Bundesstrafgericht
Tribunal pénal fédéral Tribunale penale federale Tribunal penal federal
Geschäftsnummer: BG.2009.15
Entscheid vom 10. Juli 2009 I. Beschwerdekammer
Besetzung
Bundesstrafrichter Emanuel Hochstrasser, Vorsitz, Tito Ponti und Alex Staub , Gerichtsschreiber Stefan Graf
Parteien
Kanton Basel-Stadt,
Gesuchsteller
gegen
Kanton Zürich,
Gesuchsgegner
Gegenstand
Örtlicher Gerichtsstand (Art. 279 Abs. 1 BStP i.V.m. Art. 345 StGB)
Sachverhalt:
A. Die Staatsanwaltschaft Limmattal/Albis gelangte mit Schreiben vom 7. April 2009 an die Staatsanwaltschaft Basel-Stadt und führte darin aus, dass sie gegen A. eine Strafuntersuchung wegen des Verdachts der „Drohung etc.“ führe. Dabei werde dem Angeschuldigten u. a. vorgeworfen, am Abend des 5. April 2009 in Z. (Kanton Zürich) mit seinem Fahrzeug drei Mal absichtlich in das Heck des Personenwagens, in dem die Geschädigten B. und C. sassen, gefahren zu sein. Anschliessend, zum Zeitpunkt, als der Geschädigte C. die Fahrertüre des von ihm geführten Wagens öffnete und im Begriffe war auszusteigen, wobei er aber erst die Beine auf die Strasse gesetzt hatte, sei A. auf die offene Fahrertüre zugefahren und habe diese abgeknickt. Der Fahrer habe seine Beine gerade noch rechtzeitig ins Fahrzeuginnere zurückziehen können, habe aber aufgrund der Fahrmanöver des Beschuldigten eine Halswirbelsäulendistorsion sowie eine Brust- und eine Lendenwirbelsäulenkontusion erlitten. Nachdem gegen den Beschuldigten im Kanton Basel-Stadt bereits im Verlaufe des Jahres 2008 ein Strafverfahren wegen des Verdachts der Nötigung eröffnet wurde, ersuchte die Staatsanwaltschaft Limmattal/Albis die Staatsanwaltschaft Basel-Stadt um Übernahme ihres gegen A. geführten Verfahrens (act. 1.1). Die Staatsanwaltschaft Basel-Stadt hielt in ihrem Schreiben vom 16. April 2009 dafür, dass der geschilderte Vorfall unter dem Gesichtspunkt der Gefährdung des Lebens im Sinne von Art. 129
SR 311.0 Codice penale svizzero del 21 dicembre 1937 CP Art. 129 - Chiunque mette senza scrupoli in pericolo imminente la vita altrui, è punito con una pena detentiva sino a cinque anni o con una pena pecuniaria. |
SR 311.0 Codice penale svizzero del 21 dicembre 1937 CP Art. 129 - Chiunque mette senza scrupoli in pericolo imminente la vita altrui, è punito con una pena detentiva sino a cinque anni o con una pena pecuniaria. |
B. In ihrem Schreiben an die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich vom 12. Mai 2009 hielt die Staatsanwaltschaft Basel-Stadt fest, dass sie den Gerichtsstand Basel-Stadt nicht anerkennen, das Verfahren des Kantons Zürich nicht übernehmen und einer getrennten Verfahrensführung nicht zustimmen könne, und ersuchte sie um Übernahme des bisher im Kanton Basel-Stadt geführten Verfahrens (act. 1.4). Die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich lehnte das Ersuchen der Staatsanwaltschaft Basel-Stadt am 27. Mai 2009 ab (act. 1.5).
C. Mit Gesuch vom 18. Juni 2009 gelangte die Staatsanwaltschaft Basel-Stadt an die I. Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts und beantragte, es sei der Kanton Zürich bzw. die zuständigen Strafverfolgungsbehörden des Kantons Zürich in Anwendung von Art. 344 Abs. 1
SR 311.0 Codice penale svizzero del 21 dicembre 1937 CP Art. 129 - Chiunque mette senza scrupoli in pericolo imminente la vita altrui, è punito con una pena detentiva sino a cinque anni o con una pena pecuniaria. |
In ihrer Gesuchsantwort vom 26. Juni 2009 beantragte die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, es sei der Kanton Basel-Stadt zur Verfolgung und Beurteilung aller A. vorgeworfenen Delikte für berechtigt und verpflichtet zu erklären (act. 3).
Die Gesuchsantwort wurde der Staatsanwaltschaft Basel-Stadt am 30. Juni 2009 zur Kenntnis gebracht (act. 4).
Auf die Ausführungen der Parteien und die eingereichten Akten wird, soweit erforderlich, in den folgenden rechtlichen Erwägungen Bezug genommen.
Die I. Beschwerdekammer zieht in Erwägung:
1.
1.1 Die Zuständigkeit der I. Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts zum Entscheid über Gerichtsstandsstreitigkeiten ergibt sich aus Art. 345 StGB i.V.m. Art. 279 Abs. 1 BStP, Art. 28 Abs. 1 lit. g
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1.2 Die Staatsanwaltschaft Basel-Stadt ist berechtigt, den Gesuchsteller bei interkantonalen Gerichtsstandskonflikten vor der I. Beschwerdekammer zu vertreten (§ 2 Abs. 3 der Strafprozessordnung des Kantons Basel-Stadt vom 8. Januar 1997 [SG 257.100]). Bezüglich des Gesuchsgegners steht diese Befugnis der Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich zu (§ 6 lit. m der Verordnung über die Organisation der Oberstaatsanwaltschaft und der Staatsanwaltschaften des Kantons Zürich vom 27. Oktober 2004 [LS 213.21]). Der Gesuchsteller hat mit dem Gesuchsgegner vor Einreichung des Gesuchs einen Meinungsaustausch durchgeführt. Auch die übrigen Eintretensvoraussetzungen geben vorliegend zu keinen weiteren Bemerkungen Anlass, so dass auf das Gesuch einzutreten ist.
2.
2.1 Wird jemand wegen mehrerer, an verschiedenen Orten begangener strafbarer Handlungen verfolgt, so sind die Behörden des Ortes, wo die mit der schwersten Strafe bedrohte Tat begangen worden ist, auch für die Verfolgung und die Beurteilung der anderen Taten zuständig. Sind diese strafbaren Handlungen mit der gleichen Strafe bedroht, so sind die Behörden des Ortes zuständig, wo die Untersuchung zuerst angehoben wird (Art. 344 Abs. 1
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Grundlage zur Beurteilung der Frage, welche Tat als die mit der schwersten Strafe bedrohte zu qualifizieren ist, sind einerseits die im Zeitpunkt der Gerichtsstandsbestimmung bekannten Handlungen, andererseits deren rechtliche Qualifikation, so wie sie sich aufgrund der gesamten Aktenlage darstellen (Schweri/Bänziger, a.a.O., N. 286 m.w.H.). Die I. Beschwerdekammer ist dabei nicht an die rechtliche Würdigung der kantonalen Strafverfolgungsbehörden gebunden (BGE 112 IV 61 E. 2; 92 IV 153 E. 1 S. 155). Grundsätzlich hängt der Gerichtsstand nicht davon ab, was dem Beschuldigten schliesslich nachgewiesen werden kann, sondern er richtet sich nach den Handlungen, die durch die Strafverfolgung abgeklärt werden sollen und mit Bezug auf welche sich die Beschuldigung nicht von Vornherein als haltlos erweist. Der Gerichtsstand bestimmt sich mit anderen Worten nicht nach dem, was der Täter begangen hat, sondern nach dem, was ihm vorgeworfen wird, d.h. was aufgrund der Aktenlage überhaupt in Frage kommt (Guidon/Bänziger, a.a.O., [Rz 25] m.w.H.; vgl. zuletzt u. a. Entscheide des Bundesstrafgerichts BG.2009.8 vom 27. April 2009, E. 2.2; BG.2008.18 vom 6. April 2009, E. 2.1; jeweils m.w.H.). Dabei gilt der Grundsatz „in dubio pro duriore“ (vgl. Piquerez, Traité de procédure pénale suisse, 2. Aufl., Genf/Zürich/Basel 2006, N. 1098), wonach im Zweifelsfall wegen des schwereren Delikts zu untersuchen und anzuklagen ist. Nur wenn in dieser Phase der schwerere Tatbestand schon sicher ausgeschlossen werden kann, ist er nicht mehr gerichtsstandsrelevant (vgl. zum Ganzen zuletzt auch Entscheide des Bundesstrafgerichts BG.2009.13 vom 9. Juni 2009, E. 2.1; BG.2009.3 vom 1. April 2009, E. 2.1; jeweils m.w.H.).
2.2 Für die Beantwortung der vorliegenden Gerichtsstandsfrage entscheidend ist die vorläufige rechtliche Qualifikation des eingangs unter lit. A. geschilderten Vorfalls vom 5. April 2009. Der Gesuchsteller hält dafür, dass dieser Vorfall unter dem Gesichtspunkt der Gefährdung des Lebens gemäss Art. 129
SR 311.0 Codice penale svizzero del 21 dicembre 1937 CP Art. 129 - Chiunque mette senza scrupoli in pericolo imminente la vita altrui, è punito con una pena detentiva sino a cinque anni o con una pena pecuniaria. |
SR 311.0 Codice penale svizzero del 21 dicembre 1937 CP Art. 123 - 1. Chiunque intenzionalmente cagiona un danno in altro modo al corpo od alla salute di una persona, è punito, a querela di parte, con una pena detentiva sino a tre anni o con una pena pecuniaria. |
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1 | Chiunque intenzionalmente cagiona un danno in altro modo al corpo od alla salute di una persona, è punito, a querela di parte, con una pena detentiva sino a tre anni o con una pena pecuniaria. |
2 | Il colpevole è perseguito d'ufficio,177 |
SR 311.0 Codice penale svizzero del 21 dicembre 1937 CP Art. 181 - Chiunque, usando violenza o minaccia di grave danno contro una persona, o intralciando in altro modo la libertà d'agire di lei, la costringe a fare, omettere o tollerare un atto, è punito con una pena detentiva sino a tre anni o con una pena pecuniaria. |
2.3 Gemäss Art. 129
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2.4 Gestützt auf den eingangs geschilderten Ablauf des Vorfalls erscheint der Vorwurf der Gefährdung des Lebens nicht als von Vornherein haltlos. Der Beschuldigte ist in jenem Zeitpunkt, in jenem die Fahrertüre des sich vor ihm befindlichen Fahrzeugs geöffnet wurde, auf diese zugefahren, wobei der Fahrer jenes Fahrzeuges im Begriffe war auszusteigen und seine Beine bereits auf die Strasse gesetzt hatte. Der Geschädigte vermochte seine Beine im letzten Moment gerade noch zurückzuziehen, bevor das vom Beschuldigten gelenkte Fahrzeug in die aufgesperrte Türe des vor ihm postierten Wagens fuhr und die Türe abknickte. Dass sich der Geschädigte in einer durch den Beschuldigten herbeigeführten Gefahrensituation befunden hat, ist vorliegend unbestritten. Der Gesuchsgegner bestreitet demgegenüber das Vorliegen einer unmittelbaren Lebensgefahr; von einer solchen könne seiner Ansicht zufolge erst gesprochen werden, wenn der Geschädigte nicht nur seine Beine auf die Strasse gesetzt, sondern ganz aus dem Fahrzeug gestiegen wäre. Angesichts des von der I. Beschwerdekammer bei der Bestimmung der Gerichtsstandsfrage anzuwendenden Grundsatzes „in dubio pro duriore“ umschreiben diese Ausführungen des Gesuchsgegners die entstandene Gefährdung zu eng. Die Lebensgefährdung bzw. die Wahrscheinlichkeit des entsprechenden Schadenseintrittes ist nicht ex post und nicht nach richterlichem Ermessen zu beurteilen, sondern durch eine objektiv-nachträgliche Prognose zu ermitteln (Aebersold, a.a.O., Art. 129
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betrachten. Dass der Geschädigte ganz aus dem Auto hätte steigen müssen, um eine Gefährdung des Lebens anzunehmen, kann nicht gefordert werden. Die Gefahr muss lediglich eine unmittelbare, keine unausweichliche sein (Trechsel/Fingerhuth, in: Trechsel et al., Schweizerisches Strafgesetzbuch Praxiskommentar, Zürich/St. Gallen 2008, Art. 129
SR 311.0 Codice penale svizzero del 21 dicembre 1937 CP Art. 129 - Chiunque mette senza scrupoli in pericolo imminente la vita altrui, è punito con una pena detentiva sino a cinque anni o con una pena pecuniaria. |
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2.5 Das Gesuch erweist sich nach dem Gesagten als begründet. Der gesetzliche Gerichtsstand zur Verfolgung und Beurteilung der A. zur Last gelegten Straftaten liegt im Kanton Zürich. Gründe für ein Abweichen vom gesetzlichen Gerichtsstand sind keine ersichtlich und werden von den Parteien auch nicht geltend gemacht.
3. Es werden keine Gerichtskosten erhoben (Art. 245 Abs. 1
SR 311.0 Codice penale svizzero del 21 dicembre 1937 CP Art. 129 - Chiunque mette senza scrupoli in pericolo imminente la vita altrui, è punito con una pena detentiva sino a cinque anni o con una pena pecuniaria. |
SR 173.110 Legge del 17 giugno 2005 sul Tribunale federale (LTF) - Organizzazione giudiziaria LTF Art. 66 Onere e ripartizione delle spese giudiziarie - 1 Di regola, le spese giudiziarie sono addossate alla parte soccombente. Se le circostanze lo giustificano, il Tribunale federale può ripartirle in modo diverso o rinunciare ad addossarle alle parti. |
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1 | Di regola, le spese giudiziarie sono addossate alla parte soccombente. Se le circostanze lo giustificano, il Tribunale federale può ripartirle in modo diverso o rinunciare ad addossarle alle parti. |
2 | In caso di desistenza o di transazione, il Tribunale federale può rinunciare in tutto o in parte a riscuotere le spese giudiziarie. |
3 | Le spese inutili sono pagate da chi le causa. |
4 | Alla Confederazione, ai Cantoni, ai Comuni e alle organizzazioni incaricate di compiti di diritto pubblico non possono di regola essere addossate spese giudiziarie se, senza avere alcun interesse pecuniario, si rivolgono al Tribunale federale nell'esercizio delle loro attribuzioni ufficiali o se le loro decisioni in siffatte controversie sono impugnate mediante ricorso. |
5 | Salvo diversa disposizione, le spese giudiziarie addossate congiuntamente a più persone sono da queste sostenute in parti eguali e con responsabilità solidale. |
Demnach erkennt die I. Beschwerdekammer:
1. Die Strafverfolgungsbehörden des Kantons Zürich sind berechtigt und verpflichtet, die A. zur Last gelegten Straftaten zu verfolgen und zu beurteilen.
2. Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
Bellinzona, 10. Juli 2009
Im Namen der I. Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
Zustellung an
- Staatsanwaltschaft Basel-Stadt
- Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Entscheid ist kein ordentliches Rechtsmittel gegeben.