für Sachverständige sowie für Zeugen und Zeuginnen.
2    Die Gerichtsgebühr richtet sich nach Streitwert, Umfang und Schwierigkeit der Sache, Art der Prozessführung und finanzieller Lage der Parteien.
3    Sie beträgt in der Regel:
a  in Streitigkeiten ohne Vermögensinteresse 200-5000 Franken;
b  in den übrigen Streitigkeiten 200-100 000 Franken.
4    Sie beträgt 200-1000 Franken und wird nicht nach dem Streitwert bemessen in Streitigkeiten:
a  über Sozialversicherungsleistungen;
b  über Diskriminierungen auf Grund des Geschlechts;
c  aus einem Arbeitsverhältnis mit einem Streitwert bis zu 30 000 Franken;
d  nach den Artikeln 7 und 8 des Behindertengleichstellungsgesetzes vom 13. Dezember 200223.
5    Wenn besondere Gründe es rechtfertigen, kann das Bundesgericht bei der Bestimmung der Gerichtsgebühr über die Höchstbeträge hinausgehen, jedoch höchstens bis zum doppelten Betrag in den Fällen von Absatz 3 und bis zu 10 000 Franken in den Fällen von Absatz 4.
und Abs. 4 lit. a BGG). Die Voraussetzungen für die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege (Art. 64
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 64 Unentgeltliche Rechtspflege - 1 Das Bundesgericht befreit eine Partei, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, auf Antrag von der Bezahlung der Gerichtskosten und von der Sicherstellung der Parteientschädigung, sofern ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint.
1    Das Bundesgericht befreit eine Partei, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, auf Antrag von der Bezahlung der Gerichtskosten und von der Sicherstellung der Parteientschädigung, sofern ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint.
2    Wenn es zur Wahrung ihrer Rechte notwendig ist, bestellt das Bundesgericht der Partei einen Anwalt oder eine Anwältin. Der Anwalt oder die Anwältin hat Anspruch auf eine angemessene Entschädigung aus der Gerichtskasse, soweit der Aufwand für die Vertretung nicht aus einer zugesprochenen Parteientschädigung gedeckt werden kann.
3    Über das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege entscheidet die Abteilung in der Besetzung mit drei Richtern oder Richterinnen. Vorbehalten bleiben Fälle, die im vereinfachten Verfahren nach Artikel 108 behandelt werden. Der Instruktionsrichter oder die Instruktionsrichterin kann die unentgeltliche Rechtspflege selbst gewähren, wenn keine Zweifel bestehen, dass die Voraussetzungen erfüllt sind.
4    Die Partei hat der Gerichtskasse Ersatz zu leisten, wenn sie später dazu in der Lage ist.
BGG) sind erfüllt (BGE 125 V 201 E. 4a S. 202 und 371 E. 5b S. 372). Die Beschwerdegegnerin hat der Gerichtskasse Ersatz zu leisten, wenn sie später dazu in der Lage ist (Art. 64 Abs. 4
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 64 Unentgeltliche Rechtspflege - 1 Das Bundesgericht befreit eine Partei, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, auf Antrag von der Bezahlung der Gerichtskosten und von der Sicherstellung der Parteientschädigung, sofern ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint.
1    Das Bundesgericht befreit eine Partei, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, auf Antrag von der Bezahlung der Gerichtskosten und von der Sicherstellung der Parteientschädigung, sofern ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint.
2    Wenn es zur Wahrung ihrer Rechte notwendig ist, bestellt das Bundesgericht der Partei einen Anwalt oder eine Anwältin. Der Anwalt oder die Anwältin hat Anspruch auf eine angemessene Entschädigung aus der Gerichtskasse, soweit der Aufwand für die Vertretung nicht aus einer zugesprochenen Parteientschädigung gedeckt werden kann.
3    Über das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege entscheidet die Abteilung in der Besetzung mit drei Richtern oder Richterinnen. Vorbehalten bleiben Fälle, die im vereinfachten Verfahren nach Artikel 108 behandelt werden. Der Instruktionsrichter oder die Instruktionsrichterin kann die unentgeltliche Rechtspflege selbst gewähren, wenn keine Zweifel bestehen, dass die Voraussetzungen erfüllt sind.
4    Die Partei hat der Gerichtskasse Ersatz zu leisten, wenn sie später dazu in der Lage ist.
BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Der Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 29. November 2013 wird aufgehoben.

2.
Der Beschwerdegegnerin wird die unentgeltliche Rechtspflege gewährt und Rechtsanwältin Dr. Barbara Wyler als unentgeltliche Anwältin der Beschwerdegegnerin bestellt.

3.
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt, indessen vorläufig auf die Gerichtskasse genommen.

4.
Der Rechtsvertreterin der Beschwerdegegnerin wird für das bundesgerichtliche Verfahren aus der Gerichtskasse eine Entschädigung von Fr. 2'400.- ausgerichtet.

5.
Die Sache wird zur neuen Regelung der Kostenfolgen des vorangegangenen Verfahrens an das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen zurückgewiesen.

6.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 15. Dezember 2014
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Kernen

Der Gerichtsschreiber: Traub
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Document : 9C_6/2014
Date : 15. Dezember 2014
Published : 02. Januar 2015
Source : Bundesgericht
Status : Unpubliziert
Subject area : Invalidenversicherung
Subject : Invalidenversicherung


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