Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
6B 219/2008/sst

Urteil vom 14. Juli 2008
Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Schneider, Präsident,
Bundesrichter Favre, Zünd,
Gerichtsschreiber Störi.

Parteien
X.________, Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Markus Raess,

gegen

Staatsanwaltschaft des Kantons Appenzell A.Rh., Rathaus, 9043 Trogen, Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Vorsätzliche Tötung, mehrfaches Führen eines Motorfahrzeuges ohne Führerausweis; Strafzumessung,

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Appenzell A.Rh. vom 10. Juli 2007.

Sachverhalt:

A.
Das Kantonsgericht von Appenzell A.Rh. verurteilte X.________ am 28. August 2006 wegen vorsätzlicher Tötung und mehrfachen Führens eines Motorfahrzeuges ohne Führerausweis zu 9 Jahren Zuchthaus und widerrief den bedingten Vollzug einer vom Untersuchungsamt St. Gallen am 3. November 2003 ausgesprochenen Gefängnisstrafe von 5 Tagen. Es hielt (u.a.) für erwiesen, dass X.________ am 28. Februar 2005 +C.________ erschossen hatte.
Auf Appellation von X.________ und Anschlussappellation der Staatsanwaltschaft hin bestätigte das Obergericht des Kantons Appenzell A.Rh. am 25. März 2008 das erstinstanzliche Urteil im Schuldpunkt, passte die Strafe ans neue Recht an, erhöhte sie um ein Jahr auf 10 Jahre Freiheitsstrafe und verhängte zusätzlich eine Busse von 400 Franken (Dispositiv-Ziff. 4-6). Es auferlegte ihm die Verfahrenskosten (Dispositiv-Ziff. 7), entschädigte den amtlichen Verteidiger aus der Staatskasse (Dispositiv-Ziff. 8) und verurteilte ihn zu einer Parteientschädigung an die Geschädigten (Dispositiv-Ziff. 9).

B.
Mit Beschwerde in Strafsachen beantragt X.________, die Dispositiv-Ziffern 4-9 des obergerichtlichen Urteils aufzuheben und die Sache an das Obergericht zurückzuweisen oder ihn eventuell vom Vorwurf der vorsätzlichen Tötung freizusprechen und lediglich wegen mehrfachen Führens eines Motorfahrzeugs ohne Führerausweis angemessen zu bestrafen, unter Zusprechung einer Entschädigung für die überschiessende Untersuchungshaft. Subeventuell sei er im Sinne der Anklage schuldig zu sprechen und zu einer Freiheitsstrafe von 7 Jahren zu verurteilten. Zudem ersucht er um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung.
Die Staatsanwaltschaft beantragt in ihrer Vernehmlassung, die Beschwerde abzuweisen. Das Obergericht hat auf Stellungnahme verzichtet.

Erwägungen:

1.
Der Beschwerdeführer rügt, das Obergericht habe den Untersuchungsgrundsatz von Art. 18
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 18 Zwangsmassnahmengericht - 1 Das Zwangsmassnahmengericht ist zuständig für die Anordnung der Untersuchungs- und der Sicherheitshaft und, soweit in diesem Gesetz vorgesehen, für die Anordnung oder Genehmigung weiterer Zwangsmassnahmen.
1    Das Zwangsmassnahmengericht ist zuständig für die Anordnung der Untersuchungs- und der Sicherheitshaft und, soweit in diesem Gesetz vorgesehen, für die Anordnung oder Genehmigung weiterer Zwangsmassnahmen.
2    Mitglieder des Zwangsmassnahmengerichts können im gleichen Fall nicht als Sachrichterinnen oder Sachrichter tätig sein.
und 19
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 19 Erstinstanzliches Gericht - 1 Das erstinstanzliche Gericht beurteilt in erster Instanz alle Straftaten, die nicht in die Zuständigkeit anderer Behörden fallen.
1    Das erstinstanzliche Gericht beurteilt in erster Instanz alle Straftaten, die nicht in die Zuständigkeit anderer Behörden fallen.
2    Bund und Kantone können als erstinstanzliches Gericht ein Einzelgericht vorsehen für die Beurteilung von:
a  Übertretungen;
b  Verbrechen und Vergehen, mit Ausnahme derer, für welche die Staatsanwaltschaft eine Freiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren, eine Verwahrung nach Artikel 64 StGB5, eine Behandlung nach Artikel 59 StGB oder, bei gleichzeitig zu widerrufenden bedingten Sanktionen, einen Freiheitsentzug von mehr als zwei Jahren beantragt.
der Ausserrhodischen Strafprozessordnung vom 30. April 1978 (StPO) bzw. seinen Anspruch auf gerechte Beurteilung i.S. von Art. 29 Abs. 1
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 29 Allgemeine Verfahrensgarantien - 1 Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung sowie auf Beurteilung innert angemessener Frist.
1    Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung sowie auf Beurteilung innert angemessener Frist.
2    Die Parteien haben Anspruch auf rechtliches Gehör.
3    Jede Person, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, hat Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege, wenn ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint. Soweit es zur Wahrung ihrer Rechte notwendig ist, hat sie ausserdem Anspruch auf unentgeltlichen Rechtsbeistand.
BV und Art. 6 Ziff. 1
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 6 Recht auf ein faires Verfahren - (1) Jede Person hat ein Recht darauf, dass über Streitigkeiten in Bezug auf ihre zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen oder über eine gegen sie erhobene strafrechtliche Anklage von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Das Urteil muss öffentlich verkündet werden; Presse und Öffentlichkeit können jedoch während des ganzen oder eines Teiles des Verfahrens ausgeschlossen werden, wenn dies im Interesse der Moral, der öffentlichen Ordnung oder der nationalen Sicherheit in einer demokratischen Gesellschaft liegt, wenn die Interessen von Jugendlichen oder der Schutz des Privatlebens der Prozessparteien es verlangen oder - soweit das Gericht es für unbedingt erforderlich hält - wenn unter besonderen Umständen eine öffentliche Verhandlung die Interessen der Rechtspflege beeinträchtigen würde.
a  innerhalb möglichst kurzer Frist in einer ihr verständlichen Sprache in allen Einzelheiten über Art und Grund der gegen sie erhobenen Beschuldigung unterrichtet zu werden;
b  ausreichende Zeit und Gelegenheit zur Vorbereitung ihrer Verteidigung zu haben;
c  sich selbst zu verteidigen, sich durch einen Verteidiger ihrer Wahl verteidigen zu lassen oder, falls ihr die Mittel zur Bezahlung fehlen, unentgeltlich den Beistand eines Verteidigers zu erhalten, wenn dies im Interesse der Rechtspflege erforderlich ist;
d  Fragen an Belastungszeugen zu stellen oder stellen zu lassen und die Ladung und Vernehmung von Entlastungszeugen unter denselben Bedingungen zu erwirken, wie sie für Belastungszeugen gelten;
e  unentgeltliche Unterstützung durch einen Dolmetscher zu erhalten, wenn sie die Verhandlungssprache des Gerichts nicht versteht oder spricht.
EMRK verletzt.
Die Verletzung von kantonalem Gesetzesrecht ist zwar kein zulässiger Beschwerdegrund (Art. 95
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 95 Schweizerisches Recht - Mit der Beschwerde kann die Verletzung gerügt werden von:
a  Bundesrecht;
b  Völkerrecht;
c  kantonalen verfassungsmässigen Rechten;
d  kantonalen Bestimmungen über die politische Stimmberechtigung der Bürger und Bürgerinnen und über Volkswahlen und -abstimmungen;
e  interkantonalem Recht.
BGG). Das schadet dem Beschwerdeführer vorliegend insofern nicht, als er in der Beschwerde nachweist, dass sich die kantonalen Strafverfolgungs- und Anklagebehörden ebenso wie die erkennenden Gerichte offenkundig in unhaltbarer Weise über ihre in Art. 21
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 21 Berufungsgericht - 1 Das Berufungsgericht entscheidet über:
1    Das Berufungsgericht entscheidet über:
a  Berufungen gegen Urteile der erstinstanzlichen Gerichte;
b  Revisionsgesuche.
2    Wer als Mitglied der Beschwerdeinstanz tätig geworden ist, kann im gleichen Fall nicht als Mitglied des Berufungsgerichts wirken.
3    Mitglieder des Berufungsgerichts können im gleichen Fall nicht als Revisionsrichterinnen und Revisionsrichter tätig sein.
StPO festgelegte Verpflichtung zur Erforschung der materiellen Wahrheit hinweggesetzt und damit Art. 9
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 9 Schutz vor Willkür und Wahrung von Treu und Glauben - Jede Person hat Anspruch darauf, von den staatlichen Organen ohne Willkür und nach Treu und Glauben behandelt zu werden.
BV verletzt haben. Auf diese gehörig begründete Willkürrüge ist einzutreten.

2.
2.1 Der Sachverhalt ist insoweit unbestritten, als es am 28. Februar 2005, um ca. 15 Uhr, beim WinWin-Markt in Herisau zu einer Schlägerei zwischen +C.________ und A.Y.________ kam, in deren Verlauf letzterer einen Nasenbeinbruch erlitt. A.Y.________ telefonierte seinem Bruder B.________ und dem Freund oder Ex-Freund einer seiner Schwestern, Z.________, und liess sich dann im Spital Herisau behandeln. Nach ca. 20:30 Uhr begaben sich Z.________, B.Y.________ und A.Y.________ zum Imbiss "Säntis Kebab-Pizza" in Herisau. Um 20:44 Uhr meldete sich X.________, der Schwager der Gebrüder Y.________ telefonisch bei Z.________ und stiess kurz darauf zur Runde, in welcher beschlossen wurde, +C.________ zu stellen und ihm einen Denkzettel zu verpassen. Sie machten ausfindig, dass sich dessen Wohnung im gleichen Gebäude befand wie das "Säntis Kebab-Pizza", worauf Z.________ dort klingelte und den ihm unbekannten +C.________ aufforderte, seinen Wagen umzuparkieren. Dieser kam der Aufforderung nicht sofort nach, sondern liess einige Minute verstreichen. Als er die Strasse betrat, befanden sich dort nur noch B.Y.________ und X.________. Z.________ und A.Y.________ waren bereits weggefahren. Nach dem Eintreffen von +C.________ zog X.________ eine
Pistole aus dem Hosenbund und schoss ihm in die Brust, woran er kurz danach verstarb.
Umstritten ist, was sich zwischen dem Aufeinandertreffen der drei Männer und der Schussabgabe des Beschwerdeführers abspielte. Die Aussagen des Beschwerdeführers zum Tatgeschehen sind widersprüchlich, teils will er unvermittelt geschossen haben, teils nach einer vorgängigen tätlichen Auseinandersetzung. B.Y.________ hat stets bestritten, dass vor der Schussabgabe durch den Beschwerdeführer eine solche stattfand.

2.2 Nach Art. 21
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 21 Berufungsgericht - 1 Das Berufungsgericht entscheidet über:
1    Das Berufungsgericht entscheidet über:
a  Berufungen gegen Urteile der erstinstanzlichen Gerichte;
b  Revisionsgesuche.
2    Wer als Mitglied der Beschwerdeinstanz tätig geworden ist, kann im gleichen Fall nicht als Mitglied des Berufungsgerichts wirken.
3    Mitglieder des Berufungsgerichts können im gleichen Fall nicht als Revisionsrichterinnen und Revisionsrichter tätig sein.
StPO sind die Strafverfolgungsbehörden zur Erforschung der Wahrheit verpflichtet, die Beweisabnahme ist auf alle Tatsachen zu erstrecken, welche für die Beurteilung von Tat und Täter von Bedeutung sind. Es bedarf keiner weiteren Ausführungen, dass für die strafrechtliche Beurteilung von Tat und Täter entscheidend ist, was sich zwischen dem Aufeinandertreffen der drei Männer und der Schussabgabe durch den Beschwerdeführer genau abspielte. Die Strafverfolgungsbehörden waren damit klarerweise verpflichtet, alle verfügbaren Beweise zu erheben, die geeignet sind, das Tatgeschehen zu erhellen.

2.3 Das Verbrechen wurde von einem unbeteiligten Dritten, D.________, welcher zur Tatzeit am Tatort vorbeigefahren ist, beobachtet und der Polizei gemeldet. Tags darauf von dieser befragt, hat er ausgesagt, er habe die drei Personen schon frühzeitig sehen können. Obwohl sie nur beieinander gestanden seien, sei ihm die Situation komisch vorgekommen. Beim Näherkommen habe er einen der Männer dem Griechen - er habe aus der Presse erfahren, dass es ein Grieche gewesen sei, er kenne diesen im Übrigen, habe ihn aber damals nicht erkannt - einen Schlag und unmittelbar danach einen Stoss versetzen sehen, worauf der Grieche ausgerutscht und zu Boden gefallen sei. Als er auf der Höhe des Tatorts angekommen sei, habe er kurz auf die Strasse achten müssen. Als er wieder auf die Szene geschaut habe, habe er in der Hand des hinteren Mannes eine Schusswaffe gesehen, die er zuvor nicht bemerkt habe. Fast gleichzeitig habe er einen Knall vernommen. Der Schütze habe auf eine Entfernung von 2 - 3 m einen gezielten Schuss auf den am Boden liegenden Mann abgegeben.

2.4 Das Obergericht hat dazu erwogen, die Aussage von D.________ sei nicht verwertbar, da dieser nie als Zeuge befragt worden sei. Es sei nicht seine Sache dies nachzuholen, auf Grund der Konzeption der Strafprozessordnung sollten die Gerichte keine grundlegenden Untersuchungshandlungen vornehmen müssen, da bereits vom Verhöramt eine umfassende tatsächliche und rechtliche Würdigung gefordert werde. Bei der den Gerichten zustehenden Möglichkeit, selber Beweise zu erheben, habe der Gesetzgeber an Beweishandlungen gedacht, die sich erstmals in diesem Verfahrensstadium aufdrängten. Im jetzigen Verfahrensstadium erscheine eine Rückweisung der Untersuchung wegen des Zeitablaufs von rund 2 ½ Jahren nicht mehr sinnvoll.

2.5 Dieses Vorgehen der Untersuchungs- und der Anklagebehörde sowie beider kantonalen Gerichtsinstanzen ist schlechterdings nicht nachvollziehbar: Bei der Untersuchung eines Tötungsdelikts meldet sich ein unbeteiligter Augenzeuge, der dessen Ablauf exklusiv mitverfolgt und der Polizei genau geschildert hat, und weder die Strafverfolgungsbehörden noch die erkennenden Gerichte halten es für angebracht bzw. notwendig, ihn als Zeugen einzuvernehmen und dadurch als Beweismittel ins Verfahren einzuführen. Stattdessen gehen sie von den wenigen auf Grund übereinstimmender Aussagen oder objektiven Beweismitteln feststehenden Tatsachen aus - dass das Opfer vom Beschwerdeführer und seinen Komplizen unter einem Vorwand auf die Strasse gelockt, dort von diesem und B.Y.________ erwartet und anschliessend vom Beschwerdeführer mit einem Schuss in die Brust getötet wurde -, lassen offen, ob es vor der Schussabgabe zu einer tätlichen Auseinandersetzung kam und nehmen auf Grund des Wundkanals an, das Opfer sei bei der Schussabgabe seitlich zum Beschwerdeführer gestanden. Daraus zieht das Obergericht wiederum den Schluss, dass das Opfer in diesem Zeitpunkt nicht im Begriff war, den Beschwerdeführer anzugreifen, da nach seinen Erfahrungen Angriffe
frontal ausgeführt werden, nicht aus einer seitlich abgewandten Position, und verneint (u.a.) damit das Vorliegen sowohl einer Notwehr- als auch einer Putativnotwehrsituation. Indem das Obergericht somit spekulative und wenigstens teilweise den Beobachtungen des einzigen Augenzeugen widersprechende Annahmen trifft, obwohl ein Beweismittel verfügbar wäre, das geeignet erscheint, das Tatgeschehen weitgehend zu erhellen, setzt es sich in willkürlicher Weise über seine in Art. 21
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 21 Berufungsgericht - 1 Das Berufungsgericht entscheidet über:
1    Das Berufungsgericht entscheidet über:
a  Berufungen gegen Urteile der erstinstanzlichen Gerichte;
b  Revisionsgesuche.
2    Wer als Mitglied der Beschwerdeinstanz tätig geworden ist, kann im gleichen Fall nicht als Mitglied des Berufungsgerichts wirken.
3    Mitglieder des Berufungsgerichts können im gleichen Fall nicht als Revisionsrichterinnen und Revisionsrichter tätig sein.
StPO festgelegte Pflicht zur Erforschung der materiellen Wahrheit hinweg, die Rüge ist offensichtlich begründet.

2.6 Die Staatsanwaltschaft wendet in ihrer Vernehmlassung zwar ein, es müsse offen bleiben, ob es sinnvoll gewesen wäre, den angeblichen Augenzeugen untersuchungsrichterlich einzuvernehmen. Tatsache sei, dass dessen Aussage einerseits etliche Widersprüche aufweise, anderseits aber den Beschwerdeführer auf schwerwiegendste Weise belaste. Die Tatumstände seien schliesslich anderweitig - auch durch das Geständnis - geklärt worden, sodass auf eine Einvernahme des Augenzeugen, der nicht mehr mit dieser Angelegenheit habe konfrontiert werden wollen, verzichtet worden sei.
Diese Einwände sind unbegründet. Wie sich aus den obenstehenden Ausführungen (E. 2.5) ergibt, ist das Tatgeschehen keineswegs durch andere Beweismittel in einer Weise abgeklärt und belegt, die eine untersuchungsrichterliche oder gerichtliche Einvernahme des einzigen unbeteiligten Augenzeugen überflüssig erscheinen lassen könnte. Der Umstand, dass dessen Aussagen nach der Einschätzung der Staatsanwaltschaft Widersprüche enthalten und den Beschwerdeführer schwer belasten, spricht nicht gegen, sondern für dessen Einvernahme als Zeugen. Dass D.________ mit dieser Geschichte nicht mehr konfrontiert werden möchte, ist verständlich, stellt aber offensichtlich keinen zureichenden Grund dar, von einer Befragung als Zeuge abzusehen. Zutreffend ist, dass seine Darstellung des Vorfalls gegenüber der Polizei den Beschwerdeführer stärker belastet als der vom Obergericht angenommene Sachverhalt. Abschliessend lässt sich dies indessen erst nach der Würdigung der Zeugenaussage von D.________ beurteilen, und es wird Sache des Obergerichts sein zu entscheiden, ob die prozessuale Situation eine allfällige Schlechterstellung des Beschwerdeführers zulässt oder nicht. Entgegen der Auffassung des Obergerichts liegt es zudem keineswegs nahe, dass sich der
Augenzeuge an ein derart dramatisches Ereignis nicht mehr erinnern kann; auf dessen Einvernahme konnte es daher auch nicht in willkürfreier antizipierter Beweiswürdigung verzichten. (BGE 124 I 274 E. 5b S. 285 mit Hinweisen, siehe auch BGE 131 I 153 E. 3 S. 157 mit Hinweisen).

3.
Die Willkürrüge ist daher gutzuheissen, der angefochtene Entscheid ohne Prüfung der weiteren Rügen aufzuheben und die Sache ans Obergericht zurückzuweisen. Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind keine Kosten zu erheben (Art. 66 Abs. 4
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 66 Erhebung und Verteilung der Gerichtskosten - 1 Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben.
1    Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben.
2    Wird ein Fall durch Abstandserklärung oder Vergleich erledigt, so kann auf die Erhebung von Gerichtskosten ganz oder teilweise verzichtet werden.
3    Unnötige Kosten hat zu bezahlen, wer sie verursacht.
4    Dem Bund, den Kantonen und den Gemeinden sowie mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen dürfen in der Regel keine Gerichtskosten auferlegt werden, wenn sie in ihrem amtlichen Wirkungskreis, ohne dass es sich um ihr Vermögensinteresse handelt, das Bundesgericht in Anspruch nehmen oder wenn gegen ihre Entscheide in solchen Angelegenheiten Beschwerde geführt worden ist.
5    Mehrere Personen haben die ihnen gemeinsam auferlegten Gerichtskosten, wenn nichts anderes bestimmt ist, zu gleichen Teilen und unter solidarischer Haftung zu tragen.
BGG). Hingegen hat der Kanton Appenzell A.Rh. dem Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren eine angemessene Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 68
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 68 Parteientschädigung - 1 Das Bundesgericht bestimmt im Urteil, ob und in welchem Mass die Kosten der obsiegenden Partei von der unterliegenden zu ersetzen sind.
1    Das Bundesgericht bestimmt im Urteil, ob und in welchem Mass die Kosten der obsiegenden Partei von der unterliegenden zu ersetzen sind.
2    Die unterliegende Partei wird in der Regel verpflichtet, der obsiegenden Partei nach Massgabe des Tarifs des Bundesgerichts alle durch den Rechtsstreit verursachten notwendigen Kosten zu ersetzen.
3    Bund, Kantonen und Gemeinden sowie mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen wird in der Regel keine Parteientschädigung zugesprochen, wenn sie in ihrem amtlichen Wirkungskreis obsiegen.
4    Artikel 66 Absätze 3 und 5 ist sinngemäss anwendbar.
5    Der Entscheid der Vorinstanz über die Parteientschädigung wird vom Bundesgericht je nach Ausgang des Verfahrens bestätigt, aufgehoben oder geändert. Dabei kann das Gericht die Entschädigung nach Massgabe des anwendbaren eidgenössischen oder kantonalen Tarifs selbst festsetzen oder die Festsetzung der Vorinstanz übertragen.
BGG). Damit wird das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung gegenstandslos.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen, der angefochtene Entscheid vom 10. Juli 2007 aufgehoben und die Sache ans Obergericht des Kantons Appenzell A.Rh. zurückgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Der Kanton Appenzell A.Rh. hat dem Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren eine Parteientschädigung von Fr. 3'000.-- zu bezahlen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Appenzell A.Rh. schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 14. Juli 2008
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Schneider Störi
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 6B_219/2008
Date : 14. Juli 2008
Published : 01. August 2008
Source : Bundesgericht
Status : Unpubliziert
Subject area : Straftaten
Subject : Vorsätzliche Tötung, mehrfaches Führen eines Motorfahrzeuges ohne Führerausweis; Strafzumessung


Legislation register
BGG: 66  68  95
BV: 9  29
EMRK: 6
StPO: 18  19  21
BGE-register
124-I-274 • 131-I-153
Weitere Urteile ab 2000
6B_219/2008
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