Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
8C 526/2010

Urteil vom 15. September 2010
I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Ursprung, Präsident,
Bundesrichterin Leuzinger, Bundesrichter Maillard,
Gerichtsschreiberin Berger Götz.

Verfahrensbeteiligte
IV-Stelle des Kantons St. Gallen,
Brauerstrasse 54, 9016 St. Gallen,
Beschwerdeführerin,

gegen

B.________, vertreten durch Rechtsanwalt Mauro Lardi,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung (Invalidenrente),

Beschwerde gegen den Entscheid des Ver-sicherungsgerichts des Kantons St. Gallen
vom 28. Mai 2010.

Sachverhalt:

A.
Die 1978 geborene B.________ schloss am 30. Juni 1997 ihre Lehre als Bahnbetriebsangestellte erfolgreich ab und blieb bis 31. Juli 1999 im ehemaligen Lehrbetrieb tätig. Danach nahm sie verschiedene Gelegenheitsjobs an. Am 21. September 2004 meldete sie sich zum Bezug von Leistungen der Invalidenversicherung an. Nach Abklärung der gesundheitlichen und erwerblichen Situation verneinte die IV-Stelle des Kantons St. Gallen mit je einer Verfügung vom 2. Dezember 2005 einen Rentenanspruch unter Hinweis auf einen Invaliditätsgrad von 30 % und einen Anspruch auf berufliche Massnahmen. Diese Verwaltungsakte erwuchsen unangefochten in Rechtskraft.

Am 10. November 2006 ersuchte B.________ die IV-Stelle um "Neubeurteilung" der "Rentensituation" und verwies auf veränderte Umstände nach zwei Arbeitsversuchen, welche sie in eine Überforderung gebracht hätten. Mit Verfügung vom 21. Juni 2007 trat die IV-Stelle auf die neue Anmeldung nicht ein. In Gutheissung der hiergegen geführten Beschwerde der B.________ hob das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen diesen Verwaltungsakt auf und wies die Angelegenheit zur materiellen Behandlung der Neuanmeldung an die IV-Stelle zurück (Entscheid vom 13. Februar 2008). Nach zusätzlichen Abklärungen, insbesondere nach Einholung eines neurologischen und psychiatrischen Gutachtens des Dr. med. A.________, Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, vom 30. September 2008, und nach Durchführung des Vorbescheidverfahrens lehnte die IV-Stelle einen Rentenanspruch wiederum ab und gab zur Begründung an, es bestehe weiterhin ein rentenausschliessender Invaliditätsgrad von 30 % (Verfügung vom 6. April 2009).

B.
In teilweiser Gutheissung der dagegen erhobenen Beschwerde, mit welcher eine halbe Invalidenrente rückwirkend ab 1. November 2006 beantragt wurde, hob das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen die Verfügung vom 6. April 2009 auf und sprach B.________ eine Viertelsrente zu, wobei es die Angelegenheit zur Festsetzung von Rentenbeginn und -höhe an die IV-Stelle zurückwies (Entscheid vom 28. Mai 2010).

C.
Die IV-Stelle führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Rechtsbegehren, der kantonale Gerichtsentscheid vom 28. Mai 2010 sei aufzuheben.
B.________ lässt auf Abweisung der Beschwerde schliessen, während das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) deren Gutheissung beantragt und ferner darum ersucht, der Beschwerde sei die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Erwägungen:

1.
1.1 Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art. 82 ff
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 82 Grundsatz - Das Bundesgericht beurteilt Beschwerden:
a  gegen Entscheide in Angelegenheiten des öffentlichen Rechts;
b  gegen kantonale Erlasse;
c  betreffend die politische Stimmberechtigung der Bürger und Bürgerinnen sowie betreffend Volkswahlen und -abstimmungen.
. BGG) kann unter anderem die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 95 Schweizerisches Recht - Mit der Beschwerde kann die Verletzung gerügt werden von:
a  Bundesrecht;
b  Völkerrecht;
c  kantonalen verfassungsmässigen Rechten;
d  kantonalen Bestimmungen über die politische Stimmberechtigung der Bürger und Bürgerinnen und über Volkswahlen und -abstimmungen;
e  interkantonalem Recht.
BGG). Gemäss Art. 105 Abs. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 105 Massgebender Sachverhalt - 1 Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat.
1    Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat.
2    Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht.
3    Richtet sich die Beschwerde gegen einen Entscheid über die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung, so ist das Bundesgericht nicht an die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz gebunden.95
BGG legt das Bundesgericht seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat. Es kann deren Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 95 Schweizerisches Recht - Mit der Beschwerde kann die Verletzung gerügt werden von:
a  Bundesrecht;
b  Völkerrecht;
c  kantonalen verfassungsmässigen Rechten;
d  kantonalen Bestimmungen über die politische Stimmberechtigung der Bürger und Bürgerinnen und über Volkswahlen und -abstimmungen;
e  interkantonalem Recht.
BGG beruht (Art. 105 Abs. 2
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 105 Massgebender Sachverhalt - 1 Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat.
1    Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat.
2    Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht.
3    Richtet sich die Beschwerde gegen einen Entscheid über die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung, so ist das Bundesgericht nicht an die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz gebunden.95
BGG; vgl. auch Art. 97 Abs. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 97 Unrichtige Feststellung des Sachverhalts - 1 Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann.
1    Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann.
2    Richtet sich die Beschwerde gegen einen Entscheid über die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung, so kann jede unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gerügt werden.86
BGG).
Die Feststellung des Gesundheitsschadens, d.h. die Befunderhebung und die gestützt darauf gestellte Diagnose betreffen ebenso eine Tatfrage wie die aufgrund von medizinischen Untersuchungen gerichtlich festgestellte Arbeitsunfähigkeit (BGE 132 V 393 E. 3.2 S. 398). Tatfrage ist weiter, in welchem Umfang eine versicherte Person vom funktionellen Leistungsvermögen und vom Vorhandensein bzw. von der Verfügbarkeit psychischer Ressourcen her eine (Rest-)Arbeitsfähigkeit aufweist und ihr die Ausübung entsprechend profilierter Tätigkeiten zumutbar ist, es sei denn, andere als medizinische Gründe stünden der Bejahung der Zumutbarkeit im Einzelfall in invalidenversicherungsrechtlich erheblicher Weise entgegen (BGE 132 V 393 E. 3.2 S. 398). Analoges gilt für die Frage, ob sich eine Arbeitsunfähigkeit revisionsrechtlich erheblich verändert hat (Art. 17
SR 830.1 Bundesgesetz vom 6. Oktober 2000 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG)
ATSG Art. 17 Revision der Invalidenrente und anderer Dauerleistungen - 1 Die Invalidenrente wird von Amtes wegen oder auf Gesuch hin für die Zukunft erhöht, herabgesetzt oder aufgehoben, wenn der Invaliditätsgrad einer Rentenbezügerin oder eines Rentenbezügers sich:
1    Die Invalidenrente wird von Amtes wegen oder auf Gesuch hin für die Zukunft erhöht, herabgesetzt oder aufgehoben, wenn der Invaliditätsgrad einer Rentenbezügerin oder eines Rentenbezügers sich:
a  um mindestens fünf Prozentpunkte ändert; oder
b  auf 100 Prozent erhöht.17
2    Auch jede andere formell rechtskräftig zugesprochene Dauerleistung wird von Amtes wegen oder auf Gesuch hin erhöht, herabgesetzt oder aufgehoben, wenn sich der ihr zu Grunde liegende Sachverhalt nachträglich erheblich verändert hat.
ATSG; Art. 87 Abs. 3
SR 831.201 Verordnung vom 17. Januar 1961 über die Invalidenversicherung (IVV)
IVV Art. 87 Revisionsgründe - 1 Eine Revision wird von Amtes wegen durchgeführt, wenn:
1    Eine Revision wird von Amtes wegen durchgeführt, wenn:
a  sie im Hinblick auf eine mögliche erhebliche Änderung des Invaliditäts- oder Hilflosigkeitsgrades oder des invaliditätsbedingten Betreuungsaufwandes oder Hilfebedarfs bei der Festsetzung der Rente, der Hilflosenentschädigung oder des Assistenzbeitrages auf einen bestimmten Termin in Aussicht genommen worden ist; oder
b  Tatsachen bekannt oder Massnahmen angeordnet werden, die eine erhebliche Änderung des Grades der Invalidität, der Hilflosigkeit, des invaliditätsbedingten Betreuungsaufwandes oder Hilfebedarfs als möglich erscheinen lassen.
2    Wird ein Gesuch um Revision eingereicht, so ist darin glaubhaft zu machen, dass sich der Grad der Invalidität oder Hilflosigkeit oder die Höhe des invaliditätsbedingten Betreuungsaufwandes oder Hilfebedarfs des Versicherten in einer für den Anspruch erheblichen Weise geändert hat.
3    Wurde eine Rente, eine Hilflosenentschädigung oder ein Assistenzbeitrag wegen eines zu geringen Invaliditätsgrades, wegen fehlender Hilflosigkeit oder weil aufgrund des zu geringen Hilfebedarfs kein Anspruch auf einen Assistenzbeitrag entsteht, verweigert, so wird eine neue Anmeldung nur geprüft, wenn die Voraussetzungen nach Absatz 2 erfüllt sind.
und 4
SR 831.201 Verordnung vom 17. Januar 1961 über die Invalidenversicherung (IVV)
IVV Art. 87 Revisionsgründe - 1 Eine Revision wird von Amtes wegen durchgeführt, wenn:
1    Eine Revision wird von Amtes wegen durchgeführt, wenn:
a  sie im Hinblick auf eine mögliche erhebliche Änderung des Invaliditäts- oder Hilflosigkeitsgrades oder des invaliditätsbedingten Betreuungsaufwandes oder Hilfebedarfs bei der Festsetzung der Rente, der Hilflosenentschädigung oder des Assistenzbeitrages auf einen bestimmten Termin in Aussicht genommen worden ist; oder
b  Tatsachen bekannt oder Massnahmen angeordnet werden, die eine erhebliche Änderung des Grades der Invalidität, der Hilflosigkeit, des invaliditätsbedingten Betreuungsaufwandes oder Hilfebedarfs als möglich erscheinen lassen.
2    Wird ein Gesuch um Revision eingereicht, so ist darin glaubhaft zu machen, dass sich der Grad der Invalidität oder Hilflosigkeit oder die Höhe des invaliditätsbedingten Betreuungsaufwandes oder Hilfebedarfs des Versicherten in einer für den Anspruch erheblichen Weise geändert hat.
3    Wurde eine Rente, eine Hilflosenentschädigung oder ein Assistenzbeitrag wegen eines zu geringen Invaliditätsgrades, wegen fehlender Hilflosigkeit oder weil aufgrund des zu geringen Hilfebedarfs kein Anspruch auf einen Assistenzbeitrag entsteht, verweigert, so wird eine neue Anmeldung nur geprüft, wenn die Voraussetzungen nach Absatz 2 erfüllt sind.
IVV; Urteil 9C 878/2007 vom 4. Juli 2008 E. 2.2 mit Hinweis). Die konkrete Beweiswürdigung stellt eine Tatfrage dar (BGE 132 V 393 E. 3.3 S. 399; Urteil 9C 270/2008 vom 12. August 2008 E. 2.2).

1.2 Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 106 Rechtsanwendung - 1 Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an.
1    Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an.
2    Es prüft die Verletzung von Grundrechten und von kantonalem und interkantonalem Recht nur insofern, als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und begründet worden ist.
BGG). Es ist folglich weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann eine Beschwerde mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen (vgl. BGE 132 II 257 E. 2.5 S. 262; 130 III 136 E. 1.4 S. 140).

2.
Wurde eine Rente wegen eines zu geringen Invaliditätsgrades verweigert, so wird eine neue Anmeldung nach Art. 87 Abs. 4
SR 831.201 Verordnung vom 17. Januar 1961 über die Invalidenversicherung (IVV)
IVV Art. 87 Revisionsgründe - 1 Eine Revision wird von Amtes wegen durchgeführt, wenn:
1    Eine Revision wird von Amtes wegen durchgeführt, wenn:
a  sie im Hinblick auf eine mögliche erhebliche Änderung des Invaliditäts- oder Hilflosigkeitsgrades oder des invaliditätsbedingten Betreuungsaufwandes oder Hilfebedarfs bei der Festsetzung der Rente, der Hilflosenentschädigung oder des Assistenzbeitrages auf einen bestimmten Termin in Aussicht genommen worden ist; oder
b  Tatsachen bekannt oder Massnahmen angeordnet werden, die eine erhebliche Änderung des Grades der Invalidität, der Hilflosigkeit, des invaliditätsbedingten Betreuungsaufwandes oder Hilfebedarfs als möglich erscheinen lassen.
2    Wird ein Gesuch um Revision eingereicht, so ist darin glaubhaft zu machen, dass sich der Grad der Invalidität oder Hilflosigkeit oder die Höhe des invaliditätsbedingten Betreuungsaufwandes oder Hilfebedarfs des Versicherten in einer für den Anspruch erheblichen Weise geändert hat.
3    Wurde eine Rente, eine Hilflosenentschädigung oder ein Assistenzbeitrag wegen eines zu geringen Invaliditätsgrades, wegen fehlender Hilflosigkeit oder weil aufgrund des zu geringen Hilfebedarfs kein Anspruch auf einen Assistenzbeitrag entsteht, verweigert, so wird eine neue Anmeldung nur geprüft, wenn die Voraussetzungen nach Absatz 2 erfüllt sind.
IVV nur geprüft, wenn die Voraussetzungen gemäss Abs. 3 derselben Bestimmung erfüllt sind. Danach ist im Gesuch glaubhaft zu machen, dass sich der Grad der Invalidität in anspruchserheblicher Weise geändert hat. Tritt die Verwaltung auf die Neuanmeldung ein, so klärt sie die Sache materiell ab und vergewissert sich, ob die glaubhaft gemachte Veränderung des Invaliditätsgrades auch tatsächlich eingetreten ist; sie geht demnach in analoger Weise vor wie bei einem Revisionsfall nach Art. 17
SR 830.1 Bundesgesetz vom 6. Oktober 2000 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG)
ATSG Art. 17 Revision der Invalidenrente und anderer Dauerleistungen - 1 Die Invalidenrente wird von Amtes wegen oder auf Gesuch hin für die Zukunft erhöht, herabgesetzt oder aufgehoben, wenn der Invaliditätsgrad einer Rentenbezügerin oder eines Rentenbezügers sich:
1    Die Invalidenrente wird von Amtes wegen oder auf Gesuch hin für die Zukunft erhöht, herabgesetzt oder aufgehoben, wenn der Invaliditätsgrad einer Rentenbezügerin oder eines Rentenbezügers sich:
a  um mindestens fünf Prozentpunkte ändert; oder
b  auf 100 Prozent erhöht.17
2    Auch jede andere formell rechtskräftig zugesprochene Dauerleistung wird von Amtes wegen oder auf Gesuch hin erhöht, herabgesetzt oder aufgehoben, wenn sich der ihr zu Grunde liegende Sachverhalt nachträglich erheblich verändert hat.
ATSG (vgl. dazu BGE 130 V 71). Stellt sie fest, dass der Invaliditätsgrad seit Erlass der früheren rechtskräftigen Verfügung keine Veränderung erfahren hat, so weist sie das neue Gesuch ab. Andernfalls prüft sie zunächst noch, ob die festgestellte Veränderung genügt, um nunmehr eine anspruchsbegründende Invalidität zu bejahen, und beschliesst hernach über den Anspruch. Im Beschwerdefall obliegt die gleiche materielle Prüfungspflicht auch dem Gericht (BGE 117 V 198).

3.
3.1 Das kantonale Gericht hatte die Nichteintretensverfügung der IV-Stelle vom 21. Juni 2007 aufgehoben mit der Begründung, die Versicherte habe am 10. November 2006 eine Veränderung ihres Gesundheitszustandes glaubhaft gemacht, weshalb die Verwaltung nun im Rahmen der Rückweisung die neue Anmeldung materiell behandeln müsse (Entscheid vom 13. Februar 2008). Im Rahmen dieser Rückweisung veranlasste die IV-Stelle zusätzliche Abklärungen zum Gesundheitszustand. Mit Verfügung vom 6. April 2009 lehnte sie einen Rentenanspruch ab, indem sie "weiter" von einer Arbeitsunfähigkeit in der Höhe von 30 % und von einem identischen Invaliditätsgrad von 30 % ausging. Faktisch verneinte sie somit eine zwischenzeitliche Veränderung des Invaliditätsgrades, ohne allerdings ausdrücklich auf die erste rentenablehnende Verfügung und die damaligen Verhältnisse Bezug zu nehmen. Auch das kantonale Gericht äussert sich im vorliegend angefochtenen Entscheid vom 28. Mai 2010 nicht zu revisionsrechtlichen Gesichtspunkten, obwohl es die Sache am 13. Februar 2008 zur Prüfung der Frage, ob die glaubhaft gemachte Veränderung des Invaliditätsgrades auch tatsächlich eingetreten sei, an die IV-Stelle zurückgewiesen hatte.

3.2 Dr. med. A.________ gelangte in seiner Abklärung vom 27. Januar 2005, vorgenommen im Rahmen seiner damaligen Tätigkeit als Mitarbeiter des Regionalen Ärztlichen Dienstes der Invalidenversicherung (RAD), zum Ergebnis, der Versicherten sei sowohl im erlernten Beruf als Betriebsangestellte als auch in den zuletzt ausgeübten Hilfstätigkeiten ein Vollpensum mit einer durchschnittlichen Leistungsminderung bis zu 30 % zumutbar (Bericht vom 28. Januar 2005). Darauf stützte sich die IV-Stelle in ihrer ersten rentenablehnenden Verfügung vom 2. Dezember 2005. Im Gutachten vom 30. September 2008 stellte Dr. med. A.________ fest, es habe sich im chronifizierten Verlauf insofern eine geringgradige Verschlechterung des psychischen Gesundheitszustandes ergeben, als sich die dysfunktionalen Selbstkonzepte weitere drei Jahre hätten verfestigen können. Verbessert habe sich seither die affektive Störung. In einer angepassten Beschäftigung resultiere eine Arbeitsfähigkeit von 70 % (bei höherem Zeitpensum und reduzierter Leistung) und als Angestellte im Rangierbetrieb eine solche von 65 %. Inhaltlich gehen sowohl IV-Stelle als auch kantonales Gericht gestützt auf diese fachärztlichen Angaben übereinstimmend davon aus, dass die Leistungsfähigkeit in
einer ganztägigen, leidensadaptierten Beschäftigung verglichen mit der Situation zur Zeit des Erlasses der Verfügung vom 2. Dezember 2005 unverändert 70 % betrage.

3.3 Die von der Beschwerdegegnerin dagegen erhobenen Einwände, wonach die verminderte Intelligenz erst in der zweiten Abklärung des Dr. med. A.________ berücksichtigt worden sei und der Facharzt überdies eine zwischenzeitliche Verschlimmerung des psychischen Gesundheitszustandes bestätigt habe, führen zu keinem anderen Ergebnis. Dr. med. A.________ geht zwar in der Expertise vom 30. September 2008 von einer (geringgradigen) Verschlechterung im Sinne einer weiteren Chronifizierung, gleichzeitig aber auch von einer Verbesserung bezüglich der affektiven Störung aus. Die niedrige Intelligenz wirkt sich zusammen mit den gesundheitlichen Beschwerden in einer leidensadaptierten Beschäftigung nicht zusätzlich aus, so dass der Experte gesamthaft nach wie vor eine ganztägige Beschäftigung mit einer Leistungsminderung von 30 % als zumutbar erachtet. Die - implizite - Tatsachenfeststellung des kantonalen Gerichts, wonach hinsichtlich Arbeitsfähigkeit seit der rentenverneinenden Verfügung vom 2. Dezember 2005 keine erheblichen Veränderungen eingetreten seien, ist im letztinstanzlichen Prozess grundsätzlich verbindlich. Im Rahmen der eingeschränkten Sachverhaltskontrolle (Art. 97 Abs. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 97 Unrichtige Feststellung des Sachverhalts - 1 Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann.
1    Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann.
2    Richtet sich die Beschwerde gegen einen Entscheid über die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung, so kann jede unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gerügt werden.86
BGG) ist es entgegen der Auffassung der Beschwerdegegnerin
nicht Aufgabe des Bundesgerichts, die schon im vorinstanzlichen Verfahren im Recht gelegenen medizinischen Berichte neu zu würdigen und die rechtsfehlerfreie Sachverhaltsfeststellung des kantonalen Gerichts hinsichtlich der medizinisch begründeten Einschränkung des Leistungsvermögens und des Ausmasses der trotz gesundheitlicher Einschränkungen verbleibenden Arbeitsfähigkeit zu korrigieren (E. 1.1 hiervor).

3.4 Da es sich um ein Neuanmeldungsverfahren nach rechtskräftiger Rentenablehnung handelt und sich im Rahmen der Abklärungen eine erhebliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse im massgebenden Vergleichszeitraum weder in gesundheitlicher noch in erwerblicher Hinsicht ergeben hat, muss es bei der Feststellung sein Bewenden haben, dass nach wie vor kein Anspruch auf eine Invalidenrente besteht.

4.
Das kantonale Gericht führt allerdings einen Einkommensvergleich durch und korrigiert die Invaliditätsbemessung der Verwaltung, indem es beim Invalideneinkommen einen leidensbedingten Abzug von 15 % berücksichtigt. Auf dieser Basis ermittelt es einen Invaliditätsgrad von 40 % und spricht der Beschwerdegegnerin eine Viertelsrente zu. Weder die IV-Stelle noch das kantonale Gericht hatten allerdings mit Blick auf das Fehlen erheblicher Änderungen in den tatsächlichen Verhältnissen (E. 3 hiervor) Anlass zur Durchführung eines neuen Einkommensvergleichs. Es hat demgemäss offen zu bleiben, ob und allenfalls in welcher Höhe sich ein Leidensabzug rechtfertigen würde (vgl. im Übrigen Urteil 9C 94/2010 vom 26. Mai 2010 E. 3.2).

5.
Das Gesuch des BSV um aufschiebende Wirkung der Beschwerde (Art. 103
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 103 Aufschiebende Wirkung - 1 Die Beschwerde hat in der Regel keine aufschiebende Wirkung.
1    Die Beschwerde hat in der Regel keine aufschiebende Wirkung.
2    Die Beschwerde hat im Umfang der Begehren aufschiebende Wirkung:
a  in Zivilsachen, wenn sie sich gegen ein Gestaltungsurteil richtet;
b  in Strafsachen, wenn sie sich gegen einen Entscheid richtet, der eine unbedingte Freiheitsstrafe oder eine freiheitsentziehende Massnahme ausspricht; die aufschiebende Wirkung erstreckt sich nicht auf den Entscheid über Zivilansprüche;
c  in Verfahren auf dem Gebiet der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen, wenn sie sich gegen eine Schlussverfügung oder gegen jede andere Verfügung richtet, welche die Übermittlung von Auskünften aus dem Geheimbereich oder die Herausgabe von Gegenständen oder Vermögenswerten bewilligt;
d  in Verfahren auf dem Gebiet der internationalen Amtshilfe in Steuersachen.
3    Der Instruktionsrichter oder die Instruktionsrichterin kann über die aufschiebende Wirkung von Amtes wegen oder auf Antrag einer Partei eine andere Anordnung treffen.
BGG) wird mit dem Entscheid in der Hauptsache gegenstandslos, womit sich Weiterungen zur Frage, ob das BSV rechtswirksam um aufschiebende Wirkung ersuchen kann, erübrigen.

6.
Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 65
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 65 Gerichtskosten - 1 Die Gerichtskosten bestehen in der Gerichtsgebühr, der Gebühr für das Kopieren von Rechtsschriften, den Auslagen für Übersetzungen, ausgenommen solche zwischen Amtssprachen, und den Entschädigungen für Sachverständige sowie für Zeugen und Zeuginnen.
1    Die Gerichtskosten bestehen in der Gerichtsgebühr, der Gebühr für das Kopieren von Rechtsschriften, den Auslagen für Übersetzungen, ausgenommen solche zwischen Amtssprachen, und den Entschädigungen für Sachverständige sowie für Zeugen und Zeuginnen.
2    Die Gerichtsgebühr richtet sich nach Streitwert, Umfang und Schwierigkeit der Sache, Art der Prozessführung und finanzieller Lage der Parteien.
3    Sie beträgt in der Regel:
a  in Streitigkeiten ohne Vermögensinteresse 200-5000 Franken;
b  in den übrigen Streitigkeiten 200-100 000 Franken.
4    Sie beträgt 200-1000 Franken und wird nicht nach dem Streitwert bemessen in Streitigkeiten:
a  über Sozialversicherungsleistungen;
b  über Diskriminierungen auf Grund des Geschlechts;
c  aus einem Arbeitsverhältnis mit einem Streitwert bis zu 30 000 Franken;
d  nach den Artikeln 7 und 8 des Behindertengleichstellungsgesetzes vom 13. Dezember 200223.
5    Wenn besondere Gründe es rechtfertigen, kann das Bundesgericht bei der Bestimmung der Gerichtsgebühr über die Höchstbeträge hinausgehen, jedoch höchstens bis zum doppelten Betrag in den Fällen von Absatz 3 und bis zu 10 000 Franken in den Fällen von Absatz 4.
BGG). Dem Prozessausgang entsprechend sind die Gerichtskosten von der Beschwerdegegnerin als unterliegender Partei zu tragen (Art. 66 Abs. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 66 Erhebung und Verteilung der Gerichtskosten - 1 Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben.
1    Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben.
2    Wird ein Fall durch Abstandserklärung oder Vergleich erledigt, so kann auf die Erhebung von Gerichtskosten ganz oder teilweise verzichtet werden.
3    Unnötige Kosten hat zu bezahlen, wer sie verursacht.
4    Dem Bund, den Kantonen und den Gemeinden sowie mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen dürfen in der Regel keine Gerichtskosten auferlegt werden, wenn sie in ihrem amtlichen Wirkungskreis, ohne dass es sich um ihr Vermögensinteresse handelt, das Bundesgericht in Anspruch nehmen oder wenn gegen ihre Entscheide in solchen Angelegenheiten Beschwerde geführt worden ist.
5    Mehrere Personen haben die ihnen gemeinsam auferlegten Gerichtskosten, wenn nichts anderes bestimmt ist, zu gleichen Teilen und unter solidarischer Haftung zu tragen.
BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen und der Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 28. Mai 2010 aufgehoben.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 15. September 2010

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:

Ursprung Berger Götz
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 8C_526/2010
Date : 15. September 2010
Published : 03. Oktober 2010
Source : Bundesgericht
Status : Unpubliziert
Subject area : Invalidenversicherung
Subject : Invalidenversicherung


Legislation register
ATSG: 17
BGG: 65  66  82  95  97  103  105  106
IVV: 87
BGE-register
117-V-198 • 130-III-136 • 130-V-71 • 132-II-257 • 132-V-393
Weitere Urteile ab 2000
8C_526/2010 • 9C_270/2008 • 9C_878/2007 • 9C_94/2010
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