Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

1C 659/2021

Urteil vom 11. Juli 2023

I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Kneubühler, Präsident,
Bundesrichter Haag, Müller,
Gerichtsschreiberin Gerber.

Verfahrensbeteiligte
A.________ AG,
Beschwerdeführerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Emanuel Dettwiler,

gegen

1. Baurekursgericht des Kantons Zürich, Gerichtspräsidium der 4. Abteilung,
Postfach, 8090 Zürich,
2. Personalvorsorgestiftung B.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Christian Berz,

Ausschuss Bau und Infrastruktur des
Stadtrates Bülach, Marktgasse 27, 8180 Bülach.

Gegenstand
Ausstand,

Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich, 1. Abteilung, 1. Kammer,
vom 16. September 2021 (VB.2021.00364).

Sachverhalt:

A.
Mit Beschluss vom 13. September 2017 erteilte der Ausschuss Bau und Infrastruktur des Stadtrates Bülach (nachfolgend: Baubehörde) der Personalvorsorgestiftung B.________ (nachfolgend: Bauherrschaft) die Baubewilligung für den Neubau von fünf Mehrfamilienhäusern mit einer Tiefgarage auf dem Grundstück Nr. 8952 am Frohburgweg 26-34 in Bülach; zugleich wurde die Gesamtverfügung der Baudirektion Kanton Zürich vom 31. August 2017 eröffnet. Disp.-Ziff. 3.6 der Baubewilligung sieht vor, dass vor Baufreigabe ein Konzept der Baustellenorganisation der Baubehörde zur Genehmigung vorzulegen sei. Die Baubewilligung erwuchs unangefochten in Rechtskraft.

B.
In der Folge entstanden Streitigkeiten über die Erschliessung der Baustelle, insbesondere zur Möglichkeit, die benachbarten Grundstücke Nrn. 3672 und 5899 der A.________ AG als Baustellenzufahrt zu benutzen. Nach ergebnislosen Verhandlungen erteilte die Baubehörde der Bauherrschaft am 22. Januar 2020 die Bewilligung, die benachbarten Grundstücke der A.________ AG für maximal 24 Monate ab Baufreigabe für die Baustellenerschliessung zu beanspruchen (sog. Hammerschlagsrecht).
Dagegen erhob die A.________ AG am 6. März 2020 Rekurs beim Baurekursgericht des Kantons Zürich. Dieses hiess den Rekurs mit Entscheid vom 10. September 2020 teilweise gut und wies die Sache an die Baubehörde zurück. Die dagegen erhobenen Beschwerden wies das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich am 26. August 2021 ab. Gegen diesen Entscheid ist eine Beschwerde der A.________ AG vor Bundesgericht hängig (Verfahren 1C 645/2021).

C.
Mit Beschluss vom 17. August 2020 bewilligte die Baubehörde den Baustelleninstallationsplan der Bauherrschaft für den Aushub. Einem allfälligen Rekurs entzog sie die aufschiebende Wirkung, weil ansonsten die Gefahr bestehe, dass die Gültigkeit der Baubewilligung ablaufe, was ca. im Oktober 2020 der Fall sein werde.
Dagegen erhob die A.________ AG am 19. August 2020 Rekurs und beantragte u.a. die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung. Mit Präsidialverfügung vom 8. September 2020 stellte das Baurekursgericht die aufschiebende Wirkung des Rekurses wieder her (Entscheid R4.2020.000134b). Es ging davon aus, die Frist für die Verwirkung der Baubewilligung habe noch nicht zu laufen begonnen, weshalb kein Grund bestehe, vom Grundsatz der aufschiebenden Wirkung des Rekurses abzuweichen.
Am 3. Dezember 2020 hiess das Baurekursgericht den Rekurs gut und hob die Bewilligung des Baustelleninstallationsplans für den Aushub auf. Dieser Entscheid blieb unangefochten.

D.
Mit Beschluss vom 17. Februar 2021 stellte die Baubehörde auf Antrag der Bauherrschaft fest, dass die Frist der Gültigkeit der Baubewilligung vom 13. September 2017 samt Gesamtverfügung vom 31. August 2017 im Sinn der Erwägungen noch nicht zu laufen begonnen habe.
Dagegen erhob die A.________ AG am 26. März 2021 Rekurs an das Baurekursgericht des Kantons Zürich (Verfahren R4.2021.00037). Zugleich stellte sie den Verfahrensantrag, das Gerichtspräsidium der 4. Abteilung des Baurekursgerichts im Verfahren Nr. R4.2020.000134b habe infolge Befangenheit in den Ausstand zu treten.
Mit Zwischenentscheid vom 29. April 2021 wies das Baurekursgericht das Ausstandsbegehren ab. Das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich wies die dagegen erhobene Beschwerde am 16. September 2021 ab.

E.
Gegen den verwaltungsgerichtlichen Entscheid hat die A.________ AG am 29. Oktober 2021 Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht erhoben. Sie beantragt, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und das Gerichtspräsidium der 4. Abteilung des Baurekursgerichts im Verfahren Nr. R4.2020.000134b habe im Verfahren R4.2021.00037 infolge Befangenheit in den Ausstand zu treten.

F.
Das Verwaltungsgericht beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei. Die übrigen Beteiligten haben sich nicht (bzw. nur zum Gesuch um aufschiebende Wirkung) geäussert.

G.
Mit Verfügung vom 21. Dezember 2021 wurde das Gesuch um aufschiebende Wirkung abgewiesen.

Erwägungen:

1.
Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Zwischenentscheid über ein Ausstandsbegehren in einem Baurekursverfahren, d.h. einer öffentlich-rechtlichen Angelegenheit. Dagegen steht grundsätzlich die Beschwerde an das Bundesgericht offen (Art. 82 lit. a
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 82 Grundsatz - Das Bundesgericht beurteilt Beschwerden:
a  gegen Entscheide in Angelegenheiten des öffentlichen Rechts;
b  gegen kantonale Erlasse;
c  betreffend die politische Stimmberechtigung der Bürger und Bürgerinnen sowie betreffend Volkswahlen und -abstimmungen.
, 86 Abs. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 86 Vorinstanzen im Allgemeinen - 1 Die Beschwerde ist zulässig gegen Entscheide:
1    Die Beschwerde ist zulässig gegen Entscheide:
a  des Bundesverwaltungsgerichts;
b  des Bundesstrafgerichts;
c  der unabhängigen Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen;
d  letzter kantonaler Instanzen, sofern nicht die Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht zulässig ist.
2    Die Kantone setzen als unmittelbare Vorinstanzen des Bundesgerichts obere Gerichte ein, soweit nicht nach einem anderen Bundesgesetz Entscheide anderer richterlicher Behörden der Beschwerde an das Bundesgericht unterliegen.
3    Für Entscheide mit vorwiegend politischem Charakter können die Kantone anstelle eines Gerichts eine andere Behörde als unmittelbare Vorinstanz des Bundesgerichts einsetzen.
lit. d und 92 BGG). Da auch die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen vorliegen, ist auf die Beschwerde einzutreten.

2.
Die Rechtsprechung nimmt Voreingenommenheit und Befangenheit an, wenn Umstände vorliegen, die geeignet sind, Misstrauen in die Unparteilichkeit der Gerichtsperson zu erwecken. Dabei ist nicht auf das subjektive Empfinden einer Partei abzustellen. Das Misstrauen in die Unvoreingenommenheit muss vielmehr in objektiver Weise begründet erscheinen. Es genügt, wenn Umstände vorliegen, die bei objektiver Betrachtung den Anschein der Befangenheit und Voreingenommenheit erwecken (BGE 147 I 173 E. 5.1; 143 IV 69 E. 3.2; je mit Hinweisen).

2.1. Eine gewisse Besorgnis der Voreingenommenheit kann bei den Parteien immer dann entstehen, wenn eine Gerichtsperson in einem früheren Verfahren (bzw. Verfahrensstadium) mit der konkreten Streitsache schon einmal befasst war. In einem solchen Fall der Vor- oder Mehrfachbefassung ist massgebend, ob sich ein Richter oder eine Richterin durch die Mitwirkung an früheren Entscheidungen in einzelnen Punkten bereits in einem Mass festgelegt hat, welches das Verfahren nicht mehr als offen erscheinen lässt (grundlegend BGE 114 Ia 50 E. 3d; vgl. zuletzt BGE 148 IV 137 E. 5.5 mit Hinweisen). Dies ist anhand der tatsächlichen und verfahrensrechtlichen Umstände zu beurteilen. Wesentlich ist, welche Fragen in den verschiedenen Verfahren zu entscheiden sind bzw. waren, inwiefern sie sich ähnlich sind oder miteinander zusammenhängen. Zu beachten ist auch der Umfang des Entscheidungsspielraums bei der Beurteilung der sich in den verschiedenen Verfahren stellenden Rechtsfragen. Schliesslich ist massgebend, mit welcher Bestimmtheit sich die Gerichtsperson bei ihrer ersten Befassung zu den betreffenden Fragen ausgesprochen hat (vgl. BGE 140 I 326 E. 5.1 mit Hinweisen).

2.2. Nach der Rechtsprechung genügt die Mitwirkung an einem Zwischenentscheid über vorsorgliche Massnahmen für sich alleine nicht, um den Anschein der Befangenheit im anschliessende Hauptsacheverfahren zu erwecken (BGE 131 I 113 E. 3.6; Urteil 4C.514/1996 vom 15. Dezember 1997 E. 2a). Der vorläufige Rechtsschutz dient besonderen, eigenen Zielen und beruht auf einer summarischen Prüfung von bloss glaubhaft gemachten Tatsachen, weshalb er den Entscheid im Hauptprozess nicht präjudiziert.
Gleiches gilt für die Abweisung eines Gesuchs um unentgeltliche Rechtspflege wegen Aussichtslosigkeit der Rechtsbegehren. Massgebliche Bedeutung kommt dabei dem Umstand zu, dass es sich bei der Prüfung der Erfolgsaussichten ex ante stets um eine vorläufige, aufgrund des jeweiligen Aktenstandes vorgenommene Beurteilung der Sach- und Rechtslage handelt (BGE 131 I 113 E. 3.7 mit Hinweisen).
Aufgrund der nur summarischen Prüfung der Akten im abgekürzten Stafverfahren verneinte das Bundesgericht in BGE 148 IV 137 E. 5 auch eine Ausstandspflicht wegen Vorbefassung der Gerichtsperson, die sich im gescheiterten abgekürzten Verfahren bereits mit der Sache befasst hatte. Vorbehalten blieben besondere Fälle, z.B wenn sich die die Gerichtsperson in einer Weise geäussert habe, die keinen Zweifel darüber zulasse, dass sie sich ihre Meinung bereits gebildet habe (E. 5.11).

3.
Vorliegend ist streitig, ob das Präsidium der 4. Abteilung des Baurekursgerichts im Rekursverfahren R4.2021.00037 befangen ist, weil es die streitige Frage des Beginns der Verwirkungsfrist für die Baubewilligung bereits im Zwischenentscheid R4.2020.000134b vom 8. September 2020 beurteilt hatte, im Zusammenhang mit der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Rekurses gegen die Genehmigung der Baustelleninstallation.

3.1. In den Erwägungen dieses Zwischenentscheids wurde (zusammenfassend) ausgeführt, die aufschiebende Wirkung des Rekurses stelle den gesetzlichen Regelfall dar; für deren Entzug seien qualifizierte und überzeugende Gründe erforderlich. Hauptargument der Baubehörde sei, dass die Baubewilligung nur noch bis Oktober 2020 gültig sei, wenn nicht vorher mit dem Aushub begonnen werde, weshalb besondere Dringlichkeit bestehe. Dieser Ansicht sei nicht zu folgen. Gemäss § 322 Abs. 1 des Zürcher Planungs- und Baugesetzes vom 7. September 1975 (PBG/ZH; 700.1) erlösche eine Baubewilligung drei Jahre nach Eintritt der Rechtskraft, wenn nicht vorher mit der Ausführung begonnen worden sei. Seien für ein Projekt mehrere baurechtliche Bewilligungen erforderlich, beginne die Dreijahresfrist erst mit der Rechtskraft der letzten Bewilligung (§ 322 Abs. 2 PBG). Allerdings gehe es nicht an, den Eintritt des Fristenlaufs durch Unterlassung nebenbestimmungsweise statuierter Pflichten jahrelang hinauszuschieben; von der Bauherrschaft dürfe verlangt werden, dass sie das Zumutbare unternehme, um ein Ausführungshindernis zu beseitigen. Das Baurekursgericht bejahte dies, weil die Bauherrschaft mehrere Baustellenkonzepte eingereicht, Verhandlungen mit der
Rekurrentin über die Inanspruchnahme ihrer Grundstücke geführt und schliesslich ein Begehren gemäss §§ 229 ff. PBG/ZH (Hammerschlagsrecht) gestellt habe. Damit habe sie sich rechtzeitig um die Erfüllung der vor Baubeginn nachzuweisenden Baustellenerschliessung gekümmert. Die Frist gemäss § 322 PBG/ZH habe somit noch nicht zu laufen begonnen. Der Einwand der Rekursgegnerschaft, die Stammbaubewilligung vom 13. September 2017 drohe im Oktober 2020 zu verwirken, erweise sich daher als "haltlos". Von einer zeitlichen Dringlichkeit, welche die vorzeitige Freigabe für die Aushubarbeiten rechtfertigen würde, könne somit "keine Rede" sein.

3.2. Das Verwaltungsgericht wies das Ausstandsgesuch ab. Es erwog, über die Frage des Entzugs oder der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung werde in einem summarischen, einfachen und raschen Verfahren entschieden. Die entsprechende Vorbefassung begründe keine Befangenheit, auch nicht in einem weiteren Verfahren, Wegen des beschränkten Zwecks der Beurteilung der Rechtsfrage und des unpräjudiziellen Charakters des Entscheides erscheine der Ausgang des vorliegenden Verfahrens noch offen. Auch wenn der Gerichtspräsident eine andere Auffassung als "haltlos" bezeichnet habe, bestünden keine genügend konkreten Anhaltspunkte dafür, dass er sich bei der Beurteilung des Prozessantrags auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung in der Sache selbst bereits in einer Art festgelegt habe, dass er einer anderen Bewertung der Sach- und Rechtslage nicht mehr zugänglich und der Verfahrensausgang deswegen nicht mehr offen erscheine.

3.3. Die Beschwerdeführerin rügt eine Verletzung der Art. 30 Abs. 1
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 30 Gerichtliche Verfahren - 1 Jede Person, deren Sache in einem gerichtlichen Verfahren beurteilt werden muss, hat Anspruch auf ein durch Gesetz geschaffenes, zuständiges, unabhängiges und unparteiisches Gericht. Ausnahmegerichte sind untersagt.
1    Jede Person, deren Sache in einem gerichtlichen Verfahren beurteilt werden muss, hat Anspruch auf ein durch Gesetz geschaffenes, zuständiges, unabhängiges und unparteiisches Gericht. Ausnahmegerichte sind untersagt.
2    Jede Person, gegen die eine Zivilklage erhoben wird, hat Anspruch darauf, dass die Sache vom Gericht des Wohnsitzes beurteilt wird. Das Gesetz kann einen anderen Gerichtsstand vorsehen.
3    Gerichtsverhandlung und Urteilsverkündung sind öffentlich. Das Gesetz kann Ausnahmen vorsehen.
BV, Art. 6 Ziff. 1
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 6 Recht auf ein faires Verfahren - (1) Jede Person hat ein Recht darauf, dass über Streitigkeiten in Bezug auf ihre zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen oder über eine gegen sie erhobene strafrechtliche Anklage von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Das Urteil muss öffentlich verkündet werden; Presse und Öffentlichkeit können jedoch während des ganzen oder eines Teiles des Verfahrens ausgeschlossen werden, wenn dies im Interesse der Moral, der öffentlichen Ordnung oder der nationalen Sicherheit in einer demokratischen Gesellschaft liegt, wenn die Interessen von Jugendlichen oder der Schutz des Privatlebens der Prozessparteien es verlangen oder - soweit das Gericht es für unbedingt erforderlich hält - wenn unter besonderen Umständen eine öffentliche Verhandlung die Interessen der Rechtspflege beeinträchtigen würde.
a  innerhalb möglichst kurzer Frist in einer ihr verständlichen Sprache in allen Einzelheiten über Art und Grund der gegen sie erhobenen Beschuldigung unterrichtet zu werden;
b  ausreichende Zeit und Gelegenheit zur Vorbereitung ihrer Verteidigung zu haben;
c  sich selbst zu verteidigen, sich durch einen Verteidiger ihrer Wahl verteidigen zu lassen oder, falls ihr die Mittel zur Bezahlung fehlen, unentgeltlich den Beistand eines Verteidigers zu erhalten, wenn dies im Interesse der Rechtspflege erforderlich ist;
d  Fragen an Belastungszeugen zu stellen oder stellen zu lassen und die Ladung und Vernehmung von Entlastungszeugen unter denselben Bedingungen zu erwirken, wie sie für Belastungszeugen gelten;
e  unentgeltliche Unterstützung durch einen Dolmetscher zu erhalten, wenn sie die Verhandlungssprache des Gerichts nicht versteht oder spricht.
EMRK, Art. 14 Abs. 1
IR 0.103.2 Internationaler Pakt vom 16. Dezember 1966 über bürgerliche und politische Rechte
UNO-Pakt-II Art. 14 - (1) Alle Menschen sind vor Gericht gleich. Jedermann hat Anspruch darauf, dass über eine gegen ihn erhobene strafrechtliche Anklage oder seine zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen durch ein zuständiges, unabhängiges, unparteiisches und auf Gesetz beruhendes Gericht in billiger Weise und öffentlich verhandelt wird. Aus Gründen der Sittlichkeit, der öffentlichen Ordnung (ordre public) oder der nationalen Sicherheit in einer demokratischen Gesellschaft oder wenn es im Interesse des Privatlebens der Parteien erforderlich ist oder - soweit dies nach Auffassung des Gerichts unbedingt erforderlich ist - unter besonderen Umständen, in denen die Öffentlichkeit des Verfahrens die Interessen der Gerechtigkeit beeinträchtigen würde, können Presse und Öffentlichkeit während der ganzen oder eines Teils der Verhandlung ausgeschlossen werden; jedes Urteil in einer Straf- oder Zivilsache ist jedoch öffentlich zu verkünden, sofern nicht die Interessen Jugendlicher dem entgegenstehen oder das Verfahren Ehestreitigkeiten oder die Vormundschaft über Kinder betrifft.
a  Er ist unverzüglich und im Einzelnen in einer ihm verständlichen Sprache über Art und Grund der gegen ihn erhobenen Anklage zu unterrichten;
b  er muss hinreichend Zeit und Gelegenheit zur Vorbereitung seiner Verteidigung und zum Verkehr mit einem Verteidiger seiner Wahl haben;
c  es muss ohne unangemessene Verzögerung ein Urteil gegen ihn ergehen;
d  er hat das Recht, bei der Verhandlung anwesend zu sein und sich selbst zu verteidigen oder durch einen Verteidiger seiner Wahl verteidigen zu lassen; falls er keinen Verteidiger hat, ist er über das Recht, einen Verteidiger in Anspruch zu nehmen, zu unterrichten; fehlen ihm die Mittel zur Bezahlung eines Verteidigers, so ist ihm ein Verteidiger unentgeltlich zu bestellen, wenn dies im Interesse der Rechtspflege erforderlich ist;
e  er darf Fragen an die Belastungszeugen stellen oder stellen lassen und das Erscheinen und die Vernehmung der Entlastungszeugen unter den für die Belastungszeugen geltenden Bedingungen erwirken;
f  er kann die unentgeltliche Beiziehung eines Dolmetschers verlangen, wenn er die Verhandlungssprache des Gerichts nicht versteht oder spricht;
g  er darf nicht gezwungen werden, gegen sich selbst als Zeuge auszusagen oder sich schuldig zu bekennen.
UNO-Pakt II und Art. 18
SR 131.211 Verfassung des Kantons Zürich, vom 27. Februar 2005
KV/ZH Art. 18 - 1 Jede Person hat vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf rasche und wohlfeile Erledigung des Verfahrens.
1    Jede Person hat vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf rasche und wohlfeile Erledigung des Verfahrens.
2    Parteien haben Anspruch auf einen begründeten Entscheid mit Rechtsmittelbelehrung.
KV/ZH gewährleisteten gerechten Behandlung durch ein unparteiisches unvoreingenommenes Gericht. Sie macht geltend, das Gerichtspräsidium habe zur verfahrensentscheidenden Frage nicht bloss Position bezogen, sondern die (damals von der Baubehörde und heute noch von der Beschwerdeführerin vertretene) Rechtsauffassung explizit als "haltlos" bezeichnet. Durch diese Wortwahl entstehe objektiv der Eindruck, das Gerichtspräsidium habe sich bereits eine feste, unumstössliche Meinung gebildet. Die Begründung sei auch nicht summarisch, sondern sehr detailliert (über zwei Seiten), wenn auch einseitig (es würden nur Argumente gegen den Fristbeginn berücksichtigt). Sodann seien alle für die Beantwortung der Rechtsfrage massgeblichen Tatsachen bereits erstellt. Insofern unterscheide sich die Beurteilung nicht von derjenigen in einem Hauptsacheverfahren. Es bestehe vielmehr die Gefahr, dass der Parteistandpunkt der Beschwerdeführerin verworfen werde, nur um das Gesicht nicht zu verlieren. Das Verwaltungsgericht habe sich mit diesen Argumenten nicht auseinandergesetzt und habe damit das rechtliche Gehör der
Beschwerdeführerin verletzt (Art. 29 Abs. 2
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 29 Allgemeine Verfahrensgarantien - 1 Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung sowie auf Beurteilung innert angemessener Frist.
1    Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung sowie auf Beurteilung innert angemessener Frist.
2    Die Parteien haben Anspruch auf rechtliches Gehör.
3    Jede Person, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, hat Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege, wenn ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint. Soweit es zur Wahrung ihrer Rechte notwendig ist, hat sie ausserdem Anspruch auf unentgeltlichen Rechtsbeistand.
BV, Art. 6 Ziff. 1
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 6 Recht auf ein faires Verfahren - (1) Jede Person hat ein Recht darauf, dass über Streitigkeiten in Bezug auf ihre zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen oder über eine gegen sie erhobene strafrechtliche Anklage von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Das Urteil muss öffentlich verkündet werden; Presse und Öffentlichkeit können jedoch während des ganzen oder eines Teiles des Verfahrens ausgeschlossen werden, wenn dies im Interesse der Moral, der öffentlichen Ordnung oder der nationalen Sicherheit in einer demokratischen Gesellschaft liegt, wenn die Interessen von Jugendlichen oder der Schutz des Privatlebens der Prozessparteien es verlangen oder - soweit das Gericht es für unbedingt erforderlich hält - wenn unter besonderen Umständen eine öffentliche Verhandlung die Interessen der Rechtspflege beeinträchtigen würde.
a  innerhalb möglichst kurzer Frist in einer ihr verständlichen Sprache in allen Einzelheiten über Art und Grund der gegen sie erhobenen Beschuldigung unterrichtet zu werden;
b  ausreichende Zeit und Gelegenheit zur Vorbereitung ihrer Verteidigung zu haben;
c  sich selbst zu verteidigen, sich durch einen Verteidiger ihrer Wahl verteidigen zu lassen oder, falls ihr die Mittel zur Bezahlung fehlen, unentgeltlich den Beistand eines Verteidigers zu erhalten, wenn dies im Interesse der Rechtspflege erforderlich ist;
d  Fragen an Belastungszeugen zu stellen oder stellen zu lassen und die Ladung und Vernehmung von Entlastungszeugen unter denselben Bedingungen zu erwirken, wie sie für Belastungszeugen gelten;
e  unentgeltliche Unterstützung durch einen Dolmetscher zu erhalten, wenn sie die Verhandlungssprache des Gerichts nicht versteht oder spricht.
EMRK, Art. 18 Abs. 2
SR 131.212 Verfassung des Kantons Bern, vom 6. Juni 1993 (KV)
KV Art. 18 - 1 Jede Person hat das Recht, die über sie bearbeiteten Daten einzusehen und zu verlangen, dass unrichtige Daten berichtigt und ungeeignete oder unnötige Daten vernichtet werden.
1    Jede Person hat das Recht, die über sie bearbeiteten Daten einzusehen und zu verlangen, dass unrichtige Daten berichtigt und ungeeignete oder unnötige Daten vernichtet werden.
2    Behörden dürfen Personendaten nur bearbeiten, wenn eine gesetzliche Grundlage besteht und die Daten für die Erfüllung ihrer Aufgaben geeignet und notwendig sind.
3    Sie vergewissern sich, dass die bearbeiteten Daten richtig sind, und sie sichern sie vor missbräuchlicher Verwendung.
KV).

4.
Dem Verwaltungsgericht ist zuzustimmen, dass es für die Annahme der Vorbefassung des Präsidiums nicht genügt, dass dieses sich bereits im Rahmen des vorsorglichen Rechtsschutzes zur streitigen Rechtsfrage (Beginn der Verwirkungsfrist für die Baubewilligung) geäussert hat. Vorliegend kommt jedoch hinzu, dass die Frage nicht bloss summarisch, sondern vertieft geprüft wurde, gestützt auf einen unstreitigen Sachverhalt, und sich das Präsidium sehr bestimmt ausgesprochen hat, indem es die gegenteilige Rechtsauffassung als "haltlos" bezeichnete.
Dies ist auch nicht als Versehen oder als blosse Floskel zu werten, sondern war notwendig, um in der damaligen Situation die aufschiebende Wirkung des Rekurses wiederherstellen zu können: Die streitige Baustelleninstallation betraf erst den Aushub, der noch ohne Inanspruchnahme der Grundstücke der Beschwerdeführerin erfolgen konnte. Die Bauherrschaft hatte dagegen ein gewichtiges Interesse daran, mit den Aushubarbeiten beginnen zu können, bevor die dreijährige Frist gemäss § 322 PBG/ZH ablief. In dieser Situation konnte die gebotene Interessenabwägung nur dann zugunsten der damaligen Rekurrentin und heutigen Beschwerdeführerin ausfallen, wenn eine alsbaldige Verwirkung der Baubewilligung ausgeschlossen werden konnte. Dies setzte eine vertiefte Prüfung der Rechtslage voraus.
Unter diesen besonderen Umständen besteht objektiv Grund zur Annahme, dass sich das Präsidium des Baurekursgerichts bereits definitiv festgelegt hat, mit der Folge, dass der Ausgang des hängigen Rekursverfahrens nicht mehr offen erscheint.

5.
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde gutzuheissen. Da die Beschwerdegegnerin weder vor Bundesgericht noch in den Vorinstanzen einen Antrag gestellt hat, sind ihr keine Kosten und Entschädigungen aufzuerlegen. Der Kanton Zürich trägt ebenfalls keine Kosten (Art. 66 Abs. 4
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 66 Erhebung und Verteilung der Gerichtskosten - 1 Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben.
1    Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben.
2    Wird ein Fall durch Abstandserklärung oder Vergleich erledigt, so kann auf die Erhebung von Gerichtskosten ganz oder teilweise verzichtet werden.
3    Unnötige Kosten hat zu bezahlen, wer sie verursacht.
4    Dem Bund, den Kantonen und den Gemeinden sowie mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen dürfen in der Regel keine Gerichtskosten auferlegt werden, wenn sie in ihrem amtlichen Wirkungskreis, ohne dass es sich um ihr Vermögensinteresse handelt, das Bundesgericht in Anspruch nehmen oder wenn gegen ihre Entscheide in solchen Angelegenheiten Beschwerde geführt worden ist.
5    Mehrere Personen haben die ihnen gemeinsam auferlegten Gerichtskosten, wenn nichts anderes bestimmt ist, zu gleichen Teilen und unter solidarischer Haftung zu tragen.
BGG), ist jedoch verpflichtet, der Beschwerdeführerin eine Parteientschädigung auszurichten. Das Verwaltungsgericht wird die Kosten der vorinstanzlichen Verfahren neu verlegen müssen.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen und der Entscheid des Verwaltungsgerichts Zürich, 1. Abteilung, 1. Kammer, vom 16. September 2021 aufgehoben. Das Gerichtspräsidium der 4. Abteilung des Baurekursgerichts im Verfahren R4.2020.000134b muss infolge Vorbefassung im Verfahren R4.2021.00037 in den Ausstand treten.

2.
Es werden keine Kosten erhoben.

3.
Der Kanton Zürich (Baurekursgericht) hat die Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 3'000.-- zu entschädigen.

4.
Die Sache wird zur Neuverlegung der Kosten und Entschädigungen des vorangegangenen Verfahrens an das Verwaltungsgericht Zürich zurückgewiesen.

5.
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, dem Baurekursgericht des Kantons Zürich, Gerichtspräsidium der 4. Abteilung, der Personalvorsorgestiftung B.________, dem Ausschuss Bau und Infrastruktur des Stadtrates Bülach und dem Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, 1. Abteilung, 1. Kammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 11. Juli 2023

Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Kneubühler

Die Gerichtsschreiberin: Gerber
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 1C_659/2021
Date : 11. Juli 2023
Published : 29. Juli 2023
Source : Bundesgericht
Status : Unpubliziert
Subject area : Zuständigkeitsfragen, Garantie des Wohnsitzrichters und des verfassungsmässigen Richters
Subject : Ausstand


Legislation register
BGG: 66  82  86
BV: 29  30
EMRK: 6
KV ZH: 18
SR 0.103.2: 14
StV/BE: 18
BGE-register
114-IA-50 • 131-I-113 • 140-I-326 • 143-IV-69 • 147-I-173 • 148-IV-137
Weitere Urteile ab 2000
1C_645/2021 • 1C_659/2021 • 4C.514/1996
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