Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

9C 889/2015 {T 0/2}

Urteil vom 15. Januar 2016

II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Glanzmann, Präsidentin,
Bundesrichter Meyer,
Bundesrichterin Moser-Szeless,
Gerichtsschreiberin Bollinger Hammerle.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwältin Elisabeth Tribaldos,
Beschwerdeführerin,

gegen

IV-Stelle des Kantons Aargau,
Bahnhofplatz 3C, 5000 Aarau,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau
vom 13. Oktober 2015.

Sachverhalt:

A.
A.________ (Jahrgang 1968), seit 1997 Hausfrau und Mutter dreier 1997, 2001 und 2002 geborener Kinder, meldete sich am 16. November 2010 wegen Migräneanfällen und depressiver Veranlagung bei der IV zum Leistungsbezug an. Während des Abklärungsverfahrens erlitt sie am 27. Oktober 2012 eine Hirnblutung. Gestützt unter anderem auf eine psychiatrische Expertise des Dr. med. B.________, Facharzt FMH für Psychiatrie und Psychotherapie, vom 24. Februar 2014, und ein vom Regionalen Ärztlichen Dienst (RAD) am 17. April 2014 auf Einwand zum Vorbescheid hin empfohlenes polydisziplinäres Gutachten der Swiss Medical Assessement- and Business-Center, SMAB AG, Bern, vom 8. Oktober 2014, verneinte die IV-Stelle des Kantons Aargau mangels andauernder Einschränkung der Arbeitsfähigkeit den Anspruch auf Invalidenrente (Verfügung vom 29. Januar 2015).

B.
Die hiegegen erhobene Beschwerde wies das Versicherungsgericht des Kantons Aargau mit Entscheid vom 13. Oktober 2015 ab.

C.
A.________ zieht diesen Entscheid mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht weiter mit dem Antrag, es seien ihr "die gesetzlichen Leistungen zuzusprechen"; eventualiter sei die Sache zur Einholung eines gerichtlichen Obergutachtens an die Vorinstanz, subeventualiter zur erneuten Abklärung an die IV-Stelle zurückzuweisen.

Erwägungen:

1.
Das kantonale Gericht hat in sorgfältiger Würdigung der gesamten (medizinischen) Aktenlage die Arbeitsfähigkeitsschätzung der SMAB AG bestätigt, wonach die Beschwerdeführerin in der angestammten und in einer angepassten Tätigkeit zu 100% arbeitsfähig ist, was einen Rentenanspruch (Art. 28 ff
SR 831.20 Bundesgesetz vom 19. Juni 1959 über die Invalidenversicherung (IVG)
IVG Art. 28 Grundsatz - 1 Anspruch auf eine Rente haben Versicherte, die:
1    Anspruch auf eine Rente haben Versicherte, die:
a  ihre Erwerbsfähigkeit oder die Fähigkeit, sich im Aufgabenbereich zu betätigen, nicht durch zumutbare Eingliederungsmassnahmen wieder herstellen, erhalten oder verbessern können;
b  während eines Jahres ohne wesentlichen Unterbruch durchschnittlich mindestens 40 Prozent arbeitsunfähig (Art. 6 ATSG206) gewesen sind; und
c  nach Ablauf dieses Jahres zu mindestens 40 Prozent invalid (Art. 8 ATSG) sind.
1bis    Eine Rente nach Absatz 1 wird nicht zugesprochen, solange die Möglichkeiten zur Eingliederung im Sinne von Artikel 8 Absätze 1bis und 1ter nicht ausgeschöpft sind.207
2    ...208
. IVG) ohne weiteres ausschloss.

2.
2.1 Die Beschwerdeführerin rügt es als bundesrechtswidrige Kognitionseinschränkung, dass das kantonale Gericht in E. 4.4.3 des Entscheides gestützt auf die Rechtsprechung zum zeitlich massgebenden Sachverhalt festhielt: "Die von der Beschwerdeführerin eingereichte psychiatrische Einschätzung von Dr. med. C.________, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie, und Dr. rer. nat. D.________, Neuropsychologin, vom 5. März 2015 datiert nach Erlass der vorliegend streitigen Verfügung (29. Januar 2015) und ist daher nicht zu berücksichtigen (...)." An der Rüge ist soviel richtig, dass ein (aufgelegter) medizinischer Bericht nicht allein deswegen von der gerichtlichen Prüfung ausgenommen werden darf, weil er von einem späteren Zeitpunkt als dem Tag des Verfügungserlasses datiert. Entscheidend ist vielmehr, ob ein solcher Bericht geeignet ist, die Beurteilung der (medizinischen) Verhältnisse im massgeblichen Verfügungszeitpunkt zu modifizieren (vgl. BGE 131 V 242 E. 2.1 S. 243). Dem trug die Vorinstanz Rechnung, indem sie erwog, die besagte psychiatrische Einschätzung liefere keine neuen Erkenntnisse respektive Diagnosen, welche nicht im Rahmen des psychiatrischen Gutachtens vom 24. Februar 2014 bzw. des polydisziplinären Gutachtens vom
8. Oktober 2014 abgehandelt worden seien. Soweit die Beschwerdeführerin dem mit dem Einwand widerspricht, der psychiatrische Vorgutachter (Dr. med. B.________) habe keine Persönlichkeitsdiagnostik durchgeführt, weshalb seine Diagnose "akzentuierte Persönlichkeitszüge" aufgrund der Anamnese und nicht eigener Abklärungen erfolgt sei, ergibt sich daraus keine Bundesrechtswidrigkeit (Art. 95 lit. a
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 95 Schweizerisches Recht - Mit der Beschwerde kann die Verletzung gerügt werden von:
a  Bundesrecht;
b  Völkerrecht;
c  kantonalen verfassungsmässigen Rechten;
d  kantonalen Bestimmungen über die politische Stimmberechtigung der Bürger und Bürgerinnen und über Volkswahlen und -abstimmungen;
e  interkantonalem Recht.
BGG). Denn ob eine Persönlichkeitsdiagnostik im Einzelfall Sinn macht, ist der Beurteilung durch den medizinisch-psychiatrischen Sachverständigen überlassen (BGE 141 V 281 E. 4.3.2 S. 302).
2.2 Wie schon im vorinstanzlichen Verfahren, macht die Beschwerdeführerin im Wesentlichen mit den gleichen Argumenten geltend, der rechtserhebliche Sachverhalt sei unvollständig und lückenhaft abgeklärt worden; es fehle an einer interdisziplinären Konsensbesprechung. Wegen der von der polydisziplinären Abklärung getrennten psychiatrischen Abklärung fehle es an einer rechtsgenüglichen Auseinandersetzung bezüglich Bewältigung der Schmerzsituation und verfügbaren Ressourcen, trotz Migräneerkrankung sowie auffälligen Persönlichkeitszügen einer Arbeitstätigkeit nachzugehen, wobei sich die Gutachter nicht einig seien, ob "eine Beurteilung der Arbeitsfähigkeit im Haushalt oder in Erwerb zu erfolgen" habe.
Davon abgesehen, dass dieser letzte Einwand angesichts eines von allen involvierten medizinischen Disziplinen im Wesentlichen als erhalten bezeichneten Leistungsvermögens unbehelflich ist und das Bundesgericht die Migräne mit BGE 140 V 290 nicht "als unklares Beschwerdebild der Schmerzrechtsprechung unterstellt" (Beschwerde S. 8 Ziff. 13.), die Frage vielmehr offen gelassen hat, ist der vorinstanzlichen Entscheidbegründung das Nötige zur Frage der Interdisziplinarität zu entnehmen, weshalb kein Anlass für Wiederholungen besteht. Eine abschliessende Konsensbesprechung unter Einbezug aller beteiligten Fachgebiete, deren Fehlen das Bundesgericht im Rahmen einer Aggravationsbeurteilung auch schon als Mangel bezeichnet hat (Urteil 9C 258/2014 vom 2. September 2014 E. 4.2, in: SZS 2015 S. 54), ist zwar wünschbar, aber keine stricto sensu gebotene Anforderung (z.B. Urteil 8C 569/2013 vom 30. September 2013 E. 4.2.3), so dass der Verzicht darauf Bundesrecht nicht verletzt (Art. 95 lit. a
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 95 Schweizerisches Recht - Mit der Beschwerde kann die Verletzung gerügt werden von:
a  Bundesrecht;
b  Völkerrecht;
c  kantonalen verfassungsmässigen Rechten;
d  kantonalen Bestimmungen über die politische Stimmberechtigung der Bürger und Bürgerinnen und über Volkswahlen und -abstimmungen;
e  interkantonalem Recht.
BGG). Der vom RAD am 17. April 2014, um "der Versicherten gerecht zu werden", befürworteten polydisziplinären Begutachtung war die Exploration durch Dr. med. B.________ vom 18. Februar 2014 vorausgegangen, welcher aus rein psychiatrischer Sicht "keine
die Arbeitsfähigkeit deutlich beeinträchtigende und invalidisierende psychische Krankheit" angab, wozu sich der RAD am 27. Februar 2014 schon geäussert hatte. Nach Eingang des SMAB-Gutachtens vom 8. Oktober 2014 würdigte der RAD am 14. Oktober 2014 nochmals abschliessend die medizinische Aktenlage, womit der Anforderung einer medizinischen Gesamtbeurteilung, welche Wechselwirkungen erfasst, Genüge getan ist.

3.
Da die Beschwerde offensichtlich unbegründet ist, wird sie im Verfahren nach Art. 109
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 109 Dreierbesetzung - 1 Die Abteilungen entscheiden in Dreierbesetzung über Nichteintreten auf Beschwerden, bei denen sich keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt oder kein besonders bedeutender Fall vorliegt, wenn die Beschwerde nur unter einer dieser Bedingungen zulässig ist (Art. 74 und 83-85). Artikel 58 Absatz 1 Buchstabe b findet keine Anwendung.
1    Die Abteilungen entscheiden in Dreierbesetzung über Nichteintreten auf Beschwerden, bei denen sich keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt oder kein besonders bedeutender Fall vorliegt, wenn die Beschwerde nur unter einer dieser Bedingungen zulässig ist (Art. 74 und 83-85). Artikel 58 Absatz 1 Buchstabe b findet keine Anwendung.
2    Sie entscheiden ebenfalls in Dreierbesetzung bei Einstimmigkeit über:
a  Abweisung offensichtlich unbegründeter Beschwerden;
b  Gutheissung offensichtlich begründeter Beschwerden, insbesondere wenn der angefochtene Akt von der Rechtsprechung des Bundesgerichts abweicht und kein Anlass besteht, diese zu überprüfen.
3    Der Entscheid wird summarisch begründet. Es kann ganz oder teilweise auf den angefochtenen Entscheid verwiesen werden.
BGG erledigt.

4.
Bei diesem Verfahrensausgang hat die Beschwerdeführerin die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens zu tragen (Art. 66 Abs. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 66 Erhebung und Verteilung der Gerichtskosten - 1 Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben.
1    Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben.
2    Wird ein Fall durch Abstandserklärung oder Vergleich erledigt, so kann auf die Erhebung von Gerichtskosten ganz oder teilweise verzichtet werden.
3    Unnötige Kosten hat zu bezahlen, wer sie verursacht.
4    Dem Bund, den Kantonen und den Gemeinden sowie mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen dürfen in der Regel keine Gerichtskosten auferlegt werden, wenn sie in ihrem amtlichen Wirkungskreis, ohne dass es sich um ihr Vermögensinteresse handelt, das Bundesgericht in Anspruch nehmen oder wenn gegen ihre Entscheide in solchen Angelegenheiten Beschwerde geführt worden ist.
5    Mehrere Personen haben die ihnen gemeinsam auferlegten Gerichtskosten, wenn nichts anderes bestimmt ist, zu gleichen Teilen und unter solidarischer Haftung zu tragen.
BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 15. Januar 2016

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Glanzmann

Die Gerichtsschreiberin: Bollinger Hammerle
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 9C_889/2015
Date : 15. Januar 2016
Published : 02. Februar 2016
Source : Bundesgericht
Status : Unpubliziert
Subject area : Invalidenversicherung
Subject : Invalidenversicherung


Legislation register
BGG: 66  95  109
IVG: 28
BGE-register
131-V-242 • 140-V-290 • 141-V-281
Weitere Urteile ab 2000
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2015 S.54