Eidgenössisches Versicherungsgericht
Tribunale federale delle assicurazioni
Tribunal federal d'assicuranzas

Sozialversicherungsabteilung
des Bundesgerichts

Prozess {T 7}
U 190/06

Urteil vom 13. Juni 2006
IV. Kammer

Besetzung
Präsident Ursprung, Bundesrichter Schön und Frésard; Gerichtsschreiber Hadorn

Parteien
A.________, 1972, Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Michael Ausfeld, Weinbergstrasse 18,
8001 Zürich,

gegen

Zürich Versicherungs-Gesellschaft, Rechtsdienst, Generaldirektion Schweiz, 8085 Zürich, Beschwerdegegnerin

Vorinstanz
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur

(Entscheid vom 17. März 2006)

Sachverhalt:
A.________ (geb. 1972) erlitt am 2. Januar 1994 sowie am 18. Juni 2004 je einen Verkehrsunfall. Die Zürich Versicherungs-Gesellschaft (nachfolgend: Zürich) als obligatorischer Unfallversicherer erbrachte die gesetzlichen Leistungen. Mit Verfügung vom 28. Juni 2005 stellte die Zürich die Taggeldzahlungen auf den 1. Juli 2005 ein, da der adäquate Kausalzusammenhang zwischen dem Unfall vom 18. Juni 2004 und den bestehenden Gesundheitsschäden nicht erfüllt sei.

Hiegegen erhob A.________ Einsprache und beantragte, die Taggelder seien während der Dauer des Einspracheverfahrens weiter auszurichten. Am 15. September 2005 sistierte die Zürich das Einspracheverfahren bis zum Eingang eines noch einzuholenden medizinischen Gutachtens. Am 12. Januar 2006 beauftragte die Zürich das Medizinische Zentrum X.________ mit der Begutachtung.

Mittlerweile hatte A.________ am 1. Dezember 2005 erneut die Wiederaufnahme der Taggeldzahlungen während des Einspracheverfahrens beantragt. Dies lehnte die Zürich mit "Zwischenverfügung" vom 18. Januar 2006 ab.
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 17. März 2006 ab.
A.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen und beantragen, es seien ihr ab 1. Juli 2005 bis zum Vorliegen des Gutachtens weiterhin die gesetzlichen Leistungen, insbesondere Taggelder, zu erbringen.
Die Zürich schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, während das Bundesamt für Gesundheit auf eine Vernehmlassung verzichtet.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.
Das kantonale Gericht hat die gesetzlichen Vorschriften zur aufschiebenden Wirkung (Art. 11 Abs. 1
SR 830.11 Verordnung vom 11. September 2002 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSV)
ATSV Art. 11 Aufschiebende Wirkung - 1 Die Einsprache hat aufschiebende Wirkung, ausser wenn:
1    Die Einsprache hat aufschiebende Wirkung, ausser wenn:
a  einer Beschwerde gegen den Einspracheentscheid von Gesetzes wegen keine aufschiebende Wirkung zukommt;
b  der Versicherer die aufschiebende Wirkung in seiner Verfügung entzogen hat;
c  die Verfügung eine Rechtsfolge hat, deren Wirkung nicht aufschiebbar ist.
2    Der Versicherer kann auf Antrag oder von sich aus die aufschiebende Wirkung entziehen oder die mit der Verfügung entzogene aufschiebende Wirkung wiederherstellen. Über diesen Antrag ist unverzüglich zu entscheiden.
und 2
SR 830.11 Verordnung vom 11. September 2002 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSV)
ATSV Art. 11 Aufschiebende Wirkung - 1 Die Einsprache hat aufschiebende Wirkung, ausser wenn:
1    Die Einsprache hat aufschiebende Wirkung, ausser wenn:
a  einer Beschwerde gegen den Einspracheentscheid von Gesetzes wegen keine aufschiebende Wirkung zukommt;
b  der Versicherer die aufschiebende Wirkung in seiner Verfügung entzogen hat;
c  die Verfügung eine Rechtsfolge hat, deren Wirkung nicht aufschiebbar ist.
2    Der Versicherer kann auf Antrag oder von sich aus die aufschiebende Wirkung entziehen oder die mit der Verfügung entzogene aufschiebende Wirkung wiederherstellen. Über diesen Antrag ist unverzüglich zu entscheiden.
ATSV; Art. 55 Abs. 1
SR 172.021 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (Verwaltungsverfahrensgesetz, VwVG) - Verwaltungsverfahrensgesetz
VwVG Art. 55 - 1 Die Beschwerde hat aufschiebende Wirkung.
1    Die Beschwerde hat aufschiebende Wirkung.
2    Hat die Verfügung nicht eine Geldleistung zum Gegenstand, so kann die Vorinstanz darin einer allfälligen Beschwerde die aufschiebende Wirkung entziehen; dieselbe Befugnis steht der Beschwerdeinstanz, ihrem Vorsitzenden oder dem Instruktionsrichter nach Einreichung der Beschwerde zu.96
3    Die Beschwerdeinstanz, ihr Vorsitzender oder der Instruktionsrichter kann die von der Vorinstanz entzogene aufschiebende Wirkung wiederherstellen; über ein Begehren um Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ist ohne Verzug zu entscheiden.97
4    Wird die aufschiebende Wirkung willkürlich entzogen oder einem Begehren um Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung willkürlich nicht oder verspätet entsprochen, so haftet für den daraus erwachsenden Schaden die Körperschaft oder autonome Anstalt, in deren Namen die Behörde verfügt hat.
5    Vorbehalten bleiben die Bestimmungen anderer Bundesgesetze, nach denen eine Beschwerde keine aufschiebende Wirkung hat.98
VwVG) und zur Anordnung vorsorglicher Massnahmen (Art. 56
SR 172.021 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (Verwaltungsverfahrensgesetz, VwVG) - Verwaltungsverfahrensgesetz
VwVG Art. 56 - Nach Einreichung der Beschwerde kann die Beschwerdeinstanz, ihr Vorsitzender oder der Instruktionsrichter von Amtes wegen oder auf Begehren einer Partei andere vorsorgliche Massnahmen treffen, um den bestehenden Zustand zu erhalten oder bedrohte Interessen einstweilen sicherzustellen.
VwVG) sowie die dazu ergangene Rechtsprechung (BGE 126 V 409 Erw. 3b), namentlich zur Interessenabwägung (BGE 124 V 88 Erw. 6a), richtig dargelegt. Darauf wird verwiesen.
2.
Wie die Vorinstanz zutreffend erwogen hat, findet die Interessenabwägung in gleicher Weise sowohl bei positiven wie bei negativen Verfügungen statt (BGE 124 V 88 Erw. 6a; Urteil S. vom 8. August 2005, I 426/05). Daher kann offen bleiben, ob die Aufhebung der Taggeldzahlungen als positive, der aufschiebenden Wirkung zugängliche oder als negative, nur vorsorglichen Massnahmen offen stehende Verfügung aufzufassen ist. So oder anders ist abzuwägen, ob die Gründe für eine vorläufige Weiterzahlung der Taggelder oder diejenigen, die für eine Einstellung dieser Leistung sprechen, überwiegen. Die Vorinstanz hat diese Abwägung grundsätzlich korrekt vorgenommen und in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung richtig festgehalten, dass das Interesse der Verwaltung an der Vermeidung von möglicherweise nicht mehr einbringlichen Rückforderungen gegenüber demjenigen der Versicherten, nicht in eine finanzielle Notlage zu geraten, oft als vorrangig gewichtet worden ist. Dem ist beizupflichten. Aus den im kantonalen Entscheid genannten Gründen fällt die Interessenabwägung auch vorliegend zu Ungunsten der Beschwerdeführerin aus.
3.
3.1 Die Beschwerdeführerin beruft sich auf das Urteil L. vom 2. Februar 2005 (U 411/04: publiziert in Plädoyer 2005/2 S. 79), wonach die Versicherung vor der Aufhebung einer Leistung den rechtserheblichen Sachverhalt abklären und mit dem Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit nachweisen müsse, dass jede kausale Bedeutung von unfallbedingten Ursachen des Gesundheitsschadens dahingefallen sei. Nachdem vorliegend ein Gutachten des Zentrums X.________ angefordert worden sei, müssten die Taggelder weiterhin ausbezahlt werden, bis dieses eingetroffen und die Kausalität der bestehenden Leiden zu den zwei Unfallereignissen rechtsgenüglich geklärt sei.
3.2 Der Fall L. ist entgegen der Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht ohne weiteres mit dem vorliegenden vergleichbar. Dort hatte die Unfallversicherung ein Gutachten einverlangt und zugleich ihre Leistungen vorsorglich bis zum Eintreffen der Expertise eingestellt. Die Versicherung ging also selber davon aus, dass der medizinische Sachverhalt nicht ausreichend abgeklärt sei, hob ihre Leistungen aber trotzdem bereits während der noch laufenden Abklärung auf. Dies ist unzulässig. Vorliegend verhält es sich indessen anders: die Zürich stellte die Leistungen nicht ein, um das Eintreffen eines Gutachtens abzuwarten. Vielmehr war sie zuvor auf Grund der Akten zum Schluss gekommen, dass der adäquate Kausalzusammenhang zwischen dem zweiten Unfall und den verbliebenen Gesundheitsschäden nicht erfüllt sei, da es sich beim Ereignis vom 18. Juni 2004 um einen leichten Unfall gehandelt habe, bei welchem die adäquate Kausalität ohne weiteres verneint werden könne. Die Zürich ging somit hier im Unterschied zum Urteil L. davon aus, dass der Fall entscheidungsreif sei. Dementsprechend wurden die Taggelder nicht während laufender Abklärungen eingestellt. Der Auftrag an das Zentrum X.________ erging erst später. Den Unfall vom 18. Juni 2004
betreffende Fragen wurden erst auf Wunsch der Beschwerdeführerin eingefügt, galt doch die Expertise auch den Folgen des Unfalls vom 2. Januar 1994. Im Weiteren ist zu beachten, dass die Prüfung des adäquaten Kausalzusammenhangs eine Rechtsfrage darstellt (BGE 117 V 382 Erw. 4a; RKUV 2005 Nr. U 558 S. 392 [Urteil A. vom 24. Mai 2005, U 53/05]). Demgegenüber dient das angeforderte Gutachten der sachverhaltlichen Abklärung. Neue Erkenntnisse etwa hinsichtlich der Qualifikation des Ereignisses vom 18. Juni 2004 als leichten, mittelschweren oder schweren Unfall sind davon nicht zu erwarten. Damit sind die Prozessaussichten der Versicherten in der Hauptsache ungewiss. Unter diesen Umständen hält der kantonale Entscheid Stand.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Gesundheit zugestellt.
Luzern, 13. Juni 2006
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Präsident der IV. Kammer: Der Gerichtsschreiber:
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : U_190/06
Datum : 13. Juni 2006
Publiziert : 01. Juli 2006
Quelle : Bundesgericht
Status : Unpubliziert
Sachgebiet : Unfallversicherung
Gegenstand : Unfallversicherung


Gesetzesregister
ATSV: 11
SR 830.11 Verordnung vom 11. September 2002 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSV)
ATSV Art. 11 Aufschiebende Wirkung - 1 Die Einsprache hat aufschiebende Wirkung, ausser wenn:
1    Die Einsprache hat aufschiebende Wirkung, ausser wenn:
a  einer Beschwerde gegen den Einspracheentscheid von Gesetzes wegen keine aufschiebende Wirkung zukommt;
b  der Versicherer die aufschiebende Wirkung in seiner Verfügung entzogen hat;
c  die Verfügung eine Rechtsfolge hat, deren Wirkung nicht aufschiebbar ist.
2    Der Versicherer kann auf Antrag oder von sich aus die aufschiebende Wirkung entziehen oder die mit der Verfügung entzogene aufschiebende Wirkung wiederherstellen. Über diesen Antrag ist unverzüglich zu entscheiden.
VwVG: 55 
SR 172.021 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (Verwaltungsverfahrensgesetz, VwVG) - Verwaltungsverfahrensgesetz
VwVG Art. 55 - 1 Die Beschwerde hat aufschiebende Wirkung.
1    Die Beschwerde hat aufschiebende Wirkung.
2    Hat die Verfügung nicht eine Geldleistung zum Gegenstand, so kann die Vorinstanz darin einer allfälligen Beschwerde die aufschiebende Wirkung entziehen; dieselbe Befugnis steht der Beschwerdeinstanz, ihrem Vorsitzenden oder dem Instruktionsrichter nach Einreichung der Beschwerde zu.96
3    Die Beschwerdeinstanz, ihr Vorsitzender oder der Instruktionsrichter kann die von der Vorinstanz entzogene aufschiebende Wirkung wiederherstellen; über ein Begehren um Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ist ohne Verzug zu entscheiden.97
4    Wird die aufschiebende Wirkung willkürlich entzogen oder einem Begehren um Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung willkürlich nicht oder verspätet entsprochen, so haftet für den daraus erwachsenden Schaden die Körperschaft oder autonome Anstalt, in deren Namen die Behörde verfügt hat.
5    Vorbehalten bleiben die Bestimmungen anderer Bundesgesetze, nach denen eine Beschwerde keine aufschiebende Wirkung hat.98
56
SR 172.021 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (Verwaltungsverfahrensgesetz, VwVG) - Verwaltungsverfahrensgesetz
VwVG Art. 56 - Nach Einreichung der Beschwerde kann die Beschwerdeinstanz, ihr Vorsitzender oder der Instruktionsrichter von Amtes wegen oder auf Begehren einer Partei andere vorsorgliche Massnahmen treffen, um den bestehenden Zustand zu erhalten oder bedrohte Interessen einstweilen sicherzustellen.
BGE Register
117-V-369 • 124-V-82 • 126-V-407
Weitere Urteile ab 2000
I_426/05 • U_190/06 • U_411/04 • U_53/05
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sachverhalt • vorinstanz • eidgenössisches versicherungsgericht • gerichtsschreiber • aufschiebende wirkung • vorsorgliche massnahme • richtigkeit • bundesamt für gesundheit • entscheid • adäquate kausalität • gesundheitsschaden • weisung • richtlinie • schwerer unfall • unfallversicherer • gerichtskosten • schutzmassnahme • rechtsanwalt • bundesgericht • wiese • dauer • leichter unfall • hauptsache • rechtsdienst • frage • medizinisches gutachten • verkehrsunfall
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