Bundesstrafgericht

Tribunal pénal fédéral Tribunale penale federale Tribunal penal federal

Geschäftsnummer: BB.2016.254

Beschluss vom 10. August 2016 Beschwerdekammer

Besetzung

Bundesstrafrichter Stephan Blättler, Vorsitz, Andreas J. Keller und Cornelia Cova, Gerichtsschreiberin Chantal Blättler Grivet Fojaja

Parteien

A., Beschwerdeführerin

gegen

Bundesanwaltschaft Rechtsdienst, Beschwerdegegnerin

Gegenstand

Rechtsverweigerung (Art. 393 Abs. 2 lit. a
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 393 Zulässigkeit und Beschwerdegründe - 1 Die Beschwerde ist zulässig gegen:
1    Die Beschwerde ist zulässig gegen:
a  die Verfügungen und die Verfahrenshandlungen von Polizei, Staatsanwaltschaft und Übertretungsstrafbehörden;
b  die Verfügungen und Beschlüsse sowie die Verfahrenshandlungen der erstinstanzlichen Gerichte; ausgenommen sind verfahrensleitende Entscheide;
c  die Entscheide des Zwangsmassnahmengerichts, sofern dieses Gesetz sie nicht als endgültig bezeichnet.
2    Mit der Beschwerde können gerügt werden:
a  Rechtsverletzungen, einschliesslich Überschreitung und Missbrauch des Ermessens, Rechtsverweigerung und Rechtsverzögerung;
b  die unvollständige oder unrichtige Feststellung des Sachverhalts;
c  Unangemessenheit.
StPO)

Die Beschwerdekammer hält fest, dass:

- um den 27. August 2015 bei der Bundesanwaltschaft eine Anzeige von A. gegen die liechtensteinischen Rechtsanwälte B. und C. sowie gegen die Banken D. und E., jeweils in Zürich, wegen „organisierter grenzüberschreitenen Wirtschaftskriminalität, Verbrechens der Untreue, Missbrauchs der Vertretungsmacht, gesetzzwecksfremden Missbrauchs der Stiftungen, grenzüberschreitener Geldwäscherei, Korruption, Strafvereitelung im Amt und organisierter Vertuschung des Verbrechens am Stiftungskapital in zweistelliger Millionenhöhe“ erstattet worden ist (Verfahrensakten Bundesanwaltschaft, Urk. RD-3 und RD-21);

- nach Ausführungen von A. die angeblich Beschuldigten die Vermögenswerte der Stiftungen F., G., H. und I. in Millionenhöhe in fremde Kanäle verschoben hätten ohne Kenntnis der wirtschaftlich Berechtigten, nämlich A. und deren Ehemann (Verfahrensakten Bundesanwaltschaft, Urk. RD-3);

- A. mit Schreiben vom 30. Mai 2016 an das Bundesstrafgericht gelangte und beantragte, es seien „die aufsichtsrechtlichen Massnahmen zur Behebung der straflosen Missstände zu ergreifen die Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft zu verpflichten, die Aufsicht über die Bundesanwaltschaft vorzunehmen den unabhängigen Bundesanwaltschaft zu bestellen und ein gesetzliches Ermittlungsverfahren in die Wege zu leiten“ (Verfahrensakten Generalsekretariat UZ.2016.30 = act. 2);

- A. von der Generalsekretärin des Bundesstrafgerichts mit Schreiben vom 2. Juni 2016 dazu aufgefordert wurde, ihre Eingabe bis zum 17. Juni 2016 mit Begehren oder Begründungen unter Angabe der Beweismittel zu konkretisieren, ansonsten das Gericht nicht in der Lage sei, den Gegenstand der Eingabe zu bestimmen (Verfahrensakten Generalsekretariat UZ.2016.30 = act. 2);

- A. mit E-Mail vom 2. Juni und Eingabe vom 6. Juni 2016 sinngemäss Beschwerde wegen Rechtsverweigerung erhob, weil weder die Bundesanwaltschaft auf die Strafanzeige noch die Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft auf die Aufsichtsbeschwerde reagiert hätten (Verfahrensakten Generalsekretariat UZ.2016.30);

- die Bundesanwaltschaft A. mit Schreiben vom 7. Juni 2016 mitteilte, dass die Voraussetzungen für ein Handeln der Bundesanwaltschaft nicht gegeben seien, da keine Hinweise auf strafbare Handlungen vorlägen, die den Tätigkeits- und Zuständigkeitsbereich der Bundesanwaltschaft beträfen (act. 1.1);

- A. mit Eingabe vom 18. Juni 2016 beantragte, ihre Beschwerde sei gutzuheissen und die Bundesanwaltschaft zu verpflichten, die Ermittlungen einzuleiten (act. 4); dieser Eingabe ein weiteres Schreiben von A., datiert vom 19. Juni 2016, beigelegt war, mit dem A. gegen Oberstaatsanwalt J., Zürich, Bundesanwalt K. und die Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft „Antrag auf Ausstand und Strafanzeige wegen Strafvereitelung im Amt“ erstattete (act. 4.1; vgl. separates Verfahren BB.2016.324);

- die Beschwerdekammer am 21. Juni 2016 die Bundesanwaltschaft dazu aufforderte, die Verfahrensakten einzureichen (act. 3); die Bundesanwaltschaft dem mit Eingabe vom 23. Juni 2016 nachkam (act. 5);

- auf die Durchführung eines Schriftenwechsels verzichtet wurde (Art. 390 Abs. 2
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 390 Schriftliches Verfahren - 1 Wer ein Rechtsmittel ergreifen will, für welches dieses Gesetz das schriftliche Verfahren vorschreibt, hat eine Rechtsmittelschrift einzureichen.
1    Wer ein Rechtsmittel ergreifen will, für welches dieses Gesetz das schriftliche Verfahren vorschreibt, hat eine Rechtsmittelschrift einzureichen.
2    Ist das Rechtsmittel nicht offensichtlich unzulässig oder unbegründet, so stellt die Verfahrensleitung den anderen Parteien und der Vorinstanz die Rechtsmittelschrift zur Stellungnahme zu. Kann die Rechtsmittelschrift nicht zugestellt werden oder bleibt eine Stellungnahme aus, so wird das Verfahren gleichwohl weitergeführt.
3    Die Rechtsmittelinstanz ordnet wenn nötig einen zweiten Schriftenwechsel an.
4    Sie fällt ihren Entscheid auf dem Zirkularweg oder in einer nicht öffentlichen Beratung aufgrund der Akten und der zusätzlichen Beweisabnahmen.
5    Sie kann von Amtes wegen oder auf Antrag einer Partei eine Verhandlung anordnen.
StPO).

Die Beschwerdekammer zieht in Erwägung, dass:

- gegen Verfügungen und Verfahrenshandlungen der Bundesanwaltschaft bei der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts Beschwerde erhoben werden kann (Art. 393 Abs. 1 lit. a
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 393 Zulässigkeit und Beschwerdegründe - 1 Die Beschwerde ist zulässig gegen:
1    Die Beschwerde ist zulässig gegen:
a  die Verfügungen und die Verfahrenshandlungen von Polizei, Staatsanwaltschaft und Übertretungsstrafbehörden;
b  die Verfügungen und Beschlüsse sowie die Verfahrenshandlungen der erstinstanzlichen Gerichte; ausgenommen sind verfahrensleitende Entscheide;
c  die Entscheide des Zwangsmassnahmengerichts, sofern dieses Gesetz sie nicht als endgültig bezeichnet.
2    Mit der Beschwerde können gerügt werden:
a  Rechtsverletzungen, einschliesslich Überschreitung und Missbrauch des Ermessens, Rechtsverweigerung und Rechtsverzögerung;
b  die unvollständige oder unrichtige Feststellung des Sachverhalts;
c  Unangemessenheit.
StPO i.V.m. Art. 37 Abs. 1
SR 173.71 Bundesgesetz vom 19. März 2010 über die Organisation der Strafbehörden des Bundes (Strafbehördenorganisationsgesetz, StBOG) - Strafbehördenorganisationsgesetz
StBOG Art. 37 Zuständigkeiten - 1 Die Beschwerdekammern des Bundesstrafgerichts treffen die Entscheide, für welche die StPO13 die Beschwerdeinstanz oder das Bundesstrafgericht als zuständig bezeichnet.
1    Die Beschwerdekammern des Bundesstrafgerichts treffen die Entscheide, für welche die StPO13 die Beschwerdeinstanz oder das Bundesstrafgericht als zuständig bezeichnet.
2    Sie entscheiden zudem über:
a  Beschwerden in internationalen Rechtshilfeangelegenheiten gemäss:
a1  dem Rechtshilfegesetz vom 20. März 198114,
a2  dem Bundesgesetz vom 21. Dezember 199515 über die Zusammenarbeit mit den internationalen Gerichten zur Verfolgung schwerwiegender Verletzungen des humanitären Völkerrechts,
a3  dem Bundesgesetz vom 22. Juni 200116 über die Zusammenarbeit mit dem Internationalen Strafgerichtshof,
a4  dem Bundesgesetz vom 3. Oktober 197517 zum Staatsvertrag mit den Vereinigten Staaten von Amerika über gegenseitige Rechtshilfe in Strafsachen;
b  Beschwerden, die ihnen das Bundesgesetz vom 22. März 197418 über das Verwaltungsstrafrecht zuweist;
c  Beschwerden gegen Verfügungen des Bundesverwaltungsgerichts über das Arbeitsverhältnis seiner Richter und Richterinnen und seines Personals sowie des Personals der ständigen Sekretariate der eidgenössischen Schätzungskommissionen;
d  Konflikte über die Zuständigkeit der militärischen und der zivilen Gerichtsbarkeit;
e  Anstände, die ihnen das Bundesgesetz vom 21. März 199720 über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit zum Entscheid zuweist;
f  Anstände, die ihnen das Bundesgesetz vom 7. Oktober 199421 über kriminalpolizeiliche Zentralstellen des Bundes zum Entscheid zuweist;
g  Konflikte über die Zuständigkeit nach dem Geldspielgesetz vom 29. September 201723.
des Bundesgesetzes vom 19. März 2010 über die Organisation der Strafbehörden des Bundes [Strafbehördenorganisationsgesetz, StBOG, SR 173.71]); mit der Beschwerde unter anderem Rechtsverletzung, einschliesslich Überschreitung und Missbrauch des Ermessens, Rechtsverweigerung und Rechtsverzögerung gerügt werden können (Art. 396 Abs. 2
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 396 Form und Frist - 1 Die Beschwerde gegen schriftlich oder mündlich eröffnete Entscheide ist innert 10 Tagen schriftlich und begründet bei der Beschwerdeinstanz einzureichen.
1    Die Beschwerde gegen schriftlich oder mündlich eröffnete Entscheide ist innert 10 Tagen schriftlich und begründet bei der Beschwerdeinstanz einzureichen.
2    Beschwerden wegen Rechtsverweigerung oder Rechtsverzögerung sind an keine Frist gebunden.
StPO);

- eine formelle Rechtsverweigerung vorliegt, wenn sich die Behörde weigert, eine ihr nach Gesetz obliegende Amtshandlung vorzunehmen; materielle Rechtsverweigerung gegeben ist, wenn die Behörde in der Sache einen willkürlichen Entscheid trifft;

- vorliegend die Bundesanwaltschaft mit Schreiben vom 7. Juni 2016 ausdrücklich erklärte, zur Behandlung der Strafanzeige sachlich nicht zuständig zu sein (act. 1.1);

- mithin mit dieser (Negativ-)Verfügung das vorliegende Verfahren gegenstandlos geworden ist (Guidon, Die Beschwerde gemäss Schweizerischer Strafprozessordnung, Berner Diss., Zürich/St. Gallen 2011, N 244 m.w.H.);

- bei Eintritt der Gegenstandslosigkeit im Beschwerdeverfahren in erster Linie kostenpflichtig wird, wer diese verursacht hat (TPF 2011 31; Entscheide des Bundesstrafgerichts BB.2013.9 vom 25. Februar 2013, BB.2012.122 vom 7. November 2012, BB.2011.122 vom 14. November 2011);

- vorliegend die Beschwerdegegnerin die Gegenstandslosigkeit des Beschwerdeverfahrens zu vertreten hat und damit grundsätzlich kosten- und entschädigungspflichtig wird;

- die Gerichtskosten somit auf die Staatskasse zu nehmen sind (Art. 423 Abs. 1
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 423 Grundsätze - 1 Die Verfahrenskosten werden vom Bund oder dem Kanton getragen, der das Verfahren geführt hat; abweichende Bestimmungen dieses Gesetzes bleiben vorbehalten.
1    Die Verfahrenskosten werden vom Bund oder dem Kanton getragen, der das Verfahren geführt hat; abweichende Bestimmungen dieses Gesetzes bleiben vorbehalten.
2    und 3 ...273
StPO);

- eine Entschädigung an die Beschwerdeführerin nicht auszurichten ist, da im Anwendungsbereich von Art. 436 Abs.1
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 436 Entschädigung und Genugtuung im Rechtsmittelverfahren - 1 Ansprüche auf Entschädigung und Genugtuung im Rechtsmittelverfahren richten sich nach den Artikeln 429-434.
1    Ansprüche auf Entschädigung und Genugtuung im Rechtsmittelverfahren richten sich nach den Artikeln 429-434.
2    Erfolgt weder ein vollständiger oder teilweiser Freispruch noch eine Einstellung des Verfahrens, obsiegt die beschuldigte Person aber in andern Punkten, so hat sie Anspruch auf eine angemessene Entschädigung für ihre Aufwendungen.
3    Hebt die Rechtsmittelinstanz einen Entscheid nach Artikel 409 auf, so haben die Parteien Anspruch auf eine angemessene Entschädigung für ihre Aufwendungen im Rechtsmittelverfahren und im aufgehobenen Teil des erstinstanzlichen Verfahrens.
4    Die nach einer Revision freigesprochene oder milder bestrafte beschuldigte Person hat Anspruch auf angemessene Entschädigung für ihre Aufwendungen im Revisionsverfahren. Sie hat zudem Anspruch auf Genugtuung und Entschädigung für ausgestandenen Freiheitsentzug, sofern dieser Freiheitsentzug nicht an die wegen anderer Straftaten ausgesprochenen Sanktionen angerechnet werden kann.
StPO die Privatklägerschaft Entschädigungsansprüche für das Beschwerdeverfahren nur gegenüber der beschuldigten Person und nicht gegenüber dem Staat geltend machen kann (Art. 433 Abs. 1
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 433 Privatklägerschaft - 1 Die Privatklägerschaft hat gegenüber der beschuldigten Person Anspruch auf angemessene Entschädigung für notwendige Aufwendungen im Verfahren, wenn:
1    Die Privatklägerschaft hat gegenüber der beschuldigten Person Anspruch auf angemessene Entschädigung für notwendige Aufwendungen im Verfahren, wenn:
a  sie obsiegt; oder
b  die beschuldigte Person nach Artikel 426 Absatz 2 kostenpflichtig ist.
2    Die Privatklägerschaft hat ihre Entschädigungsforderung bei der Strafbehörde zu beantragen, zu beziffern und zu belegen. Kommt sie dieser Pflicht nicht nach, so tritt die Strafbehörde auf den Antrag nicht ein.
StPO).

Demnach erkennt die Beschwerdekammer:

1. Das Beschwerdeverfahren wird zufolge Gegenstandslosigkeit als erledigt abgeschrieben.

2. Es wird keine Gerichtsgebühr erhoben.

Bellinzona, 11. August 2016

Im Namen der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts

Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:

Zustellung an

- A.

- Bundesanwaltschaft

Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Entscheid ist kein ordentliches Rechtsmittel gegeben.
Decision information   •   DEFRITEN
Document : BB.2016.254
Date : 10. August 2016
Published : 24. Januar 2017
Source : Bundesstrafgericht
Status : Unpubliziert
Subject area : Beschwerdekammer: Strafverfahren
Subject : Rechtsverweigerung (Art. 393 Abs. 2 lit. a StPO).


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StBOG: 37
StPO: 390  393  396  423  433  436
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