Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
6B 1045/2020
Urteil vom 10. Februar 2021
Strafrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari, Präsidentin,
Bundesrichter Denys,
Bundesrichter Hurni,
Gerichtsschreiberin Rohrer.
Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Benedikt Schneider,
Beschwerdeführer,
gegen
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Luzern, Postfach 3439, 6002 Luzern,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Untersuchungsgrundsatz; Willkür; Grundsatz "in dubio pro reo",
Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts Luzern, 2. Abteilung, vom 31. März 2020 (4M 19 101).
Sachverhalt:
Im Transportfahrzeug der Luzerner Polizei habe A.________ auf der Höhe des V.________platzes damit begonnen, zu spucken. Dabei habe er mit seiner Spucke die Autofensterscheibe hinten rechts getroffen, wo der Polizist B.________ gesessen sei. Diesen habe er mit seiner Spucke auch am Unterarm und auf der Brust getroffen, während dieser versucht habe, ihn im mittlerweile stehenden Transportfahrzeug am Oberkörper und den Beinen besser zu fixieren und zu beruhigen.
A.
A.a. Mit Strafbefehl vom 2. Oktober 2018 sprach die StaatsanwaltschaftA.________ wegen Trunkenheit, Hinderung einer Amtshandlung und Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte schuldig und bestrafte ihn mit einer bedingten Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je Fr. 70.-- bei einer Probezeit von zwei Jahren sowie zu einer Busse von Fr. 1'000.--.
NachdemA.________ gegen diesen Strafbefehl Einsprache erhoben hatte, hielt die Staatsanwaltschaft an diesem fest und überwies die Akten am 23. Oktober 2018 dem Bezirksgericht Luzern zur Durchführung des Hauptverfahrens.
Mit Urteil vom 22. März 2019 sprach das Bezirksgericht LuzernA.________ schuldig wegen Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte, Hinderung einer Amtshandlung und Trunkenheit, begangen am 2. Oktober 2017 in Luzern, und bestrafte ihn mit einer bedingten Geldstrafe von 45 Tagessätzen zu je Fr. 70.-- sowie einer Busse von Fr. 750.-- (Ersatzfreiheitsstrafe 10 Tage) unter Anrechnung von einem Tag Polizeihaft an die Geldstrafe.
A.b. Das Kantonsgericht Luzern wies die dagegen erhobene Berufung mit Urteil vom 31. März 2020 vollumfänglich ab und bestätigte den erstinstanzlichen Entscheid. Was den Sachverhalt anbelangt, stellte es massgeblich auf die Aussagen der beiden Polizisten ab.
B.
Mit Beschwerde in Strafsachen beantragt A.________ dem Bundesgericht, es sei das Berufungsurteil aufzuheben und er sei von sämtlichen Vorwürfen freizusprechen; eventualiter sei im Sinne von Art. 54

Es wurden die kantonalen Akten, nicht aber Vernehmlassungen eingeholt.
Erwägungen:
1.
Angefochten ist ein Endentscheid (Art. 90








2.
Der Beschwerdeführer rügt zunächst eine Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes nach Art. 6

2.1.
2.1.1. Im Strafverfahren gilt der Untersuchungsgrundsatz. Danach klären die Strafbehörden von Amtes wegen alle für die Beurteilung der Tat und der beschuldigten Person bedeutsamen Tatsachen ab (Art. 6 Abs. 1


2.1.2. Die Strafbehörden können ohne Verletzung des rechtlichen Gehörs und des Untersuchungsgrundsatzes auf die Abnahme weiterer ihnen angebotener und sich auf entscheidwesentliche Tatsachen beziehende Beweise verzichten, wenn sie in willkürfreier Würdigung der bereits abgenommenen Beweise zur Überzeugung gelangen, der rechtlich erhebliche Sachverhalt sei genügend abgeklärt, und sie überdies in willkürfreier antizipierter Würdigung zum Schluss kommen, ein an sich taugliches Beweismittel vermöge ihre Überzeugung von der Wahrheit oder Unwahrheit einer strittigen Tatsache, die es insbesondere aufgrund der bereits abgenommenen Beweismittel gewonnen hat, nicht zu erschüttern (BGE 143 III 297 E. 9.3.2; 141 I 60 E. 3.3; je mit Hinweisen).
Die Rüge unzulässiger antizipierter Beweiswürdigung prüft das Bundesgericht nur unter dem Aspekt der Willkür (Urteil 6B 300/2020 vom 21. August 2020 E. 3.3.3 mit Hinweisen).
2.1.3. Wird eine Verletzung von Grundrechten einschliesslich Willkür behauptet, obliegt der Partei im bundesgerichtlichen Verfahren eine qualifizierte Rüge- und Begründungspflicht (Art. 97 Abs. 1


Ebenfalls nicht einzutreten ist auf Rügen, die bereits bei der Vorinstanz hätten erhoben werden können, aber nicht erhoben wurden: Der kantonale Instanzenzug ist nicht nur formell, sondern auch materiell auszuschöpfen (Art. 80

2.2. Soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 6 Abs. 1


Beschwerdeführer mit einem normalen Personenwagen hätte transportiert werden dürfen und die Festnahme verhältnismässig war sowie für den Vorwurf, von den Spuckrückständen seien keine Fotografien erstellt worden. Weder aus den Angaben in der Beschwerdeschrift noch aus dem angefochtenen Urteil ergibt sich, dass diese Rügen vorinstanzlich geltend gemacht worden sind.
2.3.
2.3.1. Soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes daraus ableiten will, dass die Vorinstanz seinen Antrag auf Einvernahme von D.________, E.________ und F.________ als Zeugen abgewiesen hat, kann auf die Ausführungen auf den Seiten 5 und 6 im angefochtenenUrteil verwiesen werden: Danach bestätigte E.________ mit Schreiben vom 5. März 2020 ihre Ausführungen vom 23. Dezember 2017, wonach sie mit dem Beschwerdeführer im Pub H.________ zusammen gewesen sei und sich dieser anständig, nicht betrunken und auch nicht anderweitig negativ auffällig verhalten habe. Für den Tatzeitpunkt vor dem Club G.________ kann sie keine Angaben machen. Schliesslich bestätigte auch D.________ mit Schreiben vom 9. März 2020 seine Ausführungen vom Dezember 2017, wonach er mit dem Beschwerdeführer im Pub H.________ und im Club G.________ zusammen gewesen sei und sich dieser weder aggressiv, mühsam, unanständig oder betrunken verhalten habe. D.________ war allerdings draussen vor dem Club G.________ nicht anwesend und vermag somit die Reaktionen des Beschwerdeführers, welche dieser im Rahmen einer Stresssituation wie einer Konfrontation mit Polizeibeamten an den Tag legte, nicht zu beschreiben. Bereits aus diesem Grund sind nach
Auffassung der Vorinstanz seine allfälligen früheren Beobachtungen im Club nicht relevant. Auch die Einvernahme von F.________, die bloss telefonischen Kontakt mit dem Beschuldigten hatte, erweist sich gemäss den Ausführungen im angefochtenen Urteil im Hinblick auf die dem Beschwerdeführer gemachten Vorwürfe als nicht relevant. In antizipierter Beweiswürdigung wies die Vorinstanz die entsprechenden Beweisanträge daher ab.
2.3.2. Dass die Vorinstanz mit diesen Erwägungen in Willkür verfallen wäre, legt der Beschwerdeführer nicht im Ansatz dar. Vielmehr begnügt er sich mit Ausführungen, zu welchen Themen die beantragten Zeugen auch noch hätten befragt werden können, ohne dabei aber darzutun, weshalb die vorinstanzliche Beweiswürdigung in geradezu unhaltbarer Weise erfolgt sein soll. Auf die entsprechende Rüge ist ebenfalls nicht einzutreten.
3.
Unter dem Titel "Rüge der Verletzung der nicht wirklichen Prüfung und Beachtung des subjektiven Tatbestandes" wendet sich der Beschwerdeführer sodann gegen die vorinstanzliche Beweiswürdigung und macht eine Verletzung des rechtlichen Gehörs geltend.
3.1. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1


SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 9 Schutz vor Willkür und Wahrung von Treu und Glauben - Jede Person hat Anspruch darauf, von den staatlichen Organen ohne Willkür und nach Treu und Glauben behandelt zu werden. |


SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 9 Schutz vor Willkür und Wahrung von Treu und Glauben - Jede Person hat Anspruch darauf, von den staatlichen Organen ohne Willkür und nach Treu und Glauben behandelt zu werden. |
3.2. Bei seiner Kritik an der vorinstanzlichen Beweiswürdigung übersieht der Beschwerdeführer diese Grundsätze. Das Bundesgericht ist keine Berufungsinstanz, vor der die Beweiswürdigung noch einmal frei diskutiert werden kann und welche die erhobenen Beweise eigenständig noch einmal neu würdigt. Das Bundesgericht ist Rechts-, nicht Tatsacheninstanz: Es hört einzig Rechtsfehler bei der Sachverhaltserhebung. Der Beschwerdeführer trägt dem Bundesgericht nun aber in seiner Beschwerdeschrift nichts anderes als eine eigenständige Beweiswürdigung aus eigener Sicht vor, die er den vorinstanzlichen Erwägungen gegenüberstellt - ein Vorgehen, welches dem Plädoyer im Schlussvortrag vor der Berufungsinstanz entspricht. Das ist im bundesgerichtlichen Verfahren unbehelflich. Zwar behauptet der Beschwerdeführer hie und da auch Willkür, legt diesen Vorwurf aber nicht in einer den Begründungsanforderungen genügenden Weise dar. Dass die Vorinstanz vor allem auf die Auskunftspersonen B.________ und C.________ abgestellt und deren Aussagen als glaubhaft erachtet hat, erscheint entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers nicht willkürlich. Die im selben Zusammenhang erhobene Rüge der Gehörsverletzung erfolgt, soweit sie überhaupt im Sinne von Art. 42
Abs. 2


4.
Im Weiteren rügt der Beschwerdeführer sinngemäss eine Verletzung des Grundsatzes "in dubio pro reo" in seiner Ausgestaltung als Beweiswürdigungsregel (Art. 10 Abs. 3

SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 9 Schutz vor Willkür und Wahrung von Treu und Glauben - Jede Person hat Anspruch darauf, von den staatlichen Organen ohne Willkür und nach Treu und Glauben behandelt zu werden. |
Die Rüge geht fehl. Wie aus den obigen Ausführungen hervorgeht, vermag der Beschwerdeführer die monierte Nichtabnahme diverser Beweismittel vorliegend nicht mehr mit Erfolg in Frage zu stellen. Was sodann den Vorwurf der Verletzung des Grundsatzes "in dubio pro reo" unter dem Aspekt der Beweiswürdigungsregel anbelangt, so wird dies vom Bundesgericht nur unter dem Blickwinkel der - nicht hinreichend substanziiert geltend gemachten - Willkür überprüft (BGE 145 IV 154 E. 1.1; Urteile 6B 878/2018 vom 29. Juli 2019 E. 3.2, nicht publ. in: BGE 145 IV 513; 6B 1197/2019 vom 5. Mai 2020 E. 2; 6B 828/2018 vom 5. Juli 2019 E. 4.2). Dem Grundsatz ist sodann nicht zu entnehmen, welche Beweismittel zu berücksichtigen und wie sie gegebenenfalls zu würdigen sind (BGE 144 IV 345 E. 2.2.3.1). Eine behördliche Pflicht zur Würdigung der Beweismittel ausschliesslich zu seinen Gunsten scheint der Beschwerdeführer aber mit seinen Vorbringen aus "in dubio pro reo" ableiten zu wollen. Dies zu Unrecht.
5.
Was schliesslich den Eventualantrag anbelangt, es sei im Sinne von Art. 54

Da es beim Schuldspruch bleibt, erübrigen sich Ausführungen zur Genugtuungsforderung des Beschwerdeführers.
6.
Die Beschwerde ist nach dem Gesagten abzuweisen, soweit überhaupt darauf eingetreten werden kann. Die Gerichtskosten sind ausgangsgemäss dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1

SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 9 Schutz vor Willkür und Wahrung von Treu und Glauben - Jede Person hat Anspruch darauf, von den staatlichen Organen ohne Willkür und nach Treu und Glauben behandelt zu werden. |

SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 9 Schutz vor Willkür und Wahrung von Treu und Glauben - Jede Person hat Anspruch darauf, von den staatlichen Organen ohne Willkür und nach Treu und Glauben behandelt zu werden. |

SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 9 Schutz vor Willkür und Wahrung von Treu und Glauben - Jede Person hat Anspruch darauf, von den staatlichen Organen ohne Willkür und nach Treu und Glauben behandelt zu werden. |
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird.
2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.
3.
Die Gerichtskosten von Fr. 1'200.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht Luzern, 2. Abteilung, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 10. Februar 2021
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Präsidentin: Jacquemoud-Rossari
Die Gerichtsschreiberin: Rohrer