Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
1B 151/2017
Urteil vom 14. Juni 2017
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Merkli, Präsident,
Bundesrichter Karlen, Chaix,
Gerichtsschreiber Störi.
Verfahrensbeteiligte
A.________,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt Xavier Dobler,
gegen
1. Daniel Bussmann, Obergericht des Kantons Zürich,
II. Strafkammer, Postfach, 8021 Zürich,
2. Marco Ruggli, Obergericht des Kantons Zürich,
II. Strafkammer, Postfach, 8021 Zürich,
3. Beat Stiefel, Obergericht des Kantons Zürich,
II. Strafkammer, Postfach, 8021 Zürich,
4. Nevin Karabayir, Obergericht des Kantons Zürich,
II. Strafkammer, Postfach, 8021 Zürich,
Beschwerdegegner.
Gegenstand
Strafverfahren; Ausstand,
Beschwerde gegen den Beschluss vom 14. März 2017 des Obergerichts des Kantons Zürich, I. Strafkammer.
Sachverhalt:
A.
Laut Anklage der Staatsanwaltschaft IV des Kantons Zürich vom 6. Mai 2015 soll A.________ am 19. Oktober 2014, um ca. 04:00 Uhr, im Club X.________ in Affoltern am Albis, B.________ im Verlaufe von Meinungsverschiedenheiten eine Bierflasche so heftig ins Gesicht geschlagen haben, dass diese zersplitterte. B.________ erlitt multiple Schnittwunden im Gesicht.
Am 14. September 2015 sprach das Bezirksgericht Affoltern A.________ vom Anklagevorwurf der eventualvorsätzlich versuchten schweren Körperverletzung (Art. 122 Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 122 - Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer vorsätzlich: |
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a | einen Menschen lebensgefährlich verletzt; |
b | den Körper, ein wichtiges Organ oder Glied eines Menschen verstümmelt oder ein wichtiges Organ oder Glied unbrauchbar macht, einen Menschen bleibend arbeitsunfähig, gebrechlich oder geisteskrank macht, das Gesicht eines Menschen arg und bleibend entstellt; |
c | eine andere schwere Schädigung des Körpers oder der körperlichen oder geistigen Gesundheit eines Menschen verursacht. |
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 22 - 1 Führt der Täter, nachdem er mit der Ausführung eines Verbrechens oder Vergehens begonnen hat, die strafbare Tätigkeit nicht zu Ende oder tritt der zur Vollendung der Tat gehörende Erfolg nicht ein oder kann dieser nicht eintreten, so kann das Gericht die Strafe mildern. |
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1 | Führt der Täter, nachdem er mit der Ausführung eines Verbrechens oder Vergehens begonnen hat, die strafbare Tätigkeit nicht zu Ende oder tritt der zur Vollendung der Tat gehörende Erfolg nicht ein oder kann dieser nicht eintreten, so kann das Gericht die Strafe mildern. |
2 | Verkennt der Täter aus grobem Unverstand, dass die Tat nach der Art des Gegenstandes oder des Mittels, an oder mit dem er sie ausführen will, überhaupt nicht zur Vollendung gelangen kann, so bleibt er straflos. |
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 263 - 1 Wer infolge selbstverschuldeter Trunkenheit oder Betäubung unzurechnungsfähig ist und in diesem Zustand eine als Verbrechen oder Vergehen bedrohte Tat verübt, wird mit Geldstrafe bestraft.350 |
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1 | Wer infolge selbstverschuldeter Trunkenheit oder Betäubung unzurechnungsfähig ist und in diesem Zustand eine als Verbrechen oder Vergehen bedrohte Tat verübt, wird mit Geldstrafe bestraft.350 |
2 | Hat der Täter in diesem selbstverschuldeten Zustand ein mit Freiheitsstrafe als einzige Strafe bedrohtes Verbrechen begangen, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe.351 |
Am 29. Januar 2016 führte die II. Strafkammer des Zürcher Obergerichts die Berufungsverhandlung durch. Dabei wurde den Parteien verkündet, dass die Sache nicht spruchreif sei und ein neues Gutachten in Auftrag gegeben werden müsse. Gleichentags gab das Gericht ein Gutachten zur Schuldfähigkeit von A.________ und zur allfälligen Notwendigkeit einer Weisung betreffend Alkoholabstinenz in Auftrag. Es bestellte Prof. Dr. Elmar Habermeyer als Gutachter und gab den Parteien Gelegenheit, sich zu den Gutachterfragen zu äussern. Am 15. Juli 2016 erstatteten Prof. Habermeyer und M. Sc. Fanny de Tribolet-Hardy ihr Gutachten.
Am 27. August 2016 stellte A.________ Ausstandsbegehren gegen die mit dem Fall befassten Oberrichter Bussmann, Ruggli und Stiefel sowie die Gerichtsschreiberin Karabayir. Weiter verlangte er den Ausstand der Gutachter Habermeyer und Tribolet-Hardy. Die drei Oberrichter und die Gerichtsschreiberin nahmen Stellung und erklärten, sich nicht als befangen zu erachten.
Am 27. September 2016 überwies der Präsident der II. Strafkammer die Ausstandsgesuche und die Stellungnahmen dazu der I. Strafkammer zur Behandlung.
Mit Verfügung vom 17. Oktober 2016 hielt der Präsident der I. Strafkammer fest, dass für die Beurteilung der Ausstandsgesuche gegen die Gutachter Habermeyer und Tribolet-Hardy nach rechtskräftiger Erledigung des bei seiner Kammer hängigen Verfahrens die II. Strafkammer zuständig sein werde.
Am 14. März 2017 wies die I. Strafkammer die Ausstandsgesuche gegen die Oberrichter Bussmann, Ruggli und Stiefel sowie die Gerichtsschreiberin Karabayir ab.
B.
Mit Beschwerde in Strafsachen beantragt A.________, diesen Beschluss der I. Strafkammer aufzuheben, die Ausstandsgesuche gegen die Oberrichter Bussmann, Ruggli und Stiefel sowie die Gerichtsschreiberin Karabayir gutzuheissen oder eventuell die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Seiner Beschwerde sei aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Ausserdem ersucht er um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung.
C.
Die Oberrichter Bussmann, Ruggli und Stiefel sowie die Gerichtsschreiberin Karabayir verzichten auf Vernehmlassung.
D.
Am 4. Mai 2017 erkannte der Präsident der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung der Beschwerde aufschiebende Wirkung zu.
Erwägungen:
1.
Der angefochtene Entscheid schliesst das Strafverfahren nicht ab, er ermöglicht vielmehr dessen Weiterführung. Es handelt sich um einen selbständig eröffneten, kantonal letztinstanzlichen Zwischenentscheid über ein Ausstandsbegehren, gegen den die Beschwerde in Strafsachen nach Art. 92 Abs. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz BGG Art. 92 - 1 Gegen selbständig eröffnete Vor- und Zwischenentscheide über die Zuständigkeit und über Ausstandsbegehren ist die Beschwerde zulässig. |
|
1 | Gegen selbständig eröffnete Vor- und Zwischenentscheide über die Zuständigkeit und über Ausstandsbegehren ist die Beschwerde zulässig. |
2 | Diese Entscheide können später nicht mehr angefochten werden. |
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz BGG Art. 81 Beschwerderecht - 1 Zur Beschwerde in Strafsachen ist berechtigt, wer: |
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1 | Zur Beschwerde in Strafsachen ist berechtigt, wer: |
a | vor der Vorinstanz am Verfahren teilgenommen hat oder keine Möglichkeit zur Teilnahme erhalten hat; und |
b | ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Entscheids hat, insbesondere: |
b1 | die beschuldigte Person, |
b2 | ihr gesetzlicher Vertreter oder ihre gesetzliche Vertreterin, |
b3 | die Staatsanwaltschaft, ausser bei Entscheiden über die Anordnung, die Verlängerung und die Aufhebung der Untersuchungs- und Sicherheitshaft, |
b4 | ... |
b5 | die Privatklägerschaft, wenn der angefochtene Entscheid sich auf die Beurteilung ihrer Zivilansprüche auswirken kann, |
b6 | die Person, die den Strafantrag stellt, soweit es um das Strafantragsrecht als solches geht, |
b7 | die Staatsanwaltschaft des Bundes und die beteiligte Verwaltung in Verwaltungsstrafsachen nach dem Bundesgesetz vom 22. März 197455 über das Verwaltungsstrafrecht. |
2 | Eine Bundesbehörde ist zur Beschwerde berechtigt, wenn das Bundesrecht vorsieht, dass ihr der Entscheid mitzuteilen ist.56 |
3 | Gegen Entscheide nach Artikel 78 Absatz 2 Buchstabe b steht das Beschwerderecht auch der Bundeskanzlei, den Departementen des Bundes oder, soweit das Bundesrecht es vorsieht, den ihnen unterstellten Dienststellen zu, wenn der angefochtene Entscheid die Bundesgesetzgebung in ihrem Aufgabenbereich verletzen kann. |
2.
Nach Art. 56 lit. f
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung StPO Art. 56 Ausstandsgründe - Eine in einer Strafbehörde tätige Person tritt in den Ausstand, wenn sie: |
|
a | in der Sache ein persönliches Interesse hat; |
b | in einer anderen Stellung, insbesondere als Mitglied einer Behörde, als Rechtsbeistand einer Partei, als Sachverständige oder Sachverständiger, als Zeugin oder Zeuge, in der gleichen Sache tätig war; |
c | mit einer Partei, ihrem Rechtsbeistand oder einer Person, die in der gleichen Sache als Mitglied der Vorinstanz tätig war, verheiratet ist, in eingetragener Partnerschaft lebt oder eine faktische Lebensgemeinschaft führt; |
d | mit einer Partei in gerader Linie oder in der Seitenlinie bis und mit dem dritten Grad verwandt oder verschwägert ist; |
e | mit dem Rechtsbeistand einer Partei oder einer Person, die in der gleichen Sache als Mitglied der Vorinstanz tätig war, in gerader Linie oder in der Seitenlinie bis und mit dem zweiten Grad verwandt oder verschwägert ist; |
f | aus anderen Gründen, insbesondere wegen Freundschaft oder Feindschaft mit einer Partei oder deren Rechtsbeistand, befangen sein könnte. |
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 30 Gerichtliche Verfahren - 1 Jede Person, deren Sache in einem gerichtlichen Verfahren beurteilt werden muss, hat Anspruch auf ein durch Gesetz geschaffenes, zuständiges, unabhängiges und unparteiisches Gericht. Ausnahmegerichte sind untersagt. |
|
1 | Jede Person, deren Sache in einem gerichtlichen Verfahren beurteilt werden muss, hat Anspruch auf ein durch Gesetz geschaffenes, zuständiges, unabhängiges und unparteiisches Gericht. Ausnahmegerichte sind untersagt. |
2 | Jede Person, gegen die eine Zivilklage erhoben wird, hat Anspruch darauf, dass die Sache vom Gericht des Wohnsitzes beurteilt wird. Das Gesetz kann einen anderen Gerichtsstand vorsehen. |
3 | Gerichtsverhandlung und Urteilsverkündung sind öffentlich. Das Gesetz kann Ausnahmen vorsehen. |
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) EMRK Art. 6 Recht auf ein faires Verfahren - (1) Jede Person hat ein Recht darauf, dass über Streitigkeiten in Bezug auf ihre zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen oder über eine gegen sie erhobene strafrechtliche Anklage von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Das Urteil muss öffentlich verkündet werden; Presse und Öffentlichkeit können jedoch während des ganzen oder eines Teiles des Verfahrens ausgeschlossen werden, wenn dies im Interesse der Moral, der öffentlichen Ordnung oder der nationalen Sicherheit in einer demokratischen Gesellschaft liegt, wenn die Interessen von Jugendlichen oder der Schutz des Privatlebens der Prozessparteien es verlangen oder - soweit das Gericht es für unbedingt erforderlich hält - wenn unter besonderen Umständen eine öffentliche Verhandlung die Interessen der Rechtspflege beeinträchtigen würde. |
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a | innerhalb möglichst kurzer Frist in einer ihr verständlichen Sprache in allen Einzelheiten über Art und Grund der gegen sie erhobenen Beschuldigung unterrichtet zu werden; |
b | ausreichende Zeit und Gelegenheit zur Vorbereitung ihrer Verteidigung zu haben; |
c | sich selbst zu verteidigen, sich durch einen Verteidiger ihrer Wahl verteidigen zu lassen oder, falls ihr die Mittel zur Bezahlung fehlen, unentgeltlich den Beistand eines Verteidigers zu erhalten, wenn dies im Interesse der Rechtspflege erforderlich ist; |
d | Fragen an Belastungszeugen zu stellen oder stellen zu lassen und die Ladung und Vernehmung von Entlastungszeugen unter denselben Bedingungen zu erwirken, wie sie für Belastungszeugen gelten; |
e | unentgeltliche Unterstützung durch einen Dolmetscher zu erhalten, wenn sie die Verhandlungssprache des Gerichts nicht versteht oder spricht. |
7.1, in: Pra 2007 Nr. 26 S. 161; 1P.634/2002 vom 17. März 2003 E. 5.1).
3.
3.1. Das Obergericht behandelt das Berufungsverfahren gegen den Beschwerdeführer wie üblich im sogenannten Referentensystem. Dabei bereiten sich alle beteiligten Richter und die Gerichtsschreiberin aufgrund der Akten auf die Berufungsverhandlung vor und bilden sich eine vorläufige Meinung. Einer der Richter erstellt als Referent vor der Verhandlung schriftlich einen vorläufigen Urteilsantrag, überarbeitet ihn anhand der an der Berufungsverhandlung gewonnenen Erkenntnisse und lässt ihn anschliessend als Ausdruck seiner aufgrund der Akten und der Verhandlung abschliessend gewonnenen richterlichen Überzeugung in die Urteilsfindung der Kammer einfliessen. Der Urteilsantrag des Referenten ist damit ein Arbeitspapier, welches als Grundlage für die interne richterliche Urteilsberatung dient.
3.2. Vorliegend hat Oberrichter Stiefel nach unbestrittener Darstellung als Referent die Akten durchgearbeitet und dabei Eindrücke, Fragen, erste Einschätzungen etc. auf "Post-it"-Zetteln notiert und an den entsprechenden Stellen in die Akten geklebt. Anhand dieser Notizen hat er dann den Fall mit der Gerichtsschreiberin vorbesprochen und sie beauftragt, für ihn den schriftlichen Urteilsantrag zu erstellen. Sie hat anschliessend, zwar in Kenntnis der ersten, vorläufigen Überlegungen des Referenten, aber ohne Weisungen, den Urteilsantrag in eigener Verantwortung erarbeitet. In der Folge zirkulierten die Akten mit den "Post-it"-Zetteln bei den beiden weiteren mit dem Fall befassten Oberrichtern und wurden in dieser Form auch den Gutachtern zur Verfügung gestellt.
3.3. Der Beschwerdeführer macht in der Sache geltend, die Mitrichter und die Gerichtsschreiberin hätten die Akten nicht in originalem, unverändertem Zustand erhalten, sondern mit den Klebezetteln des Referenten versehen, auf denen er angezeigt habe, wie die bezeichneten Aktenstellen zu interpretieren seien. Dadurch sei die autonome richterliche Meinungsbildung beeinflusst bzw. die unabhängige und freie Würdigung der Beweise durch die Mitrichter beeinträchtigt worden. Nicht entscheidend sei, ob die "Post-it"-Zettel aus Versehen in den Akten geblieben seien und ob sie von den Mitrichtern und der Gerichtsschreiberin überhaupt gelesen wurden oder nicht. Der Umstand, dass sie dies hätten tun können, genüge, um den Anschein der Befangenheit zu erwecken. Dazu komme, dass die Anmerkungen des Referenten äusserst einseitig erfolgt seien und berechtigte Zweifel an seiner Unvoreingenommenheit erwecken würden.
Einen weiteren Grund für die Voreingenommenheit der am Fall beteiligten Richter und der Gerichtsschreiberin sieht der Beschwerdeführer im Umstand, dass das Gericht an der Berufungsverhandlung erklärt habe, keine Zweifel an der Täterschaft des Beschwerdeführers zu haben, obwohl es noch kein Sachurteil gefällt habe; darin liege eine unzulässige Vorverurteilung. Die Vorinstanz habe diesen Einwand zu Unrecht als verspätet zurückgewiesen.
4.
4.1. Unbestritten ist, dass die Mitrichter und die Gerichtsschreiberin die Akten nicht im Originalzustand erhielten, sondern versehen mit den "Post-it"-Zetteln des Referenten. Das ist insofern unglücklich, als es naturgemäss schwieriger ist, sich selber eine eigene Meinung z.B. zu einer in den Akten liegenden Aussage eines Zeugen oder des Beschuldigten zu bilden, wenn aus einem nicht übersehbaren "Post-it"-Zettel hervorgeht, dass sie der Referent anzweifelt. Es ist jedenfalls theoretisch nicht auszuschliessen, dass das Vorwissen um die Zweifel des Referenten die eigene Interpretation der Aktenstelle unbewusst beeinflussen kann. Anderseits gehört die Beweiswürdigung zur Kernkompetenz eines Gerichts, und der Ausschluss von externen Einflüssen, die sich nicht aus den Akten ergeben, bildet das A und O dieser Tätigkeit. Ein Richter muss sich mit anderen Worten bei der Beweiswürdigung ständig Rechenschaft ablegen, ob sich seine Beurteilungen ausschliesslich auf die Akten stützen lassen und er ausschliessen kann, dass er sich unzulässigerweise anderweitig - z.B. durch Presseberichte zum erstinstanzlichen Verfahren - beeinflussen lässt. Die Befürchtung, dass sich die Richter und die Gerichtsschreiberin bei der Beweiswürdigung von den
"Post-it"-Zetteln des Referenten beeinflussen liessen, erscheint daher jedenfalls dann unbegründet, solange keine Anzeichen dafür bestehen, dass sie sich effektiv davon leiten liessen. Solche Anzeichen sind nicht ersichtlich. Der Umstand, dass sie die Akten mit den "Post-it"-Zetteln des Referenten erhielten, ist daher nicht geeignet, die Mitrichter und die Gerichtsschreiberin als befangen erscheinen zu lassen.
4.2. Für den Beschwerdeführer ist der Referent befangen, weil ihn sämtliche An- bzw. Bemerkungen auf den "Post-it"-Zetteln belasten würden; entlastende Notizen fänden sich dagegen keine. Der Einwand ist unbegründet. Abgesehen davon, dass die Zettel auch in ihrer Gesamtheit nicht ansatzweise eine auch nur vorläufige Beweiswürdigung beinhalten, so liegt es in der Natur der Sache, dass ein Berufungsrichter, bei dem ein Freispruch angefochten ist, sein Augenmerk zunächst auf mögliche Schwachstellen und Ungereimtheiten der vorinstanzlichen Beweiswürdigung richtet und seine "Post-it"-Zettel mit dem entsprechenden Kommentar dort anbringt, wo er prima vista solche auszumachen meint. Dass diese Zettel aus Sicht des Beschwerdeführers in ihrer überwiegenden Mehrheit belastend sind, ist daher kein Beleg für eine Voreingenommenheit des Referenten.
4.3. Auch der vom Obergericht bestellte Gutachter und die von diesem beigezogene Sachverständige erhielten die Akten in kommentierter Form. Darin liegt nach der Auffassung des Beschwerdeführers eine unsachgerechte Einflussnahme auf die Bildung der Expertenmeinung der Gerichtsgutachter durch die II. Strafkammer, die geeignet sei, Misstrauen in die Unparteilichkeit des Spruchkörpers zu erwecken.
Die "Post-it"-Zettel beziehen sich praktisch ausschliesslich auf die Beweiswürdigung bzw. den Nachweis der Täterschaft des Beschwerdeführers. Mit dieser Fragestellung hatte sich einzig das Obergericht selber zu beschäftigen, nicht aber die Gutachter. Der Kammerpräsident hat denn auch beim Abbruch der Verhandlung ausdrücklich festgehalten, die Kammer sei überzeugt, dass der Beschwerdeführer die ihm vorgeworfene Tat begangen habe und die rechtliche Würdigung der Anklagebehörde zutreffend sei. Der Gutachter ist vom Obergericht bei der Erteilung des Auftrags ausdrücklich angewiesen worden, im Sinne einer Arbeitshypothese von der Darstellung der Anklageschrift auszugehen. Die "Post-it"-Zettel waren somit von vornherein nicht geeignet, die Arbeit der Gutachter zu beeinflussen; der Umstand, dass ihnen das Obergericht (versehentlich) die kommentierten Akten zur Verfügung stellte, lässt die Mitglieder des Spruchkörpers daher nicht befangen erscheinen.
4.4. Der Beschwerdeführer ist der Auffassung, das Obergericht habe ihn vorverurteilt, indem es festgehalten habe, an seiner Täterschaft bestünden keine Zweifel, obwohl es noch gar kein Urteil gefällt habe. Das Obergericht hat diese Rüge zu Recht als verspätet zurückgewiesen, nachdem es diese Feststellung bereits an der Berufungsverhandlung vom 29. Januar 2016 getroffen hatte, der Beschwerdeführer dies aber erst 7 Monate später als unzulässig rügte. Der Einwand des Beschwerdeführers, er habe nicht davon ausgehen müssen, dass sich das urteilende Gericht am 29. Januar 2016 in Bezug auf seine Täterschaft bereits abschliessend festgelegt habe, geht fehl. Nach dem Verhandlungsprotokoll hat sich der Präsident in diesem Punkt unmissverständlich geäussert, und auch das weitere Vorgehen - die Einholung eines neuen Gutachtens - macht nur Sinn, wenn das Obergericht beim Unterbruch der Verhandlung von der Täterschaft des Beschwerdeführers ausging.
Das Vorgehen des Obergerichts ist im Übrigen ohnehin nicht zu beanstanden. Zwar kann es die Verhandlung zweiteilen und zunächst die Tatfrage beurteilen und in einem zweiten Verfahrensteil die Schuldfrage sowie die Folgen eines Schuld- oder Freispruchs behandeln (Art. 342 Abs. 1 lit. b
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung StPO Art. 342 Zweiteilung der Hauptverhandlung - 1 Auf Antrag der beschuldigten Person oder der Staatsanwaltschaft oder von Amtes wegen kann die Hauptverhandlung zweigeteilt werden; dabei kann bestimmt werden, dass: |
|
1 | Auf Antrag der beschuldigten Person oder der Staatsanwaltschaft oder von Amtes wegen kann die Hauptverhandlung zweigeteilt werden; dabei kann bestimmt werden, dass: |
a | in einem ersten Verfahrensteil nur die Tat- und die Schuldfrage, in einem zweiten die Folgen eines Schuld- oder Freispruchs behandelt werden; oder |
b | in einem ersten Verfahrensteil nur die Tatfrage und in einem zweiten die Schuldfrage sowie die Folgen eines Schuld- oder Freispruchs behandelt werden. |
1bis | Für die Entscheidung ist zuständig: |
a | bis zur Eröffnung der Hauptverhandlung: die Verfahrensleitung; |
b | nach Eröffnung der Hauptverhandlung: das Gericht.240 |
1ter | Lehnt die Verfahrensleitung den Antrag über die Zweiteilung der Hauptverhandlung ab, so teilt sie dies den Parteien mit kurzer Begründung mit. Der Antrag kann an der Hauptverhandlung erneut gestellt werden.241 |
2 | Die Entscheidung über die Zweiteilung der Hauptverhandlung ist nicht anfechtbar. |
3 | Bei einer Zweiteilung dürfen die persönlichen Verhältnisse der beschuldigten Person nur im Falle eines Schuldspruchs zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemacht werden, es sei denn, dass sie für die Frage des objektiven oder subjektiven Tatbestandes von Bedeutung sind. |
4 | Die Entscheide über die Tat- und die Schuldfrage werden nach ihrer Beratung eröffnet, sind jedoch erst mit dem gesamten Urteil anfechtbar. |
5.
5.1. Der Beschwerdeführer rügt, das Obergericht habe sein rechtliches Gehör verletzt, weil es auf sein relevantes Vorbringen, es habe den Anschein der Befangenheit erweckt, indem es den Gutachtern kommentierte bzw. mit den "Post-it"-Zetteln versehene Akten übergeben und sie so unsachgerecht beeinflusst habe, nicht ansatzweise eingegangen sei.
Die Rüge ist unbegründet, weil das Vorbringen nicht entscheidrelevant war (oben E. 4.3).
5.2. Der Beschwerdeführer wirft dem Obergericht vor, sein rechtliches Gehör verletzt zu haben, indem es sich mit seiner detaillierten Auseinandersetzung mit dem Inhalt der Merkzettel nicht auseinandergesetzt, sondern unzutreffend ausgeführt habe, er habe sich in der Beschwerdeschrift darauf beschränkt, die Kommentare pauschal als sehr einseitig zu rügen.
Das Obergericht hat sich durchaus mit der Frage auseinandergesetzt, ob sich aus dem Inhalt der "Post-it"-Zettel auf die Befangenheit ihres Verfassers schliessen lasse, und es hat die Frage verneint. Aus den Zetteln ergäben sich bloss Hinweise auf den betreffenden Akteninhalt, Markierungen der ihm wichtig erscheinenden Aktenstellen und stichwortartige Würdigung von Aussagen. Unsachliche Kommentare oder Meinungsäusserungen, denen endgültiger Charakter zugesprochen werden müsste, kämen nicht vor.
Das Obergericht hat sich sachgerecht und genügend mit der vom Beschwerdeführer aufgeworfenen Frage auseinandergesetzt, ob der Inhalt der "Post-it"-Zettel deren Verfasser als befangen erscheinen lasse. Es hat damit seine verfassungsrechtliche Begründungspflicht erfüllt, die Rüge ist unbegründet. Der Umstand, dass sich die "Post-it"-Zettel einseitig zu seinen Lasten auswirken, wie der Beschwerdeführer befürchtet, ist kein Indiz für die Befangenheit des Verfassers (oben E. 4.2).
6.
Die Beschwerde ist somit als unbegründet abzuweisen. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird an sich der Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz BGG Art. 66 Erhebung und Verteilung der Gerichtskosten - 1 Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben. |
|
1 | Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben. |
2 | Wird ein Fall durch Abstandserklärung oder Vergleich erledigt, so kann auf die Erhebung von Gerichtskosten ganz oder teilweise verzichtet werden. |
3 | Unnötige Kosten hat zu bezahlen, wer sie verursacht. |
4 | Dem Bund, den Kantonen und den Gemeinden sowie mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen dürfen in der Regel keine Gerichtskosten auferlegt werden, wenn sie in ihrem amtlichen Wirkungskreis, ohne dass es sich um ihr Vermögensinteresse handelt, das Bundesgericht in Anspruch nehmen oder wenn gegen ihre Entscheide in solchen Angelegenheiten Beschwerde geführt worden ist. |
5 | Mehrere Personen haben die ihnen gemeinsam auferlegten Gerichtskosten, wenn nichts anderes bestimmt ist, zu gleichen Teilen und unter solidarischer Haftung zu tragen. |
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz BGG Art. 64 Unentgeltliche Rechtspflege - 1 Das Bundesgericht befreit eine Partei, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, auf Antrag von der Bezahlung der Gerichtskosten und von der Sicherstellung der Parteientschädigung, sofern ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint. |
|
1 | Das Bundesgericht befreit eine Partei, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, auf Antrag von der Bezahlung der Gerichtskosten und von der Sicherstellung der Parteientschädigung, sofern ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint. |
2 | Wenn es zur Wahrung ihrer Rechte notwendig ist, bestellt das Bundesgericht der Partei einen Anwalt oder eine Anwältin. Der Anwalt oder die Anwältin hat Anspruch auf eine angemessene Entschädigung aus der Gerichtskasse, soweit der Aufwand für die Vertretung nicht aus einer zugesprochenen Parteientschädigung gedeckt werden kann. |
3 | Über das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege entscheidet die Abteilung in der Besetzung mit drei Richtern oder Richterinnen. Vorbehalten bleiben Fälle, die im vereinfachten Verfahren nach Artikel 108 behandelt werden. Der Instruktionsrichter oder die Instruktionsrichterin kann die unentgeltliche Rechtspflege selbst gewähren, wenn keine Zweifel bestehen, dass die Voraussetzungen erfüllt sind. |
4 | Die Partei hat der Gerichtskasse Ersatz zu leisten, wenn sie später dazu in der Lage ist. |
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz BGG Art. 64 Unentgeltliche Rechtspflege - 1 Das Bundesgericht befreit eine Partei, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, auf Antrag von der Bezahlung der Gerichtskosten und von der Sicherstellung der Parteientschädigung, sofern ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint. |
|
1 | Das Bundesgericht befreit eine Partei, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, auf Antrag von der Bezahlung der Gerichtskosten und von der Sicherstellung der Parteientschädigung, sofern ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint. |
2 | Wenn es zur Wahrung ihrer Rechte notwendig ist, bestellt das Bundesgericht der Partei einen Anwalt oder eine Anwältin. Der Anwalt oder die Anwältin hat Anspruch auf eine angemessene Entschädigung aus der Gerichtskasse, soweit der Aufwand für die Vertretung nicht aus einer zugesprochenen Parteientschädigung gedeckt werden kann. |
3 | Über das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege entscheidet die Abteilung in der Besetzung mit drei Richtern oder Richterinnen. Vorbehalten bleiben Fälle, die im vereinfachten Verfahren nach Artikel 108 behandelt werden. Der Instruktionsrichter oder die Instruktionsrichterin kann die unentgeltliche Rechtspflege selbst gewähren, wenn keine Zweifel bestehen, dass die Voraussetzungen erfüllt sind. |
4 | Die Partei hat der Gerichtskasse Ersatz zu leisten, wenn sie später dazu in der Lage ist. |
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird gutgeheissen:
2.1. Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
2.2. Rechtsanwalt Xavier Dobler wird für das bundesgerichtliche Verfahren als amtlicher Verteidiger eingesetzt und mit Fr. 2'000.-- aus der Gerichtskasse entschädigt.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, I. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 14. Juni 2017
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Merkli
Der Gerichtsschreiber: Störi