Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
1B 155/2011
Urteil vom 14. Juni 2011
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident,
Bundesrichter Aemisegger, Raselli,
Gerichtsschreiber Dold.
Verfahrensbeteiligte
X.________, Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwälte Dr. Thomas Müller und Reto Marghitola,
gegen
Staatsanwaltschaft für Wirtschaftsstraffälle und Organisierte Kriminalität des Kantons Thurgau, Zürcherstrasse 323, 8510 Frauenfeld.
Gegenstand
Entsiegelung,
Beschwerde gegen die Verfügung vom 3. März 2011 des Zwangsmassnahmengerichts des Kantons Thurgau.
Sachverhalt:
A.
Im Rahmen eines Strafverfahrens gegen X.________ wegen Geldwäscherei, Veruntreuung und allfälliger weiterer Delikte wurde am 1. September 2010 das Wohnhaus der Beschuldigten durchsucht. Es wurden diverse Akten und ein Laptop sichergestellt und auf Antrag von X.________ versiegelt. In der Folge bezeichneten der Untersuchungsrichter und X.________ gemeinsam jene Akten, die versiegelt bleiben sollen, jene, die zur Untersuchung freigegeben werden und jene, die für die Untersuchung nicht relevant sind. Das Kantonale Untersuchungsrichteramt stellte am 8. Oktober 2010 Antrag auf Entsiegelung jener Akten, welche auch nach der Triage noch versiegelt geblieben waren.
Am 3. März 2011 verfügte das Zwangsmassnahmengericht des Kantons Thurgau, dass die Akten beschlagnahmt bleiben. Das Gesuch der Beschuldigten um unbelastete Herausgabe wies es ab. Weiter ordnete es die Durchführung des Entsiegelungsverfahrens an. Die gesiegelten Akten würden dabei durch das Zwangsmassnahmengericht im Beisein der Parteien daraufhin geprüft, ob schützenswerte Geheimhaltungsinteressen einer Weitergabe an die Strafuntersuchungsbehörden entgegenstünden. Über die Entsiegelung des beschlagnahmten Laptops werde in einem separaten Verfahren entschieden.
B.
Mit Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht vom 4. April 2011 beantragt X.________ die Aufhebung des Entscheids des Massnahmengerichts des Kantons Thurgau vom 3. März 2011. Die Akten seien nicht zu entsiegeln und umgehend der Beschwerdeführerin herauszugeben. Eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Das Zwangsmassnahmengericht und die Staatsanwaltschaft für Wirtschaftsstraffälle und Organisierte Kriminalität des Kantons Thurgau beantragen in ihrer jeweiligen Vernehmlassung, auf die Beschwerde sei nicht einzutreten, eventualiter sei sie abzuweisen. In ihrer Stellungnahme dazu hält die Beschwerdeführerin im Wesentlichen an ihren Anträgen und Rechtsauffassungen fest.
Erwägungen:
1.
1.1 Gemäss Art. 78 Abs. 1
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SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz BGG Art. 78 Grundsatz - 1 Das Bundesgericht beurteilt Beschwerden gegen Entscheide in Strafsachen. |
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1 | Das Bundesgericht beurteilt Beschwerden gegen Entscheide in Strafsachen. |
2 | Der Beschwerde in Strafsachen unterliegen auch Entscheide über: |
a | Zivilansprüche, wenn diese zusammen mit der Strafsache zu behandeln sind; |
b | den Vollzug von Strafen und Massnahmen. |
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SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung StPO Art. 453 Vor Inkrafttreten dieses Gesetzes gefällte Entscheide - 1 Ist ein Entscheid vor Inkrafttreten dieses Gesetzes gefällt worden, so werden Rechtsmittel dagegen nach bisherigem Recht, von den bisher zuständigen Behörden, beurteilt. |
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1 | Ist ein Entscheid vor Inkrafttreten dieses Gesetzes gefällt worden, so werden Rechtsmittel dagegen nach bisherigem Recht, von den bisher zuständigen Behörden, beurteilt. |
2 | Wird ein Verfahren von der Rechtsmittelinstanz oder vom Bundesgericht zur neuen Beurteilung zurückgewiesen, so ist neues Recht anwendbar. Die neue Beurteilung erfolgt durch die Behörde, die nach diesem Gesetz für den aufgehobenen Entscheid zuständig gewesen wäre. |
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SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung StPO Art. 246 Grundsatz - Schriftstücke, Ton-, Bild- und andere Aufzeichnungen, Datenträger sowie Anlagen zur Verarbeitung und Speicherung von Informationen dürfen durchsucht werden, wenn zu vermuten ist, dass sich darin Informationen befinden, die der Beschlagnahme unterliegen. |
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SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz BGG Art. 80 Vorinstanzen - 1 Die Beschwerde ist zulässig gegen Entscheide letzter kantonaler Instanzen und gegen Entscheide der Beschwerdekammer und der Berufungskammer des Bundesstrafgerichts.49 |
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1 | Die Beschwerde ist zulässig gegen Entscheide letzter kantonaler Instanzen und gegen Entscheide der Beschwerdekammer und der Berufungskammer des Bundesstrafgerichts.49 |
2 | Die Kantone setzen als letzte kantonale Instanzen obere Gerichte ein. Diese entscheiden als Rechtsmittelinstanzen. Ausgenommen sind die Fälle, in denen nach der Strafprozessordnung (StPO)50 ein oberes Gericht oder ein Zwangsmassnahmengericht als einzige kantonale Instanz entscheidet.51 |
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SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung StPO Art. 380 Endgültige oder nicht anfechtbare Entscheide - Bezeichnet dieses Gesetz einen Entscheid als endgültig oder nicht anfechtbar, so ist dagegen kein Rechtsmittel nach diesem Gesetz zulässig. |
1.2 Das Zwangsmassnahmengericht prüfte im angefochtenen Entscheid, ob die Entsiegelung im Grundsatz zulässig ist. Da ein hinreichender Tatverdacht bezüglich Geldwäscherei und Veruntreuung bestehe und augenscheinlich sei, dass die beschlagnahmten und versiegelten Akten relevante Informationen enthielten, sei dies der Fall. Das Zwangsmassnahmengericht führte weiter aus, dass in einem zweiten, noch zu erfolgenden Schritt zu prüfen sei, ob in Bezug auf die einzelnen Aktenstücke überwiegende Interessen der Entsiegelung entgegenstünden.
Mit dem angefochtenen Entscheid wurde das Strafverfahren gegen die Beschwerdeführerin nicht abgeschlossen. Es liegt ein Zwischenentscheid im Sinne von Art. 93
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SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz BGG Art. 93 Andere Vor- und Zwischenentscheide - 1 Gegen andere selbständig eröffnete Vor- und Zwischenentscheide ist die Beschwerde zulässig: |
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1 | Gegen andere selbständig eröffnete Vor- und Zwischenentscheide ist die Beschwerde zulässig: |
a | wenn sie einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken können; oder |
b | wenn die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde. |
2 | Auf dem Gebiet der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen und dem Gebiet des Asyls sind Vor- und Zwischenentscheide nicht anfechtbar.86 Vorbehalten bleiben Beschwerden gegen Entscheide über die Auslieferungshaft sowie über die Beschlagnahme von Vermögenswerten und Wertgegenständen, sofern die Voraussetzungen von Absatz 1 erfüllt sind. |
3 | Ist die Beschwerde nach den Absätzen 1 und 2 nicht zulässig oder wurde von ihr kein Gebrauch gemacht, so sind die betreffenden Vor- und Zwischenentscheide durch Beschwerde gegen den Endentscheid anfechtbar, soweit sie sich auf dessen Inhalt auswirken. |
1.3 Die Beschwerdeführerin erblickt einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil darin, dass ihre geschützten Geheimhaltungsinteressen verletzt würden. Der Staatsanwaltschaft würde es durch den nächsten Verfahrensschritt ermöglicht, Kenntnis von den Anwaltsakten zu nehmen. Der dadurch entstandene Schaden sei irreversibel.
Die Beschwerdeführerin verkennt, dass die Vorinstanz über die Entsiegelung noch nicht entschieden, sondern erst die Durchführung des dazu notwendigen Verfahrens verfügt hat. Bei diesem Verfahren hat der Entsiegelungsrichter sicherzustellen, dass die Staatsanwaltschaft noch keine Detailkenntnisse über den Inhalt der Akten erhält. Gleiches hatte das Untersuchungsrichteramt übrigens auch schon bei der Triage des beschlagnahmten Materials zu beachten, welche zusammen mit der Beschwerdeführerin bzw. deren Rechtsvertretern im Nachgang zur Hausdurchsuchung durchgeführt wurde (Urteil 1B 200/2007 vom 15. Januar 2008 E. 2.6 mit Hinweisen). Ein nicht wieder gutzumachender Nachteil liegt aufgrund dieser Pflicht weder im einen noch im andern Fall vor (a.a.O., E. 2.3 mit Hinweisen; zum Ganzen: zur Publikation vorgesehenes Urteil 1B 412/2010 vom 4. April 2011 E. 4 mit Hinweisen).
1.4 Art. 93 Abs. 1 lit. b
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SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz BGG Art. 93 Andere Vor- und Zwischenentscheide - 1 Gegen andere selbständig eröffnete Vor- und Zwischenentscheide ist die Beschwerde zulässig: |
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1 | Gegen andere selbständig eröffnete Vor- und Zwischenentscheide ist die Beschwerde zulässig: |
a | wenn sie einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken können; oder |
b | wenn die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde. |
2 | Auf dem Gebiet der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen und dem Gebiet des Asyls sind Vor- und Zwischenentscheide nicht anfechtbar.86 Vorbehalten bleiben Beschwerden gegen Entscheide über die Auslieferungshaft sowie über die Beschlagnahme von Vermögenswerten und Wertgegenständen, sofern die Voraussetzungen von Absatz 1 erfüllt sind. |
3 | Ist die Beschwerde nach den Absätzen 1 und 2 nicht zulässig oder wurde von ihr kein Gebrauch gemacht, so sind die betreffenden Vor- und Zwischenentscheide durch Beschwerde gegen den Endentscheid anfechtbar, soweit sie sich auf dessen Inhalt auswirken. |
2.
Es ergibt sich, dass auf die Beschwerde nicht einzutreten ist. Diesem Verfahrensausgang entsprechend werden die Gerichtskosten der Beschwerdeführerin auferlegt (Art. 66 Abs. 1
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SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz BGG Art. 66 Erhebung und Verteilung der Gerichtskosten - 1 Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben. |
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1 | Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben. |
2 | Wird ein Fall durch Abstandserklärung oder Vergleich erledigt, so kann auf die Erhebung von Gerichtskosten ganz oder teilweise verzichtet werden. |
3 | Unnötige Kosten hat zu bezahlen, wer sie verursacht. |
4 | Dem Bund, den Kantonen und den Gemeinden sowie mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen dürfen in der Regel keine Gerichtskosten auferlegt werden, wenn sie in ihrem amtlichen Wirkungskreis, ohne dass es sich um ihr Vermögensinteresse handelt, das Bundesgericht in Anspruch nehmen oder wenn gegen ihre Entscheide in solchen Angelegenheiten Beschwerde geführt worden ist. |
5 | Mehrere Personen haben die ihnen gemeinsam auferlegten Gerichtskosten, wenn nichts anderes bestimmt ist, zu gleichen Teilen und unter solidarischer Haftung zu tragen. |
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SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz BGG Art. 68 Parteientschädigung - 1 Das Bundesgericht bestimmt im Urteil, ob und in welchem Mass die Kosten der obsiegenden Partei von der unterliegenden zu ersetzen sind. |
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1 | Das Bundesgericht bestimmt im Urteil, ob und in welchem Mass die Kosten der obsiegenden Partei von der unterliegenden zu ersetzen sind. |
2 | Die unterliegende Partei wird in der Regel verpflichtet, der obsiegenden Partei nach Massgabe des Tarifs des Bundesgerichts alle durch den Rechtsstreit verursachten notwendigen Kosten zu ersetzen. |
3 | Bund, Kantonen und Gemeinden sowie mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen wird in der Regel keine Parteientschädigung zugesprochen, wenn sie in ihrem amtlichen Wirkungskreis obsiegen. |
4 | Artikel 66 Absätze 3 und 5 ist sinngemäss anwendbar. |
5 | Der Entscheid der Vorinstanz über die Parteientschädigung wird vom Bundesgericht je nach Ausgang des Verfahrens bestätigt, aufgehoben oder geändert. Dabei kann das Gericht die Entschädigung nach Massgabe des anwendbaren eidgenössischen oder kantonalen Tarifs selbst festsetzen oder die Festsetzung der Vorinstanz übertragen. |
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
3.
Es wird keine Parteientschädigung zugesprochen.
4.
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, der Staatsanwaltschaft für Wirtschaftsstraffälle und Organisierte Kriminalität sowie dem Zwangsmassnahmengericht des Kantons Thurgau schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 14. Juni 2011
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
Fonjallaz Dold