Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}

6B_738/2015

Urteil vom 11. November 2015

Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Denys, Präsident,
Bundesrichterin Jametti,
nebenamtliche Bundesrichterin Griesser,
Gerichtsschreiber Moses.

Verfahrensbeteiligte
Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern, Maulbeerstrasse 10, 3011 Bern,
Beschwerdeführerin,

gegen

X.________,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Kostenverteilung (Wiederaufnahme des Verfahrens; einfache Verkehrsregelverletzung),

Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Bern, Strafabteilung, Beschwerdekammer in Strafsachen, vom 13. Juli 2015.

Sachverhalt:

A.
Mit Strafbefehl der Regionalen Staatsanwaltschaft Bern-Mittelland wurde X.________ der Widerhandlung gegen das Strassenverkehrsgesetz schuldig gesprochen und zu einer Busse von Fr. 350.-- verurteilt. X.________ erhob gegen den Strafbefehl Einsprache. Das Regionalgericht Bern-Mittelland setzte den Termin für die Hauptverhandlung auf den 18. November 2014 fest. X.________ holte die Vorladung nicht ab und erschien auch nicht zur Verhandlung. Das Regionalgericht lud X.________ neu zur Hauptverhandlung auf den 16. Dezember 2014 vor. Da er der Verhandlung unentschuldigt fern geblieben ist, verfügte das Regionalgericht gleichentags, der Strafbefehl sei infolge Rückzugs der Einsprache in Rechtskraft erwachsen.

B.
X.________ stellte beim Regionalgericht ein Wiederherstellungsgesuch. Das Regionalgericht wies mit Präsidialverfügung vom 24. März 2015 das Gesuch ab und auferlegte die Kosten des Wiederherstellungsverfahrens in der Höhe von Fr. 150.-- X.________.
Gegen die Verfügung vom 24. März 2015 erhob X.________ Beschwerde beim Obergericht des Kantons Bern, Beschwerdekammer in Strafsachen, mit dem Antrag, das Verfahren sei wieder aufzunehmen und ein neuer Termin für die Hauptverhandlung anzusetzen. Im Beschluss vom 13. Juli 2015 erwog das Obergericht, X.________ habe nicht glaubhaft machen können, dass ihn an der Säumnis beim zweiten Verhandlungstermin kein Verschulden treffe und wies diesbezüglich die Beschwerde ab. In teilweiser Gutheissung der Beschwerde hob das Obergericht jedoch die vom Regionalgericht verfügte Kostenauflage an X.________ (welche es als mitangefochten betrachtete) auf und beschloss, die Kosten des Wiederherstellungsgesuchs von Fr. 150.-- seien vom Kanton Bern zu tragen. Sodann auferlegte das Obergericht die Kosten des Beschwerdeverfahrens von insgesamt Fr. 600.-- zu Fr. 500.-- X.________ und zu Fr. 100.-- dem Kanton Bern.

C.
Mit Beschwerde in Strafsachen beantragt die Generalstaatsanwaltschaft, der Beschluss des Obergerichts vom 13. Juli 2015 sei betreffend die vollumfängliche Auferlegung der erstinstanzlichen Verfahrenskosten und die teilweise Auferlegung der Kosten des Beschwerdeverfahrens an den Kanton Bern aufzuheben und die Kosten seien X.________ aufzuerlegen; eventuell sei das Strafverfahren zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Der Beschwerdegegner liess sich innert Frist nicht vernehmen und die Vorinstanz verzichtete auf eine Vernehmlassung.

Erwägungen:

1.

1.1. Die Beschwerdeführerin rügt, die Vorinstanz habe Bundesrecht verletzt, indem sie die Bestimmungen über die Kostenverlegung und insbesondere die Kostenpflicht bei fehlerhaften Verfahrenshandlungen (Art. 417
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 417 Kostenpflicht bei fehlerhaften Verfahrenshandlungen - Bei Säumnis und anderen fehlerhaften Verfahrenshandlungen kann die Strafbehörde Verfahrenskosten und Entschädigungen ungeachtet des Verfahrensausgangs der verfahrensbeteiligten Person auferlegen, die sie verursacht hat.
StPO) nicht richtig angewendet habe.

1.2. Das Regionalgericht auferlegte die Kosten des Wiederherstellungsverfahrens dem Beschwerdegegner ohne zu begründen, auf welche Gesetzesbestimmung es die Kostenauflage abstützt.

1.3. Die Vorinstanz erachtet die Kostenauflage an den Beschwerdegegner mangels einer gesetzlichen Grundlage als rechtswidrig. Nach der Rechtsprechung der Beschwerdekammer des Obergerichts des Kantons Bern könne Art. 417
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 417 Kostenpflicht bei fehlerhaften Verfahrenshandlungen - Bei Säumnis und anderen fehlerhaften Verfahrenshandlungen kann die Strafbehörde Verfahrenskosten und Entschädigungen ungeachtet des Verfahrensausgangs der verfahrensbeteiligten Person auferlegen, die sie verursacht hat.
StPO bei Abweisung eines Wiederherstellungsgesuchs nicht als gesetzliche Grundlage für eine Kostenauflage an den Gesuchsteller dienen, weil das Gesuch weder eine Säumnis noch eine fehlerhafte Verfahrenshandlung darstelle. Die Säumnis der gesuchstellenden Partei betreffe nur die verspätet vorgenommene Verfahrenshandlung im Einspracheverfahren, nicht jedoch das (rechtzeitig eingereichte) Wiederherstellungsgesuch. Bei diesem handle es sich um einen selbständigen Rechtsbehelf, dessen Kostenfolgen selbständig zu beurteilen seien. Da die Kosten des Wiederherstellungsverfahrens nicht eine unmittelbare Folge der Säumnis, sondern des gestellten Wiederherstellungsgesuchs seien, komme eine Kostenauflage gestützt auf Art. 417
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 417 Kostenpflicht bei fehlerhaften Verfahrenshandlungen - Bei Säumnis und anderen fehlerhaften Verfahrenshandlungen kann die Strafbehörde Verfahrenskosten und Entschädigungen ungeachtet des Verfahrensausgangs der verfahrensbeteiligten Person auferlegen, die sie verursacht hat.
StPO nicht in Betracht. Auf eine fehlerhafte Handlung im Sinne von Art. 417
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 417 Kostenpflicht bei fehlerhaften Verfahrenshandlungen - Bei Säumnis und anderen fehlerhaften Verfahrenshandlungen kann die Strafbehörde Verfahrenskosten und Entschädigungen ungeachtet des Verfahrensausgangs der verfahrensbeteiligten Person auferlegen, die sie verursacht hat.
StPO könne auch nicht aufgrund des Unterliegens des Beschwerdegegners im Wiederherstellungsverfahren geschlossen werden, da ein Rechtsbehelf auch dann nicht eine fehlerhafte Verfahrenshandlung darstelle, wenn diesem in der Sache
selbst kein Erfolg beschieden sei (Beschluss, E. 4.2 ff.).

1.4.

1.4.1. Art. 417
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 417 Kostenpflicht bei fehlerhaften Verfahrenshandlungen - Bei Säumnis und anderen fehlerhaften Verfahrenshandlungen kann die Strafbehörde Verfahrenskosten und Entschädigungen ungeachtet des Verfahrensausgangs der verfahrensbeteiligten Person auferlegen, die sie verursacht hat.
StPO lautet: "Bei Säumnis und anderen fehlerhaften Verfahrenshandlungen kann die Strafbehörde Verfahrenskosten und Entschädigungen ungeachtet des Verfahrensausgangs der verfahrensbeteiligten Person auferlegen, die sie verursacht hat". Obwohl diese Bestimmung als "Kann-Vorschrift" formuliert ist, ist von einer Kostenauflage an die verursachende Partei nur in Ausnahmefällen, aus Billigkeitsgründen, abzusehen ( JO PITTELOUD, Code de procédure pénale suisse, 2012, N. 1275; vgl. auch THOMAS DOMEISEN, in: Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, 2. Aufl. 2014, N. 4 zu Art. 417; FRANZ RIKLIN, StPO Kommentar, 2. Aufl. 2014, N. 4 zu Art. 417
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 417 Kostenpflicht bei fehlerhaften Verfahrenshandlungen - Bei Säumnis und anderen fehlerhaften Verfahrenshandlungen kann die Strafbehörde Verfahrenskosten und Entschädigungen ungeachtet des Verfahrensausgangs der verfahrensbeteiligten Person auferlegen, die sie verursacht hat.
).
Der 10. Titel der StPO ("Verfahrenskosten, Entschädigung und Genugtuung": Art. 416
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 416 Geltungsbereich - Die Bestimmungen dieses Titels gelten für alle Verfahren nach diesem Gesetz.
- 436
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 436 Entschädigung und Genugtuung im Rechtsmittelverfahren - 1 Ansprüche auf Entschädigung und Genugtuung im Rechtsmittelverfahren richten sich nach den Artikeln 429-434.
1    Ansprüche auf Entschädigung und Genugtuung im Rechtsmittelverfahren richten sich nach den Artikeln 429-434.
2    Erfolgt weder ein vollständiger oder teilweiser Freispruch noch eine Einstellung des Verfahrens, obsiegt die beschuldigte Person aber in andern Punkten, so hat sie Anspruch auf eine angemessene Entschädigung für ihre Aufwendungen.
3    Hebt die Rechtsmittelinstanz einen Entscheid nach Artikel 409 auf, so haben die Parteien Anspruch auf eine angemessene Entschädigung für ihre Aufwendungen im Rechtsmittelverfahren und im aufgehobenen Teil des erstinstanzlichen Verfahrens.
4    Die nach einer Revision freigesprochene oder milder bestrafte beschuldigte Person hat Anspruch auf angemessene Entschädigung für ihre Aufwendungen im Revisionsverfahren. Sie hat zudem Anspruch auf Genugtuung und Entschädigung für ausgestandenen Freiheitsentzug, sofern dieser Freiheitsentzug nicht an die wegen anderer Straftaten ausgesprochenen Sanktionen angerechnet werden kann.
StPO) gilt für alle nach der StPO durchzuführenden Verfahren (Art. 416
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 416 Geltungsbereich - Die Bestimmungen dieses Titels gelten für alle Verfahren nach diesem Gesetz.
StPO). Da das Wiederherstellungsverfahren in der StPO (Art. 94
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 94 Wiederherstellung - 1 Hat eine Partei eine Frist versäumt und würde ihr daraus ein erheblicher und unersetzlicher Rechtsverlust erwachsen, so kann sie die Wiederherstellung der Frist verlangen; dabei hat sie glaubhaft zu machen, dass sie an der Säumnis kein Verschulden trifft.
1    Hat eine Partei eine Frist versäumt und würde ihr daraus ein erheblicher und unersetzlicher Rechtsverlust erwachsen, so kann sie die Wiederherstellung der Frist verlangen; dabei hat sie glaubhaft zu machen, dass sie an der Säumnis kein Verschulden trifft.
2    Das Gesuch ist innert 30 Tagen nach Wegfall des Säumnisgrundes schriftlich und begründet bei der Behörde zu stellen, bei welcher die versäumte Verfahrenshandlung hätte vorgenommen werden sollen. Innert der gleichen Frist muss die versäumte Verfahrenshandlung nachgeholt werden.
3    Das Gesuch hat nur aufschiebende Wirkung, wenn die zuständige Behörde sie erteilt.
4    Über das Gesuch entscheidet die Strafbehörde in einem schriftlichen Verfahren.
5    Die Absätze 1-4 gelten sinngemäss bei versäumten Terminen. Wird die Wiederherstellung bewilligt, so setzt die Verfahrensleitung einen neuen Termin fest. Die Bestimmungen über das Abwesenheitsverfahren bleiben vorbehalten.
StPO) geregelt ist, ist Art. 417
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 417 Kostenpflicht bei fehlerhaften Verfahrenshandlungen - Bei Säumnis und anderen fehlerhaften Verfahrenshandlungen kann die Strafbehörde Verfahrenskosten und Entschädigungen ungeachtet des Verfahrensausgangs der verfahrensbeteiligten Person auferlegen, die sie verursacht hat.
StPO auf dieses anwendbar ( DOMEISEN, a.a.O., N. 3 zu Art. 416; PITTELOUD, a.a.O., N. 220).

1.4.2. Art. 417
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 417 Kostenpflicht bei fehlerhaften Verfahrenshandlungen - Bei Säumnis und anderen fehlerhaften Verfahrenshandlungen kann die Strafbehörde Verfahrenskosten und Entschädigungen ungeachtet des Verfahrensausgangs der verfahrensbeteiligten Person auferlegen, die sie verursacht hat.
StPO ermöglicht es, einer verfahrensbeteiligten Person, unabhängig vom Verfahrensausgang und von einem schuldhaften Verhalten, die Kosten für einen bestimmten, von ihr unnötigerweise in Verletzung ihrer Verfahrenspflichten verursachten Verfahrensakt aufzuerlegen (Urteil 1B_202/2014 vom 23. Juli 2014 E. 4). Die objektive Verletzung von Verfahrenspflichten reicht aus, ein schuldhaftes Verhalten ist nicht erforderlich (Urteil 6B_5/2013 vom 19. Februar 2013 E. 2.4; NIKLAUS SCHMID, Schweizerische Strafprozessordnung, Praxiskommentar, 2. Aufl. 2013, N. 1 zu Art. 417; DOMEISEN, a.a.O., N. 3 zu Art. 417). Voraussetzung ist jedoch, dass zwischen der Verletzung der Verfahrenspflicht und den Verfahrenskosten ein Kausalzusammenhang besteht. Nur die adäquat durch die fehlerhafte Verfahrenshandlung verursachten Kosten können unabhängig vom Prozessausgang der verfahrensbeteiligten Person, welche sie verursacht hat, auferlegt werden ( DOMEISEN, a.a.O., N. 3 zu Art. 417; YVONA GRIESSER in: Donatsch/Hansjakob/Lieber, Kommentar zur schweizerischen Strafprozessordnung, 2. Aufl. 2014, N. 7 zu Art. 417).

1.4.3. Der Ansicht der Vorinstanz, solange nur das Wiederherstellungsgesuch rechtzeitig gestellt worden sei, seien die im Wiederherstellungsverfahren entstandenen Kosten keine Folge der Säumnis im vorangegangenen Einspracheverfahren, kann nicht gefolgt werden. Einem Wiederherstellungsgesuch liegt stets eine Säumnis in einem vorangegangenen Verfahren zugrunde. Die Vorinstanz hat das Wiederherstellungsgesuch abgewiesen, weil der Beschwerdegegner unentschuldigt zur Hauptverhandlung im Einspracheverfahren nicht erschienen war und er nicht glaubhaft machen konnte, dass ihn an der Säumnis kein Verschulden trifft (Beschluss E. 3). Diese Säumnis des Beschwerdegegners war der Grund und somit kausal für die Durchführung des Wiederherstellungsverfahrens. Wäre der Beschwerdegegner im Einspracheverfahren zur Hauptverhandlung erschienen, hätte kein Wiederherstellungsverfahren durchgeführt werden müssen. Zwischen der Verletzung der Verfahrenspflicht (Säumnis im Einspracheverfahren) und den Kosten des Wiederherstellungsverfahrens bestand ein adäquater Kausalzusammenhang. Somit stellt das Wiederherstellungsverfahren einen durch das Verhalten des Beschwerdegegners unnötig verursachten Verfahrensakt dar, wofür Art. 417
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 417 Kostenpflicht bei fehlerhaften Verfahrenshandlungen - Bei Säumnis und anderen fehlerhaften Verfahrenshandlungen kann die Strafbehörde Verfahrenskosten und Entschädigungen ungeachtet des Verfahrensausgangs der verfahrensbeteiligten Person auferlegen, die sie verursacht hat.
StPO eben gerade die
Möglichkeit der Kostenauflage an die verursachende Person vorsieht (Urteil 1B_202/2014 vom 23. Juli 2014 E. 4).
In der Lehre wird denn auch die Adäquanz zwischen der Säumnis in einem vorangegangenen Verfahren und den im Wiederherstellungsverfahren entstandenen Kosten bejaht und (jedenfalls bei Abweisung des Wiederherstellungsgesuchs) die Auffassung vertreten, die Kosten des Wiederherstellungsverfahrens seien in Anwendung von Art. 417
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 417 Kostenpflicht bei fehlerhaften Verfahrenshandlungen - Bei Säumnis und anderen fehlerhaften Verfahrenshandlungen kann die Strafbehörde Verfahrenskosten und Entschädigungen ungeachtet des Verfahrensausgangs der verfahrensbeteiligten Person auferlegen, die sie verursacht hat.
StPO durch den Gesuchsteller zu tragen ( CHRISTOF RIEDO, in: Basler Kommentar, a.a.O., N. 71 zu Art. 94; PITTELOUD, a.a.O., N. 220; MICHAEL DAPHINOFF, Das Strafbefehlsverfahren in der Schweizerischen Strafprozessordnung, 2012, S. 708).
Die Vorinstanz verletzt Bundesrecht, indem sie Art. 417
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 417 Kostenpflicht bei fehlerhaften Verfahrenshandlungen - Bei Säumnis und anderen fehlerhaften Verfahrenshandlungen kann die Strafbehörde Verfahrenskosten und Entschädigungen ungeachtet des Verfahrensausgangs der verfahrensbeteiligten Person auferlegen, die sie verursacht hat.
StPO als nicht anwendbar erachtet.

2.
Die Beschwerde ist gutzuheissen und der vorinstanzliche Beschluss betreffend die Auferlegung der Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens und die teilweise Auferlegung der Kosten des Beschwerdeverfahrens an den Kanton Bern ist aufzuheben. Die Sache ist an die Vorinstanz zurückzuweisen zum neuen Entscheid über die erstinstanzliche Kostenauflage sowie die Kosten des vorinstanzlichen Beschwerdeverfahrens.
Der Beschwerdegegner hat die erstinstanzliche Kostenauflage an ihn vor Vorinstanz nicht angefochten, vielmehr betrachtete sie das Obergericht als mitangefochten. Vor Bundesgericht hat sich der Beschwerdegegner nicht vernehmen lassen und keine Anträge gestellt. Daher rechtfertigt es sich, im bundesgerichtlichen Verfahren keine Kosten zu erheben (Art. 66 Abs. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 66 Erhebung und Verteilung der Gerichtskosten - 1 Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben.
1    Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben.
2    Wird ein Fall durch Abstandserklärung oder Vergleich erledigt, so kann auf die Erhebung von Gerichtskosten ganz oder teilweise verzichtet werden.
3    Unnötige Kosten hat zu bezahlen, wer sie verursacht.
4    Dem Bund, den Kantonen und den Gemeinden sowie mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen dürfen in der Regel keine Gerichtskosten auferlegt werden, wenn sie in ihrem amtlichen Wirkungskreis, ohne dass es sich um ihr Vermögensinteresse handelt, das Bundesgericht in Anspruch nehmen oder wenn gegen ihre Entscheide in solchen Angelegenheiten Beschwerde geführt worden ist.
5    Mehrere Personen haben die ihnen gemeinsam auferlegten Gerichtskosten, wenn nichts anderes bestimmt ist, zu gleichen Teilen und unter solidarischer Haftung zu tragen.
BGG). Der Generalstaatsanwaltschaft ist keine Prozessentschädigung zuzusprechen (Art. 68 Abs. 3
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 68 Parteientschädigung - 1 Das Bundesgericht bestimmt im Urteil, ob und in welchem Mass die Kosten der obsiegenden Partei von der unterliegenden zu ersetzen sind.
1    Das Bundesgericht bestimmt im Urteil, ob und in welchem Mass die Kosten der obsiegenden Partei von der unterliegenden zu ersetzen sind.
2    Die unterliegende Partei wird in der Regel verpflichtet, der obsiegenden Partei nach Massgabe des Tarifs des Bundesgerichts alle durch den Rechtsstreit verursachten notwendigen Kosten zu ersetzen.
3    Bund, Kantonen und Gemeinden sowie mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen wird in der Regel keine Parteientschädigung zugesprochen, wenn sie in ihrem amtlichen Wirkungskreis obsiegen.
4    Artikel 66 Absätze 3 und 5 ist sinngemäss anwendbar.
5    Der Entscheid der Vorinstanz über die Parteientschädigung wird vom Bundesgericht je nach Ausgang des Verfahrens bestätigt, aufgehoben oder geändert. Dabei kann das Gericht die Entschädigung nach Massgabe des anwendbaren eidgenössischen oder kantonalen Tarifs selbst festsetzen oder die Festsetzung der Vorinstanz übertragen.
BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen und der Beschluss des Obergerichts des Kantons Bern vom 13. Juli 2015 wird betreffend die Auferlegung der Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens sowie die teilweise Auferlegung der Kosten des Beschwerdeverfahrens an den Kanton Bern aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Bern, Strafabteilung, Beschwerdekammer in Strafsachen, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 11. November 2015

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Denys

Der Gerichtsschreiber: Moses
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 6B_738/2015
Datum : 11. November 2015
Publiziert : 25. November 2015
Quelle : Bundesgericht
Status : Unpubliziert
Sachgebiet : Strafrecht (allgemein)
Gegenstand : Kostenverteilung (Wiederaufnahme des Verfahrens; einfache Verkehrsregelverletzung)


Gesetzesregister
BGG: 66 
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 66 Erhebung und Verteilung der Gerichtskosten - 1 Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben.
1    Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben.
2    Wird ein Fall durch Abstandserklärung oder Vergleich erledigt, so kann auf die Erhebung von Gerichtskosten ganz oder teilweise verzichtet werden.
3    Unnötige Kosten hat zu bezahlen, wer sie verursacht.
4    Dem Bund, den Kantonen und den Gemeinden sowie mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen dürfen in der Regel keine Gerichtskosten auferlegt werden, wenn sie in ihrem amtlichen Wirkungskreis, ohne dass es sich um ihr Vermögensinteresse handelt, das Bundesgericht in Anspruch nehmen oder wenn gegen ihre Entscheide in solchen Angelegenheiten Beschwerde geführt worden ist.
5    Mehrere Personen haben die ihnen gemeinsam auferlegten Gerichtskosten, wenn nichts anderes bestimmt ist, zu gleichen Teilen und unter solidarischer Haftung zu tragen.
68
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 68 Parteientschädigung - 1 Das Bundesgericht bestimmt im Urteil, ob und in welchem Mass die Kosten der obsiegenden Partei von der unterliegenden zu ersetzen sind.
1    Das Bundesgericht bestimmt im Urteil, ob und in welchem Mass die Kosten der obsiegenden Partei von der unterliegenden zu ersetzen sind.
2    Die unterliegende Partei wird in der Regel verpflichtet, der obsiegenden Partei nach Massgabe des Tarifs des Bundesgerichts alle durch den Rechtsstreit verursachten notwendigen Kosten zu ersetzen.
3    Bund, Kantonen und Gemeinden sowie mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen wird in der Regel keine Parteientschädigung zugesprochen, wenn sie in ihrem amtlichen Wirkungskreis obsiegen.
4    Artikel 66 Absätze 3 und 5 ist sinngemäss anwendbar.
5    Der Entscheid der Vorinstanz über die Parteientschädigung wird vom Bundesgericht je nach Ausgang des Verfahrens bestätigt, aufgehoben oder geändert. Dabei kann das Gericht die Entschädigung nach Massgabe des anwendbaren eidgenössischen oder kantonalen Tarifs selbst festsetzen oder die Festsetzung der Vorinstanz übertragen.
StPO: 94 
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 94 Wiederherstellung - 1 Hat eine Partei eine Frist versäumt und würde ihr daraus ein erheblicher und unersetzlicher Rechtsverlust erwachsen, so kann sie die Wiederherstellung der Frist verlangen; dabei hat sie glaubhaft zu machen, dass sie an der Säumnis kein Verschulden trifft.
1    Hat eine Partei eine Frist versäumt und würde ihr daraus ein erheblicher und unersetzlicher Rechtsverlust erwachsen, so kann sie die Wiederherstellung der Frist verlangen; dabei hat sie glaubhaft zu machen, dass sie an der Säumnis kein Verschulden trifft.
2    Das Gesuch ist innert 30 Tagen nach Wegfall des Säumnisgrundes schriftlich und begründet bei der Behörde zu stellen, bei welcher die versäumte Verfahrenshandlung hätte vorgenommen werden sollen. Innert der gleichen Frist muss die versäumte Verfahrenshandlung nachgeholt werden.
3    Das Gesuch hat nur aufschiebende Wirkung, wenn die zuständige Behörde sie erteilt.
4    Über das Gesuch entscheidet die Strafbehörde in einem schriftlichen Verfahren.
5    Die Absätze 1-4 gelten sinngemäss bei versäumten Terminen. Wird die Wiederherstellung bewilligt, so setzt die Verfahrensleitung einen neuen Termin fest. Die Bestimmungen über das Abwesenheitsverfahren bleiben vorbehalten.
416 
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 416 Geltungsbereich - Die Bestimmungen dieses Titels gelten für alle Verfahren nach diesem Gesetz.
417 
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 417 Kostenpflicht bei fehlerhaften Verfahrenshandlungen - Bei Säumnis und anderen fehlerhaften Verfahrenshandlungen kann die Strafbehörde Verfahrenskosten und Entschädigungen ungeachtet des Verfahrensausgangs der verfahrensbeteiligten Person auferlegen, die sie verursacht hat.
436
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 436 Entschädigung und Genugtuung im Rechtsmittelverfahren - 1 Ansprüche auf Entschädigung und Genugtuung im Rechtsmittelverfahren richten sich nach den Artikeln 429-434.
1    Ansprüche auf Entschädigung und Genugtuung im Rechtsmittelverfahren richten sich nach den Artikeln 429-434.
2    Erfolgt weder ein vollständiger oder teilweiser Freispruch noch eine Einstellung des Verfahrens, obsiegt die beschuldigte Person aber in andern Punkten, so hat sie Anspruch auf eine angemessene Entschädigung für ihre Aufwendungen.
3    Hebt die Rechtsmittelinstanz einen Entscheid nach Artikel 409 auf, so haben die Parteien Anspruch auf eine angemessene Entschädigung für ihre Aufwendungen im Rechtsmittelverfahren und im aufgehobenen Teil des erstinstanzlichen Verfahrens.
4    Die nach einer Revision freigesprochene oder milder bestrafte beschuldigte Person hat Anspruch auf angemessene Entschädigung für ihre Aufwendungen im Revisionsverfahren. Sie hat zudem Anspruch auf Genugtuung und Entschädigung für ausgestandenen Freiheitsentzug, sofern dieser Freiheitsentzug nicht an die wegen anderer Straftaten ausgesprochenen Sanktionen angerechnet werden kann.
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