Bundesverwaltungsgericht
Tribunal administratif fédéral
Tribunale amministrativo federale
Tribunal administrativ federal


Abteilung III

C-1144/2011

Urteil vom 15. August 2013

Richter Bendicht Tellenbach (Vorsitz),
Richterin Ruth Beutler-Schweizer,
Besetzung Richter Antonio Imoberdorf,

Gerichtsschreiber Linus Sonderegger.

A._______,
und seine Ehefrau

B._______,

Parteien sowie das gemeinsame Kind

C._______,

alle wohnhaft (...),

Beschwerdeführende,

gegen

Bundesamt für Migration (BFM),
Quellenweg 6, 3003 Bern,

Vorinstanz.

Gegenstand Reisedokumente für ausländische Personen.

Sachverhalt:

A.
Der Beschwerdeführer A._______ (irakischer Staatsangehöriger, geb. 1972) reiste im November 1998 in die Schweiz ein, wo er um Asyl nachsuchte.

B.
Mit Verfügung vom 5. März 1999 lehnte das Bundesamt für Flüchtlinge (BFF - heute Bundesamt für Migration [BFM]) sein Asylgesuch ab, verfügte jedoch eine vorläufige Aufnahme wegen Unzulässigkeit des Wegweisungsvollzugs.

Die Beschwerdeführerin B._______ (irakische Staatsangehörige, geb. 1969, Ehefrau des Beschwerdeführers) reiste am 20. Juni 2008 in die Schweiz ein und suchte ebenfalls um Asyl nach. Mit Verfügung vom 25. Juli 2008 trat das BFM auf dieses Gesuch nicht ein, verfügte aber den Einbezug in die vorläufige Aufnahme ihres Ehemannes wegen Unzulässigkeit des Wegweisungsvollzugs.

C.
Der Beschwerdeführer erhielt am 2. Juni 2009 eine Aufenthaltsbewilligung, woraufhin auch die Beschwerdeführerin am 27. September 2010 und der gemeinsame Sohn bei seiner Geburt am 31. August 2009 eine Aufenthaltsbewilligung erhielten.

Mit Gesuch vom 18. November 2010 beantragten die Beschwerdeführenden die Ausstellung von Pässen für ausländische Personen. Zur Begründung der Schriftenlosigkeit reichten sie zwei Bestätigungsschreiben der irakischen Botschaft ein, wonach diese über keine genauen Informationen über die Dauer der Ausstellung von Pässen der Serie "G" in Bagdad verfüge und aus technischen Gründen bis auf Weiteres keine Anträge auf Ausstellung eines Passes der Serie "A" annehmen könne.

E.
Mit Verfügung vom 4. Februar 2011 (Eröffnung am 7. Februar 2011) wies das BFM die Gesuche um Ausstellung eines Passes für ausländische Personen ab.

F.
Diese Verfügung fochten die Beschwerdeführenden mit Eingabe vom 10. Februar 2011 (vom BFM am 15. Februar 2011 zuständigkeitshalber weitergeleitet) beim Bundesverwaltungsgericht an, beantragten die Aufhebung der angefochtenen Verfügung und die Gutheissung ihres Gesuchs um Ausstellung der Pässe.

G.
Mit Zwischenverfügung vom 24. Februar 2011 wurden die Beschwerdeführenden zur Leistung eines Kostenvorschusses aufgefordert, welcher fristgerecht bezahlt wurde.

H.
Mit Vernehmlassung vom 22. März 2011 äusserte sich die Vorinstanz zur Beschwerde und beantragte deren Abweisung.

I.

Am 2. Mai 2011 nahmen die Beschwerdeführenden zu den Ausführungen in der Vernehmlassung Stellung.

J.
Mit Zwischenverfügung vom 17. Juni 2013 erhielten die Beschwerdeführenden Gelegenheit, ihre jüngsten Bemühungen zur Papierbeschaffung darzulegen und etwaige Beweismittel einzureichen.

Diese Verfügung blieb unbeantwortet.

Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:

1.

1.1 Gemäss Art. 31 des Verwaltungsgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005 (VGG, SR 173.32) beurteilt das Bundesverwaltungsgericht Beschwerden gegen Verfügungen im Sinne von Art. 5 des Verwaltungsverfahrensgesetzes vom 20. Dezember 1968 (VwVG, SR 172.021), sofern keine
Ausnahme nach Art. 32 VGG vorliegt. Als Vorinstanzen gelten die in Art. 33 VGG genannten Behörden. Dazu gehört auch das BFM, das mit der Ablehnung der Ausstellung von Reisedokumenten für ausländische Personen (vgl. Art. 59 des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 2005 über die Ausländerinnen und Ausländer [AuG, SR 142.20] sowie Art. 1 der Verordnung über die Ausstellung von Reisedokumenten für ausländische Personen vom 14. November 2012 [RDV, SR 143.5]) eine Verfügung im erwähnten Sinne und daher ein zulässiges Anfechtungsobjekt erlassen hat. Eine Ausnahme nach Art. 32 VGG liegt nicht vor.

1.2 Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet in der vorliegenden Angelegenheit endgültig (Art. 83 Bst. c Ziff. 6 des Bundesgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005 [BGG, SR 173.110]).

1.3 Das Rechtsmittelverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht richtet sich nach dem VwVG, soweit das Verwaltungsgerichtsgesetz nichts anderes bestimmt (Art. 37 VGG).

1.4 Die Beschwerdeführenden sind als Verfügungsadressaten zur Beschwerde legitimiert (Art. 48 Abs. 1 VwVG). Auf die frist- und formgerecht eingereichte Beschwerde ist einzutreten (Art. 50 und 52 VwVG).

2.
Mit Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht kann die Verletzung von Bundesrecht einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des
Ermessens, die unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhaltes sowie - falls nicht eine kantonale Behörde als Beschwerdeinstanz verfügt hat - die Unangemessenheit gerügt werden (Art. 49 VwVG). Das Bundesverwaltungsgericht wendet das Bundesrecht von Amtes wegen an. Es ist gemäss Art. 62 Abs. 4 VwVG an die Begründung der Begehren nicht gebunden und kann die Beschwerde auch aus anderen als den geltend gemachten Gründen gutheissen oder abweisen. Massgebend ist grundsätzlich die Sachlage zum Zeitpunkt seines Entscheides (vgl. BVGE 2012/21 E. 5.1 S. 414 f.). Obwohl die angefochtene Verfügung unter Geltung der alten RDV vom 20. Januar 2010 (AS 2010 621) erlassen wurde, ist vorliegend das neue Recht anwendbar (vgl. Art. 32 RDV).

3.1 Das BFM kann an schriftenlose Ausländerinnen und Ausländer Reisepapiere ausstellen (Art. 59 Abs. 1 AuG). Einer schriftenlosen ausländischen Person mit Aufenthaltsbewilligung kann ein Pass für eine ausländische Person abgegeben werden (Art. 4 Abs. 2 RDV). Unabdingbare Voraussetzung für die Abgabe eines Passes für eine ausländische Person ist somit, dass diese schriftenlos ist. Als schriftenlos gilt eine ausländische Person, die keine gültigen Reisedokumente ihres Heimat- oder Herkunftsstaates besitzt (Art. 10 Abs. 1 RDV), und von der nicht verlangt werden kann, dass sie sich bei den zuständigen Behörden ihres Heimat- oder Herkunftsstaates um die Ausstellung oder Verlängerung eines Reisedokuments bemüht (Bst. a), oder für welche die Beschaffung von Reisedokumenten unmöglich ist (Bst. b). Gemäss Art. 10 Abs. 2 RDV begründen Verzögerungen, die bei der Ausstellung eines Reisedokuments bei den zuständigen Behörden des Heimat- oder Herkunftsstaates entstehen, die Schriftenlosigkeit nicht. Die Schriftenlosigkeit wird im Rahmen der Gesuchsprüfung durch das BFM festgestellt (Art. 10 Abs. 4 RDV).

3.2 Das BFM begründete seine Verfügung damit, dass solche Pässe nur an schriftenlose Personen abgegeben würden. Die Beschwerdeführenden würden die Voraussetzung der Schriftenlosigkeit nicht erfüllen. Sie würden über eine Aufenthaltsbewilligung verfügen und seien zu keinem Zeitpunkt in der Schweiz als Flüchtlinge anerkannt gewesen. Es sei ihnen möglich und zumutbar, sich bei den zuständigen Behörden des Heimatstaates in der Schweiz um die Ausstellung eines heimatlichen Reisedokuments zu bemühen. Da die irakische Botschaft technische Gründe für die momentane Unmöglichkeit der Beantragung eines Passes angegeben habe und keinerlei explizite Verweigerungsgründe vorlägen, sei nicht von der Schriftenlosigkeit auszugehen. Die Beschwerdeführenden hätten zudem die Möglichkeit, mit einem von der irakischen Botschaft ausgestellten Laissez-passer in den Irak zu reisen, um sich dort heimatliche Pässe zu beschaffen.

3.3 In der Beschwerdeschrift wurde diesen Erwägungen entgegnet, es sei den Beschwerdeführenden nicht möglich, in ihr Heimatland zu reisen, um dort heimatliche Pässe zu besorgen, da sie im Irak ihres Lebens nicht sicher seien. Sie hätten bis anhin noch nie die Möglichkeit gehabt, ihre in Europa lebenden Verwandten zu besuchen. Es wäre für sie auch sehr wichtig, dass ihr Kind einmal seine Verwandten sehen könnte.

3.4 In der Vernehmlassung führte die Vorinstanz in Ergänzung ihrer bisherigen Erwägungen aus, dass von den Beschwerdeführenden verlangt werden könne, mit den heimatlichen Behörden in der Schweiz und vor Ort im Irak Kontakt aufzunehmen. Das Härtefallgesuch und damit die Erteilung der Aufenthaltsbewilligung sei aufgrund der langen Aufenthaltsdauer und der damit verbundenen Integration in der Schweiz gutgeheissen worden. Der Beschwerdeführer A._______ (nachfolgend: der Beschwerdeführer) sei damals vorläufig aufgenommen worden, weil der Vollzug der Wegweisung aufgrund seiner Desertion zu diesem Zeitpunkt nicht zulässig gewesen sei. Seither habe sich die politische Situation im Irak jedoch grundlegend geändert, weshalb ihm nun zugemutet werden könne, sich ein Laissez-passer ausstellen zu lassen, um vor Ort im Irak einen Reisepass zu beantragen. Somit hätten die Beschwerdeführenden noch nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft, heimatliche Reisedokumente zu erhalten, weshalb sie nicht als schriftenlos gälten.

3.5 Diesen Ausführungen entgegneten die Beschwerdeführenden in der Replik, dass es der irakischen Vertretung in Bern derzeit nicht möglich sei, Pässe auszustellen. Sie würden sich nicht in den Irak begeben wollen, da sie befürchten würden, man könnte ihnen die Ausreise verweigern. Ohne Reisedokumente sei es ihnen nicht möglich, ihre Verwandten zu besuchen.

4.

4.1 Im vorliegenden Fall ist zu prüfen, ob die Vorinstanz die Schriftenlosigkeit - als unabdingbare Voraussetzung für die Ausstellung eines Reisedokuments - zu Recht verneinte, indem sie festhielt, es sei den Beschwerdeführenden möglich und zumutbar, ein Reisedokument bei den zuständigen heimatlichen Behörden zu beschaffen.

4.2 Die Frage, ob die Beschaffung von Reisedokumenten bei den Heimatbehörden von den betreffenden Personen verlangt werden kann (bzw. die Zumutbarkeit gemäss Art. 10 Abs. 1 Bst. a RDV), ist nicht nach subjektiven Gegebenheiten, sondern nach objektiven Massstäben zu beurteilen (vgl. Urteil des Bundesgerichts 2A.335/2006 vom 18. Oktober 2006 E. 2.1, mit Hinweis). Die Kontaktaufnahme mit den Heimatbehörden kann namentlich von schutzbedürftigen und asylsuchenden Personen nicht verlangt werden (Art. 10 Abs. 3 RDV). Dasselbe gilt praxisgemäss in der Regel auch für Personen, welche infolge Unzulässigkeit des Wegweisungsvollzugs vorläufig aufgenommen wurden (vgl. Art. 83 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 AuG). Die Beschwerdeführenden sind heute im Besitz einer Aufenthaltsbewilligung; es ist jedoch zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer - seine Ehefrau wurden in die vorläufige Aufnahme einbezogen - ursprünglich wegen Unzulässigkeit des Wegweisungsvollzugs vorläufig aufgenommen wurde, da ihm wegen seiner Desertion eine Misshandlung im Sinne von Art. 3 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK, SR 0.101)drohte. Die politische Situation (die Unzulässigkeit des Wegweisungsvollzugs wurde im Jahre 1999 festgestellt) hat sich mit dem von den USA angeführten militärischen Eingreifen im Irak im Jahre 2003 grundlegend geändert, indem das Regime Saddam Husseins gestürzt wurde. Da die nordirakische Armee zudem keinen obligatorischen Wehrdienst kennt (vgl. Report on Joint Finnish-Swiss Fact-Finding Mission to Amman and the Kurdish Regional Government [KRG] Area, May 10-22, 2011, 5.1.1. Peshmerga, S. 27), kann angenommen werden, dem Beschwerdeführer drohe bei heutiger Sachlage keine EMRK-widrige Misshandlung, so dass nicht mehr von der Unzulässigkeit des Wegweisungsvollzugs auszugehen wäre. Somit ist den Beschwerdeführenden die Kontaktaufnahme mit den heimatlichen Behörden grundsätzlich zumutbar, wobei sie ohnehin bereits problemlos mit der irakischen Vertretung in der Schweiz in Kontakt getreten sind (vgl. dazu die drei eingereichten Bestätigungsschreiben aus den Jahren 2012 und 2010).

5.

5.1 Die Beschwerdeführenden bringen weiter vor, die irakische Botschaft in Bern könne aus technischen Gründen bis auf Weiteres keine Passausstellungen vornehmen. Sie würden auch nicht mit ihrem Laissez-passer in den Irak reisen wollen, da sie befürchten würden, dort an der Ausreise gehindert zu werden. Dies mache es ihnen unmöglich, gültige Reisedokumente zu beschaffen.

5.2 Die Vorinstanz ging früher noch davon aus, Personen aus dem Zentral- oder dem Nordirak könnten sich keine heimatlichen Reisedokumente mehr beschaffen und seien deshalb grundsätzlich als schriftenlos zu betrachten. Anfang 2005 ging die irakische Vertretung in der Schweiz jedoch dazu über, ihren hierzulande wohnhaften Staatsangehörigen auf Gesuch hin heimatliche Reisepässe auszustellen. Nachdem zwischenzeitlich Pässe der (allgemein anerkannten) Serie "G" ausgestellt worden waren, fand auf Anfang des Jahres 2010 erneut eine Umstellung statt. Seither ist nur noch die Ausstellung von Pässen der neuen Serie "A" vorgesehen. Auf der Internetseite der irakischen Vertretung in Deutschland wird denn auch darauf hingewiesen, dass die irakischen Behörden keine Passanträge der Serie "A" mehr entgegen nehmen, bis das neue System zur Passausstellung installiert werde. Sobald dieses zur Verfügung stehe, würden wieder Termine vereinbart (vgl. www.iraqiembassy-berlin.de/ docs/de/konsulat8_de.php, besucht am 20. Juli 2013; vgl. auch die Urteile des Bundesverwaltungsgerichts C-1826/2012 vom 29. August 2012 E. 5.3 und C-2830/2011 vom 13. April 2012 E. 4.2).

5.3 Die Beschwerdeführenden sind sodann darauf hinzuweisen, dass gemäss Auskünften der irakischen Botschaft in Bern vom März 2012 in der Schweiz lebende irakische Staatsangehörige ihre Anträge betreffend Ausstellung eines Passes der Serie "A" persönlich bei der irakischen Botschaft in Paris stellen können. Vorausgesetzt werde, dass die betroffene Person über einen irakischen Personalausweis (Hawitt Al Ahwal Al-Medanie) und die irakische Staatsangehörigkeitsurkunde (Shahadit al-Jensie) verfüge. Mit diesen Dokumenten sowie Passfotos müsse bei der irakischen Botschaft in Bern vorgesprochen werden, nach der Bearbeitung müssten diese persönlich bei der irakischen Botschaft in Paris eingereicht werden, wozu ein Termin zu vereinbaren sei (vgl. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts C-2830/2011 vom 13. April 2012 E. 4.2). Sollten die Beschwerdeführenden nicht über die genannten Dokumente verfügen, könnten sie diese gemäss Abklärungen des BFM von einer bevollmächtigten Drittperson - beispielsweise einem Anwalt - im Irak erhältlich machen (vgl. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts C 8018/2008 vom 16. März 2011 E. 5.4).

5.4 Entgegen ihren Befürchtungen bräuchten die Beschwerdeführenden mithin nicht in den Irak zu reisen, um sich die Pässe ausstellen zu lassen. Dass sie zur Beschaffung eines Passes möglicherweise eine mit Umständen verbundene Reise nach Paris unternehmen müssen, haben sie hinzunehmen. Es ist ihnen daher zuzumuten, mit einem bei der irakischen Vertretung gegebenenfalls noch zu beantragenden Dokument nach Frankreich zu reisen. An dieser Stelle ist noch zu erwähnen, dass sie zur erfolgreichen Ausstellung der Pässe in Paris die in vorangehender Erwägung erwähnten Vorbereitungsarbeiten bereits erledigt haben müssen (vgl. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts C-1826/2012 vom 29. August 2012 E. 5.4).

5.5 Die Beschwerdeführenden belegen lediglich eine jeweils einmalige Vorsprache je eines Ehegatten ([...] 2010) sowie eine gemeinsame Vorsprache ([...] 2012) bei der irakischen Botschaft in Bern. Dass sie weitere Versuche unternommen haben, sich bei den heimatlichen Behörden Reisedokumente zu beschaffen, wird weder behauptet noch belegt. Angesichts dieser nicht hinreichenden Bemühungen der Beschwerdeführenden und der geschilderten (freilich umständlichen) Möglichkeit der Passbeschaffung kann nicht gesagt werden, die Beschaffung von irakischen Reisedokumenten sei für die Beschwerdeführenden unmöglich im Sinne von Art. 6 Abs. 1 Bst. b RDV.

5.6 Unter Hinweis auf die Praxis des Bundesverwaltungsgerichts ist der Vollständigkeit halber festzuhalten, dass Verzögerungen bei der Ausstellung von Reisedokumenten für die im Ausland lebenden irakischen Staatsbürger zweifellos unbefriedigend sind. Dem klaren Wortlaut von Art. 6 Abs. 2 RDV zufolge begründen jedoch Verzögerungen, die bei der Ausstellung eines Reisedokuments bei den zuständigen Behörden des Heimat- oder Herkunftsstaates entstehen, die Schriftenlosigkeit im Sinne der Reisedokumentenverordnung nicht. Dass die Verordnung diese Regel aufstellt, rührt daher, dass die Schweiz regelmässig gehalten wäre, in die völkerrechtlich verankerte Passhoheit und damit in die Souveränität anderer Staaten einzugreifen, würde sie in einer solchen Situation auf breiter Basis von Schriftenlosigkeit ausgehen (vgl. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts C-5168/2010 vom 22. Oktober 2012 E. 4.4, mit Hinweisen). Mit der Anerkennung der (objektiven) Unmöglichkeit als eine der Voraussetzungen für die Annahme der Schriftenlosigkeit soll vordringlich vermieden werden, dass eine Person an Auslandreisen gehindert wird, wenn sich die Heimatbehörden ohne zureichenden Grund - und damit willkürlich - weigern, ein Reisepapier auszustellen (vgl. bspw. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts C 7509/2010 vom 17. Mai 2011 E. 4.6, mit Hinweisen). Dass dies vorliegend der Fall gewesen wäre, wird nicht geltend gemacht, und die Akten enthalten keine entsprechenden Anhaltspunkte. Die Ausstellung von Pässen durch die irakischen Vertretungen erfährt vielmehr - wie dargelegt - auf breiter Basis organisatorisch und damit grundsätzlich sachlich bedingte Verzögerungen. Solche Verzögerungen sind von den irakischen Staatsangehörigen hinzunehmen. Im vorliegenden Fall dauern sie auch (noch) nicht derart lange an, dass sie im Ergebnis einer Verweigerung der Ausstellung eines Reisedokuments gleichkämen. Festzustellen ist an dieser Stelle indes, dass in Fällen von ausserordentlich langen Verzögerungen, deren Ende nicht absehbar ist, bei einer verfassungskonformen Auslegung der entsprechenden Bestimmungen der Reisedokumentenverordnung ebenfalls von der Unmöglichkeit der Beschaffung von Reisepapieren im Sinne von Art. 6 Abs. 1 Bst. b RDV ausgegangen werden müsste (vgl. insb. Art. 10 Abs. 2 und Art. 13 der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 [BV, SR 101]). Um einen solchen Fall handelt es sich vorliegend jedoch nicht, nachdem sich die Beschwerdeführenden bei den Heimatbehörden ohnehin nicht hinreichend um die Ausstellung eines Reisedokuments bemüht haben (s. vorne, E. 5.5).

5.7 Zusammenfassend ist festzuhalten, dass den Beschwerdeführenden die Beschaffung gültiger heimatlicher Reisedokumente zumutbar ist (Art. 6 Abs. 1 Bst. a RDV) und diese Beschaffung vorliegend auch nicht als objektiv unmöglich im Sinne von Art. 6 Abs. 1 Bst. b RDV bezeichnet werden kann. Die Beschwerdeführenden sind folglich nicht als schriftenlos im Sinne von Art. 6 Abs. 1 RDV zu betrachten.

6.
Aus diesen Darlegungen folgt, dass die Vorinstanz zu Recht die Schriftenlosigkeit der Beschwerdeführenden verneint und die Ausstellung von Pässen für ausländische Personen verweigert hat. Die angefochtene Verfügung erweist sich somit im Lichte von Art. 49 VwVG als rechtmässig. Die Beschwerde ist demzufolge abzuweisen.

7.
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend werden die unterliegenden Beschwerdeführenden kostenpflichtig (Art. 63 Abs. 1 VwVG). Die Verfahrenskosten sind auf Fr. 800.- festzusetzen (Art. 1, Art. 2 und Art. 3 Bst. b des Reglements vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht [SR 173.320.2]) und mit dem in gleicher Höhe geleisteten Kostenvorschuss zu verrechnen.

(Dispositiv nächste Seite)

Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Verfahrenskosten von Fr. 800.- werden den Beschwerdeführenden auferlegt und mit dem am 3. März 2011 geleisteten Kostenvorschuss in gleicher Höhe verrechnet.

3.
Dieses Urteil geht an:

- die Beschwerdeführenden (Einschreiben)

- die Vorinstanz (Ref-Nr. N [...]; Akten retour)

- das Migrationsamt des Kantons X._______ (Ref-Nr. [...])

Der vorsitzende Richter: Der Gerichtsschreiber:

Bendicht Tellenbach Linus Sonderegger

Versand:
Decision information   •   DEFRITEN
Document : C-1144/2011
Date : 15. August 2013
Published : 27. August 2013
Source : Bundesverwaltungsgericht
Status : Unpubliziert
Subject area : Bürgerrecht und Ausländerrecht
Subject : Reisedokumente für ausländische Personen


Legislation register
AuG: 59  83
BGG: 83
BV: 10  13
EMRK: 3
RDV: 1  4  6  10  32
VGG: 31  32  33  37
VwVG: 5  48  49  50  52  62  63
Weitere Urteile ab 2000
2A.335/2006
Keyword index
Sorted by frequency or alphabet
iraq • federal administrational court • lower instance • rice • sojourn grant • series • [noenglish] • travel documents • position • preliminary acceptance • advance on costs • spouse • costs of the proceedings • [noenglish] • clerk • departure • appointment • statement of affairs • impossibility of performance • duration
... Show all
BVGE
2012/21
BVGer
C-1144/2011 • C-1826/2012 • C-2830/2011 • C-5168/2010 • C-7509/2010 • C-8018/2008
AS
AS 2010/621