Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

8C 367/2021

Urteil vom 10. Januar 2022

I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Wirthlin, Präsident,
Bundesrichter Maillard, Abrecht,
Gerichtsschreiber Grunder.

Verfahrensbeteiligte
Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (Suva), Fluhmattstrasse 1, 6004 Luzern,
Beschwerdeführerin,

gegen

A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt und Notar Urs Schaffhauser,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Unfallversicherung (Kausalzusammenhang; psychisches Leiden),

Beschwerde gegen das Urteil des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau vom 7. April 2021 (VBE.2020.552).

Sachverhalt:

A.
Die 1991 geborene A.________ war seit dem 10. März 2017 über die B.________ AG als Lagermitarbeiterin angestellt und dadurch bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (Suva) gegen die Folgen von Unfällen obligatorisch versichert. Am 2. September 2017 wollte sie mit ihren beiden Kindern die Grossmutter besuchen. Auf der Autobahn versiegte der Motor des von der Versicherten gelenkten Personenwagens mangels Treibstoff. Sie fuhr auf den Pannenstreifen und brachte das Fahrzeug zum Stillstand. Kurze Zeit danach prallte ein nachfolgendes Auto mit hoher Geschwindigkeit linksseitig in das teilweise in die Fahrbahn ragende Heck des Fahrzeugs. Die auf der linken Seite im Fonds des Wagens sitzende achtjährige Tochter der Versicherten erlitt schwere Verletzungen an denen sie zwei Tage danach im Spital erlag (vgl. Rapport der Kantonspolizei Aargau vom 11. Januar 2018). Eine weitere Tochter sowie die Versicherte selbst wurden bloss leicht verletzt. Die Suva erbrachte die gesetzlichen Leistungen (Heilbehandlung; Taggeld) hinsichtlich der von der Versicherten erlittenen Verletzungen. Gestützt auf die Akten und eine fachärztliche Untersuchung vom 18. Juni 2020 hielt Dr. med. C.________, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, Suva
Versicherungsmedizin, im Bericht vom 21. Juli 2020 fest, die Versicherte leide an einer posttraumatischen Belastungsstörung (ICD-10 F43.1) und einer rund mittelgradigen depressiven Episode (ICD-10 F32.1) mit chronischem Verlauf. Die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit würde zu einer starken Verschlechterung des psychischen Zustands führen, insbesondere wegen der auf die Kinder bezogenen pathologischen Ängste und Schuldgefühle. Die mangelnde psychische Belastbarkeit der Versicherten werde überwiegend wahrscheinlich noch während etlicher Jahre keine Erwerbstätigkeit im ersten Arbeitsmarkt erlauben. Mit Verfügung vom 21. August 2020 stellte die Suva die Versicherungsleistungen auf den 31. August 2020 ein. Zur Begründung führte sie an, es lägen keine psychischen Einschränkungen vor, die in einem adäquaten Kausalzusammenhang mit dem Unfall vom 2. September 2017 stünden. Die hiegegen erhobene Einsprache wies sie ab (Einspracheentscheid vom 2. Oktober 2020).

B.
In teilweiser Gutheissung der hiegegen eingereichten Beschwerde hob das Versicherungsgericht des Kantons Aargau den Einspracheentscheid vom 2. Oktober 2020 auf und wies die Sache zu weiterer Abklärung im Sinne der Erwägungen und zu neuer Verfügung an die Suva zurück (Urteil vom 7. April 2021).

C.
Die Suva führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und beantragt, das vorinstanzliche Urteil sei aufzuheben und der Einspracheentscheid vom 2. Oktober 2020 sei zu bestätigen.

Das Bundesgericht führt keinen Schriftenwechsel durch.

Erwägungen:

1.
Das Bundesgericht prüft die Eintretensvoraussetzungen von Amtes wegen und mit freier Kognition (Art. 29 Abs. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 29 Prüfung - 1 Das Bundesgericht prüft seine Zuständigkeit von Amtes wegen.
1    Das Bundesgericht prüft seine Zuständigkeit von Amtes wegen.
2    Bestehen Zweifel, ob das Bundesgericht oder eine andere Behörde zuständig ist, so führt das Gericht mit dieser Behörde einen Meinungsaustausch.
BGG; BGE 139 V 42 E. 1 mit Hinweisen).

Beim angefochtenen Rückweisungsentscheid handelt es sich, da das Verfahren noch nicht abgeschlossen wird und die Rückweisung auch nicht einzig der Umsetzung des oberinstanzlich Angeordneten dient, um einen selbstständig eröffneten Vor- oder Zwischenentscheid im Sinne von Art. 93
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 93 Andere Vor- und Zwischenentscheide - 1 Gegen andere selbständig eröffnete Vor- und Zwischenentscheide ist die Beschwerde zulässig:
1    Gegen andere selbständig eröffnete Vor- und Zwischenentscheide ist die Beschwerde zulässig:
a  wenn sie einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken können; oder
b  wenn die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde.
2    Auf dem Gebiet der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen und dem Gebiet des Asyls sind Vor- und Zwischenentscheide nicht anfechtbar.85 Vorbehalten bleiben Beschwerden gegen Entscheide über die Auslieferungshaft sowie über die Beschlagnahme von Vermögenswerten und Wertgegenständen, sofern die Voraussetzungen von Absatz 1 erfüllt sind.
3    Ist die Beschwerde nach den Absätzen 1 und 2 nicht zulässig oder wurde von ihr kein Gebrauch gemacht, so sind die betreffenden Vor- und Zwischenentscheide durch Beschwerde gegen den Endentscheid anfechtbar, soweit sie sich auf dessen Inhalt auswirken.
BGG. Die Zulässigkeit der Beschwerde setzt somit - alternativ - voraus, dass der Entscheid einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken kann (Abs. 1 lit. a) oder dass die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde (Abs. 1 lit. b). Mit der Qualifizierung des Ereignisses vom 2. September 2017 als Schreckereignis und Bejahung des adäquaten Kausalzusammenhangs zu den anhaltenden psychischen Beschwerden enthält der angefochtene Entscheid materiell verbindliche Vorgaben, welche die Suva bei Vorliegen der übrigen Erfordernisse verpflichten, der Beschwerdegegnerin Leistungen zuzusprechen. Da der darauf beruhende Endentscheid praktisch nicht angefochten und das Ergebnis nicht mehr korrigiert werden könnte, liegt ein nicht wieder gutzumachender Nachteil nach Art. 93 Abs. 1 lit. a
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 93 Andere Vor- und Zwischenentscheide - 1 Gegen andere selbständig eröffnete Vor- und Zwischenentscheide ist die Beschwerde zulässig:
1    Gegen andere selbständig eröffnete Vor- und Zwischenentscheide ist die Beschwerde zulässig:
a  wenn sie einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken können; oder
b  wenn die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde.
2    Auf dem Gebiet der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen und dem Gebiet des Asyls sind Vor- und Zwischenentscheide nicht anfechtbar.85 Vorbehalten bleiben Beschwerden gegen Entscheide über die Auslieferungshaft sowie über die Beschlagnahme von Vermögenswerten und Wertgegenständen, sofern die Voraussetzungen von Absatz 1 erfüllt sind.
3    Ist die Beschwerde nach den Absätzen 1 und 2 nicht zulässig oder wurde von ihr kein Gebrauch gemacht, so sind die betreffenden Vor- und Zwischenentscheide durch Beschwerde gegen den Endentscheid anfechtbar, soweit sie sich auf dessen Inhalt auswirken.
BGG vor (nicht publ. E. 1.2.2 des Urteils BGE 140 V
220
, in: SVR 2009 UV Nr. 23 S. 73, 8C 494/2013). Auf die Beschwerde ist daher einzutreten.

2.

2.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzungen gemäss Art. 95
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 95 Schweizerisches Recht - Mit der Beschwerde kann die Verletzung gerügt werden von:
a  Bundesrecht;
b  Völkerrecht;
c  kantonalen verfassungsmässigen Rechten;
d  kantonalen Bestimmungen über die politische Stimmberechtigung der Bürger und Bürgerinnen und über Volkswahlen und -abstimmungen;
e  interkantonalem Recht.
und 96
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 96 Ausländisches Recht - Mit der Beschwerde kann gerügt werden:
a  ausländisches Recht sei nicht angewendet worden, wie es das schweizerische internationale Privatrecht vorschreibt;
b  das nach dem schweizerischen internationalen Privatrecht massgebende ausländische Recht sei nicht richtig angewendet worden, sofern der Entscheid keine vermögensrechtliche Sache betrifft.
BGG erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 106 Rechtsanwendung - 1 Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an.
1    Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an.
2    Es prüft die Verletzung von Grundrechten und von kantonalem und interkantonalem Recht nur insofern, als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und begründet worden ist.
BGG), doch prüft es, unter Berücksichtigung der allgemeinen Rüge- und Begründungspflicht (Art. 42 Abs. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 42 Rechtsschriften - 1 Rechtsschriften sind in einer Amtssprache abzufassen und haben die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift zu enthalten.
1    Rechtsschriften sind in einer Amtssprache abzufassen und haben die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift zu enthalten.
2    In der Begründung ist in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Akt Recht verletzt. Ist eine Beschwerde nur unter der Voraussetzung zulässig, dass sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt oder aus anderen Gründen ein besonders bedeutender Fall vorliegt, so ist auszuführen, warum die jeweilige Voraussetzung erfüllt ist. 14 15
3    Die Urkunden, auf die sich die Partei als Beweismittel beruft, sind beizulegen, soweit die Partei sie in Händen hat; richtet sich die Rechtsschrift gegen einen Entscheid, so ist auch dieser beizulegen.
4    Bei elektronischer Einreichung muss die Rechtsschrift von der Partei oder ihrem Vertreter beziehungsweise ihrer Vertreterin mit einer qualifizierten elektronischen Signatur gemäss Bundesgesetz vom 18. März 201616 über die elektronische Signatur versehen werden. Das Bundesgericht bestimmt in einem Reglement:
a  das Format der Rechtsschrift und ihrer Beilagen;
b  die Art und Weise der Übermittlung;
c  die Voraussetzungen, unter denen bei technischen Problemen die Nachreichung von Dokumenten auf Papier verlangt werden kann.17
5    Fehlen die Unterschrift der Partei oder ihrer Vertretung, deren Vollmacht oder die vorgeschriebenen Beilagen oder ist die Vertretung nicht zugelassen, so wird eine angemessene Frist zur Behebung des Mangels angesetzt mit der Androhung, dass die Rechtsschrift sonst unbeachtet bleibt.
6    Unleserliche, ungebührliche, unverständliche, übermässig weitschweifige oder nicht in einer Amtssprache verfasste Rechtsschriften können in gleicher Weise zur Änderung zurückgewiesen werden.
7    Rechtsschriften, die auf querulatorischer oder rechtsmissbräuchlicher Prozessführung beruhen, sind unzulässig.
und 2
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 42 Rechtsschriften - 1 Rechtsschriften sind in einer Amtssprache abzufassen und haben die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift zu enthalten.
1    Rechtsschriften sind in einer Amtssprache abzufassen und haben die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift zu enthalten.
2    In der Begründung ist in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Akt Recht verletzt. Ist eine Beschwerde nur unter der Voraussetzung zulässig, dass sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt oder aus anderen Gründen ein besonders bedeutender Fall vorliegt, so ist auszuführen, warum die jeweilige Voraussetzung erfüllt ist. 14 15
3    Die Urkunden, auf die sich die Partei als Beweismittel beruft, sind beizulegen, soweit die Partei sie in Händen hat; richtet sich die Rechtsschrift gegen einen Entscheid, so ist auch dieser beizulegen.
4    Bei elektronischer Einreichung muss die Rechtsschrift von der Partei oder ihrem Vertreter beziehungsweise ihrer Vertreterin mit einer qualifizierten elektronischen Signatur gemäss Bundesgesetz vom 18. März 201616 über die elektronische Signatur versehen werden. Das Bundesgericht bestimmt in einem Reglement:
a  das Format der Rechtsschrift und ihrer Beilagen;
b  die Art und Weise der Übermittlung;
c  die Voraussetzungen, unter denen bei technischen Problemen die Nachreichung von Dokumenten auf Papier verlangt werden kann.17
5    Fehlen die Unterschrift der Partei oder ihrer Vertretung, deren Vollmacht oder die vorgeschriebenen Beilagen oder ist die Vertretung nicht zugelassen, so wird eine angemessene Frist zur Behebung des Mangels angesetzt mit der Androhung, dass die Rechtsschrift sonst unbeachtet bleibt.
6    Unleserliche, ungebührliche, unverständliche, übermässig weitschweifige oder nicht in einer Amtssprache verfasste Rechtsschriften können in gleicher Weise zur Änderung zurückgewiesen werden.
7    Rechtsschriften, die auf querulatorischer oder rechtsmissbräuchlicher Prozessführung beruhen, sind unzulässig.
BGG), nur die geltend gemachten Vorbringen, falls allfällige weitere rechtliche Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 145 V 57 E. 4.2 mit Hinweis).

2.2. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 105 Massgebender Sachverhalt - 1 Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat.
1    Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat.
2    Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht.
3    Richtet sich die Beschwerde gegen einen Entscheid über die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung, so ist das Bundesgericht nicht an die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz gebunden.95
BGG). Es kann deren Sachverhaltsfeststellung nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 95 Schweizerisches Recht - Mit der Beschwerde kann die Verletzung gerügt werden von:
a  Bundesrecht;
b  Völkerrecht;
c  kantonalen verfassungsmässigen Rechten;
d  kantonalen Bestimmungen über die politische Stimmberechtigung der Bürger und Bürgerinnen und über Volkswahlen und -abstimmungen;
e  interkantonalem Recht.
BGG beruht (Art. 105 Abs. 2
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 105 Massgebender Sachverhalt - 1 Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat.
1    Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat.
2    Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht.
3    Richtet sich die Beschwerde gegen einen Entscheid über die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung, so ist das Bundesgericht nicht an die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz gebunden.95
BGG). Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung hingegen ist das Bundesgericht nicht an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden (Art. 97 Abs. 2
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 97 Unrichtige Feststellung des Sachverhalts - 1 Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann.
1    Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann.
2    Richtet sich die Beschwerde gegen einen Entscheid über die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung, so kann jede unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gerügt werden.86
und Art. 105 Abs. 3
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 105 Massgebender Sachverhalt - 1 Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat.
1    Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat.
2    Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht.
3    Richtet sich die Beschwerde gegen einen Entscheid über die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung, so ist das Bundesgericht nicht an die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz gebunden.95
BGG).

3.
Streitig und zu prüfen ist, ob das kantonale Gericht Bundesrecht verletzt hat, indem es den Unfall vom 2. September 2017 entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin als Schreckereignis qualifiziert und den adäquaten Kausalzusammenhang mit den psychischen Beeinträchtigungen der Beschwerdegegnerin bejaht hat. Die für die Beurteilung massgeblichen Rechtsgrundlagen, namentlich hinsichtlich der Adäquanz, finden sich im angefochtenen Urteil zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen (vgl. auch E. 3.3.1 hernach).

4.

4.1. Die Vorinstanz hat zunächst gestützt auf den Polizeirapport und mit Hinweisen auf die Rechtsprechung erwogen, es sei von einer schweren Autokollision auszugegen, die eine unmittelbare Todesgefahr für die Insassen dargestellt habe. Der gewaltsame Vorfall bestehe im Aufprall des von hinten herannahenden Personenwagens mit hoher Geschwindigkeit (80 bis 100 km/h) in das Heck des stehenden Autos der (nunmehrigen) Beschwerdegegnerin, an der Stelle, wo deren Tochter sass, die dabei schwerste Verletzungen mit Todesfolge erlitt. Laut Schilderung der Beschwerdegegnerin habe sie kurz vor dem Heckanprall noch nach hinten geschaut, die Tochter gesehen, wieder nach vorne gesehen und dann das laute Krachen gehört. Danach habe sie eine Erinnerungslücke von mehreren Minuten. Sie sei jedoch in dieser Zeit wach gewesen und habe nach der Tochter gerufen, könne sich daran aber nicht mehr erinnern, erst wieder an die Versuche der rettenden Personen, die sterbende Tochter zu reanimieren. Dr. med. C.________ habe in seiner kreisärztlichen Beurteilung vom 21. Juli 2020 festgehalten, es sei auch eine dissoziative Amnesie und damit eine typische Angst- und Schreckwirkung, die sich auf den schlimmsten Zeitabschnitt (den Anblick der schwer verletzten
Tochter und deren Bergung) beziehe, grundsätzlich möglich. Massgeblich sei jedoch vielmehr, dass die Beschwerdegegnerin den Knall des Aufpralls bewusst wahrgenommen habe im Wissen, dass dort die Tochter sass. Damit habe sich der Vorfall in ihrer unmittelbaren zeitlichen und örtlichen Gegenwart abgespielt. Insgesamt sei der Unfall vom 2. September 2017 angesichts der konkreten Umstände als aussergewöhnliches Schreckereignis im Sinne der Rechtsprechung verbunden mit einem psychischen Schock zu qualifizieren.

4.2. Die Beschwerdeführerin bringt vor, gegen eine durch den Unfall hervorgerufene Störung des seelischen Gleichgewichts spreche der Umstand, dass echtzeitlich keine Schockreaktion dokumentiert sei. Zu berücksichtigen sei insbesondere, dass die Beschwerdegegnerin ab dem Kollisionszeitpunkt an einer Amnesie/Erinnerungslücke leide. Die Beschwerdegegnerin vermöge sich lediglich daran zu erinnern, dass die Rettungskräfte versucht hätten, ihre Tochter zu reanimieren. Es entspreche ständiger Rechtsprechung, dass bei einer versicherten Person, die den Unfall nicht wahrgenommen habe, der adäquate Kausalzusammenhang mit den geltend gemachten psychischen Beeinträchtigungen von vornherein zu verneinen sei. Fakt sei, dass die Beschwerdegegnerin die unmittelbaren Einwirkungen auf den Körper ihrer Tochter nicht mitbekommen habe. Die Vorinstanz berücksichtige weder die Wirkung einer Amnesie noch die Rechtsprechung zur Unfallschwere, weshalb sie Bundesrecht verletzt habe. Zu erwähnen sei, dass für die Beschwerdegegnerin keine unmittelbare Todesgefahr bestanden habe.

4.3.

4.3.1. Die Beschwerdeführerin scheint zu übersehen, wie sich aus den folgenden Erwägungen ergibt, dass die Adäquanz zwischen einem Schreckereignis ohne wesentliche körperliche Verletzungen und den nachfolgend aufgetretenen psychischen Störungen nach der allgemeinen Formel (gewöhnlicher Lauf der Dinge und allgemeine Lebenserfahrung) zu beurteilen ist (BGE 129 V 177 E. 4.2). Diese Rechtsprechung trägt der Tatsache Rechnung, dass bei Schreckereignissen die psychische Stresssituation im Vordergrund steht, wogegen dem somatischen Geschehen, bezogen auf die anspruchstellende Person, wie im vorliegend zu beurteilenden Fall, keine (entscheidende) Bedeutung beigemessen werden kann. Aus diesem Grund ist die (analoge) Anwendung der in BGE 115 V 133 entwickelten Adäquanzkriterien ebenso ungeeignet wie diejenige der so genannten Schleudertraumapraxis (BGE 134 V 109; 117 V 359). Mithin hat die Beurteilung der Adäquanz zwischen Schreckereignissen und psychischen Schäden nach der allgemeinen Adäquanzformel zu erfolgen (vgl. das vorinstanzlich zitierte Urteil 8C 593/2013 vom 11. Dezember 2013 E. 5.2. mit Hinweisen). Daraus ergibt sich, dass für die Beurteilung der Frage, ob ein konkretes Unfallereignis als alleinige oder als Teilursache nach dem
gewöhnlichen Lauf der Dinge und der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet ist, zu einer bestimmten psychischen Schädigung zu führen, kein allzu strenger, sondern ein realitätsgerechter Massstab angelegt werden muss (BGE 129 V 177 E. 3.3 mit Hinweisen).

4.3.2. Das kantonale Gericht ist dieser Rechtsprechung, wie sich aus seinen oben zitierten, nicht zu beanstandenden Erwägungen ohne Weiteres ergibt, vollumfänglich nachgekommen. Diesen ist zur Verdeutlichung anzufügen, dass entgegen den Vorbringen der Beschwerdeführerin nicht entscheidend ist, in welchem Zeitpunkt die Beschwerdegegnerin eine aussergewöhnliche Schrecksekunde erlebt haben könnte. Ausschlaggebend ist vielmehr, dass sie unmittelbar vor dem Zusammenprall der Fahrzeuge befürchtete, die Töchter könnten schwer verletzt werden. Anders sind die Aussagen der Beschwerdegegnerin nicht zu verstehen, zumal sie laut dem zitierten Polizeirapport den Personenwagen nicht vollständig auf dem Pannenstreifen hatte zum Stillstehen bringen können. Diese Situation war für die Beschwerdegegnerin zumindest beängstigend. Ihre Aussage, sie habe den Blick zur linksseitig im Heck sitzenden Tochter gerichtet, und sie könne sich an das weitere Geschehen bis zur Reanimierung der Tochter nicht mehr im Detail erinnern, ist daher ohne Weiteres nachvollziehbar. Von einer vollständigen antero- oder retrograden Amnesie kann angesichts der Ausführungen des Dr. med. C.________ und gestützt auf den Polizeirapport nicht die Rede sein. Ausschlaggebend ist,
dass sich die Stresssituation für die Beschwerdegegnerin fortsetzte, als sie wahrnahm, wie die Rettungskräfte begannen, ihre Tochter zu reanimieren. Diese sich innerhalb weniger Minuten abspielende Dramatik ist angesichts der oben zitierten Rechtsprechung als Schreck- oder Schockereignis zu qualifizieren. Das kantonale Gericht hat den adäquaten Kausalzusammenhang zu Recht nach der allgemeinen Adäquanzformel beurteilt und ist nicht näher auf die Schwere des Unfalles im Sinne von BGE 115 V 133 eingegangen. Inwieweit das von der Vorinstanz zitierte Urteil 8C 593/2013 vom 11. Dezember 2013, wonach der den Unfall verursachende Versicherte für den Tod der Ehefrau verantwortlich gewesen war, nicht einschlägig sein soll, ist der Beschwerde nicht zu entnehmen. Die Beschwerde ist abzuweisen.

5.

5.1. Die Gerichtskosten werden der unterliegenden Beschwerdeführerin auferlegt (Art. 65
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 65 Gerichtskosten - 1 Die Gerichtskosten bestehen in der Gerichtsgebühr, der Gebühr für das Kopieren von Rechtsschriften, den Auslagen für Übersetzungen, ausgenommen solche zwischen Amtssprachen, und den Entschädigungen für Sachverständige sowie für Zeugen und Zeuginnen.
1    Die Gerichtskosten bestehen in der Gerichtsgebühr, der Gebühr für das Kopieren von Rechtsschriften, den Auslagen für Übersetzungen, ausgenommen solche zwischen Amtssprachen, und den Entschädigungen für Sachverständige sowie für Zeugen und Zeuginnen.
2    Die Gerichtsgebühr richtet sich nach Streitwert, Umfang und Schwierigkeit der Sache, Art der Prozessführung und finanzieller Lage der Parteien.
3    Sie beträgt in der Regel:
a  in Streitigkeiten ohne Vermögensinteresse 200-5000 Franken;
b  in den übrigen Streitigkeiten 200-100 000 Franken.
4    Sie beträgt 200-1000 Franken und wird nicht nach dem Streitwert bemessen in Streitigkeiten:
a  über Sozialversicherungsleistungen;
b  über Diskriminierungen auf Grund des Geschlechts;
c  aus einem Arbeitsverhältnis mit einem Streitwert bis zu 30 000 Franken;
d  nach den Artikeln 7 und 8 des Behindertengleichstellungsgesetzes vom 13. Dezember 200223.
5    Wenn besondere Gründe es rechtfertigen, kann das Bundesgericht bei der Bestimmung der Gerichtsgebühr über die Höchstbeträge hinausgehen, jedoch höchstens bis zum doppelten Betrag in den Fällen von Absatz 3 und bis zu 10 000 Franken in den Fällen von Absatz 4.
BGG).

5.2. Die Beschwerdeführerin hat die Beschwerdegegnerin angemessen zu entschädigen (Art. 68 Abs. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 68 Parteientschädigung - 1 Das Bundesgericht bestimmt im Urteil, ob und in welchem Mass die Kosten der obsiegenden Partei von der unterliegenden zu ersetzen sind.
1    Das Bundesgericht bestimmt im Urteil, ob und in welchem Mass die Kosten der obsiegenden Partei von der unterliegenden zu ersetzen sind.
2    Die unterliegende Partei wird in der Regel verpflichtet, der obsiegenden Partei nach Massgabe des Tarifs des Bundesgerichts alle durch den Rechtsstreit verursachten notwendigen Kosten zu ersetzen.
3    Bund, Kantonen und Gemeinden sowie mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen wird in der Regel keine Parteientschädigung zugesprochen, wenn sie in ihrem amtlichen Wirkungskreis obsiegen.
4    Artikel 66 Absätze 3 und 5 ist sinngemäss anwendbar.
5    Der Entscheid der Vorinstanz über die Parteientschädigung wird vom Bundesgericht je nach Ausgang des Verfahrens bestätigt, aufgehoben oder geändert. Dabei kann das Gericht die Entschädigung nach Massgabe des anwendbaren eidgenössischen oder kantonalen Tarifs selbst festsetzen oder die Festsetzung der Vorinstanz übertragen.
und 2
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 68 Parteientschädigung - 1 Das Bundesgericht bestimmt im Urteil, ob und in welchem Mass die Kosten der obsiegenden Partei von der unterliegenden zu ersetzen sind.
1    Das Bundesgericht bestimmt im Urteil, ob und in welchem Mass die Kosten der obsiegenden Partei von der unterliegenden zu ersetzen sind.
2    Die unterliegende Partei wird in der Regel verpflichtet, der obsiegenden Partei nach Massgabe des Tarifs des Bundesgerichts alle durch den Rechtsstreit verursachten notwendigen Kosten zu ersetzen.
3    Bund, Kantonen und Gemeinden sowie mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen wird in der Regel keine Parteientschädigung zugesprochen, wenn sie in ihrem amtlichen Wirkungskreis obsiegen.
4    Artikel 66 Absätze 3 und 5 ist sinngemäss anwendbar.
5    Der Entscheid der Vorinstanz über die Parteientschädigung wird vom Bundesgericht je nach Ausgang des Verfahrens bestätigt, aufgehoben oder geändert. Dabei kann das Gericht die Entschädigung nach Massgabe des anwendbaren eidgenössischen oder kantonalen Tarifs selbst festsetzen oder die Festsetzung der Vorinstanz übertragen.
BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Die Beschwerdeführerin hat die Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2800.- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 10. Januar 2022

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Wirthlin

Der Gerichtsschreiber: Grunder
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 8C_367/2021
Date : 10. Januar 2022
Published : 01. Februar 2022
Source : Bundesgericht
Status : Unpubliziert
Subject area : Unfallversicherung
Subject : Unfallversicherung (Kausalzusammenhang; psychisches Leiden)


Legislation register
BGG: 29  42  65  68  93  95  96  97  105  106
BGE-register
115-V-133 • 117-V-359 • 129-V-177 • 134-V-109 • 139-V-42 • 140-V-220 • 145-V-57
Weitere Urteile ab 2000
8C_367/2021 • 8C_494/2013 • 8C_593/2013
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federal court • lower instance • aargau • statement of affairs • objection decision • hedge • federal insurance court • infringement of a right • litigation costs • appeal concerning affairs under public law • automobile • drawn • final decision • clerk • meadow • ex officio • decision • mental illness • accident insurance • adequate causality • damage • experience principle • statement of reasons for the request • statement of reasons for the adjudication • road • report • highway • within • position • payment • lawyer • psychiatry • partial acceptance • commencement of occupation • dying person • death • psychotherapy • knowledge • participant of a proceeding • finding of facts by the court • day • interim decision • guard • notary • swiss federal office of public health • question • [noenglish] • correspondence • actuarial medicine
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