Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
1B 675/2011

Urteil vom 14. Dezember 2011
I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident,
Bundesrichter Raselli, Merkli,
Gerichtsschreiber Pfäffli.

Verfahrensbeteiligte
X.________, Beschwerdeführer,

gegen

Kantonales Untersuchungsamt, Wirtschaftsdelikte, Klosterhof 8a, 9001 St. Gallen.

Gegenstand
Strafverfahren; Nichtanhandnahme,

Beschwerde gegen den Entscheid vom 9. November 2011 der Anklagekammer des Kantons St. Gallen.

Erwägungen:

1.
X.________ erstattete am 7. März 2011 Strafanzeige gegen Y.________ und machte geltend, sein Hund sei am 6. März 2011 von ihrem Hund angegriffen und gebissen worden. Das Untersuchungsamt St. Gallen trat mit Verfügung vom 29. Juni 2011 auf die Strafklage nicht ein. Gegen die Nichtanhandnahmeverfügung erhob X.________ am 25. Juli 2011 Beschwerde, auf welche die Anklagekammer des Kantons St. Gallen wegen verspäteter Beschwerdeeinreichung nicht eintrat.

2.
X.________ führt mit Eingabe vom 27. November 2011 Beschwerde in Strafsachen gegen den Entscheid der Anklagekammer des Kantons St. Gallen. Das Bundesgericht verzichtet auf die Einholung von Vernehmlassungen.

3.
Der Beschwerdeführer macht geltend, der Nichteintretensentscheid verstosse gegen den Grundsatz von Treu und Glauben (Art. 9
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 9 Schutz vor Willkür und Wahrung von Treu und Glauben - Jede Person hat Anspruch darauf, von den staatlichen Organen ohne Willkür und nach Treu und Glauben behandelt zu werden.
BV) sowie auch gegen Art. 10
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 10 Recht auf Leben und auf persönliche Freiheit - 1 Jeder Mensch hat das Recht auf Leben. Die Todesstrafe ist verboten.
1    Jeder Mensch hat das Recht auf Leben. Die Todesstrafe ist verboten.
2    Jeder Mensch hat das Recht auf persönliche Freiheit, insbesondere auf körperliche und geistige Unversehrtheit und auf Bewegungsfreiheit.
3    Folter und jede andere Art grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung sind verboten.
, 24
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 24 Niederlassungsfreiheit - 1 Schweizerinnen und Schweizer haben das Recht, sich an jedem Ort des Landes niederzulassen.
1    Schweizerinnen und Schweizer haben das Recht, sich an jedem Ort des Landes niederzulassen.
2    Sie haben das Recht, die Schweiz zu verlassen oder in die Schweiz einzureisen.
und 30
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 30 Gerichtliche Verfahren - 1 Jede Person, deren Sache in einem gerichtlichen Verfahren beurteilt werden muss, hat Anspruch auf ein durch Gesetz geschaffenes, zuständiges, unabhängiges und unparteiisches Gericht. Ausnahmegerichte sind untersagt.
1    Jede Person, deren Sache in einem gerichtlichen Verfahren beurteilt werden muss, hat Anspruch auf ein durch Gesetz geschaffenes, zuständiges, unabhängiges und unparteiisches Gericht. Ausnahmegerichte sind untersagt.
2    Jede Person, gegen die eine Zivilklage erhoben wird, hat Anspruch darauf, dass die Sache vom Gericht des Wohnsitzes beurteilt wird. Das Gesetz kann einen anderen Gerichtsstand vorsehen.
3    Gerichtsverhandlung und Urteilsverkündung sind öffentlich. Das Gesetz kann Ausnahmen vorsehen.
BV.

3.1 Gemäss Art. 396 Abs. 1
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 396 Form und Frist - 1 Die Beschwerde gegen schriftlich oder mündlich eröffnete Entscheide ist innert 10 Tagen schriftlich und begründet bei der Beschwerdeinstanz einzureichen.
1    Die Beschwerde gegen schriftlich oder mündlich eröffnete Entscheide ist innert 10 Tagen schriftlich und begründet bei der Beschwerdeinstanz einzureichen.
2    Beschwerden wegen Rechtsverweigerung oder Rechtsverzögerung sind an keine Frist gebunden.
StPO ist die Beschwerde innert 10 Tagen schriftlich und begründet bei der Beschwerdeinstanz einzureichen. Nach Art. 85 Abs. 4 lit. a
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 85 Form der Mitteilungen und der Zustellung - 1 Die Strafbehörden bedienen sich für ihre Mitteilungen der Schriftform, soweit dieses Gesetz nichts Abweichendes bestimmt.
1    Die Strafbehörden bedienen sich für ihre Mitteilungen der Schriftform, soweit dieses Gesetz nichts Abweichendes bestimmt.
2    Die Zustellung erfolgt durch eingeschriebene Postsendung oder auf andere Weise gegen Empfangsbestätigung, insbesondere durch die Polizei.
3    Sie ist erfolgt, wenn die Sendung von der Adressatin oder dem Adressaten oder von einer angestellten oder im gleichen Haushalt lebenden, mindestens 16 Jahre alten Person entgegengenommen wurde. Vorbehalten bleiben Anweisungen der Strafbehörden, eine Mitteilung der Adressatin oder dem Adressaten persönlich zuzustellen.
4    Sie gilt zudem als erfolgt:
a  bei einer eingeschriebenen Postsendung, die nicht abgeholt worden ist: am siebten Tag nach dem erfolglosen Zustellungsversuch, sofern die Person mit einer Zustellung rechnen musste;
b  bei persönlicher Zustellung, wenn die Adressatin oder der Adressat die Annahme verweigert und dies von der Überbringerin oder dem Überbringer festgehalten wird: am Tag der Weigerung.
StPO gilt eine Zustellung bei einer eingeschriebenen Postsendung, die nicht abgeholt worden ist, am siebten Tag nach dem erfolglosen Zustellungsversuch als erfolgt, sofern die Person mit einer Zustellung rechnen musste. Die Begründung eines Verfahrensverhältnisses verpflichtet die Parteien, sich nach Treu und Glauben zu verhalten, d.h. unter anderem dafür zu sorgen, dass ihnen Entscheidungen, welche das Verfahren betreffen, zugestellt werden können (BGE 130 III 396 E. 1.2.3 S. 399). Von einem Verfahrensbeteiligten ist zu verlangen, dass er für die Nachsendung seiner an die bisherige Adresse gelangenden Korrespondenz besorgt ist, allenfalls längere Ortsabwesenheiten der Behörde mitteilt oder einen Stellvertreter ernennt (BGE 119 V 89 E. 4b/aa S. 94).

3.2 Der Beschwerdeführer musste angesichts seiner Anzeigeerstattung vom 7. März 2011 mit der Zustellung eines behördlichen Schriftstückes rechnen. Daran ändert nichts, dass die Zustellung der Nichtanhandnahmverfügung dreieinhalb Monate nach der Anzeigeerstattung erfolgte, da dies - entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers - keinesfalls eine lange Verfahrensdauer darstellt.
Mithin galt die nach den unbestrittenen Feststellungen im angefochtenen Entscheid am 30. Juni 2011 zur Abholung gemeldete Nichtanhandnahmeverfügung sieben Tage später, d.h. am 7. Juli 2011 als zugestellt. Die zehntägige Rechtsmittelfrist lief somit am 18. Juli 2011 ab (vgl. Art. 90 Abs. 2
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 90 Beginn und Berechnung der Fristen - 1 Fristen, die durch eine Mitteilung oder den Eintritt eines Ereignisses ausgelöst werden, beginnen am folgenden Tag zu laufen.
1    Fristen, die durch eine Mitteilung oder den Eintritt eines Ereignisses ausgelöst werden, beginnen am folgenden Tag zu laufen.
2    Fällt der letzte Tag der Frist auf einen Samstag, einen Sonntag oder einen vom Bundesrecht oder vom kantonalen Recht anerkannten Feiertag, so endet sie am nächstfolgenden Werktag. Massgebend ist das Recht des Kantons, in dem die Partei oder ihr Rechtsbeistand den Wohnsitz oder den Sitz hat.38
StPO) und die Beschwerdekammer trat auf die am 25. Juli 2011 erhobene Beschwerde nicht ein. Die Rügen, die der Beschwerdeführer dagegen vorbringt, erweisen sich, soweit sie den Begründungsanforderungen von Art. 42 Abs. 2
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 42 Rechtsschriften - 1 Rechtsschriften sind in einer Amtssprache abzufassen und haben die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift zu enthalten.
1    Rechtsschriften sind in einer Amtssprache abzufassen und haben die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift zu enthalten.
2    In der Begründung ist in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Akt Recht verletzt. Ist eine Beschwerde nur unter der Voraussetzung zulässig, dass sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt oder aus anderen Gründen ein besonders bedeutender Fall vorliegt, so ist auszuführen, warum die jeweilige Voraussetzung erfüllt ist. 14 15
3    Die Urkunden, auf die sich die Partei als Beweismittel beruft, sind beizulegen, soweit die Partei sie in Händen hat; richtet sich die Rechtsschrift gegen einen Entscheid, so ist auch dieser beizulegen.
4    Bei elektronischer Einreichung muss die Rechtsschrift von der Partei oder ihrem Vertreter beziehungsweise ihrer Vertreterin mit einer qualifizierten elektronischen Signatur gemäss Bundesgesetz vom 18. März 201616 über die elektronische Signatur versehen werden. Das Bundesgericht bestimmt in einem Reglement:
a  das Format der Rechtsschrift und ihrer Beilagen;
b  die Art und Weise der Übermittlung;
c  die Voraussetzungen, unter denen bei technischen Problemen die Nachreichung von Dokumenten auf Papier verlangt werden kann.17
5    Fehlen die Unterschrift der Partei oder ihrer Vertretung, deren Vollmacht oder die vorgeschriebenen Beilagen oder ist die Vertretung nicht zugelassen, so wird eine angemessene Frist zur Behebung des Mangels angesetzt mit der Androhung, dass die Rechtsschrift sonst unbeachtet bleibt.
6    Unleserliche, ungebührliche, unverständliche, übermässig weitschweifige oder nicht in einer Amtssprache verfasste Rechtsschriften können in gleicher Weise zur Änderung zurückgewiesen werden.
7    Rechtsschriften, die auf querulatorischer oder rechtsmissbräuchlicher Prozessführung beruhen, sind unzulässig.
BGG zu genügen vermögen, als offensichtlich unbegründet.

4.
Demnach ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Auf eine Kostenauflage kann verzichtet werden (Art. 66 Abs. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 66 Erhebung und Verteilung der Gerichtskosten - 1 Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben.
1    Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben.
2    Wird ein Fall durch Abstandserklärung oder Vergleich erledigt, so kann auf die Erhebung von Gerichtskosten ganz oder teilweise verzichtet werden.
3    Unnötige Kosten hat zu bezahlen, wer sie verursacht.
4    Dem Bund, den Kantonen und den Gemeinden sowie mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen dürfen in der Regel keine Gerichtskosten auferlegt werden, wenn sie in ihrem amtlichen Wirkungskreis, ohne dass es sich um ihr Vermögensinteresse handelt, das Bundesgericht in Anspruch nehmen oder wenn gegen ihre Entscheide in solchen Angelegenheiten Beschwerde geführt worden ist.
5    Mehrere Personen haben die ihnen gemeinsam auferlegten Gerichtskosten, wenn nichts anderes bestimmt ist, zu gleichen Teilen und unter solidarischer Haftung zu tragen.
BGG). Damit ist das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege gegenstandslos geworden.

Demnach erkennt der Präsident:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Es werden keine Kosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Kantonalen Untersuchungsamt und der Anklagekammer des Kantons St. Gallen schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 14. Dezember 2011
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Fonjallaz

Der Gerichtsschreiber: Pfäffli
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 1B_675/2011
Date : 14. Dezember 2011
Published : 01. Januar 2011
Source : Bundesgericht
Status : Unpubliziert
Subject area : Strafprozess
Subject : Strafverfahren; Nichtanhandnahme


Legislation register
BGG: 42  66
BV: 9  10  24  30
StPO: 85  90  396
BGE-register
119-V-89 • 130-III-396
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