Eidgenössisches Versicherungsgericht
Tribunale federale delle assicurazioni
Tribunal federal d'assicuranzas

Sozialversicherungsabteilung
des Bundesgerichts

Prozess
{T 7}
C 51/05

Urteil vom 11. Juli 2005
IV. Kammer

Besetzung
Präsident Ferrari, Bundesrichter Meyer und Ursprung; Gerichtsschreiber Hadorn

Parteien
Arbeitslosenkasse des Kantons Luzern, Hallwilerweg 5, 6003 Luzern, Beschwerdeführerin,

gegen

B.________, 1964, Beschwerdegegner, vertreten durch Rechtsanwalt Martin Zumbühl, Inseliquai 8, 6002 Luzern

Vorinstanz
Verwaltungsgericht des Kantons Luzern, Luzern

(Entscheid vom 6. Januar 2005)

Sachverhalt:
A.
Mit Verfügung vom 23. April 2004 lehnte die Arbeitslosenkasse des Kantons Luzern den Anspruch des B.________ auf Arbeitslosenentschädigung ab 1. April 2004 ab. Diese Verfügung bestätigte die Kasse mit Einspracheentscheid vom 11. Juni 2004.
B.
Die dagegen erhobene Beschwerde hiess das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern mit Entscheid vom 6. Januar 2005 insofern gut, als es die Sache zur näheren Prüfung im Sinne der Erwägungen an die Kasse zurückwies.
C.
Die Arbeitslosenkasse führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, der kantonale Entscheid sei aufzuheben.

Während B.________ auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliessen lässt, verzichtet das Staatssekretariat für Wirtschaft (seco) auf eine Vernehmlassung.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.
Das kantonale Gericht hat die gesetzliche Vorschrift zum Ausschluss arbeitgeberähnlicher Personen vom Anspruch auf Kurzarbeitsentschädigung (Art. 31 Abs. 3 lit. c
SR 837.0 Bundesgesetz vom 25. Juni 1982 über die obligatorische Arbeitslosenversicherung und die Insolvenzentschädigung (Arbeitslosenversicherungsgesetz, AVIG) - Arbeitslosenversicherungsgesetz
AVIG Art. 31 Anspruchsvoraussetzungen - 1 Arbeitnehmer, deren normale Arbeitszeit verkürzt oder deren Arbeit ganz eingestellt ist, haben Anspruch auf Kurzarbeitsentschädigung, wenn:
1    Arbeitnehmer, deren normale Arbeitszeit verkürzt oder deren Arbeit ganz eingestellt ist, haben Anspruch auf Kurzarbeitsentschädigung, wenn:
a  sie für die Versicherung beitragspflichtig sind oder das Mindestalter für die Beitragspflicht in der AHV noch nicht erreicht haben;
b  der Arbeitsausfall anrechenbar ist (Art. 32);
c  das Arbeitsverhältnis nicht gekündigt ist;
d  der Arbeitsausfall voraussichtlich vorübergehend ist und erwartet werden darf, dass durch Kurzarbeit ihre Arbeitsplätze erhalten werden können.
1bis    Zur Prüfung der Anspruchsvoraussetzung nach Absatz 1 Buchstabe d kann in Ausnahmefällen eine Betriebsanalyse zu Lasten des Ausgleichsfonds durchgeführt werden.145
2    Der Bundesrat kann abweichende Bestimmungen erlassen über die Kurzarbeitsentschädigung:
a  für Heimarbeitnehmer;
b  für Arbeitnehmer, deren Arbeitszeit innerhalb vertraglich festgelegter Grenzen veränderlich ist.146
3    Keinen Anspruch auf Kurzarbeitsentschädigung haben:
a  Arbeitnehmer, deren Arbeitsausfall nicht bestimmbar oder deren Arbeitszeit nicht ausreichend kontrollierbar ist;
b  der mitarbeitende Ehegatte des Arbeitgebers;
c  Personen, die in ihrer Eigenschaft als Gesellschafter, als finanziell am Betrieb Beteiligte oder als Mitglieder eines obersten betrieblichen Entscheidungsgremiums die Entscheidungen des Arbeitgebers bestimmen oder massgeblich beeinflussen können, sowie ihre mitarbeitenden Ehegatten.
AVIG) sowie die Rechtsprechung zur analogen Anwendung dieser Bestimmung auf arbeitgeberähnliche Personen, welche Arbeitslosenentschädigung verlangen (BGE 123 V 236 Erw. 7), richtig dargelegt. Darauf wird verwiesen.
2.
Streitig und zu prüfen ist, ob der Versicherte Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung ab 1. April 2004 hat.
2.1 Unbestrittenermassen wurde der Versicherte am 23. Oktober 2003 auf Ende Dezember 2003 aus der Firma X.________ entlassen. Er blieb jedoch als Gesellschafter und Geschäftsführer dieses Betriebes im Handelsregister eingetragen. Am 22. Dezember 2003 beschloss die Leitung die Auflösung der Firma und bestimmte den Versicherten als geschäftsführenden Gesellschafter und Liquidator mit Einzelunterschrift. Diese Funktionen wurden im Handelsregister vermerkt. Mit dem Auflösungsbeschluss änderte die Firma überdies ihren Namen in Y.________ GmbH (ab 23. Dezember 2003 Y.________ GmbH in Liquidation) um. Gleichentags verkaufte sie ihr Geschäftslokal samt dem Inventar an die Firma M.________. In diesem Betrieb fand der Beschwerdegegner für die Zeit vom 1. Januar bis 31. März 2004 eine Anstellung, ehe er sich ab 1. April 2004 zum Bezug von Arbeitslosenentschädigung anmeldete.
2.2 Es geht um die Frage, ob der Beschwerdegegner trotz seiner Position als Liquidator der Y.________ GmbH Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung hat oder nicht. Die Vorinstanz erwog, dass keine Missbrauchsgefahr im Sinne von BGE 123 V 234 mehr bestehe, da der Versicherte nach erfolgtem Auflösungsbeschluss keine rechtliche Möglichkeit mehr besessen habe, den Geschäftsbetrieb weiterzuführen oder sich erneut als Arbeitnehmer einzustellen. Die Tätigkeit des Liquidators sei auf die für eine Liquidation notwendigen Handlungen beschränkt. Zudem sei der Imbissstand mit dem Inventar verkauft worden, weshalb auch faktisch keine Weiterführung des Betriebs mehr denkbar gewesen sei. Der Zeitpunkt der Löschung im Handelsregister hange sodann von Fristen ab (Art. 742
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 742 - 1 Die Liquidatoren haben bei der Übernahme ihres Amtes eine Bilanz aufzustellen.
1    Die Liquidatoren haben bei der Übernahme ihres Amtes eine Bilanz aufzustellen.
2    Die aus den Geschäftsbüchern ersichtlichen oder in anderer Weise bekannten Gläubiger sind durch besondere Mitteilung, unbekannte Gläubiger und solche mit unbekanntem Wohnort durch öffentliche Bekanntmachung im Schweizerischen Handelsamtsblatt und überdies in der von den Statuten vorgesehenen Form von der Auflösung der Gesellschaft in Kenntnis zu setzen und zur Anmeldung ihrer Ansprüche aufzufordern.
und 745
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 745 - 1 Das Vermögen der aufgelösten Gesellschaft wird nach Tilgung ihrer Schulden, soweit die Statuten nichts anderes bestimmen, unter die Aktionäre nach Massgabe der einbezahlten Beträge und unter Berücksichtigung der Vorrechte einzelner Aktienkategorien verteilt.632
1    Das Vermögen der aufgelösten Gesellschaft wird nach Tilgung ihrer Schulden, soweit die Statuten nichts anderes bestimmen, unter die Aktionäre nach Massgabe der einbezahlten Beträge und unter Berücksichtigung der Vorrechte einzelner Aktienkategorien verteilt.632
2    Die Verteilung darf frühestens nach Ablauf eines Jahres vollzogen werden, von dem Tag an gerechnet, an dem der Schuldenruf ergangen ist.633
3    Eine Verteilung darf bereits nach Ablauf von drei Monaten erfolgen, wenn ein zugelassener Revisionsexperte bestätigt, dass die Schulden getilgt sind und nach den Umständen angenommen werden kann, dass keine Interessen Dritter gefährdet werden.634
OR), welche auch ein Liquidator nicht beeinflussen könne. Es rechtfertige sich nicht, dem Beschwerdegegner nur wegen der noch nicht erfolgten Löschung im Handelsregister den Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung zu versagen, sei doch faktisch und rechtlich kein Missbrauch mehr möglich. Daher habe die Verwaltung zu prüfen, ob die übrigen Voraussetzungen für die Ausrichtung von Taggeldern erfüllt seien. Dem widerspricht die Arbeitslosenkasse mit Hinweisen auf die
Rechtsprechung, wonach ein Liquidator bis zur erfolgten Löschung im Handelsregister als arbeitgeberähnliche Person zu betrachten sei, welche keinen Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung habe.
2.3 In ARV 2002 Nr. 28 S. 186 Erw. 3c stellte das Eidgenössische Versicherungsgericht fest, dass der dortige Versicherte nach dem Liquidationsbeschluss weiterhin als Geschäftsführer und überdies als Liquidator für die aufgelöste Firma, deren Mehrheitsaktionär er war, tätig geblieben war. Damit hatte er bis zur Eintragung der Auflösung im Handelsregister eine arbeitgeberähnliche Stellung inne und konnte keine Arbeitslosenentschädigung beanspruchen.
2.4 Die Vorinstanz will auf die Löschung der Firma im Handelsregister verzichten, da die Umstände (Verkauf des Imbissstandes samt Inventar) eine allfällige Weiterführung der GmbH faktisch verunmöglichten. Indessen weist die Verwaltung zu Recht darauf hin, dass der Firmenzweck der Firma X.________ (Y.________ GmbH) breit formuliert war und nicht nur den Betrieb des erwähnten Imbissstandes umfasste. Selbst der Beschwerdegegner räumt ein, dass er zusammen mit dem zweiten Gesellschafter auch in der Liquidationsphase noch die Weiterführung der Unternehmung hätte beschliessen können. Der Gesellschaftsanteil von 50% hätte ihm dabei zwar keine alleinigen Entscheide erlaubt, doch hätte er damit einen relevanten Einfluss auszuüben vermocht. Sodann weist der Versicherte darauf hin, dass die Firma wegen der unerledigten Regelung verschiedener Geschäftsschulden im Handelsregister noch nicht gelöscht werden könne. Dennoch rechtfertigt es sich, die Löschung der Firma im Handelsregister abzuwarten. Denn erst mit dieser Löschung ist nach aussen in für Dritte verlässlicher Weise kundgetan, dass der Beschwerdegegner endgültig aus seinem Betrieb ausgetreten ist (Urteil K. vom 8. Juni 2004, C 110/03). Dies war am Datum des Einspracheentscheides (11.
Juni 2004), welches die zeitliche Grenze der richterlichen Überprüfungsbefugnis bildet (BGE 129 V 369 Erw. 1), noch nicht der Fall, weshalb der Versicherte keine Arbeitslosenentschädigung beziehen kann.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
1.
In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird der Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Luzern vom 6. Januar 2005 aufgehoben.
2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Luzern, Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, der Dienststelle für Wirtschaft und Arbeit Luzern (wira) und dem Staatssekretariat für Wirtschaft zugestellt.
Luzern, 11. Juli 2005
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts
Der Präsident der IV. Kammer: Der Gerichtsschreiber:
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : C 51/05
Datum : 11. Juli 2005
Publiziert : 12. August 2005
Quelle : Bundesgericht
Status : Unpubliziert
Sachgebiet : Arbeitslosenversicherung
Gegenstand : Arbeitslosenversicherung


Gesetzesregister
AVIG: 31
SR 837.0 Bundesgesetz vom 25. Juni 1982 über die obligatorische Arbeitslosenversicherung und die Insolvenzentschädigung (Arbeitslosenversicherungsgesetz, AVIG) - Arbeitslosenversicherungsgesetz
AVIG Art. 31 Anspruchsvoraussetzungen - 1 Arbeitnehmer, deren normale Arbeitszeit verkürzt oder deren Arbeit ganz eingestellt ist, haben Anspruch auf Kurzarbeitsentschädigung, wenn:
1    Arbeitnehmer, deren normale Arbeitszeit verkürzt oder deren Arbeit ganz eingestellt ist, haben Anspruch auf Kurzarbeitsentschädigung, wenn:
a  sie für die Versicherung beitragspflichtig sind oder das Mindestalter für die Beitragspflicht in der AHV noch nicht erreicht haben;
b  der Arbeitsausfall anrechenbar ist (Art. 32);
c  das Arbeitsverhältnis nicht gekündigt ist;
d  der Arbeitsausfall voraussichtlich vorübergehend ist und erwartet werden darf, dass durch Kurzarbeit ihre Arbeitsplätze erhalten werden können.
1bis    Zur Prüfung der Anspruchsvoraussetzung nach Absatz 1 Buchstabe d kann in Ausnahmefällen eine Betriebsanalyse zu Lasten des Ausgleichsfonds durchgeführt werden.145
2    Der Bundesrat kann abweichende Bestimmungen erlassen über die Kurzarbeitsentschädigung:
a  für Heimarbeitnehmer;
b  für Arbeitnehmer, deren Arbeitszeit innerhalb vertraglich festgelegter Grenzen veränderlich ist.146
3    Keinen Anspruch auf Kurzarbeitsentschädigung haben:
a  Arbeitnehmer, deren Arbeitsausfall nicht bestimmbar oder deren Arbeitszeit nicht ausreichend kontrollierbar ist;
b  der mitarbeitende Ehegatte des Arbeitgebers;
c  Personen, die in ihrer Eigenschaft als Gesellschafter, als finanziell am Betrieb Beteiligte oder als Mitglieder eines obersten betrieblichen Entscheidungsgremiums die Entscheidungen des Arbeitgebers bestimmen oder massgeblich beeinflussen können, sowie ihre mitarbeitenden Ehegatten.
OR: 742 
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 742 - 1 Die Liquidatoren haben bei der Übernahme ihres Amtes eine Bilanz aufzustellen.
1    Die Liquidatoren haben bei der Übernahme ihres Amtes eine Bilanz aufzustellen.
2    Die aus den Geschäftsbüchern ersichtlichen oder in anderer Weise bekannten Gläubiger sind durch besondere Mitteilung, unbekannte Gläubiger und solche mit unbekanntem Wohnort durch öffentliche Bekanntmachung im Schweizerischen Handelsamtsblatt und überdies in der von den Statuten vorgesehenen Form von der Auflösung der Gesellschaft in Kenntnis zu setzen und zur Anmeldung ihrer Ansprüche aufzufordern.
745
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 745 - 1 Das Vermögen der aufgelösten Gesellschaft wird nach Tilgung ihrer Schulden, soweit die Statuten nichts anderes bestimmen, unter die Aktionäre nach Massgabe der einbezahlten Beträge und unter Berücksichtigung der Vorrechte einzelner Aktienkategorien verteilt.632
1    Das Vermögen der aufgelösten Gesellschaft wird nach Tilgung ihrer Schulden, soweit die Statuten nichts anderes bestimmen, unter die Aktionäre nach Massgabe der einbezahlten Beträge und unter Berücksichtigung der Vorrechte einzelner Aktienkategorien verteilt.632
2    Die Verteilung darf frühestens nach Ablauf eines Jahres vollzogen werden, von dem Tag an gerechnet, an dem der Schuldenruf ergangen ist.633
3    Eine Verteilung darf bereits nach Ablauf von drei Monaten erfolgen, wenn ein zugelassener Revisionsexperte bestätigt, dass die Schulden getilgt sind und nach den Umständen angenommen werden kann, dass keine Interessen Dritter gefährdet werden.634
BGE Register
123-V-234 • 129-V-362
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C_110/03 • C_51/05
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